Nach dem in der Schlussphase turbulenten All-Star-Rennen bleibt die NASCAR noch eine Woche am Charlotte Motor Speedway, denn am Memorial-Day-Wochenende ist es traditionell Zeit für das Coca-Cola 600 – das längste NASCAR-Rennen des Jahres; mit einer speziellen Startzeit.
In diesem Jahr geht es rennkalendertechnisch ein wenig anders zu als in den letzten Sonnenumläufen, denn das Wochenende nach Himmelfahrt in Europa und das Memorial-Day-Wochenende in den USA fallen nun nicht zusammen. Das beraubt uns der besonderen Konstellation, dass der F1-GP von Monaco, das Indy 500 und das Coca-Cola 600 genau auf einen Tag fallen. Da der Memorial-Day 2010 (Montag nach dem letzten Wochenende im Mai) sehr spät im Kalender liegt, schob die NASCAR sogar noch das Dover-Rennen vor die beiden Charlotte-Wochen. Trotzdem liegt ein tolles Motorsport-Wochenende vor uns, denn auch die IndyCars sind beim Indy 500 traditionell am Sonntag vor dem Memorial-Day unterwegs und die Formel 1 fährt vor diesem größten Ein-Tages-Sportereignis der Welt zumindest in der Türkei. Also am Sonntag: F1, kurze Verschnaufpause, Indy 500 und dann direkt im Anschluss das Coca-Cola 600 der NASCAR auf dem Charlotte Motor Speedway.
Das längte Saisonrennen der NASCAR geht in 400 Runden auf dem 1,5-Meilen-Intermediate-Oval also über 600 Meilen, was bis auf 34km in etwa einem europäischen 1000km-Langstreckenrennen entspricht. Der letztjährige Event musste zunächst wegen schlechten Wetters auf den in den USA freien Memorial-Day-Montag verlegt werden und konnte dort auch nicht komplett ausgefahren werden. Nach 227 Umläufen war bereits Schluss und eine Stunde später wurde David Reutimann zum Sieger gekrönt. Der Fahrer der #00 pokerte hoch und blieb beim letzten Boxenstopp vor dem großen Regen gemeinsam mit Ryan Newman und Robby Gordon auf der Strecke, was ihm seinen ersten Sprint-Cup-Sieg einbrachte. Normalerweise dauert das Coca-Cola 600 ungefähr vier Stunden und 30 Minuten, was die Marken aus den Jahren 2007 und 2008 zeigen. Damit ist man ungefähr eine Dreiviertelstunde länger unterwegs als beim Chase-Rennen über 500 Meilen im Herbst.
Von der finanziellen Seite gesehen lohnt sich eine Teilnahme am Coca-Cola 600 jetzt nicht unbedingt übermäßig. Der Sieger verdient mit ca. 400.000 US-Dollar zwar weniger als bei den extrem rentablen Rennen in Texas (mehr als 500.000$), sowie beim Daytona 500 (über 1 Million US-Dollar), dafür ist das längste Rennen der Saison aber sehr öffentlichkeitswirksam. Immerhin erreichte man zwischen 2002 und 2004 höhere Einschaltquoten als das Indy 500. Für Teams auf Sponsorensuche ist es am Wochenende sicherlich lohnenswert, sich ins Rennen zu fahren, um potentielle Geldgeber auf sich aufmerksam zu machen. Die durchschnittlich höheren Preisgelder sind wohl vor allem für die Start&Park-Teams ein zusätzlicher Anreiz. In erster Linie zählt an diesem Wochenende also auch das Prestige, denn das Coca-Cola 600 wird als eines der fünf großen NASCAR-Rennen der Saison neben dem Daytona 500, dem Brickyard 400, dem Southern 500 und dem Aaron’s 499 angesehen.
Die Hendrick-Piloten waren in Charlotte wie fast überall überdurchschnittlich erfolgreich
Die besten Chancen in Charlotte haben sicherlich die bisherigen noch aktiven Sieger, denn die wissen schon, wie man hier gewinnt. Die Liste der siegreichen Fahrer führt Jimmie Johnson mit insgesamt sechs Siegen an, wobei er das Coca-Cola 600 zwischen 2002 und 2004 drei Mal in Folge gewinnen konnte; außerdem ist er der Vorjahressieger des Chase-Rennens. Kein Wunder, dass der Charlotte Motor Speedway auch das „Wohnzimmer von Jimmie Johnson“ genannt wird. Sein Teamkollege Jeff Gordon konnte über die Jahre immerhin fünf Siege ansammeln, von denen vier allerdings seiner dominanten Phase in den 90er-Jahren entspringen. Wen überrascht es, dass nun an dritter Stelle Mark Martin (4 Erfolge für Jack Roush im Ford) folgt? Rick Hendrick hat sicherlich ein Gespür dafür, erfolgreiche Top-Fahrer unter seinem Dach zu versammeln. Damit kommen wir auch gleich zu Platz 4, den sich Jeff Burton und die jüngste Hendrick-Neuverpflichtung Kasey Kahne mit jeweils drei Siegen teilen. Bobby Labonte (damals noch bei Joe Gibbs) und Bill Elliott (in den 80ern) konnten schon zwei Mal gewinnen, während Jamie McMurray, Tony Stewart, Matt Kenseth, Casey Mears und David Reutimann bisher erst ein Mal in die Charlotte-Victory-Lane gefahren sind.
Mit wem ist beim Coca-Cola 600 sonst noch zu rechnen? Richard Childress Racing leben immer dann wieder auf, wenn ich sie totgeredet habe. Da Kevin Harvick und Jeff Burton in der Lage waren, zumindest solide Top10-Resultate herauszufahren, sollte man auch weiterhin damit rechnen. Einen Rennsieg sehe ich jedoch bei keinem der beiden Fahrer Wirklichkeit werden, vermutlich wird Harvick aber seine Tabellenführung behalten können und die Vertragsverlängerung dürfte ihm Rückenwind gegeben haben. Die wirklichen Favoriten sind wohl wie so oft in diesem Jahr die Hendrick-Teams von Jimmie Johnson (wenn er denn wieder mehr Glück hat), Jeff Gordon (der Sieg ist längst überfällig) und Mark Martin, sowie Kyle Busch (konsequent in den Top10 seit 2006 und Zweiter in der Meisterschaft) und Denny Hamlin bei Joe Gibbs Racing. Die beiden Gibbs-Piloten bekamen sich beim All-Star-Rennen zwar in die Wolle, aber laut Teamchef sollen diese Ablenkungen behoben sein.
Joey Logano konnte bei seinen beiden bisher einzigen Charlotte-Rennen auf Platz 5 und 9 ankommen, was ihn zu einem Mitfavoriten macht. Ebenso muss man David Reutimann (nach seinem Vorjahressieg) und Martin Truex Jr (Zweiter im All-Star-Rennen) für die Top10 auf dem Radar haben. Bei Ryan Newman und Tony Stewart denke ich, dass die Erfolge noch ein wenig auf sich warten lassen werden. Newman konnte zwar in Phoenix gewinnen, aber so wirklich am Ball wird Stewart-Haas Racing wohl erst in der „Summer Series“ sein. Im Chevrolet-Lager bleiben jetzt noch Jamie McMurray und Juan Pablo Montoya (Top10 im letzten Coca-Cola 600) übrig, die zwar sehr gute Platzierungen herausfahren können, aber oft vom Pech verfolgt wurden. Für Dodge wird wohl einzig Kurt Busch (Sieger des All-Star-Rennen 2010) erfolgreich sein, denn Sam Hornish Jr war in Charlotte zwar oft gut unterwegs (ehemaliger Sieger des Sprint Shootout), bleibt aber konstant in Dreher verwickelt.
Das Ford-Lager kam zuletzt wieder etwas in Schwung, doch hier muss man weiterhin abwarten, ob das auch konsequent und stabil bleibt. Der Charlotte Motor Speedway ist aber eigentlich eine Strecke, auf der die Fords in den letzten Jahren ordentliche Ergebnisse einfuhren. Noch dazu hat man mit Kasey Kahne einen dreifachen Sieger in Charlotte, der seit 2006 nur ein Mal nicht in den Top10 ankam. Matt Kenseth, Greg Biffle und Carl Edwards sind ebenfalls definitiv Kandidaten für ein Top10-Resultat, doch schätze ich sie nicht so stark ein wie Kasey Kahne. Der Sieg wird wie oben erwähnt vermutlich an Hendrick oder Gibbs gehen, wobei aber gerade ein 600-Meilen-Rennen natürlich ein Ausdauerwettbewerb ist. Da muss man von Anfang an auf der Hut sein, die Runden vorerst nur abspulen, sich bei den Boxenstopps „track position“ sichern, um dann im Finale unbeschädigt vorne mit dabei zu sein. Sicherlich kein einfaches Unterfangen, 1000km sind immerhin 100km mehr als Deutschland von Nord nach Süd lang ist – und das alles in viereinhalb Stunden.
In der Meisterschaft rutscht Jimmie Johnson weiter ab / Cockpittausch bei Front Row
Zunächst noch ein Überblick über die derzeitige Meisterschaftswertung der Fahrer und der Situation „on the bubble“ bei den Owner-Points, bevor dann wie gewohnt die Sendezeiten folgen. Tony Stewart konnte in Dover gleich vier Ränge gutmachen und wird nun sicherlich seinen gewohnt starken Sommer einleiten, während Jimmie Johnson durch eine Menge Pech zwei Plätze verlor. Front Row Motorsports hat wie vermutet mal wieder einen Fahrertausch durchgeführt, weil Rookie Kevin Conway nicht gerade als guter Qualifikationsfahrer gilt. Diese komplette Rotation sieht nun folgendermaßen aus: Travis Kvapil muss von der relativ sicher qualifizierten #34 in die #38 umsteigen, welche mit zwei Punkte knapp in den Top35 ist. Dafür kommt Kevin Conway dann in die #34, damit er sicher qualifiziert ist, wobei seine #37 außerhalb der Top35 vom guten Quali-Fahrer David Gilliland übernommen wird. Gilliland macht damit in der #38 für Kvapil Platz… alles klar? Hier noch die Übersichten, wobei man eben den durchaus cleveren Cockpittausch berücksichtigen muss:
Weil das Coca-Cola 600 das längste Rennen der Saison ist und auch direkt nach dem Indy 500 startet, muss auch die Startzeit angepasst werden, was die einzige Ausnahme der neu eingeführten einheitlichen Uhrzeitregel ist. Das Cup-Rennen startet demnach gegen Mitternacht von Sonntag auf Montag, was für die arbeitende Bevölkerung mal wieder eine zusätzliche Belastung darstellt –in den USA ist der Memorial-Day-Montag natürlich frei. NASCAR-RaceDay auf SPEED geht von 21 bis 23 Uhr und FOX scheint bei seinem letzten Rennen 2010 erst um 23:45 Uhr auf Sendung zu gehen; möglicherweise geht es also schon ab 23 Uhr mit den Vorberichten los. Der Freitag ist komplett trainingsfrei, weshalb das Qualifying des Cups schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 1 Uhr stattfindet. Am Samstag ist dann die letzte Trainingssitzung angesagt und ab 20 Uhr auch das Nationwide-Rennen auf ABC. Danach trennen sich die Wege von Cup, Nationwide Series und Trucks einige Wochen lang und TNT übernimmt für die nächsten sechs Cup-Rennen von FOX in der sogenannten „Summer Series“ (inkl. offiziellem Stream auf nascar.com), bevor die zweite Saisonhälfte auf ESPN/ABC zu sehen sein wird.