Trotz des Labor-Day-Wochenendes müssen einige Teams und Fahrer jetzt ganz besonders in die Hände spucken, um die Qualifikationshürde auf dem Weg zum Chase noch zu überwinden. Der Kampf um die beiden Wildcards verspricht in Atlanta viel Spannung, wenn ausnahmsweise in der Nacht von Sonntag auf Montag gefahren wird. Langsam wird es richtig eng…
Hm, Sonntag auf Montag? Richtig unschön! Warum denn sowas? Der Grund ist einfach und schnell erklärt: Die USA begehen ihren Tag der Arbeit (Labor Day) – wie immer entgegen dem Rest der Welt – am ersten Montag im September, anstatt zum andernorts üblichen 1. Mai. Dieser „Kampftag der Arbeiterbewegung“ erinnert kurioserweise an Generalstreiks in Australien (1856) sowie NORDAMERIKA (1886), welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts natürlich auch am 1. Mai stattfanden. Erst erfinden und dann selbst nicht daran halten – kennt man von den Amis ja! Aber Spaß beiseite, weil die Familien am verlängerten Wochenende natürlich traditionell viel gemeinsam unternehmen, hat man sich gedacht: Warum nicht auch ein NASCAR-Rennen inmitten der freien Tage? Gesagt, getan und nun fahren halt alle drei nationalen Rennserien jeweils in der Nacht auf dem Atlanta Motor Speedway.
Das 1,5-Meilen-Oval mit 24° Banking verfügt seit 2011 nur noch über ein Cup-Datum, da man der Strecke in Kentucky endlich einen Platz im Kalender der obersten Liga geben wollte. Atlanta schien als „Opfer“ die richtige Wahl zu sein, da es dem Intermediate-Speedway im Herzen der ohnehin schon NASCAR-gesättigten Südstaaten bereits länger Schwierigkeiten bereitete, beide Termine der Saison auszuverkaufen. Meiner Meinung nach macht das die Strecke wieder frischer und das ist definitiv gut so. Man ist irgendwie fast ein wenig überrascht, wenn der Name „Atlanta“ jetzt fällt, denn immerhin hat man ja seit genau einem Jahr nichts mehr von diesem Oval gehört.
Eigentlich hat das Intermediate-Oval viel Potenzial, da man dort so ziemlich jede denkbare Linie bis hoch an die Mauer fahren kann – u. a. Junior wird sich bedanken. Weil es in Atlanta aber keine Neuasphaltierung oder Streckenveränderung gegeben hat, gehe ich davon aus, dass Goodyear genau Bescheid weiß, wie man am wenigsten blamabel auftritt. Ich befürchte eher wenig Überraschungen und Action während des Rennens in den Steilkurven, allerdings lasse ich mich auch gerne eines Besseren belehren. Das Event wird seine Dynamik am Wochenende vermutlich eher aus der extrem engen Wildcard-Situation beziehen, die wir uns weiterhin genau anschauen wollen:
Pro NASCAR-Rennen kann ein Fahrer maximal 48 Punkte einfahren, 43 Zähler für den ersten Platz plus 3 Bonuspunkte für den Sieg und jeweils einen Zähler für mindestens eine sowie die meisten Führungsrunden. Der Pilot auf dem letzten Rang erhält noch ein Pünktchen. Erfahrungswerte mit dem neue Punktesystem zeigen, dass man an einem schlechten/guten Tag durchschnittlich 15 Zähler verlieren/aufholen kann, falls der direkte Konkurrent nicht parallel gewinnt/ausfällt. In unglücklichen Situationen kommen so auch schon mal Sprünge von gut 30 Punkten vor. Warum erwähne ich das? Weil ich der Meinung bin, dass wir uns um alle Fahrer in den Top7 keine Gedanken mehr zu machen brauchen, was eine sichere Chase-Qualifikation angeht. Brad Keselowski hat auf Rang 7 bei noch zwei Regular-Season-Rennen 60 Zähler Vorsprung auf Platz 11 und ist zumindest über die Wildcards ohnehin ziemlich sicher dabei.
Denny Hamlin direkt dahinter hat ebenso drei Siege auf dem Konto, aber nur 44 Punkte Abstand zum Cut. Eng könnte es noch für Kevin Harvick werden, der in diesem Jahr viel weniger seiner sonst so häufigen Top10-Resultate einfahren konnte und zudem ohne Saisonerfolg nur ein Polster von 37 Zählern aufweist. Sowas raucht man unter Umständen mit zwei DNFs mal schnell auf und dann kann sich Harvick bisher nicht auf sein Victory-Lane-Konto verlassen. Tony Stewart belegt nach zwei bis drei schlechten Rennen in Folge nur noch Platz 10 bei 16 Zählern Vorsprung, verfügt allerdings über drei Siege. Smoke sollte somit sicher drin sein, egal was passiert. Eine Qualifikation in den Top10 wäre dabei aber bevorzugt, weil es im Falle einer Wildcard-Teilnahme am Chase keine Bonuspunkte mehr für die eingefahrenen Saisonerfolge gibt.
Außerhalb lauert schon seit Wochen zuerst Kasey Kahne, welcher den Rückstand auf Rang 10 immer weiter zufahren konnte. Wenn Stewart oder Harvick sich auch in Atlanta oder Richmond schlecht verkaufen, dann gelingt Kahne vielleicht sogar noch über die Punkte der Einzug in die Playoffs.
Die undankbarste Position hält derzeit sicherlich Carl Edwards, der da bereits ähnlich lange wie Kahne in der Verfolgerrolle ausharrt und bei 34 Zählern Abstand noch knapp im „guter Tag/schlechter Tag“-Fenster liegt. Sicher ist das allerdings überhaupt gar nicht, denn ohne Saisonsiege müsste Edwards da schon sehr viel Glück haben. Er braucht also Erfolge und selbst das ist nicht einfach: Dass er in Atlanta gewinnen kann, würde ich sofort unterschreiben, bei Richmond wird er jedoch eher nicht in der Victory-Lane landen. In seinem Szenario dürfte bei einem eigenen Atlanta-Sieg quasi kein anderer Wildcard-Kandidat mehr gewinnen und Stewart nicht aus den Top10 fallen, dann wäre Edwards dabei – aber nur, falls auch Richmond einen guten Punktetag bereithält.
Die folgende Riege aus Kyle Busch (-39), Jeff Gordon (-55), Ryan Newman (-58) und Marcos Ambrose (-67) liegt dicht dahinter und kann immerhin über jeweils einen Saisonerfolg verfügen, was diese Gruppe momentan zum Hauptkampffeld um die Wildcards macht. Busch hat einen leichten Vorteil, da er zum einen seinen kleinen Vorsprung besitzt und ich ihn zum anderen als sehr stark in Richmond einschätze. Wenn Gordon und Newman, welche wiederum in Atlanta besser sein sollten, am Wochenende nicht den zweiten Saisonsieg einfahren, geht der Vorteil eindeutig an Busch über. Ambrose legte in den letzten vier Wochen eine gute aber leider späte Top10-Serie auf den Asphalt/Beton. Ein weiterer Sieg ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber dennoch eher unwahrscheinlich.
Da Paul Menard wohl kaum die nächsten beiden Rennen gewinnen wird (Ja, ich bin mir sicher! :D), können wir direkt zu Joey Logano weitergehen, der mit 108 Punkten Rückstand der letzte Fahrer in dieser Gleichung ist. Sein Sieg aus Pocono hat ihn in die gute Lage gebracht, tatsächlich den Chase erreichen zu können. Bristol wäre mit weniger Runden ebenfalls sein Ding gewesen und so kommt es darauf an, ob Logano das Glück einmal Hold ist; ausschließen kann ich seine Playoff-Teilnahme nicht.
Leider ist meine Zeit momentan aus privaten Gründen etwas begrenzt, sodass ich nicht auf alle bisherigen Atlanta-Ergebnisse der einzelnen Wildcard-Fahrer im Detail eingehen kann. Ich kann aber sagen, dass ich am Wochenende eher die Hendrick-Motorsports– bzw. generell die Chevrolet-Piloten vorne sehe. Bei Roush-Fenway Racing und Konsorten fällt es nach den Ergebnissen der vergangenen Rennen sehr schwierig eine Lieblingsstrecke der Ford-Teams zu benennen. Die könnten jede Woche für einen Sieg gut sein. Toyota bzw. Joe Gibbs Racing sowie Michael Waltrip Racing sehe ich dagegen eher in Richmond im Vorteil.
Trotzdem muss jetzt niemand auf eine genaue Betrachtung verzichten, denn Jan und ich haben uns im Podcast am Donnerstag über eine Stunde lang mit der NASCAR beschäftigt. Dabei sind wir in der zweiten Hälfte auch tatsächlich mal die Ergebnislisten und -statistiken durchgegangen. Ein großer Dank gebührt an dieser Stelle daher auch meinem geschätzten Podcast-Partner. Ich bitte daher alle interessierten Leser, sich aus den obengenannten Gründen dieses Mal in der Audio-Sektion schlau zu machen. Außerdem ist es doch auch schön, wenn unser Podcast so viel Racingblog-Content exklusiv und abseits der Artikel anbieten kann. ;o)
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm vom Wochenende:
Freitag, 31.08.
20:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
22:30 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED
00:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
01:30 Uhr, Truck Series Rennen (Jeff Foxworthy’s Grit Chips 200), SPEED / RaceBuddy
Samstag, 01.09.
15:00 Uhr, Nationwide Series Final Practice, SPEED (TV um 17:30 Uhr)
20:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:30 Uhr, Nationwide Series Qualifying, SPEED
23:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
00:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (NRA American Warrior 300), ESPN2 / RaceBuddy
Sonntag, 02.09.
00:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (AdvoCare 500), ESPN / RaceBuddy