Einer der erfolgreichsten deutschen Motorsportmanager hört auf. Norbert Haug hat überraschend angekündigt zum Jahresende Mercedes zu verlassen.
Die Meldung kam um kurz nach 14 Uhr und dürfte die deutsche Motorsportlandschaft nachhaltig verändern. Norbert Haug verlässt Mercedes. In relativ wenigen Worten, knapp 2.000 Zeichen umfasst die Pressemeldung, die in schon fast typischer ITR-Manier vor allem Zahlen ausspuckt. 54 % aller DTM Rennen und 60 % aller DTM Titel habe Mercedes unter der Führung von Norbert Haug gewonnen und insgesamt habe man in 986 Rennen (Formel 1, Champ Car, GT, Gruppe C, Formel 3) teilgenommen, von denen man 45.4 % gewonnen habe. Es folgt ein „Danke“ von Dieter Zetsche bevor Haug zum Abschluss sich ebenfalls bedankt. Von den 2000 Zeichen nimmt sein Absatz 647 Zeichen ein. Offenbar hat man sich nicht gerade in aller Freundschaft getrennt. Das Haug bei Mercedes unter Druck stand, wurde in diesem Jahr schon berichtet.
Schuld daran ist wohl das Formel Eins Team. Es war maßgeblich Norbert Haug, der den Wiedereinsteig von Mercedes in die Formel Eins in den 90er Jahren betrieben hat, und er war es auch, der die Option eines eigenen Rennstalls 2009 im Unternehmen durchsetzte. Unumstritten war das nie, vor allem der Betriebsrat zeigte sich kritisch. Haug musste den schweren Balanceakt bewältigen, die ersten Jahre mit einem schmalen Budget auszukommen und gleichzeitig den gewohnten Erfolg zu haben. Das ging, wie wir jetzt alle wissen, dann auch schief. Alle bisherigen Einsatzwagen waren zu langsam, in den drei Jahren kam nur ein Sieg heraus. Das wird, wir haben hier mehrfach darüber berichtet, mit den Management-Struktur beim Team zusammenhängen, die zu komplex und schwerfällig sind. Die Schuld daran wird, unter anderem auch Haug gegeben, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es nicht ersichtlich ist, wie viel Einfluss Haug darauf hatte.
Dass Haug bei Mercedes nicht unumstritten war, ist bekannt. Öffentlich wurde es im Herbst, als bekannt wurde, dass man Niki Lauda als „Aufpasser“ und einflussreichen Berater in den Vorstand des Teams geholt hatte. Die Entscheidung wurde, das haben mir verschiedene sichere Quellen berichtet, über den Kopf von Haug getroffen. Ein weiterer Grund für seinen Abschied könnten die Probleme mit dem Concorde-Agreement sein. Ross Brawn und Haug haben in diesem Jahr wohl zunächst die Verhandlungen geführt, man steckte aber schnell in einer Sackgasse. Die bösen Worte des Briten aus dem Sommer, als dieser meinte, man würde Mercedes auch nicht wirklich in der F1 brauchen, das sei ja im Grunde nicht Mercedes sondern das alte Tyrell-Team, waren schon sehr deutlich. Gerüchte besagen, dass Dieter Zetsche daraufhin Niki Lauda gebeten haben soll, die Verhandlungen zu übernehmen. Ein Journalist berichtete mir, dass Ecclestone und Haug sich komplett zerstritten haben sollen. Ein Hinweis darauf seinen die scheinbar unbedachten Äußerungen von Ecclestone gegenüber der Presse. Die Hamilton-Sache hatte Eddie Jordan nach eigenen Bekunden von Ecclestone, der Brite ließ in Spa nebenbei die Bombe platzen, dass Schumacher zurücktreten würde. Man muss mit solchen Informationen immer etwas vorsichtig sein, aber im Zuge seines doch überraschenden Abschiedes machen sie durchaus Sinn. Auffallend ist auch, dass Haug keine andere Position im Konzern einnehmen wird.
Interessant wird nun sein, was passiert. Das Team benötigt einen neuen Ansprechpartner, wer das sein wird ist völlig unklar. Vieles deutet auf Niki Lauda hin, sicher ist das aber nicht. Auch wer Haug in der DTM Haug ersetzen wird, ist offen. Haug selber ist 60 Jahre alt. Ein wenig jung, um schon komplett in den Ruhestand zu verschwinden. Er dürfte eine Sperre haben und ob er noch mal in der Formel Eins auftauchen wird, ist mehr als fraglich. Alle Topteams sind in Sachen Management gut besetzt, Lücken tun sich da nicht auf. Aber es gibt ja noch andere Hersteller, die interessante Motorsportprogramme haben. Vielleicht mag er auch nicht mehr, was bei seinem immensen Arbeitspensum auch mehr als verständlich wäre.
Bei aller Kritik möchte ich am Schluss auch mal „Danke, Herr Haug“ sagen. Er hat Mercedes in den Motorsport zurück getrieben und damit auch anderen Herstellern gezeigt, dass Motorsport einer der wichtigsten Marketingmaßnahmen sein kann. Ihm haben wir die großartigen Duelle zwischen Schumacher und Häkkinen zu verdanken und noch viel mehr. Nicht vergessen sollte man, dass er sich immer vor sein Team gestellt hat und alle Kritik eingesteckt hat. Man mag über seine „Wir hatten Speed“ Aussagen lächeln, aber er hat sein Team nie im Regen stehen lassen. Mir erzählte ein Kollege, dass Haug oft Journalisten zu vertraulichen Gesprächen gebeten hat, in denen er mit Telemetriedaten und Vergleichswerten aufzeigen wollte, dass seine Wagen nicht zu langsam seien, sondern nur das nötige Glück fehlte.
Haug war ein streitbarer Manager. Es gibt nicht wenige, die seine Art nicht sonderlich mochten. Rainer Braun hat ihm in seiner Autobiographie „Hallo Fahrerlager“ gleich ein ganzes, sehr bitter formuliertes, Kapitel gegönnt. Aber bei aller Kritik sollte man nicht vergessen, dass er in seiner Arbeit sehr erfolgreich war. Und er gehört zu den wenigen deutschen Motorsport-Managern, die sich international einen Namen gemacht haben.
3 Kommentare
Norbert Haug war solange dabei wie ich Formel 1 bzw. Motorsport gucke. Schon schade , dass er geht, trotz der Sachen drum rum, ein großer Verlust… :(
[…] RacingblogFormel Eins: Norbert Haug hört aufEiner der erfolgreichsten deutschen Motorsportmanager hört auf. Norbert Haug hat überraschend angekündigt zu… […]
Ich habe auch irgendwie diese zwiegespaltene Sicht auf Haug, die du sehr schön in Worte gefasst hast, Don. Er wird schon fehlen an den Mercedes-Kommandoständen in F1 und DTM…
Comments are closed.