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NASCAR: Vorschau Chicagoland & Chase 2012

von KristianStooss
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26 Wochenenden sind vergangen, doch die wichtigsten 10 stehen erst noch bevor, wenn an diesem Sonntag auf dem Chicagoland Speedway der Chase beginnt. 12 Piloten kämpfen in den Playoffs der NASCAR um die Meisterschaft und ein Favorit ist dafür nicht so leicht zu benennen: Hamlin, Johnson, Biffle, Stewart oder doch Junior – wir werfen einen Blick auf die Anwärter.

„Bis jetzt war alles nur Spaß!“ könnte man sagen, denn in den ersten 26 Saisonrennen wurde nur ordentlich ausgesiebt und sich in Stellung gebracht, um am Ende dabei zu sein, wenn es wirklich darauf ankommt. 12 Piloten sind übriggeblieben und streiten sich nun in den verbleibenden 10 Events um die Sprint-Cup-Krone, außen vor stehen dagegen namhafte Fahrer wie Kyle Busch, Carl Edwards oder auch Ryan Newman. Im wöchentlichen Kampf sind aber alle anderen Teams natürlich trotzdem noch mit von der Partie und gerade die Piloten außerhalb der Top12 darf man in dieser Gleichung nicht vergessen. Bei ihnen geht es quasi um nichts mehr und so können sie wirklich frei auffahren oder schon mal einen Titelkandidaten behindern. In der Vergangenheit konnte man dann auch schon des Öfteren sehen, dass die vorher so dringend/verzweifelt benötigten Saisonsiege erst kamen, als der Druck komplett weg war. Irgendwie kann ich mir auch nicht vorstellen, dass Busch und Edwards in diesem Jahr nicht (noch einmal) in der Victory-Lane stehen.

Der Ernst beginnt dann am Wochenende auf dem Chicagoland Speedway, einem 1,5-Meilen-Oval, wobei auf diesem Streckentyp auch gleich ganze 50% des Chase ausgetragen werden. Wer hier also gut unterwegs ist und wie Tony Stewart im letzten Jahr drei Siege auf den Intermediate-Speedways holt, dem ist die Meisterschaft eigentlich kaum streitig zu machen. Chicagoland ist mit einem Banking von 24° eher typisch überhöht, besitzt aber eine große Besonderheit: Man fährt nämlich quasi durchgehend links, weil die Gegengerade eine weitere Krümmung im Streckenlayout darstellt. Das wird sich dann bei der Fahrwerksabstimmung in viel „Yawing“ äußern – also dass man denkt, der Wagen fährt eher seitwärts als geradeaus.

Ein paar Probleme werden einige Teams ab dem Chase in den Kurven bekommen, da die Offiziellen das Regelwerk ein wenig ergänzt haben, um das leichte Mitlenken der Hinterachse zukünftig zu verhindern. Bisher war das zwar nicht explizit erlaubt bzw. verboten, aber findige Crew-Chiefs wie Chad Knaus konnten die Gesetze der NASCAR schon immer sehr kreativ auslegen. Das Ganze funktionierte aufgrund des antiquierten Aufhängungssystems der Wagen, die noch mit sogenannten Truck-Arms ausgerüstet sind:

Diese verbinden die Starrachse als zwei parallel aufeinander zulaufende Streben in Fahrerhöhe mit dem Chassis (dargestelltes Prinzip ähnlich). Zwischen Truck-Arms und Chassis sind übrigens auch die Stahlfedern der Hinterachse angebracht, wo sich in Höhe des Heckfensters dann die Verstellbolzen für das Wedge – also die Federvorspannung und damit u. a. auch der Bodenabstand sowie der maximale Federweg – befinden. Die Regeländerung begrenzt nun das Winkelspiel der Truck-Arms in den vorderen Aufnahmepunkten am Chassis auf wenige Grad, sodass sich der mechanische Effekt der mitlenkenden Hinterachse also reduziert.

In Chicagoland wird man dann eventuell schon sehen können, welches Team daraus bisher den größten Vorteil geschöpft hat. Penske Racing hat diese Variante laut Brad Keselowski nie eingesetzt, Hendrick Motorsports aber sehr wohl. Das Einschreiten der Offiziellen kann man am besten dahingehend interpretieren, dass man die Autos aus Kostengründen gerne auf einem möglichst primitiven Niveau halten möchte, um die Ausgaben für die Entwicklungsabteilungen nicht explodieren zu lassen.

Am liebsten hätte die NASCAR wahrscheinlich eine Zündkerze mit Dach, wobei man selbst dann noch die Templates oben auflegen würde, um Aero-Sünder zu bestrafen. Das Vorgehen ist meiner Meinung nach aber durchaus korrekt, denn Geld ist nicht mehr in dem Maße vorhanden wie noch in den goldenen 90ern und frühen 2000ern. Das sieht man unter anderem daran, dass Hendrick Motorsports mittlerweile das letzte und einzige Vier-Wagen-Team im Sprint Cup ist.

Damit kommen wir dann auch schon zu einer Einzelbetrachtung der 12 Chase-Piloten und dem Versuch einer groben Einschätzung bezüglich ihrer möglichen Leistungen und Chancen auf den Titel. Dabei werde ich allerdings versuchen, mich etwas knapper zu fassen als gewohnt, denn die Kollegen im Podcast haben wieder einmal ganz ausgezeichnete Arbeit geleistet und sich dort schon eine halbe Stunde mit dem Thema beschäftigt. Diesen exklusiven Content möchte daher ich natürlich gerne hervorheben und aufwerten. Nun aber zu den Anwärtern, die man ab sofort auf 2000 Punkte gesetzt hat – um den Rest des Feldes mathematisch vom Titelgewinn auszuschließen – plus jeweils drei Bonuszähler pro Saisonsieg während der Regular-Season (mit Ausnahme der Wildcard-Fahrer):

1. Denny Hamlin (4 Siege / 2012 Punkte):
Hamlin holte in der Regular-Season die meisten Siege und fuhr diese zur Hälfte recht früh und recht spät ein. Zwei 1,5-Meiler (Kansas & Atlanta), Phoenix sowie Bristol zeugen davon, dass ihm die Streckentypen im Chase entgegenkommen. Mit Martinsville hat Hamlin zudem ein ganz großes Ass im Ärmel. Am Wochenende sehe ich ihn nach den Leistungen der letzten Rennen recht weit vorne, zumal Chicagoland durchaus gut mit Kansas vergleichbar ist. Hamlin ist 2012 eindeutig ein seriöser Meisterschaftskandidat, wenn er denn seine DNF-Rate (bisher 4) in den Griff bekommt und noch ein wenig konstanter fährt.

2. Jimmie Johnson (3 Siege / 2009 Punkte):
Wer will schon gegen Johnson wetten? Ich jedenfalls nicht! Dieses Jahr hatte ich bei ihm wieder das Gefühl, dass er erst spät so richtig in die Saison gestartet ist. Die drei Siege aus Darlington, Dover und Indianapolis lassen sich zwar nur schwer auf die Strecken im Chase (Ausnahme Dover) umrechnen, doch Johnsons Stärke ist 2012 die Konstanz. 12 Top5- sowie 17 Top10-Resultate hat er auf dem Konto und das ist so viel wie bei keinem anderen Piloten. Etwas komisch mutet da seine Bilanz von 5 DNFs an, welche aussagt, dass Johnson völligen Schiffbruch erleidet, wenn es nicht für die Top15 reicht. Diese Totalausfälle darf er in den Playoffs nicht bringen. Ansonsten ist er einer der größten Favoriten.

3. Tony Stewart (3 Siege / 2009 Punkte):
Der Meister von 2011 hat sich mit Ach und Krach über die Punkte in den Chase gefahren und kann daher seine neun Bonuszähler nutzen. Wie wichtig diese sein können, hat man im letzten Jahr beim Punktgleichstand zwischen ihm und Edwards nach 36 Rennen gesehen. Stewart hat zwei seiner Siege sehr früh in der Saison geholt (Las Vegas & Fontana) und dann im Sommer in Daytona noch einmal zugelegt. Auch für Smoke gilt, dass er (wie im Vorjahr) die Intermediate-Ovale meistern muss, um den Titel zu holen. Da der Chase unberechenbar ist, traue ich ihm die Meisterschaft durchaus zu, vor allem weil ich ihn als einen der Favoriten in der Restrictor-Plate-Lotterie von Talladega sehe.

4. Brad Keselowski (3 Siege / 2009 Punkte):
Die Form von Keselowski fühlt sich quasi immer noch wie eine Überraschung an, auch wenn er im letzten Jahr ebenso viele Siege einfahren konnte wie 2012. Dieses Mal reichte es aber für eine solide Qualifikation über die Punkte, weil jetzt auch die Anzahl der Top10-Resultate und damit die Konstanz stimmt (nur 1x kein Top9 in den letzten zehn Saisonrennen). Keselowski ist eines der größten Talente der letzten Jahre und ihm steht vermutlich noch Großes bevor. Ob er die Früchte seiner Arbeit allerdings schon in dieser Saison ernten kann, wage ich zu bezweifeln. Da es noch etwas ungewohnt ist, ihn so weit vorne zu sehen, kann der Eindruck aber auch daher kommen. Vielleicht wird er Meister, der Favorit ist er aber auf keinen Fall. Zu gönnen wäre es ihm jedenfalls.

5. Greg Biffle (2 Siege / 2006 Punkte):
Eine noch größere Überraschung ist für mich Biffle, den ich nach der verpassten Chase-Qualifikation 2011 schon etwas als ewiges Talent abgestempelt hatte. Dieses Jahr legt er jedoch, was die durchschnittliche Zielankunft betrifft, die beste Saison seiner Karriere hin (Platz 9,7 vs. Rang 11,9 aus 2005) und wurde prompt Meister der Regular-Season. Seine beiden Saisonsiege fuhr Biffle in Texas und Michigan ein, was seine Stärke auf den Intermediate-Ovalen bestätigt, aber auch sonst kann er sich mit 10 Top5- sowie 15 Top10-Resultaten nicht beklagen. Biffle ist für mich ebenfalls ein ernsthafter Kandidat für die Meisterschaft. Zudem: Wenn er den Titel nicht in diesem Jahr holt, dann wahrscheinlich nicht mehr!

6. Clint Bowyer (2 Siege / 2006 Punkte):
Bowyer zeigte in dieser Saison, wie sehr Michael Waltrip Racing die Konkurrenz eingeholt hat. Im letzten Jahr kam man nicht mal in Chase-Reichweite und 2012 bringt man gleich zwei Fahrer dort unter. Auch Mark Martin hätte ich in einem Vollzeit-Cockpit in den Playoffs gesehen, was schon eine Super-Quote ist/wäre. Bis zum zweiten Saisonsieg von Bowyer hatte ich aber eher den Eindruck, dass der letzte Schritt auf dem Podium irgendwie konstant fehlte. Das ist jetzt anscheinend endlich überwunden und lässt daher für den Chase wirklich alles offen. Realistisch betrachtet, sollte man Bowyer vielleicht auf einen starken dritten Platz in der Meisterschaft setzen, ein paar mehr Top5-Ergebnisse dürfen dazu aber gerne noch kommen.

7. Dale Earnhardt Jr (1 Sieg / 2003 Punkte):
Da hat sich das ständige Beten vor dem Rennen doch endlich mal gelohnt, denn auch Junior erlebt derzeit die beste Saison seiner Karriere (Platz 9,9 vs. Rang 12,1 aus 2004) und hat sich durch seine konstante Fahrweise ohne Pleiten, Pech und Pannen zu einem echten Meisterschaftskandidaten gemausert. Viele Beobachter haben ihm zwischenzeitlich das Talent abgesprochen, doch dabei lag es anscheinend tatsächlich oft am Auto. Natürlich wird ein Junior kein Senior mehr, doch das muss auch nicht das Ziel sein.

Wenn Earnhardt in Zukunft ein paar mehr Rennen gewinnen kann, etabliert er sich vielleicht dauerhaft an der Spitze. Im Chase kann man jetzt nur weiterbeten und hoffen, dass die Bilanz bestehend aus 10 Top5- sowie 17 Top10-Resultaten Fortsetzung findet. Der NASCAR kommt das alles natürlich sehr gelegen und würde ihr zu einem Aufschwung an der derzeit schwach besetzten Fanbasis verhelfen. Ein Titelgewinn von Junior wäre das Beste, was passieren kann und in diesem Jahr ist das ein durchaus realistisches Szenario.

8. Matt Kenseth (1 Sieg / 2003 Punkte):
Der nächste Mr. Konstanz ist Kenseth, der auch 10 Top5- sowie 16 Top10-Ergebnissen einfahren konnte und die Regular-Season als Dritter beendete. Auf Kenseth liegt so ein bisschen dieser Daytona-Fluch, denn ich hatte in den letzten Jahren das Gefühl, dass der Daytona-500-Gewinner in der restlichen Saison nicht mehr so richtig in Erscheinung tritt. Jamie McMurray mag 2010 eine gewisse Ausnahme gewesen sein, aber auch der qualifizierte sich trotz dreier Siege nicht für den Chase. Kenseth muss jetzt konstant dabeibleiben und vor allem auch mindestens ein weiteres Mal in die Victory-Lane fahren. Obwohl das vielleicht in Texas oder Homestead gelingen könnte, sehe ich ihn trotzdem nicht als Favoriten an. Die Top5 in der endgültigen Tabelle sollten ein realistisches Ziel für Kenseth sein.

9. Kevin Harvick (0 Siege / 2000 Punkte):
Harvick ist 2012 komplett unter dem Radar unterwegs und hat die Chase-Qualifikation mit einer Durchschnittsplatzierung von 12,0 geschafft. Irgendwie mag man kaum glauben, dass dies seine drittbeste Saison nach 2010 (8,5) und 2011 (11,5) ist und er zudem 99,8% aller Runden in diesem Jahr absolviert hat, was ebenfalls eine persönliche Bestmarke darstellt. Bei Harvick frage ich mich daher oft, ob er in seiner Karriere noch einen Sprint-Cup-Titel gewinnen wird.

Momentan sehe ich den Rückstand auch eher auf Seiten von Richard Childress Racing, bei denen Harvick seit Jahren als einziger Fahrer so richtig konstant vorne unterwegs ist. Was Jeff Burton seit zwei Saisons zusammenfährt, ist viel zu wenig und bei Paul Menard muss man einfach sehen, dass er bestenfalls ein sehr guter Mittelfeldfahrer ist. Clint Bowyer hat wohl die beste Entscheidung getroffen und das Team vor Jahresfrist verlassen.

10. Martin Truex Jr (0 Siege / 2000 Punkte):
Bei Truex könnte man jetzt dasselbe sagen, was bei Clint Bowyer schon steht. Im teaminternen Vergleich zeigt sich 2012 zudem, welch eine Verstärkung Bowyer eigentlich gewesen ist. Das soll die Leistungen von Truex nicht abwerten, der von dieser Performance sicherlich auch gut zehren konnte. Allerdings blieb ihm bisher eine Fahrt in die Victory-Lane verwehrt, auch wenn er einige Male kurz davor war. Truex kommt momentan sicherlich zu Gute, dass sein Vertrag und der seines Sponsors langfristig verlängert wurde. Ein realistisches Ziel sollten für ihn die Top5 sein, wenn er auch ohne Saisonsieg sein Momentum von bisher 6 Top5- sowie 14 Top10-Resultaten halten kann.

11. Kasey Kahne (2 Siege / nur 2000 Punkte wegen Wildcard-Teilnahme) &
12. Jeff Gordon (1 Siege / nur 2000 Punkte wegen Wildcard-Teilnahme):
Die beiden Teamkollegen fasse ich an dieser Stelle mal zusammen, da sie ähnlich wie Teamkollege Jimmie Johnson erst später in der Saison so richtig in ihren Rhythmus gefunden haben. Das gebäudetechnische B-Team-Duo von Hendrick Motorsports hatte allerdings weit mehr Pech als die #48, sodass man bei beiden Piloten eher nicht mehr mit der Chase-Qualifikation gerechnet hat. Kahne brachten seine beiden Siege in Charlotte und New Hampshire relativ zeitig in Reichweite der Wildcards, während Gordon bis Richmond zittern musste und eigentlich aus der schlechteren Ausgangsposition die Quali gegen Kyle Busch schaffte.

Allerdings sind mir die beiden Piloten 2012 zu inkonstant unterwegs, um wirklich eine Chance auf den Titel zu haben. Auch wenn Gordon zuletzt drei Top3-Resultate in Folge einfahren konnte, sind dazwischen immer noch zu viele Ausreißer ins tiefe Mittelfeld dabei. Vielleicht sollte Rick Hendrick sich einfach freuen, dass er alle vier Fahrer in die Playoffs gebracht hat, auch wenn nur zwei davon ernsthafte Chancen auf den Titel haben. Auf der anderen Seite darf man aber nie vergessen, dass sich in der NASCAR von heute auf morgen ziemlich viel verändern kann, von daher freuen wir uns einfach auf eine der spannendsten Ausgaben des „Chase for the Sprint Cup“ seit langer Zeit!

Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm vom Wochenende:

Freitag, 14.09.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, ESPN2
20:30 Uhr, Nationwide Series Practice, ESPN2
22:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, ESPN2
23:30 Uhr, Nationwide Series Final Practice, SPEED
01:00 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV

Samstag, 15.09.
18:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, SPEED
19:30 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
19:30 Uhr, Truck Series Final Practice, nicht im TV
21:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (Dollar General 300), ESPN2 / RaceBuddy
00:00 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED (TV um 00:30 Uhr)
02:00 Uhr, Truck Series Rennen (American Ethanol 200), SPEED

Sonntag, 16.09.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (GEICO 400), ESPN / Motorvision TV / RaceBuddy

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