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Best of 2011 – Teil 6

von StefanTegethoff
4 Kommentare

2011 war ein Motorsport-Jahr, an dessen Ende bei mir leider mehr negative als positive Erinnerungen hängen geblieben sind. Das wird sich 2012 hoffentlich ins Gegenteil umkehren und so wünsche ich auch allen Lesern ein frohes neues Jahr!

Und damit nun zu meinen „Rosinen“ – und den weniger schönen Gegenstücken:

Bestes Rennen

Das ist dieses Jahr eine schwierige Kategorie für mich. Sicher waren die 24 Stunden von Le Mans toll und an diese Ausgabe wird man sich noch lange erinnern. Doch um es wirklich als „bestes Rennen“ für mich zu qualifizieren, gab es zu viele schwere Unfälle und zu viele lange Safety Car-Phasen, die das Rennen immer wieder beeinflusst haben. In der Formel 1 hat mich das DRS einfach zu sehr genervt, als dass ich irgendeines als das beste des Jahres küren könnte.

Aber zwei andere Formel-Rennen haben mir dieses Jahr viel Spaß gemacht: zum einen war da das IndyCar-Rennen in Iowa, in dem Marco Andretti nach einem tollen Rennen und harten Kampf mit Tony Kanaan endlich seinen zweiten Karriere-Sieg einfahren konnte (ausführliche Highlights hier). Daneben war aber auch der erste Lauf des deutschen Formel 3-Cups in Spa sehr unterhaltsam und beeindruckend, den Marco Sorensen einige Sekunden vor Richie Stanaway gewann; nach einem tollen Dreikampf um die Spitze in der Anfangsphase gab es bis zum Ende viele tolle Kämpfe um die Podiumsplätze und auch dahinter, viele davon auf der Kemmel-Gerade, wo ich saß.

Bestes Finish

Mein bestes Finish der Saison war länger als die meisten Rennen vom Start bis ins Ziel: die Schlussphase der 24h von Le Mans – genauer: die letzten ca. 9 Stunden nach der letzten Gelbphase – waren spannend wie ich es bisher selten erlebt habe. Der tolle Fünffach-Stint auf einem Satz Reifen von Benoit Treluyer, der damit den Sieg um nur 13 Sekunden herausfuhr, sowie die Leistungen von Fässler und Lotterer werden mir noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.

Auf den Plätzen folgen: die Formel 1 in Montreal, die IndyCars in Kentucky, das Bathurst 1000 und das NASCAR-Saisonfinale (bei dem mich am meisten beeindruckt hat, dass die NASCAR-Offiziellen tatsächlich auf eine Pahntom-Debris-Caution verzichtet haben)

Bester Fahrer

In dieser Kategorie führt für mich diesmal kein Weg an Sebastian Vettel vorbei. In der Formel 1 war Button dieses Jahr auch exzellent unterwegs, und in anderen Serien gab es natürlich auch tolle Fahrleistungen zu bewundern, aber Sebastian Vettels 2011er Saison war so nahe an der Perfektion, dass sie kaum zu überbieten ist – einziges schwaches Rennen war leider der deutsche Grand Prix…

Bestes Team

Ich denke, auch hier muss ich bei der offensichtlichsten Wahl bleiben: dem Red Bull-F1-Team. Christian Horner hat über die Jahre mit der richtigen Herangehensweise und Einstellung eine tolle Mannschaft zusammengebaut, deren Herzstück die Design-Abteilung um Adrian Newey ist. Mit Webber und Vettel kommen zwei gut passende Fahrer dazu, auch wenn Webber in diesem Jahr leider irgendetwas fehlte…

Überholmanöver des Jahres

Sebastian Vettels Manöver gegen Fernando Alonso in Monza, außen herum in der Curva Grande, mit zwei Reifen auf dem Gras. Nicht dass allein das schon genug wäre, es als grandioses Überholmanöver zu qualifizieren, aber es hat auch den Diskussionen ein Ende gesetzt, Vettel könne nicht überholen, die vor allem von britischen Motorsport-Journalisten immer wieder zu hören waren.

Freunde des Jahres

Es waren wirklich keine schönen Anlässe – aber es ist doch positiv, zu sehen, dass die Motorsport-Gemeinde in schweren Zeiten eng zusammenrückt, wie es nach den Todesfällen und schweren Verletzungen einiger Fahrer in diesem Jahr der Fall war. Es wäre schön, wenn dieses Gemeinschafts-Bewusstsein auch ohne tödliche Unfälle öfter zu spüren wäre.

Duell des Jahres

Lewis Hamilton gegen sich selbst. Der Mann hat so viel Fahrtalent, aber das bringt ihm nichts, wenn er es nur an einer Handvoll Rennwochenenden schafft, sich zusammenzureißen und sich aufs ordentliche Fahren zu konzentrieren. Manchmal kam zum Hamilton-internen Duell auch noch Felipe Massa hinzu und sorgte für mehr Chaos… Schade, dass Vettel in Abu Dhabi so früh ausfiel, ansonsten hätte es einen tollen Zweikampf zwischen ihm und einem  Hamilton in guter Tagesform geben können.

Szene des Jahres

Will Powers doppelter Stinkefinger gegen die IndyCar-Offiziellen. Das Bild sagt mehr als tausend Worte und es bleibt zu hoffen, dass Beaux Barfield einen besseren Job macht als Brian Barnhart in den letzten Jahren. Auch Randy Bernard, der im Grunde keinen schlechten Job gemacht hat, muss sich doch noch ein bisschen besser überlegen, was man machen kann und was nicht. Es ist okay, dass er experimentiert, um die IndyCars aus der Versenkung zu holen – aber die Startplatzauslosung in Texas und das Konzept für das Saisonfinale sind fehlgeschlagene Experimente, letzteres ja mit den bekannten schlimmen Konsequenzen. Und wenn das neue Auto sich tatsächlich als schwierig erweisen sollte, ist auch das eine Entscheidung, die die Serie über einige Jahre negativ beeinflussen könnte, was sich die IndyCars eigentlich nicht leisten können.

Platz 2 geht an Jeroen Bleekemolen, der im ALMS-Qualifying in Baltimore ein Rad verlor, in die Auslaufzone fuhr, ausstieg, das Rad einsammelte und auf den Beifahrersitz packte und weiter in die Boxengasse fuhr – und sogar noch die Pole holte! Die Szene wirkt wie feinste Comedy, aber in der ALMS-Quali darf man nur einen Reifensatz nutzen, der entsprechend markiert ist.

Kostenpunkt des Jahres

Was auch immer die Entwicklung des Aston Martin AMR-One gekostet hat… viel mehr Geld kann man für ein völliges Desaster wohl kaum ausgeben.

Schönster Moment des Jahres

Die Siege von Audi in Le Mans – mit dem einzigen verbliebenen Auto gegen alle Peugeots – und von Marco Andretti in Iowa waren für mich die schönsten Momente dieses Motorsport-Jahres.

Überraschung des Jahres

Ich habe nicht viel NASCAR geschaut in diesem Jahr, aber Trevor Baynes Sieg beim Daytona 500 war sicher eine der größten Überraschungen der Saison.

Daneben vielleicht noch die gute Performance des Highcroft-HPD in Sebring, die dem Vorjahres-Peugeot von Oreca einen harten Kampf um den Sieg lieferten, nachdem bei den Werksautos einiges schiefgelaufen war. Es ist sehr schade, dass das der einzige Einsatz dieses Autos war, weckt aber Hoffnung für den neuen HPD-LMP1, der nächstes Jahr von mehreren Teams in der WEC und der ALMS eingesetzt wird.

Enttäuschung des Jahres

Da gab es in diesem Jahr wirklich einige für mich, wie bereits anfangs gesagt überwogen für mich 2011 die negativen bzw. frustrierenden Ereignisse, und damit meine ich nicht nur die Todesfälle und schweren Unfälle.

Zu den besonders großen Enttäuschungen gehören bei den Teams Williams, für die es nach dem guten Jahr 2010 wieder massiv bergab ging sowie Aston Martin Racing/Prodrive, die sich mit dem AMR-One völlig blamiert haben.

Andererseits ärgert es mich sehr, dass Jonny Cocker das ganze Jahr kein einziges Rennen gefahren ist, nachdem Drayson Racing sich aus der ALMS und ILMC zurückgezogen hat, um einen Elektro-Prototypen zu entwickeln. Ich hoffe sehr, dass Cocker nächstes Jahr wieder in der ALMS, ELMS oder WEC fahren wird, denn ich glaube, dass er ein guter Sportwagen-Nachwuchspilot ist, auch wenn er jetzt ein Jahr verloren hat…

Und als drittes muss ich nochmal die katastrophale Balance of Performance in der GT3-EM dieses Jahr nennen und auch mit Ratels GT-WM tue ich mich nach wie vor schwer, was auch 2012 mit neuem Notnagel-Konzept nicht einfach wird.

Langweiligstes Rennen

Die 24 Stunden von Spa. Nein, wirklich langweilig war das Renne eigentlich nicht. Aber mit Audi als einzigem Hersteller mit einem echten Werkseinsatz (und als Hauptsponsor) war dieses Rennen schon gelaufen, bevor es überhaupt begonnen hatte. Die Regel, spätestens alle 65 Minuten einen Boxenstopp einlegen zu müssen, ist in einem Langstreckenrennen völlig fehl am Platze und wurde in einigen Foren „Lex Audi“ getauft. Der Audi-Sieg war am Ende nichtmal allzu überlegen, hätte aber einen besseren Eindruck hinterlassen, wäre man den anderen Kundenteams auf einer Ebene gegenüber getreten. So bleibt zumindest bei mir eine negative Erinnerung an dieses Rennen.

Racecontrol-Moment des Jahres

Der Start zum ersten LMS-Rennen in Le Castellet, als die Ampel auf Grün schaltete, obwohl das Safety Car noch vor dem Feld auf der Strecke fuhr. Ein Startcrash war die Folge, der fast alle GT-Porsches aus dem Rennen warf – aber sonst kaum jemanden.

Glückspilze des Jahres

Die Fotographen und Streckenposten hinter der Leitplanke sowie auch der Fahrer selbst bei Allan McNishs Unfall in Le Mans. Dass dort trotz Trümmerregen und herumfliegender Reifen niemand wirklich verletzt wurde, grenzt für mich an ein Wunder.

Spruch des Jahres

„Many people ask me, why I always sign off ‚Till we meet again.‘ Because ‘Goodbye’ is always so final. Goodbye, Dan Wheldon.“

Marty Reid am Ende der ABC-Übertragung der Tributrunden für Dan Wheldon in Las Vegas

Wünsche für 2012

Nach diesem schrecklichen Jahr sind selbstverständlich weniger schwere Unfälle mein erster Wunsch. Wenn Menschen verletzt oder gar getötet werden, macht Motorsport keinen Spaß mehr.

Ansonsten habe ich neben vielen spannenden Rennen und Meisterschaften noch einen Wunsch: ich möchte den Delta Wing in Le Mans fahren sehen. Es ist ein ungewohntes, verrückt wirkendes Konzept – aber die Philosophie „halbes Gewicht – halbe PS“ könnte große Bedeutung für die („grüne“) Zukunft des Automobils und des Motorsports haben und darum drücke ich dem Entwicklerteam die Daumen, dass sie den Delta Wing zum Fahren bringen – auch um die Kurven.

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4 Kommentare

DonDahlmann 5 Januar, 2012 - 11:35

Die Bleekemolen Nummer ist ja großartig, gar nicht mit bekommen. Da sieht man mal wieder, dass man selbst dann noch was verpasst, wenn man sonst alles sieht.

Chaos 5 Januar, 2012 - 11:40

Grandios, den Bleekemolen hatte ich schon längst wieder verdrängt und die Porsche Elimination auch :)

nona 5 Januar, 2012 - 18:17

Kleine Enttäuschung des Jahres, die mir noch so nachträglich eingefallen ist: die schleichende Beerdigung des kritischen Motorsportjournalismus. Findet online fast nur noch in Blogs statt. Printerzeugnisse verlieren zunehmend an Bedeutung. Im Fernsehen fällt mir nur Eurosport als Positivbeispiel ein, die Jungs sprechen es meistens auch klar aus wenn etwas nicht so toll oder zu kritisieren ist. Vermutlich das krasseste Negativbeispiel des Jahres in dieser Hinsicht war m.E. die ADAC-Masters auf Kabel 1, die die reinsten Jubelperser abgeben (sogar noch vor den weitgehend ahnungslosen F1-Trainings auf Sport1). Die Interviews sind an wohlwollender Harmlosigkeit nicht zu überbieten, und während ich im Grunde nichts gegen Patrick Simon habe, wirkt er als Kommentator meistens wie ein atemloser Rummelplatzansager beim Autoscooter. Das ist super das ist toll hier, noch’ne Runde noch’ne Fahrt, kommse ran Damunherrn.

Deutscher Auto Blogger Digest vom 05.01.2012 | "Auto .. geil" 7 Januar, 2012 - 00:27

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