Drei Hersteller am Absprung, ein dezimiertes Starterfeld und wirtschaftliche Ungewissheit: Wenn am Wochenende das Rennen in Curitiba über die Bühne geht, endet für die WTCC ein problemreicher Winter. Die neue Saison wird wohl trotzdem spannend.
Seat? Das Werksteam wurde aus der WTCC zurückgezogen. BMW? Nur noch zwei Autos mit Werksunterstützung dabei. Lada? Für manche überraschend abrupt ganz aus der WTCC verschwunden. Rickard Rydell, Alex Zanardi und Jörg Müller? Eingespart. Die prestigereichen Rennen in Pau und Porto? Vielleicht im nächsten Jahr wieder im Kalender. Was gibt es stattdessen? Chevrolet hat sein Werksengagement um ein Auto von zwei auf drei erweitert setzt auch in diesem Jahr wieder drei Fahrzeuge werksseitig ein. Seat wird Privatteams stärker unterstützen, und unter anderem auch mit Diesel-Wagen ausrüsten. Bei den Strecken steht Zolder und Portimão neu um Programm, während Monza wieder Imola ersetzt. Alles also ein eher magerer Ersatz für die Verluste. Könnte man meinen. Vielleicht liegen aber gerade in den vermeintlichen Problemen erfreuliche Chancen für die Tourenwagen WM.
Denn gerade das massive Engagement der Hersteller hat in den vergangenen Jahren immer wieder für deutliche Probleme gesorgt. Man denke nur an das Hick-Hack um die Äquvivalenzregelungen zwischen Benzinern und dieselbetriebenen Fahrzeugen. Oder an die teils arg unsportliche Stallregie. Oder die fast überholfreien Rennen auf den Traditionskursen von Pau und Porto. All das wird sich mit weniger werksseitigem Engagement nicht schlagartig ändern – aber wenn man sich andere Tourenwagenserien ansieht, in denen mehr Privatiers an den Start gehen, dann könnte man zumindest auf Verbesserungen hoffen. Ähnliches gilt für die Strecken: Man sollte nicht völlig auf die Tradition verzichten – aber dass man in Monza und Portimão besser überholen kann, als auf den engen Stadtkursen – das ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Und so sehr alte Hasen wie Müller und Rydell (oder gar der unverwüstliche Alex Zanardi) ihren Wert haben – etwas frisches Blut könnte der Serie durchaus auch gut tun.
Was erwartet uns also konkret in der neuen Saison? Weltmeister Tarquini wird nach langem hin und her auch in diesem Jahr wieder in der WTCC starten – und zwar im werksunterstützten Privatteam von SR-Racing, wo außerdem seine ehemaligen Seat-Werkskollegen Taigo Monteiro und Jordi Géne untergekommen sind – vor allem mit Taquini wird also wohl auch 2010 zu rechnen sein. Einen weiteren SR-Racing TDI konnte sich Tom Coronel sichern – auch der Niederländer könnte also in diesem Jahr durchaus den einen oder andern Sieg einfahren. Ein starkes Team stellt 2010 auch Chevrolet: Das gewohnte Dou aus Rob Huff und Alain Menu wird in dieser Saison von Ex-Champion Yvan Muller verstärkt. Im stark reduzierten BMW-Werksteam haben sich Augusto Farfus und Andy Prilaux halten können. Wegen des teilweisen Rückzugs der Hersteller könnten auch einige „echte“ Privatiers (also solche, die nicht im Quasi-Werksteam von Seat fahren) vorne mitfahren: Vor allem DTC-Champion Michel Nykjær sowie Sergio Hernandez sollte man im Auge behalten. Vielleicht kommt aber auch Franz Engstler diesmal kein Safety Car in die Quere, wenn er mal wieder in Führung liegen sollte. Alles in allem sieht die Aufstellung nach einem recht ausgeglichenen Feld aus, was zumindest auf enge Rennen hoffen lässt.
Auch bei den Strecken hat das Tradition/Action-Pendel – wie oben geschildert – wieder etwas mehr in Richtung Action ausgeschlagen. Die Highlights: Marrakesch hat beim Premierenrennen 2009 erstaunlich unterhaltsame Rennen geliefert, auch, wenn das Layout der Strecke nur mäßig einfallsreich ist. (Ob es aber klug ist, dort auch die F2 fahren zu lassen habe ich ja schon an anderer Stelle bezweifelt – und da habe ich auch weiterhin massive Zweifel.) Monza hat eigentlich noch in jedem Jahr Spektakel geliefert, und Potimão und Brands Hatch versprechen auch ansprechendes Tourenwagen-Racing. Diskutabel ist sicher das Rennen in Macao: Einerseits sieht jeder gerne hin, wenn die Tourenwagen Seite an Seite durch die engen Häuserschluchten rasen. Andererseits sieht es kaum jemand gerne, wenn dann reiheweise Fahrer im Krankenhaus landen. Ob es noch zeitgemäß ist, auf der Strecke in ihrem jetzigen Zustand Rennen auszutragen, darf bezweifelt werden. Das gilt aber nicht nur für die Tourenwagen, sondern noch viel mehr für das allseits beliebte F3-Rennen, bei dem man schon jetzt in jedes Mal kräftig durchatmen muss, wenn es wieder nicht zur Katastrophe gekommen ist. Und wer auf die völlig bescheuerte Idee gekommen ist, dort auch noch ein Motorradrennen auszutragen, das frage ich mich ohnehin in jedem Jahr.
Aber zurück zur WTCC: Dort wartet am Wochenende die Strecke von Curitiba auf die vermutlich 21 Fahrer. Die WTCC geht dort nun schon zum fünften Mal an den Start, und bei den vergangenen Veranstaltungen habe ich mich immer gefragt, ob die Rennen dort wirklich so spannend sind, wie sie mir vorkommen, oder ob die Spannung eher aus der Tatsache gewonnen wird, dass es sich um die jeweiligen Premierenrennen der WTCC handelt. Mittlerweile tendiere ich eher zu zweiterem. Trotzdem: Immerhin ist das Circuito Raul Boesel eine echte und gut gepflegte Rennstrecke, auf der faire, sichere und gut organisierte Rennen ausgetragen werden – was man ja nicht von allen Autragungsorten der WTCC behaupten kann. Dass die WTCC in ganz Mexiko etwa keinen besseren Kurs findet, als die Bahn im Infield des Ovals von Puebla kann wohl nur durch die üppige Bandenwerbung des örtlichen Fremdenverkahrsamtes erklärt werden, die immer an den europäischen Rennstrecken prangt.
Man wird das Gefühl nicht los, dass 2010 von den WTCC-Verantwortlichen als eine Art Übergangsjahr betrachtet wird, bis man 2011 dann mit neuem Regelment durchstarten will. So schließen auch Seat und BMW nicht aus, bei Gefallen am neuen Reglement im kommenden Jahr wieder verstärkt einzusteigen. Auch andere Hersteller – etwa Volvo – haben ihr prinzipielles Interesse bekundet. Außerdem plant die WTCC 2011 mit einigen neuen Rennen, etwa in Russland und den USA – wobei der genaue Austragungsort jeweils noch unklar ist. Neulich hat FIA-Präsident Todt auch angemerkt, dass er sich ein Rennen der WTCC im Hoffnungsmark Indonesien recht gut vorstellen könnte. Mal sehen.
Wenn man also davon ausgeht, dass 2010 eher ein Gap-Year sein soll, dann muss man jedenfalls sagen, dass schließlich doch ein ganz ansprechendes Paket geschnürt wurde. Zusätzlich zur WTCC wird es 2010 übrigens auch eine erweiterte ETCC geben, die nicht mehr nur aus einem Meeting besteht, sondern an vier Wochenenden in Oschersleben, am Salzburgring und in Braga, sowie auf der italienischen Rennstrecke von Franciacorta ausgetragen wird. Ähnlich wie bei der WTCC, bei der Eurosport über der Tochterfirma KSO auch als Veranstalter und Vermarkter auftritt, würde es mich doch sehr wundern, wenn diese Rennen nicht auch im Programm des paneuropäischen Sportgiganten auftauchen würden.
4 Kommentare
Wenn mich nicht alles täuscht, dann war Chevrolet doch schon in den letzten Jahren immer mit 3 Wagen (Huff, Menu, Larini) dabei, oder?
@ Jan:
Ist natürlich richtig. Klassischer Fall von falscher Erinnerung – sorry!
Deine schlechte Meinung zu den Stadtkursen, allen voran Pau teile ich nicht, gerade WEIL dort überholen so schwierig ist/war, wurde jeder Zwei- bzw. Mehrkampf dadurch umso interessanter!
Histo Cup Austria, Young Timer Salzburgring Mai 2009…
I found your entry interesting thus I’ve added a Trackback to it on my weblog :)…
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