Am Sonntag steht beim Sprint Cup in New Hampshire das Chase-Rennen #2 von 10 auf dem Plan. Die Situation in der Meisterschaft ist nach dem ersten Playoff-Event in Chicagoland natürlich immer noch ziemlich ausgeglichen, lediglich Jeff Gordon muss sich nach seinem DNF jetzt strecken. Ganz vorne liegen derzeit Brad Keselowski, Jimmie Johnson sowie Tony Stewart.
Der Name New Hampshire Motor Speedway löst bei mir nicht gerade Freudensprünge aus und ich denke, bei den meisten von euch wird das auch so sein. Die Rennstrecke verfügt bei einer Länge von einer Meile lediglich über ein Banking von 7°, was am unteren Ende der Skala derjenigen Ovale liegt, die diesen Namen überhaupt verdient haben. Im Grunde genommen ist New Hampshire nichts weiter als ein großes Martinsville, also quasi zwei Pylonen auf einem Parkplatz. In diesem Falle würde das von der Größe her allerdings eher der Parkplatz vom Texas Motor Speedway sein, anstatt der des örtlichen Einkaufszentrums. In New Hampshire kommt es sehr auf das Fahrwerk an, denn die Fahrer möchten bei der geringen Kurvenüberhöhung natürlich nicht gerne mit Untersteuern kämpfen. Am Wochenende gilt es also wieder, „früh am Gas“ zu sein, damit der Wagen viel Momentum mit auf die langen Geraden nehmen kann. Wer da viel rumrutscht oder in Richtung Mauer schiebt, hat eigentlich schon verloren.
Für einen Einsatz im Chase empfinde ich die Strecke jetzt nicht unbedingt glücklich ausgewählt, vielleicht reicht es ja in Zukunft auch, ein Mal im Sommer dort zu fahren. New Hampshire wäre übrigens der erste Kandidat, den ich nennen würde, wenn die NASCAR einen Austauschkandidaten für ein Road-Course-Rennen in den Playoffs sucht. Da mir ansonsten auch nicht viel mehr zu diesem zähen Riemen in Neuengland einfällt, werfen wir doch einfach mal einen Blick auf die zwölf Chase-Piloten und schauen, mit wem in New Hampshire außerdem noch so zu rechnen ist.
Die letzten sechs Ausgaben wurden allesamt von Chevrolet-Fahrern gewonnen, wobei die eine Hälfte sich geschlossen aus Hendrick Motorsports zusammensetzt: Jimmie Johnson gewann das Sommerrennen 2010, welches Kasey Kahne gerade erst in diesem Jahr für sich entscheiden konnte. Mark Martin holte 2009 (noch für Rick Hendrick) die Chase-Ausgabe in der #5. Stewart-Haas Racing konnte in der vergangenen Saison beide Rennen mit beiden Piloten in der Victory-Lane beenden.
Die verbleibenden New-Hampshire-Rennen 2008 und 2009 teilten ausnahmsweise die drei anderen Marken jeweils untereinander auf, was zeigt, dass ein Sieg von Penske Racing, Roush-Fenway Racing oder Joe Gibbs Racing bzw. Michael Waltrip Racing nicht komplett ausgeschlossen ist. In den beiden Jahren zuvor (2006 und 2007) findet sich dann wieder die totale Chevy-Dominanz, wobei seit 2007 bekanntlich mit dem CoT gefahren wird.
Nicht vergessen darf man bei all dem Chevrolet-Geschreibe aber natürlich Tabellenführer Brad Keselowski nach seinem Sieg in Chicagoland: Beim Penske-Piloten ist im Sommer in Kentucky irgendwie der Knoten geplatzt, denn über die letzten 11 Rennen gesehen holte er sage und schreibe 10 Top9- sowie 7 Top5-Resultate inklusive zweier Siege. Seine letzten beiden New-Hampshire-Ergebnisse waren zudem Platz 2 und 5, was ihn am Sonntag gefährlich macht.
Denkt man an die Stichworte „Chevrolet“ und „Dominanz“ fällt einem aber eigentlich zuerst der Name Jimmie Johnson (-3) ein, doch der ist trotz seines zweiten Platzes in der letzten Woche nicht unbedingt der Favorit am Sonntag. Johnson leistete sich in den vergangenen sieben Rennen einige schlechte Ergebnisse, so kam er in dieser Periode lediglich auf 3 Top12-Resultate, was für ihn ja schon ungewöhnlich ist. Auch New Hampshire ist nicht seine große Stärke, denn mit Ausnahme seines Sieges holte er seit 2010 nur die Ränge 5 und 7 als einzige Top15-Platzierungen. Bis einschließlich 2009 sah das noch ganz anders aus, da beendete Johnson 13 von 16 Rennen in den Top11. Vielleicht gelingt ihm ja am Wochenende die Rückkehr zur alten Stärke auf dieser Strecke.
Zurück ist da schon eher Tony Stewart (-8), welcher zuletzt zwei Rennen in Folge in den Top6 beenden und auch in New Hampshire seit 2010 aus 5 Ausgaben immerhin 3 Top2-Resultate mitnehmen konnte.
Denny Hamlin (-15) hatte zuletzt etwas Pech, da er nach seinen zwei Siegen aus Richmond und Atlanta nicht mehr nachlegen konnte und in den letzten zwei Rennen konsequent die Top15 verfehlte. New Hampshire ist für ihn aber ein gutes Pflaster, immerhin gleicht die Strecke seinem geliebten Martinsville und auch die Statistik der letzten 5 Ausgaben liest sich ähnlich wie die von Stewart: 3x Top3!
Unterdessen fuhr Kasey Kahne (-15) sich still und heimlich in die Playoffs und legte auch gleich einen dritten Platz in Chicagoland auf den Asphalt. Insgesamt habe ich bei ihm aber eher den Eindruck, dass die Top10-Ergebnisse nicht konstant genug kommen, was jedoch für sein erstes Jahr bei Rick Hendrick noch in Ordnung ist. New Hampshire ist eigentlich nicht seine Strecke, denn Kahne holte dort außer seinem Sieg in diesem Sommer seit 2007 nur 2 weitere Top10-Ergebnisse. Von daher überraschte mich sein bisher letzter Ausflug in die Victory-Lane doch etwas. Kahne ist aber ohnehin einer der undurchsichtigeren Chase-Teilnehmer, was vielleicht auch daran liegt, dass er jahrelang unter schwierigen Team-Bedingungen antreten musste und nun erst so richtig frei auffahren kann.
Kommen wir zu Clint Bowyer (-15), dem eigentlich unbestrittenen New-Hampshire-Experten, denn ausgerechnet der Cowboy aus Kansas hat schon zwei Siege in Neuengland eingefahren. Seine letzten 5 Ergebnisse auf dem Quasi-Shorttrack lauten 7/1/17/26/3, wobei die schlechteste Platzierung einem trockenen Tank im Finale geschuldet ist. Die letzten 7 Saisonrennen beendete Bowyer bis auf Atlanta in den Top10 und gewann bekanntlich sogar das Regular-Season-Finale in Richmond. Wenn für ihn alles zusammenläuft und Michael Waltrip Racing weiterhin gute Autos stellt, betrachte ich Bowyer am Sonntag als ernsthaften Siegkandidaten.
Dale Earnhardt Jr (-17) hat so langsam seinen Super-Sommer aufgezehrt und konnte die letzten 7 Saisonrennen nur 3 Mal in den Top10 beenden. New Hampshire könnte ein Wegweiser für den Rest der Saison werden und da stehen die Zeichen gar nicht mal so schlecht für Junior: 8/4/15/17/4 lauten seine 5 letzten Resultate dort.
Greg Biffle (-19) konnte sich fast eine halbe Saison an der Spitze der Fahrerwertung halten, musste nun aber zum Chase nach hinten abtreten, weil er „nur“ zwei Saisonsiege eingefahren hatte. So richtig viele tolle Ergebnisse hat Biffle aber gar nicht eingefahren, oft konnte er davon profitieren, dass er auch an einem schlechten Tag noch in den Top15 landete. Das ist die Konstanz, welche man benötigt, um vorne dabei zu sein. Ob es allerdings auch für die Meisterschaft reichen wird, wage ich zu bezweifeln, da braucht Biffle jetzt bald einen weiteren Sieg. In New Hampshire weiß er zwar, wie man gewinnt, doch seit seinem Sieg 2008 ist er nur noch 3 Mal in die Top10 gefahren. Ähnlich wie bei Junior ist auch bei Biffle dieses Wochenende ein Wegweiser.
Durch seine konstanten Top10-Resultate ist ebenfalls Martin Truex Jr (-21) in den Chase gekommen: Als Beispiel beendete er von den letzten 9 Saisonrennen (also einschließlich der ersten New-Hampshire-Ausgabe) ganze 8 in den Top11. Nur bis ganz nach vorne fehlte es für den Michael-Waltrip-Piloten leider noch, obwohl er oft ganz knapp vor einer Fahrt in die Victory-Lane stand. Seine letzten drei Resultate aus New Hampshire (8/16/11) wird er am Wochenende mit gutem Material sicherlich toppen können.
Kevin Harvick (-24) setzt unterdessen weiterhin auf die „Wenn schon nicht Top10, dann wenigstens Platz 11“-Taktik, denn in den letzten 8 Saisonrennen kam er 6 Mal zwischen Platz 12 und 16 ins Ziel, woran auch Chicagoland vor einer Woche nichts ändern konnte. New Hampshire dürfte für ihn ähnlich durchwachsen werden, aber vielleicht ist ja mal wieder ein Top10-Ergebnis drin. Die letzten 5 Ergebnisse dort sprechen dafür: 5/5/21/12/8.
Matt Kenseth (-26) kann man mit New Hampshire seit 2008 wahrscheinlich jagen: Seine beste Platzierung in den letzten Saisons war Rang 6 im vergangenen Chase und ansonsten konnte er lediglich bis auf Position 13 nach vorne fahren. Nach einem starken Frühjahr und Frühsommer hat Kenseth 2012 eher nachgelassen, in den letzten 9 Rennen waren nur noch 3 Top12-Ergebnisse zu holen sowie 1 Top5-Resultat. Auch für Kenseth gilt, dass New Hampshire eine Gabelung im Weg darstellen könnte – er darf sein restliches Momentum aus der starken frühen Regular-Season, von der er lange gezehrt hat, jetzt nicht auch noch vollständig verlieren.
Bis hierhin zeigen die Punktabstände in Klammern, dass nach einem Chase-Rennen natürlich noch nicht aller Tage Abend ist. Einige Fahrer stehen sehr gut da, vor allem Brad Keselowski, Tony Stewart, Denny Hamlin und Clint Bowyer (mit einem guten Wagen) sehe ich in New Hampshire als Favoriten, während die restlichen Playoff-Fahrer bis auf wenige Ausnahmen eine gute Chance auf Top10-Resultate haben.
Etwas enger wird es derzeit aber – schon sehr früh – für Jeff Gordon (-47), welcher durch ein DNF wirklich viele Punkte vergab, als ihm das Gaspedal in Chicagoland steckenblieb. Davor konnte er aber durch seine 3x Top3-Serie noch im letzten Moment in den Chase vordringen und ich denke nicht, dass dieser eine Ausfall sein Momentum beschädigt hat. Zudem ist New Hampshire eine dieser Gordon-Top5-Strecken, auf denen Jeff wie von Zauberhand fast immer nach Zielankunft in dieser Region zu finden ist. Seit Ende 2005 fuhr er IMMER(!) in die Top15, wobei die weitere Staffelung zudem 8 Top6- und 10 Top11-Resultate aus 14 Rennen offenbart. Gordon muss also am Wochenende das Ruder herumreißen, noch ein DNF darf er sich nicht leisten.
Außerhalb des Chase erwarte ich am ehesten von Ryan Newman ein Spitzenresultat, da er seit Ende 2009 mit einer Ausnahme in jeder New-Hampshire-Ausgabe in die Top10 vorstoßen konnte. Insgesamt gewann Newman bisher drei Rennen auf dem Quasi-Shorttrack in Neuengland. In dieser Saison holte er in Richmond (8.) und Chicagoland (5.) zudem jeweils sehr solide Resultate. Auch Joey Logano machte am vergangenen Wochenende einen ganz fitten Eindruck in Form von Platz 7 und könnte vielleicht mit einem Top5-Ergebnis überraschen. Kyle Busch und Carl Edwards sehe ich am Sonntag eher nicht so weit vorne, da fehlt entweder die Aussage „Lieblingsstrecke“ (Busch) oder das Momentum (Edwards). Letzterer hat zudem nur 3 Top10-Resultate aus 16 New-Hampshire-Ausgaben auf dem Konto.
Zu guter Letzt freue ich mich besonders auf Brian Vickers, welcher in seinen bisher 6 Saisonrennen für Michael Waltrip Racing ganze 3 Top5-Ergebnisse holen konnte und auf den Shorttracks so richtig zu glänzen weiß. Auch bei ihm würde ich einen Sieg in New Hampshire nicht kategorisch ausschließen – ein solider Top5-Tipp ist er immerhin.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm vom Wochenende:
Während der Sprint Cup bekanntlich in New Hampshire unterwegs ist (vermutlich mit Unterstützung durch die Camping World East Series), fahren Nationwide Series sowie Trucks einen Doubleheader in Kentucky.
Freitag, 21.09.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:00 Uhr, Nationwide Series Practice, ESPN2
21:40 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
22:40 Uhr, Truck Series Qualifying, SPEED
00:00 Uhr, Nationwide Series Final Practice, SPEED
01:00 Uhr, Truck Series Rennen (Kentucky 201), SPEED
Samstag, 22.09.
15:15 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
17:00 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
18:35 Uhr, Nationwide Series Qualifying, SPEED
21:30 Uhr, Nationwide Series Rennen (Kentucky 300), ESPN / RaceBuddy
Sonntag, 23.09.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Sylvania 300), Motorvision TV / ESPN / RaceBuddy