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Formel-Serien: Auf wen man 2010 achten muss

von Vorsicht
4 Kommentare

Das neue Jahr hat begonnen, und am Horizont leuchtet dem Fan blass die kommende Motorsport-Saison entgegen. Für einige Nachwuchstalente wird 2010 über Wohl und Weh entscheiden.

Noch nie in der Motorsport-Geschichte gab es so viele hochklassige Nachwuchsserien wie heute. Darüber, was das für Zuseher, Motorsport-Business und Fahrer bedeutet, hat Don schon vor einiger Zeit hier geschrieben. Die Serienflut hat aber noch eine weitere Folge: Die Suche nach den echten Talenten gestaltet sich im Überfluss an Serien immer schwieriger, die Einschätzung der einzelnen Fahrer fällt auch sehr informierten Fans nicht mehr leicht. Einige Fahrer konnten 2009 aber doch deutlich aus der Menge heraus stechen – mit ihnen wird im kommenden Jahr sicher zu rechnen sein.

Die Meister

Bei aller Streuung der Talente in die verschiedenen Klassen: Wer eine der großen Formelserien für sich entscheiden kann, muss schon über eine Menge Talent verfügen. Da wären also:

GP2 – Nico Hülkenberg Es scheint fast ein bisschen merkwürdig, den jungen Deutschen in einer Vorschau auf die Juniorfahrer aufzuführen. Immerhin hat er das Ziel, dem alle anderen hinterher hecheln schon erreicht: Hülkenberg sitzt 2010 als Einsatzfahrer im Williams. Beim britischen Traditionsteam hält man große Stücke auf den „Mann aus Emmerich“ (wie Norbert Ockenga zu sagen pflegt). Ist das Vertrauen auch gerechtfertigt? Man kann wohl davon ausgehen: Hülkenberg konnte immerhin gleich im ersten Antreten die A1GP-Serie, in der damals noch durchaus namhafte Fahrer unterwegs waren, für sich bzw. Deutschland entscheiden. In der F3-Euroserie musste er sich im ersten Jahr mit Grosjean und Buemi nur zwei Fahrern geschlagen geben, die mittlerweile auch schon eine F1-Chance erhalten haben (wenn auch mit gemischten Ergebnissen), im zweiten Jahr konnte er letzlich fast mühelos den Titel holen. In der GP2 Asia, in die er mitten in der Saison einstieg, konnte er ebenfalls auf Anhieb beeindrucken, und holte gleich beim ersten Einsatz eine Pole Position. In der GP2 war er mit Grosjean (in dessen zweiter Saison) meist gleich auf, nach dem Aufstieg des Franzosen aus Genf in die Formel 1 hatte die Konkurrenz keine Chance gegen Hülkenberg. Auf seine ersten Auftritte in der Königsklasse können wir also schon gespannt sein.

WSbR – Bertrand Baguette Die WSbR, die der Belgier in vergangenen Jahr im dritten Anlauf für sich entscheiden konnte, ist eine der Serien, die man etwas schlechter einschätzen kann. Experten sprechen gerne davon, dass die Serie auf dem gleichen Niveau sei, wie die GP2. Aufsteiger wie Robert Kubica oder Sebastian Vettel scheinen die Qualität der WSbR zu bestätigen. Trotzdem: Eine Serie, in der der Vizemeister Fairuz Fauzy heißt, muss sich (auch, wenn ich den Malyasier für einen eher unterschätzten Fahrer halte) Fragen zum Fahrerkader gefallen lassen, auch, wenn alle Fahrer bis Platz 5 (das sind außer den beiden noch Pic, Turvey und Walker) für sich in Anspruch nehmen können, einen aktiven Formel 1-Fahrer geschlagen zu haben: Jaime Alguersuari (Platz 6) nahm trotz F1-Engagements an allen Rennen 2009 teil. Mit der Einschätzung der Serie steht und fällt aber auch jene ihres Meisters: Zugute halten muss man Baguette, dass er nicht einfach nur Meister wurde, sondern gleich um die Hälfte mehr Punkte hatte als Vizemeister Fauzy (155 zu 98). Weniger für Baguette sprechen seine Platzierungen aus den vergangenen beiden Jahren: Die Plätze 17 (2007) und 7 (2008). In der Formel 1 scheint man trotzdem Interesse zu haben: Baguette war in letzter Zeit immer wieder als möglicher Sauber-Testfahrer im Gespräch.

Formel 3 Euroseries – Jules Bianchi In seiner ersten Saison 2008 musste sich der von Nicolas Todt gemanagte Franzose (das kann nun wirklich auch kein Nachteil sein) noch Nico Hülkenberg und Eduardo Mortara geschlagen geben, 2009 hat er den Meistertitel errungen. Auch sonst konnte Bianchi 2009 mächtig beeindrucken: Ferrari war von seinem Talent (und womöglich auch seinem politischen „Package“) so begeistert, dass man ihm nach Testfahrten Anfang Dezember in Jerez einen langfristigen (aber im Inhalt eher undefinierten) Fördervertrag anbot. 2010 wird Bianchi zwei Rennen der GP2 Asia für ART bestreiten, und dann für das Team auch die gesamte Europa-Saison fahren. Wenn es in der GP2 so gut läuft, wie viele glauben, wird man Bianchi wohl über kurz oder lang (eher kurz) auch in der Formel 1 fahren sehen.

Formel 3 GB – Daniel Ricciardo Mit der britischen Formel 3 ist es ein wenig so wie mit der WSbR: Man kann sie schwer einschätzen. So wie die WSbR verfügt die Britische F3 über einen exzellenten Ruf, anders als bei der WSbR konnten aber die Talente, die in den vergangenen Jahren in der F3 reüssierten nicht alle auch in höheren Serien beeindrucken. Vorjahresmeister Alguersuari tat sich in seinem ersten F1-Jahr noch merklich schwer. Der Vize des vergangenen Jahres, Brendon Hartley, der im Winter 2008/09 noch als zukünftiger Lenkradgott verkauft wurde, hatte 2009 ein eher charakterbildendes Jahr mit verstreuten Ensätzen in diversen Junior-Serien. Der Traum von der F1 ist für den Neuseeländer eher in die Ferne gerückt, als näher gekommen. Will sagen: Der Brendon Hartley des Winters 2009/10 könnte Daniel Ricciardo sein. Der Australier wird nach dem Meistertitel 2009 und seinen Junior-Day-Testeinsätzen für Red Bull von allen Seiten gelobt. Dass sein schärfster Konkurrent in der Britischen F3 aber Walter Grubmüller hieß, und dass sich Ricciardo gerne auch mal Teilzeitstartern wie Renger von der Zande oder Marcus Ericsson geschlagen geben musste, wird bisweilen vergessen. Dass auch Ricciardos Saison 2010 den Spuren von Hartley folgen wird ist damit natürlich noch lange nicht gesagt – seine Testzeiten in der Formel 1 waren wirklich sehr solide. Weiter beobachten sollte man seine Karriere 2010 allemal.

Formel 2 – Andy Soucek Eine Analyse der F2-Saison 2009 habe ich an anderer Stelle schon mal hier geschrieben. Dabei habe ich auch erwähnt, dass es an der Glaubwürdigkeit der neuen Serie nagt, dass sich Soucek trotz mäßiger Resultate in anderen Serien dort durchsetzen konnte. Das glaube ich weiterhin. Allerdings besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass Soucek sich über den vergangenen Winter plötzlich stark gebessert hat, bisher mit seinen Teams nicht gut bedient war, oder einfach mit dem F2-Wagen besonders gut zurecht kam. Auch seine Zeiten bei den F1-Junior-Testtagen waren nicht übel. Aber ob das reicht? Die Hoffnungen auf einen Platz bei Campos Meta in der Formel 1 scheinen sich (mangels Sponsoren) eher zerschlagen zu haben. Wohin will Soucek aber sonst? In der GP2 braucht er ebenfalls einiges an Geld und läuft außerdem Gefahr, sich seinen Ruf wieder zu zerstören. An einer zweiten Saison in der Formel 2 werden weder er, noch die Formel 2 interessiert sein, die sicher auch nicht den Eindruck erwecken will, zu einem Sammelbecken für alternde B-Talente zu werden. 2010 ist wohl in jedem Fall die Saison der letzten Hoffnung für Soucek – eine faire Chance hätte er aber verdient.

Formula Master – Fabio Leimer „International Formula Master“-Meister 2009 ist sicherlich nicht gerade der erstrebenwerteste Titel des vergangnen Jahres. Die Serie kämpfte über die ganze Saison mit schrumpfenden Fahrerfeldern, hohen Kosten – und einem mittelmäßigen Ruf. Kann die Meisterschaft 2009 unter diesem Voraussetzungen also viel wert sein? Wahrscheinlich nicht. Auf Fabio Leimer muss man im kommenden Jahr aber trotzdem achten: Das recht passable Auftreten des Schweizers (und des Seriendritten Josef Kral) bei deren erstem Einsatz in der GP2 Asia in Abu Dhabi legen nahe, dass man die Formula Master vielleicht doch ein wenig unterschätzt hat. Leimer wird auch die restliche GP2 Asia, und danach die GP2 Europa-Serie für Ocean Racing bestreiten. Das ist zwar nicht grade das GP2-Team, von dem aufstrebende Talente träumen. Am Ende des Jahres 2010 wird man aber trotzdem eine Ahnung haben, in welche Richtung Leimers Karriere geht.

Auf wen man sonst noch achten muss

GP2 Neben Hülkenberg konnten im vergangenen Jahr noch Petrov und di Grassi richtig überzeugen. Di Grassi wird im kommenden Jahr endlich bei Virgin in der Formel 1 zeigen können, was er wirklich drauf hat. Auch Petrov wurde immer wieder als Kandidat auf ein F1-Cockpit 2010 genannt, in den vergangenen Wochen ist es aber ein wenig still um die Karriere des Russen geworden. Der Sponsorenvertrag, den das neue „Renault“-Team mit dem russischen Mobilfunker Megafon abgeschlossen hat, könnte auf ein Engagement von Petrov  hindeuten. Ob als Test- oder vielleicht sogar Einsatzfahrer ist aber (wie die gesamte-Renault-Connection) völlig unklar. Wenn man die Sache mit den GP2-Fahrern, die es im kommenden Jahr zu beobachten gilt ganz genau nehmen will, dass muss man außerdem noch Kamui Kobayashi erwähnen, der zwar in der GP2 nicht über Platz 16 hinaus kam, aber trotzdem (wegen seiner guten Rennen in Brasilien und Abu Dhabi) im kommenden Jahr bei Sauber starten wird.

WSbR Auch in der WSbR gibt es einige Namen, die man im Hinterkopf behalten sollte: Fairuz Fauzy könnte (wenn er seine Form von 2009 noch etwas verbessern kann) vielleicht in absehbarer Zeit für Lotus F1 auch als Einsatzfahrer interessant werden, 2010 ist er dort als Testfahrer engagiert. Sonst noch zu beachten: Pic, Turvey, Walker, und vielleicht auch noch Chris van der Drift.

Formel 3 Euroseries Neben Bianchi muss man in der Formel 3 natürlich zuerst Germany’s Next GP2-Meister Christian Vietoris nennen, der eine recht brauchbare Saison hingelegt hat, aber auch noch über etwas Steigerungspotential verfügen sollte. Auch Mika Mäki (Platz 6) sollte man (anders als Red Bull, die ihn aus ihrem Juinor-Kader entfernt habe) noch nicht abschreiben – 2010 wird aber für ihn sicher eine Schicksalssaison. Dem Hamilton/Bianchi/Hülkenberg-Muster einer mittelmäßigen ersten Saison, die von einer tollen zweiten gefolgt wird, könnte derweil vielleicht Roberto Mehri folgen. Der junge Spanier konnte im vergangenen Jahr zwar vereinzelte Speed-Glanzpunkte setzen, ließ aber (noch?) aber recht deutlich die Konstanz über ein ganzes Rennen (geschweige denn ein Wochenende oder eine Saison) hinweg vermissen.

Formel 3 GB Hier nach weiteren Talenten zu suchen, fällt mir besonders schwer. Vize Walter Grubmüller konnte weder in den vergangenen Saisons besonders überzeugen, noch konnte er Meister Ricciardo ernstlich Paroli bieten (Punktestand: 275 zu 188). Für das kommende Jahr hat ihm sein Vater dem Vernehmen nach einen Platz in der WSbR gekauft – vielleicht kann er uns dort ja alle überraschen. Renger van der Zande konnte sich bei seinen sporadischen Einsätzen ganz gut verkaufen, ebenso Marcus Ericsson, der ja ebenfalls bei den F1-Junior-Testtagen zum Einsatz kam. Mal sehen…

Formel 2 Vizemeister Robert Wickens wurde (wie Mäki) nach der Saison 2009 aus dem Red Bull Juniorkader entfernt. Wie Mäki sollte man Wickens aber noch nicht ganz abschreiben. In einem Interview hat er vor einigen Wochen betont, dass er der einzige Noramerikaner sei, der für 2010 über eine Superlizenz verfügt – und das ist natürlich kein schlechtes Argument. Bisher scheint aber niemand angebissen zu haben. Die Saison 2010 wird wohl über die weitere Karriere des Kanadiers entscheiden. Ähnliches gilt (minus Nordamerikaner) für Mikhail Aleshin und (minus Nordamerikaner und Superlizenz) für Mirko Bortolotti. Der für Italien startende Spross einer Wiener Eissalon-Dynastie hat 2009 ein ähnliches Schicksal erlitten wie Brendon Hartley – seine Aktien sind nach gutem Winter 2008/09 eher ein wenig gesunken. Die kommende Saison wird auch er sich beweisen müssen – wenn er aber nur halb so gut fährt, wie seine Verwandten Eis machen (und manches spricht trotz mäßigem Jahr 2009 weiterhin dafür), dann sollte man auch 2010 auf den Jungen achten.

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4 Kommentare

Xander 5 Januar, 2010 - 13:12

Mal wieder eine hervorragende Analyse.
thx @Vorsicht

Aber kann es sein, dass Du teilweise 2009 und 2010 verwechselt bzw. vertippt hast?

Gruß Xander

Formel Eins: Cockpitsuchen 5 Januar, 2010 - 13:50

[…] Theoretisch ebenfalls frei ist der zweite Platz bei Toro Rosso. Alguarsuari schien erst sicher zu sein, aber jetzt ist es verdächtig still geworden. Der Rookie-Test im Februar konnte nur Ricciardo glänzen, aber soll man den schon in ein F1-Cockpit hieven und ebenso verbrennnen wie Brandon Hartley oder Grosjean (Siehe dazu auch den Text zum Nachwuchs 2010)? […]

Vorsicht 5 Januar, 2010 - 15:32

Danke erstmal für das Lob! ;)

Wegen 2009/10: Kann gut sein – Anfang des neuen Jahres bin ich da leider immer ein bisschen konfus. Einen Fehler (Fauzy natürlich 20*10* bei Lotus) habe ich auf die Schnelle schon mal gefunden und korrigiert.
Ehrliche Finder werden gebeten, weitere Fehler beim Eingang abzugeben!

constantin 11 Januar, 2010 - 09:49

Sehr gute Analyse! Die kommende Motorsport-Saison wird meiner Meinung nach viel Interessantes anbieten.

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