Nach dem unerwartet turbulenten Rennen auf dem neuasphaltierten Pocono Raceway steht an diesem Wochenende eine weitere Riesenstrecke auf dem Plan, wenn die NASCAR das 2-Meilen-Oval von Michigan besucht. Da trifft es sich gut, dass auch dieser Speedway eine frische Asphaltdecke verpasst bekam, wenngleich dies neue Probleme aufwirft.
Der Michigan International Speedway gehört für gewöhnlich nicht gerade zu einer derjenigen Strecken, welche die Herzen der Fahrer und Fans höher schlagen lässt. Das weitläufige 2-Meilen-Oval mit einer Kurvenüberhöhung von 18 Grad erinnert dann doch zu sehr an seine ziemlich unbeliebte Schwester in Fontana, obwohl diese über noch weniger Banking verfügt. Die Auswirkungen der Konfiguration sind aber – wenn auch abgeschwächt – dieselben: In den vergangenen Jahren kamen meist nur die Benzinkrimis mit Spannung daher, wie z. B. anno 2008, als Dale Earnhardt Jr nach einer sieglosen Serie endlich wieder in die Victory-Lane fahren konnte. Ansonsten zieht sich das Feld eher schnell auseinander, gerade weil in Michigan wegen der weiten Strecke viele gleichberechtigte Linien möglich sind. Am Wochenende könnte sich das jedoch aus dem folgenden Grund ändern:
Wie so viele Rennstrecken in diesem Jahr erhielt auch Michigan im Frühling ein neues Asphaltband und das wartete bei den zusätzlichen Testfahrten gleich mit einigen besonderen Gegebenheiten auf. Die NASCAR schenkte den Teams am Donnerstag vor dem Rennwochenende einen zusätzlichen Tag zum Testen, um sich an den frischen Streckenbelag zu gewöhnen und brauchbare Setups trotz quasi null Datenmenge herausarbeiten zu können. Der Asphalt erwies sich dabei ähnlich wie in Pocono als äußerst flott und man konnte sogar die überraschenden Speeds aus Pennsylvania noch weiter toppen und das kräftig:
In der Nachmittagssession befanden sich gleich sieben Piloten jenseits der magischen Grenze von 200 mph, allerdings nicht wie bisher als Höchstgeschwindigkeit, sondern als Rundendurchschnitt. Am Ende der langen gebogenen Zielgeraden kam man wohl sogar in die Nähe der 220 mph, was noch einmal schneller ist als die 212 mph am Ende der längsten Gerade des Kalenders in Pocono. Der Leistungsanstieg zieht sich übrigens quer durch das Feld, denn so konnten am Nachmittag sogar alle Start-&-Park-Teams den bestehenden Rundenrekord aus dem Jahr 2005 knacken. Da kann man sich dann jetzt schnell ausrechnen, dass die Kurvengeschwindigkeiten im neuen Michigan bei gut und gerne 190 mph liegen und das kommt der Schmerzgrenze der Offiziellen schon beträchtlich nahe.
Die NASCAR hat für gewöhnlich ein Problem mit Speeds jenseits der 200 mph, denn bei einem Dreher neigen die Autos bei solch hohen Geschwindigkeiten nach wie vor dazu, abzuheben. Aus diesem Grund wurden schließlich auch damals die Restrictor-Plates eingeführt, um die Leistung der Motoren auf den ultraschnellen Superspeedways künstlich nach unten zu korrigieren. Laut Sprint-Cup-Direktor John Darby bestehe dieses Problem allerdings noch nicht und der Vize-Wettbewerbsdirektor Robin Pemberton geht davon aus, dass die Geschwindigkeiten am Wochenende bei höheren Temperaturen und mehr Gummi auf der Strecke doch eher fallen würden.
Schaut man sich jetzt allerdings parallel dazu an, was Mark Martin per Twitter berichtete, dann wird es einem schon eher etwas mulmig: So bekam das Team mit der #55 angeblich vier Reifen bis zur Blasenbildung, was bei höheren Temperaturen am Wochenende ja eher kontraproduktiv wäre. Es bleibt die Frage, ob auch die anderen Mannschaften ähnliche Probleme mit den Pneus haben. Ein Reifenschaden bei knapp 200 mph ist nicht das, was man sich wünscht und der Einschlag von AJ Allmendinger in Pocono zeigte ja schon, wie angenehm es ist, wenn der Wagen in der Kurve plötzlich nach rechts in die SAFER-Barrier abbiegt.
Greg Biffle und Jimmie Johnson geben im weiter oben verlinkten Artikel abseits der Sicherheitsbedenken und eher in Bezug auf die drastisch gestiegenen Geschwindigkeiten den Tenor an, dass viel Speed nicht gleichzeitig mit viel Rennaction gleichzusetzen wäre. Alles in allem kann man nur hoffen, dass das Rennen am Sonntag in Michigan ein sicheres und verletzungsfreies bleibt und die Neuasphaltierung genauso wie in Pocono eher der Spannung als der Unsicherheit hilft.
Nach dieser Betrachtung der aktuellen Gegebenheiten verbleibt noch ein kurzer Ausblick auf die potenziell konkurrenzfähigen Teams am Wochenende und in diesem Zuge macht es Sinn, sich einmal die Zeiten der beiden Testsessions vom Donnerstag anzusehen:
Am Vormittag zeigten sich die Toyotas von Michael Waltrip Racing besonders gut aufgelegt, als man alle drei Wagen unter die Top8 in der Zeitenliste bringen konnte. Ein ähnliches Bild sah man ja schon in Pocono und MWR scheint auf den großen Ovalen durchaus wieder einen Schritt in Richtung Joe Gibbs Racing gemacht zu haben. JGR konnte bisher keine Top-Zeiten in Michigan setzen, doch immerhin gewann man drei der vier letzten Rennen auf der Strecke, was man ja nun auch nicht einfach wegwischen kann.
Die Chevrolets zeigten sich in beiden Sessions am konstantesten, vor allem Dale Earnhardt Jr, Tony Stewart und Kevin Harvick fuhren morgens und nachmittags konsequente Top5-Zeiten heraus. Richard Childress Racing stach dabei ein wenig hervor und brachte wie MWR – allerdings später am Tag – drei von vier Fahrern in die Top8. An diesem Wochenende fährt Childress-Enkel Austin Dillon sein zweites Cup-Rennen, natürlich vorausgesetzt er qualifiziert die #33. Immerhin waren seine Zeit weit besser als die des eher hinterherhinkenden Jeff Burton.
Im Ford-Lager konnte man erst am Nachmittag so richtig in Schwung und Top10-Nähe kommen und versucht nach wie vor in die großen Fußstapfen der glorreichen Zeit auf Intermediate-Ovalen vor Einführung des CoT zu treten. Greg Biffle konnte als einziger Pilot in beiden Sessions die Top10 knacken, um diese Marke herum versammelten sich später am Tag aber mit Carl Edwards, Trevor Bayne sowie Matt Kenseth immerhin noch die anderen Fahrer von Roush-Fenway Racing bzw. aus deren direktem Umfeld.
Die beiden Dodges von Brad Keselowski und AJ Allmendinger klassifizierten sich die meiste Zeit außerhalb der Top30 und auch die beste Zeit von Keselowski war morgens nur gut für Platz 18, was im Rückblick auf die erfolgreichere Zeit des Herstellers in Michigan Anfang der 2000er schon ein wenig enttäuschend ist.
So wie ich das sehe, wird am Sonntag also eher ein Toyota der beiden tonangebenden Teams MWR oder JGR in der Victory-Lane zu sehen sein, allerdings sollte man auch Hendrick bzw. Stewart sowie natürlich RCR nicht vergessen, wobei vor allem letzteres Team dringend ein Lebenszeichen abgeben muss. Ford sehe ich weiterhin nicht als so konkurrenzfähig wie noch zu Beginn der Saison. Aber man sieht das ja häufiger, dass sich mit fortschreitender Saison und höheren Temperaturen im Sommer plötzlich ganz andere Mannschaften an der Spitze zeigen, weil die veränderten Parameter besser auf ihre Abstimmung passen.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein TV-Zeitplan für das Wochenende.
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 15.06.
14:30 Uhr, Nationwide Series Practice, nicht im TV
17:30 Uhr, Nationwide Series Practice, SPEED
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
20:00 Uhr, Nationwide Series Final Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
Samstag, 16.06.
17:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
21:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (Alliance Truck Parts 250), ABC
Sonntag, 17.06.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Quicken Loans 400), TNT / RaceBuddy