Die NASCAR gastiert am Wochenende in Kansas erneut auf einem Intermediate-Oval, jedoch ist dieses im Vergleich zum letzten eher flach und unspektakulär. Erfreulicher ist da schon der Ausblick auf die Startzeit, welche sich im frühjährlichen Wechselspiel der Tag- und Nachtrennen am Sonntag zwischen Texas und Richmond mal wieder freundlich gibt.
Eigentlich sollte das letztwöchige Rennen in Texas eines der Juwelen dieses Aprils darstellen, doch die (rechtmäßige) Bewerbung des potentiellen Highlights hat leider entgegen meiner Erwartungen im Nachhinein einen kleinen Over-Hype-Geschmack bekommen. Warum erwähne ich das? Weil am Sonntag der nächste Saisonlauf auf dem Kansas Speedway ansteht und über diese Strecke kann ich im Vorfeld kontrastierend nicht viel Gutes berichten. In der Hoffnung auf bessere und spannendere Rennaction müsste das jetzt eigentlich ein Über-Rennen bedeuten – ich hoffe es zumindest! Die Anzeichen sprechen jedoch eher dagegen, denn Kansas ist nämlich so etwas wie das Wahrzeichen oder Flaggschiff des schlechten Rufes der – so zahlreich im Kalender vertretenen – Cookie-Cutter-Rennstrecken:
Das 2001 eröffnete Intermediate-Oval im Besitz der NASCAR-eigenen International Speedway Corporation (ISC) ist quasi der lieblose Versuch der Rennserie, im Mittleren Westen der USA Fuß zu fassen. Dazu nahm man das eher umstrittene Konzept von Fontana und kopierte es in den bekannten Maßstab „1,5 Meilen“. Die weiten Turns und die D-Form mit geschwungener Zielgerade ermöglichen zwar viele Linien, bringen dadurch allerdings auch die Gefahr des gefürchteten Kaugummi-Feldes. Das Banking in Höhe von 15° lässt keine übermäßig hohen Geschwindigkeiten zu und verringert die Fehlerquote und somit potentielle Ausritte in die Mauer. Fahrerisch ist die Strecke deshalb eher nicht so anspruchsvoll, es kommt wie im größeren Fontana darauf an, eine gute Abstimmung hinzubekommen.
Die NASCAR weiß allerdings um diese Gegebenheiten und setzte die Renndistanz von vornherein auf nur 400 Meilen an, was dort bisher jeden Sprint-Cup-Nachmittag seit Einführung des CoT knapp weniger als drei Stunden dauern ließ. In diesen fünf Rennen kam es auch drei Mal vor, dass ein Fahrer nach dem Kaugummi-Prinzip in ziemlich dominanter Manier mehr als 100 Führungsrunden ansammelte, um dann später doch nicht in der Victory-Lane zu landen. Die anderen beiden Ausgaben gewann entweder Jimmie Johnson oder es teilten sich tatsächlich mal acht Fahrer die Meilen in Front des Feldes gleichmäßig untereinander auf.
All diese Erfahrungen hinderten die Offiziellen trotzdem nicht daran, Kansas – wenigstens zu Lasten von Fontana – seit 2011 ein zweites Saisonrennen zu geben. Eine andere oder auch mal wieder eine neue Strecke hätten stattdessen sicher viele Fans favorisiert. Doch ein (hoffentlich erfolgreicher) Rettungsversuch naht, denn direkt nach dem Rennen am Sonntag reißt man das Oval auf und nimmt einige größere Umbauten vor: Zum einen bekommt Kansas einen Infield-Rundkurs, zum anderen ist ein progressives Banking vorgesehen. Diese Form der Kurvenüberhöhung hat bisher allerdings nicht jeder Strecke gut getan, gerade in Bristol kamen ja zuletzt kritische Stimmen über die Qualität der Rennen auf. Ob Kansas das Gegenteil beweisen kann, sehen wir dann beim Chase-Termin.
Die Kräfteverhältnisse am Sonntag in Kansas schätze ich ähnlich ein wie am vergangenen Wochenende in Texas, denn für mich ist nach wie vor Greg Biffle das Maß aller Dinge: Er konnte sich nicht nur im Laufe dieser Saison einen recht ordentlichen Vorsprung in der Meisterschaft herausfahren, sondern steht auch mit einer Kansas-Statistik parat, die man sonst nur von Jimmie Johnson oder Denny Hamlin aus Martinsville kennt: Seit 2003 fuhr „The Biff“ in nicht weniger als acht von zehn Kansas-Ausgaben in die Top10 – darunter zwei Siege – und die anderen beiden Resultate waren übrigens zwei Mal Platz 12! In seinem Schatten werden auch die Teamkollegen Matt Kenseth und Carl Edwards bei Roush-Fenway Racing wieder mindestens für ein Top10-Ergebnis gut sein.
Gemäß der aktuellen Kräfteverteilung sehe ich direkt und mit ziemlich knappen Abstand dahinter die Hendrick-Armada lauern: Voran allerdings – nicht nur wegen des Texas-Resultats – das Mutterschiff von Hendrick Motorsports. Jimmie Johnson und Jeff Gordon fuhren in Kansas seit 2007 mit einer Ausnahme (Gordon Ende 2011) immer in die Top10, wobei Johnson sogar zwei Siege auf dem Intermediate-Oval gelangen. Zudem liegt der 200. Sprint-Cup-Erfolg für Rick Hendrick ja nicht erst seit letzter Woche in greifbarer Nähe, jedoch machte das Pech dem Team einige Male einen Strich durch die Rechnung.
Dale Earnhardt Jr untermauert derzeit mit seinem dritten Platz in der Meisterschaft die Performance des Chevrolet-Teams und fährt fast jede Woche ein Top5/Top10-Ergebnis ein. Auf den 1,5-Meilen-Ovalen macht Junior schon seit jeher mit seiner favorisierten extrem hohen Fahrlinie auf sich aufmerksam, vielleicht bringt er in Kansas ja ein ähnlich gutes Resultat wie in Fontana (3.) nach Hause, wo wie erwähnt ähnlich viele Linien möglich sind. Kasey Kahne konnte in Texas dagegen verspätet sein erstes brauchbares Saisonergebnis einfahren, als er gemeinsam mit seinen Teamkollegen die Top10 stürmte. Höchste Zeit für den Start einer guten Serie, damit der Chase für den Neuzugang nicht völlig außer Reichweite gerät.
Stewart-Haas Racing sehe ich am Wochenende eher hinter Hendrick, denn Kansas war einer der wenigen Chase-Orte, in denen Tony Stewart nicht die Victory-Lane besetzen konnte. Eine etwas zu konservative Reifen-Strategie versaute ihm dagegen ein fast sicheres Top5-Ergebnis, sowas muss man aber wohl „Jammern auf hohem Niveau“ nennen. Die Frage wird sein, ob man beim Satelliten-Team nach dem – ich nenn es mal – „Texas-Debakel“ wieder zu alter Stärke zurückfindet.
Etwas an Schwung verloren hat 2012 Richard Childress Racing, was man aber nicht auf Kevin Harvick zurückführen kann, der die Teamfarben in den Chase-Regionen mit seinem fünften Platz in der Meisterschaft derzeit alleine vertritt. Ein Top10-Resultat sollte für den Chevrolet-Piloten am Sonntag aber allemal drin sein.
Eine Toyota-Strecke ist Kansas dagegen nicht: Die drei besten Rennergebnisse des japanischen Herstellers seit 2008 waren ein zweiter Platz von Kasey Kahne für Red Bull Racing vor Jahresfrist und jeweils ein dritter (2011) sowie fünfter (2009) Rang von Denny Hamlin. Wenn die Mannschaft von Michael Waltrip Racing allerdings weiterhin dem eigentlichen Toyota-Flaggschiff Joe Gibbs Racing die Show stielt, könnte ein gutes Hersteller-Ergebnis möglich sein. Und Kyle Busch? Verbuchen wir den mal hier unter „Ist nicht seine Strecke!“, denn er konnte bisher überhaupt nur ein Mal in die Kansas-Top10 vordringen und das war 2006 noch in einem alten Cup-Auto für Rick Hendrick.
Besser sieht es da schon für Dodge aus, deren Wagen ja nicht mehr so zahlreich im Feld vertreten sind, um es einmal nett auszudrücken: Im letzten Jahr ließ Brad Keselowski die Beobachter vor Ort ordentlich aufhorchen, da es ihm gelang, das neue zweite – aber im Frühling stattfindende – Saisonrennen von Kansas zu gewinnen, während er in der Chase-Ausgabe immerhin Dritter wurde.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das Wochenende:
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 20.04.
18:20 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV
19:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:00 Uhr, Truck Series Final Practice, SPEED
22:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
Samstag, 21.04.
16:30 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
19:30 Uhr, Truck Series Rennen (SFP 250), SPEED
Sonntag, 22.04.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (STP 400), FOX