Home NASCAR NASCAR: Vorschau Talladega Mai 2013

NASCAR: Vorschau Talladega Mai 2013

von KristianStooss
2 Kommentare

Während die DTM gerade erst in ihr neues Jahr startet, hat die NASCAR schon ein Viertel der Saison bei den Fans abgeliefert. Der zweite Teil des Jahres beginnt übrigens ebenfalls auf einem Superspeedway, wenn Sprint Cup und Nationwide Series an diesem Wochenende in Talladega bei bis zu 200 mph ihre spektakuläre Restrictor-Plate-Schachpartie austragen.

aarons499diamondDer Talladega Superspeedway ist so ziemlich die krasseste Rennstrecke, die im derzeitigen NASCAR-Kalender vertreten ist. Mit 2,66 Meilen Länge und einem Banking in Höhe von 33 Grad in den Kurven stehen am Sonntag schon mal direkt zwei jährliche Höchstwerte auf dem Programm. Diese atemberaubenden Daten wirken sich natürlich entsprechend auf die Fahrphysik aus, was die Offiziellen 1987 zum Umdenken zwang. Ursprünglich wurde Talladega nämlich wie jedes andere Oval mit voller Leistung befahren, doch dann erreichten die Geschwindigkeiten ein kritisches Maß. Unvergessen ist sicherlich die Pole-Runde von Bill Elliott aus besagtem Jahr, der seinen Ford Thunderbird mit 212,809 mph (342,482 km/h) im Durchschnitt um den Speedway prügelte. Ein schwerer Unfall am nächsten Tag bedeutete das Ende von über 800 PS in Daytona und Talladega. Weiteres zu diesem Thema könnt ihr in der oben verlinkten Streckenbeschreibung nachlesen.

Die Auswirkungen sind bekannt: Alle NASCAR-Rennserien fahren aus Sicherheitsgründen auf den beiden Superspeedways bis heute ausschließlich mit den bekannten Luftmengenbegrenzern („restrictor plates“), welche den Motoren etwa 50% ihrer maximalen Leistung abringen. Die Speeds konnte man somit auf unter 200 mph drücken, was allerdings auch eine ganz besondere Form des Racings hervorgebracht hat. Weil alle Piloten permanent zu 100% auf dem Gaspedal stehen und dabei mit nahezu konstanten Geschwindigkeiten unterwegs sind, spielt die Aerodynamik eine extrem große Rolle. Dies geht sogar so weit, dass die Decal-Aufkleber vorne und an der Seite präzise in das Wrapping – also die eigentliche Grundbeklebung des Hauptsponsors – eingearbeitet werden. Kleinste hervorstehende Nasen könnten die Luftströmung ansonsten negativ beeinflussen, dies ist aber nur eine kleine Anekdote am Rande.

Für das Renngeschehen bedeutet das permanente Fahren mit Vollgas auf jeden Fall, dass sich das Feld im Windschatten („draft“) sehr schnell zu einem riesigen Pulk aus bis zu 43 Wagen zusammenfindet, zwischen die man sprichwörtlich gerade so ein Stück Papier halten könnte. Da der jeweilige Hintermann im Feld somit kaum Luftwiderstand spürt, wird er seinerseits um wenige Meilen pro Stunde schneller als der vor ihm fahrende Konkurrent. Im Optimalfall nutzt man diesen geringen Überschuss dann zum Anschieben des Vordermannes bei knapp 200 mph (320 km/h) – auch ein ganz netter Zeitvertreib. Die Wagen in den Pulks sind knapp 10 mph schneller, als wenn sie einzeln unterwegs wären. Bekommt man den Hintermann nun dazu, dass er permanent anschiebt, kann man sich gemeinsam mit ihm vom Hauptfeld lösen und einen sogenannten „two car draft“ bilden. Dieser ist dann noch einmal circa 5 mph schneller.

Da sich die amerikanischen Fans allerdings in den letzten Jahren mit dieser neuen Drafting-Form schwer taten, schaffte die NASCAR das Tandem-Fahren Ende 2011 faktisch wieder ab. Dazu wurde der Druck des Kühlkreislaufs begrenzt und zusätzlich die Kühleröffnung verkleinert. Dies bewirkt im Endeffekt ein sehr schnelles Überhitzen bei direktem Kontakt, da der Motor des Hintermannes keine Luft mehr bekommt. Weil die neuen Gen6-Silhouetten nun aber ohnehin unterschiedliche Stoßstangenformen bei allen drei Herstellern aufbieten, ist diese Änderung eigentlich Makulatur. Einige Fahrer versuchten sich mit dem Gen6 am Two-Car-Draft, doch passierten bei unsauberem Kontakt schneller Unfälle. Diese Form des Draftings gibt es jetzt nur noch vereinzelt in der Nationwide Series zu sehen.

Dies war also mein kleiner Einsteigerkurs zum Thema „Restrictor-Plate-Racing in der NASCAR“, womit auch unsere Neulinge recht schnell ein Gespür für das Geschehen auf der Strecke entwickeln können sollten. Ich kann mich noch erinnern, dass mich diese Form des Rennfahrens bei meinem Wiedereinstieg 2007 besonders fasziniert hat und ich daher möglichst genau wissen wollte, wie dieses extreme Windschattenfahren überhaupt möglich wird. Aber bevor Großvater nun in die Geschichten von früher abdriftet, werfen wir lieber einen Blick auf das Rennen am Sonntag.

Weil die Top20 eigentlich permanent innerhalb einer Sekunde unterwegs sind, hat bis zur letzten Runde noch eine große Anzahl an Fahrern eine realistische Siegchance. Wer den Windschatten am besten lesen kann, die richtigen Manöver zur richtigen Zeit ansetzt und Windschatten-Allianzen in Kooperation mit seinem Spotter auf dem Tribünendach in die Waagschale werfen kann, der hat im Finale die besten Karten. Meistens plänkelt ein Restrictor-Plate-Rennen bis 50 Runden vor Schluss eher vor sich hin, da niemand im Gedränge bei 200 mph sein Auto riskieren will. Gefürchtet sind nämlich vor allem die Massenkarambolagen („big ones“), denen man schneller zum Opfer fällt als man lenken kann. Ab dem „50 to go“ bricht dann aber meist die Hölle los, Unfälle in der letzten Runde sind keine Seltenheit, weil natürlich jeder noch gewinnen will.

Traditionell gibt es einige Piloten, bei denen man ein gewisses Talent für diese Art des Racings nicht von der Hand weisen kann. Diese üblichen Verdächtigen sind Dale Earnhardt Jr. (über dessen Vater man sagt, er hätte den Draft regelrecht sehen können), Tony Stewart, Kevin Harvick und Matt Kenseth. Besondere Fähigkeiten attestiere ich auch Clint Bowyer sowie Danica Patrick, die im Daytona 500 auf sich aufmerksam machen konnte. Nie vergessen darf man in diesem Zuge auch Jimmie Johnson und Kyle Busch, die immer und überall für einen Rennsieg gut sind. Michael Waltrip, welcher am Wochenende in der #55 unterwegs ist, gehört dagegen eher in die Kategorie „Restrictor-Plate-Liebhaber“, wenngleich er in Talladega natürlich eine überproportionale Siegchance haben wird.

Das Windschattenfahren bevorzugt auch Piloten, die mit unterlegenem Material antreten müssen. David Ragan und David Gilliland konnten ihre Kunden-Fords von Front Row Motorsports schon des Öfteren in die Top5/10 von Daytona und Talladega bewegen. Kurt Busch sehe ich nach seinem konstruktiven Saisonbeginn ebenfalls in diesem erweiterten Kreis, dem nach dem guten Richmond-Rennen – und dem dadurch gewonnenen Momentum – auch Juan Pablo Montoya angehören sollte. Interessant dürfte die Beobachtung des Abschneidens der Werks-Fords von Roush-Fenway Racing und Penske Racing sein. Apropos Penske: Die Berufung im Fall der illegalen Hinterachsen wurde am Mittwoch abgeschmettert, dem Team bleibt nun nur noch der Gang zum obersten Vorsitzenden der Berufungskommission John Middlebrook.

Eigentlich sehe ich am Sonntag eher Chevrolet und Toyota ganz vorne. Ich denke, dass Matt Kenseth sein sehr überzeugendes erstes Saisonviertel mit einer Fahrt in die Victory-Lane von Talladega fortsetzen könnte. Und wo wir gerade bei Joe Gibbs Racing sind: Entgegen anders lautender Berichte gibt es Stand Donnerstagabend noch keine medizinische Freigabe für den Verletzten Denny Hamlin. Beim Team der #11 hatte man bisher geplant, Hamlin das Rennen starten zu lassen, damit er die vollen Fahrerpunkte gutgeschrieben bekommt. Brian Vickers sollte dann während der ersten Gelbphase das Lenkrad übernehmen. Warten wir also ab, ob Hamlin noch kurzfristig die Clearance erhält. Das volle Rennen wird er aber wohl in keinem Fall fahren.

Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das TV-Programm vom Wochenende.

Freitag, 03.05.
18:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED

Samstag, 04.05.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
21:00 Uhr, Nationwide Series Rennen (Aaron’s 312), ESPN

Sonntag, 05.05.
18:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Aaron’s 499), Motorvision TV / FOX

Das könnte Dir auch gefallen

2 Kommentare

Reinhard54 3 Mai, 2013 - 18:54

Danke, Kristian!
Wie immer eine Super-Einstimmung auf das Rennen, sowohl „streckenmäßig“ als auch „fahrermäßig“…
Beim Lesen der Strecken-Details und der Historie habe ich eine „Gänsehaut“ bekommen…obwohl mir Talladega wahrlich nicht neu ist ( als Zuschauer….)
Das gibt einfach immer wieder den speziellen „Kick“..

„Dega, ich bin bereit!“ – (hoffentlich das Wetter auch…)
LG
Reinhard54

Deutscher Auto Blogger Digest vom 03.05.2013 › "Auto .. geil" 4 Mai, 2013 - 04:28

[…] RacingblogNASCAR: Vorschau Talladega Mai 2013Während die DTM gerade erst in ihr neues Jahr startet, hat die NASCAR schon ein Viertel der Saison bei den Fan… […]

Comments are closed.