Das kommende Wochenende entschädigt höchstwahrscheinlich für die drögen Nummern in Pocono und Michigan, denn es ist endlich wieder Rundstrecken-Zeit in der NASCAR! Samstag fährt die Nationwide Series auf der legendären Road America, während am Sonntag der Sprint Cup im kalifornischen Sonoma die Reifen qualmen lässt.
Für die eine Gruppe von Fans beginnt am heutigen Freitag eine ganz besondere Zeit in der NASCAR, denn am Wochenende steht das erste von nur zwei Rundkursrennen der Cup-Saison an. Traditionell beschließt dann später im August Watkins Glen diese – durch so wunderbare Rennen in Daytona und Indianapolis unterbrochene – Phase. Doch es gibt auch eine zweite Meinung, welche sich nicht so sehr mit den Auftritten abseits der so prominent vertretenen Ovale anfreunden kann.
Grundsätzlich sollte man dabei aber bedenken, dass die Rundkurse schon seit der Gründung der NASCAR 1948 eine (wenn auch kleine) Rolle spielen und diese Art des Racings somit ebenfalls über eine Menge Tradition verfügt sowie ihre Daseinsberechtigung besitzt. Streng genommen war sogar die erste Daytona-Strecke, welche mittels zweier Kurven den Strand der Stadt mit der Hauptstraße verband, trotz ihrer Form ein Rundkurs! So sagt es dann auch der Name „Daytona Beach Road Course“. Außerdem sehr populär war der Riverside International Raceway, welcher 1989 leider zugunsten des Baus eines Einkaufszentrums abgerissen wurde und lange Zeit sogar mit zwei Saisonrennen im Kalender vertreten war.
Das Jahr des letzten Rennens in Riverside sah gleichzeitig das Debüt des Sears Point Raceway, heute dank Streckensponsoring als Infineon Raceway bekannt. Der gut 4km lange Rundkurs war sozusagen der Ersatz für die Traditionsstrecke im stetig wichtiger gewordenen Markt an der kalifornischen Westküste. In der hier verlinkten, sehr ausführlichen Streckenbeschreibung kann man bei Interesse noch einmal alles über die Geschichte und die unterschiedlichen Konfigurationen des Infineon Raceway nachlesen. Die NASCAR tritt dabei grundsätzlich auf ihrer eigenen Variante an, welche für die IndyCars wesentlich zu schnell und zu gefährlich wäre. Die behäbigen Stock-Cars müssen in den recht flotten 90°-Kurven teilweise ordentlich rumgewuchtet und geprügelt werden, was vor allem im Turn 4a echt spektakulär dicht an den Reifenstapeln vorbei geht.
Doch was wäre die NASCAR ohne Überholmanöver? Na ich lass das hier mal lieber als rhetorische Frage stehen… Gute Möglichkeiten für Überholmanöver sind zum einen der Bremspunkt vor der so charakteristischen Haarnadelkurve Turn 11, wo es immer sehr eng zugeht und auch schnell mal Feindschaften entstehen, weil nach Restarts ständig jemand umgedreht wird. Martin Truex Jr schwor zum Beispiel im letzten Jahr bittere – jedoch am Ende ausgebliebene – Rache an Jeff Gordon. Ein zweiter guter Point-to-Pass ist die Anfahrt auf Turn 7, bei der man jeden Konkurrenten stehen lassen kann, wenn man gut auf der Bremse unterwegs ist. Die folgende enge Rechtskurve lässt jedoch bei einem Verbremser auch viel Platz zum Kontern. Ehrlich gesagt habe ich in Sonoma noch nie ein langweiliges NASCAR-Rennen gesehen, was sich vermutlich auch in diesem Jahr nicht ändern wird.
Zudem wird auch die Hierarchie jedes Mal ordentlich durcheinander geschüttelt, wenn so prominente Road-Racer wie Juan Pablo Montoya, Marcos Ambrose oder Boris Said am Start sind. Doch auch die Oval-Garde schlägt sich meist ganz gut auf der Rundstrecke, immerhin ist und bleibt beides „Rennfahren“. Dauermeister Jimmie Johnson gewann zum Beispiel im letzten Jahr sein erstes Road-Course-Event, wenn auch nur knapp wegen eines gravierenden Fehlers des Favoriten Ambrose. Weitere erfolgreiche Fahrer in Sonoma sind Jeff Gordon (5 Siege) und Tony Stewart (2), wobei letzterer aber eher Watkins Glen als seine starke Rundstrecke bezeichnen dürfte. Dort hat er nämlich schon fünf Mal gewonnen. Auch Mark Martin, Kasey Kahne, Kyle Busch und sogar Robby Gordon kennen die Victory-Lane des Infineon Raceway von innen.
Ich denke, dass man am Wochenende eher ein Auge auf die Chevrolets haben sollte als auf die momentan sehr dominanten Fords von Roush-Fenway Racing. Ein Ford stand nämlich zuletzt 2002 in einer Road-Course-Victory-Lane, während die Chevys zumindest in Watkins Glen seit dieser Zeit fast alles abgeräumt haben, was es zu gewinnen gab (lediglich 2008 gewann Kyle Busch im Toyota). In Sonoma schlich sich zwischen 2007 und 2009 öfter die Konkurrenz in Form von zwei Dodges und einem Toyota (Kyle Busch 2008) dazwischen. Gerade gegen Kyle Busch sollte man also nie tippen, während sein älterer Bruder Kurt – die einzige wirkliche Dodge-Hoffnung – eher nicht so als Rundkurs-Fahrer bekannt geworden ist.
Zusammengefasst sollte man also sein Geld am Wochenende auf folgende Fahrer und Teams setzen (alle Angaben wie immer ohne Gewähr! :-) ):
– Hendrick Motorsports in Form von Jimmie Johnson, Jeff Gordon und Mark Martin, wobei Dale Earnhardt Jr jetzt eher als der traditionelle Oval-Pilot gilt. Allerdings könnte Gordon bei seiner derzeitigen Form mal wieder ein Road-Course-Event gewinnen.
– Relativ früh setze ich hier mal Marcos Ambrose, der im letzten Jahr fast gewonnen hätte und dessen erster Cup-Sieg (zumindest auf der Rundstrecke) mehr als überfällig ist. Ich vermute, dass bei ihm der Knoten am Wochenende endlich platzen wird, zumal er auch im besten Auto seiner bisherigen Karriere sitzt. Dazu kommt die Tatsache, dass Ambrose es in den letzten beiden Jahren stets in die Sonoma-Top-6 geschafft hat. 2008 schied er im Wood-Brothers-Ford in aussichtsreicher Position liegend mit einem Getriebeschaden aus.
– Kyle Busch, das Universaltalent im Toyota
– Tony Stewart, ein sehr guter Rundkurs-Pilot mit dem anstehenden Sommer-Hoch
– Juan Pablo Montoya, den man auf den Rundstrecken nicht unterschätzen darf, auch wenn die momentane Form von Team und Fahrer eher gegen ein gutes Ergebnis spricht.
– Kasey Kahne könnte bei Red Bull eine Außenseiterchance haben, wenn denn das Team durch den in dieser Woche bekanntgegebenen NASCAR-Ausstieg nach dieser Saison nicht zu sehr an Momentum und Motivation verloren hat.
– Kevin Harvick, der auch schon gute Resultate (inkl. Sieg in Watkins Glen) auf Rundkursen hingelegt hat und oft unterschätzt wird.
Damit dürfte man einen ziemlich guten Top5-Tipp mit eventuell ein paar Dark-Horses (falls man sich denn traut, beispielsweise auf Harvick oder Kahne zu setzen) für das Wochenende haben.
Die Road-Ringer vom Schlage eines Boris Said, Brian Simo oder Tony Ave treten allesamt für die kleinen Teams an und brauchen schon eine Menge Glück oder sehr gute Abstimmungsarbeit, um an der Spitze aufzutauchen. Da sollten Andy Lally (#71-TRG Motorsports) oder Terry Labonte (#32-FAS Lane Racing) noch die besseren Karten haben.
Die Nationwide Series bietet am Wochenende ebenfalls ein sehenswertes Rennen und zwar auf der traditionsreichen Road America. Auf Cup-Seite unterstützt lediglich Carl Edwards das Rundkurs-Event der zweiten Liga, wenn man denn Trevor Bayne nicht dazu zählt, welcher am Sonntag nicht in Sonoma am Start sein wird. Dafür füllen Road-Racing-Kaliber wie Jacques Villeneuve, Max Papis und Ron Fellows das Feld auf, wobei „auffüllen“ aber eine schlechte Wortwahl ist: Lediglich 41 Piloten haben für das Nationwide-Rennen gemeldet, was sicherlich ein trauriger Negativ-Rekord für die Serie ist. Meine Favoriten am Samstagabend sind eindeutig Max Papis (#33-Kevin Harvick Inc.) sowie Jacques Villeneuve (#22-Penske Racing), der für Roger Penske im Vorjahres-Meister-Auto von Brad Keselowski Platz nimmt. Sicherlich waren seine Auftritte für das ebenfalls konkurrenzfähige Team von Braun Racing schon nicht von schlechten Eltern, doch Penske ist natürlich eine ganz andere Hausnummer!
Vor den Terminen noch kurz was zur Geschichte um den Ausstieg von Red Bull zum Jahresende. Wer genaueres zu den Gegebenheiten erfahren möchte, kann sich die ganze Story in den Newshappen vom Mittwoch anschauen. Von mir nur eine kurze Bewertung dazu: Ich denke, dass Team-Manager Jay Frye einen verdammt riesigen Haufen Arbeit vor sich haben wird, wenn er die Mannschaft mit Hilfe von Investoren und/oder Sponsoren 2012 übernehmen möchte. Überlegt man sich, dass vergangenes Jahr sogar schon ein Jeff Gordon um die neue Saison kämpfen musste, dann wird es für Frye mit Sicherheit um einiges härter. Ich bin mir unterdessen nicht sicher, dass diese Unternehmung auch gelingen wird. Ich vermute zu 50%, dass man ein Start&Park-Team werden wird und zu jeweils 25%, dass man neue Sponsoren anlocken können wird oder den Rennbetrieb gänzlich wird aufgeben müssen.
Möglicherweise bleibt Red Bull aber auch als (Teilzeit-)Sponsor im Sprint Cup erhalten und da gibt es einige sehr interessante Möglichkeiten. Zum Beispiel versucht Joe Gibbs momentan, Carl Edwards von Roush-Fenway Racing abzuwerben. Da man bei Joe Gibbs Racing aber nur das Home-Depot-Sponsoring von Joey Logano anzubieten hätte, wäre eine Combo mit Red Bull sicherlich die optimalste Strategie für alle: Entweder man wirbt mit dem sportlichen, dynamischen Edwards oder dem, für die Zielgruppe wichtigen, jungen Joey Logano! Bessere Siegchancen als mit einem eigenen Team hätte Red Bull dann allemal.
Noch ein Wort zu Jeff Gordons Sponsor AARP: Gordon kämpft jetzt übrigens zwar nicht mehr um einen Sponsor, dafür aber bekanntlich gegen den Hunger. Dabei ist das Problem doch so einfach zu lösen, immerhin wird in der NASCAR zu 15% Ethanol im Motor verbrannt, welches aus Getreide und Mais von Amerikas Feldern besteht. (Vorsicht, Aussage bewusst leicht überspitzt!) Meiner Meinung nach gehört Alkohol zwar auch nicht unter allen Umständen in den Fahrer, aber doch zumindest nicht in den Tank! Ich könnte jedenfalls bei jedem Rennen laut lachen, wenn mir die bittere Ironie persönlich wieder um die Ohren schlägt, dass Jeff Gordon der Pizza-Hut-Fan-Favourite ist…
Falls ich etwas vergessen haben sollte, steht für euch natürlich wie immer die Kommentarfunktion unter dem Artikel zur Verfügung. Diese kann selbstverständlich auch zur ausgiebigen Bedaumung (sowohl negativ als auch positiv) genutzt werden!
Zum Abschluss wie gewohnt noch die Links zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie ein Zeitplan für das Wochenende. Von der Nationwide Series in Road America wird leider nur das Rennen selbst im TV übertragen. Was den Sprint Cup betrifft, so ist zwar alles zu sehen, allerdings mit teils großer Verzögerung: Das Qualifying findet zum Beispiel um 00:40 Uhr statt, wird aber erst am Samstag um 5 Uhr morgens zu sehen sein. Ich kann mir dieses Muster im Moment nur mit der Zeitverschiebung zu Kalifornien erklären. Vermutlich hat SPEED nur zu den regulären Zeiten entsprechende Kapazitäten frei und musste die Ausstrahlungen daher entsprechend verschieben. In Sonoma hat man anscheinend keine Möglichkeit alles vier Stunden später stattfinden zu lassen, damit es der Ostküste in den Kram passt.
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 24.06.
19:00 Uhr, Nationwide Series Practice, nicht im TV
21:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
22:30 Uhr, Nationwide Series Final Practice, nicht im TV
00:40 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED (TV um 5 Uhr!)
Samstag, 25.06.
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED (TV um 20:30 Uhr!)
19:45 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED (TV um 21:30 Uhr!)
21:05 Uhr, Nationwide Series Qualifying, nicht im TV
23:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (Bucyrus 200), ESPN
Sonntag, 26.06.
21:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Toyota/Save Mart 350), TNT / NASCAR.com RaceBuddy
1 Kommentare
SpeedTV zeigt um 040 Uhr unserer Zeit so eine dämliche Barrett-Jackson Automobile Auction von 5 pm bis 11pm.
Kann beim besten Willen nicht verstehen was an so einer Auction interessant ist.
Und Samstag fährt die Grand Am ihr Rennen auf der Raod America die ja Speed live überträgt und deshalb die Practice Zeit versetzt zeigt
Comments are closed.