Croft war knapp davor, ein perfektes Wochenende für Colin Turkington und West Surrey Racing zu werden. Auf die Pole Position und zwei unangefochtene Siege folgte dann aber ein Ausfall im chaotischen dritten Rennen, in dem sich Andrew Jordan einen wohltuenden Sieg holen konnte. Ansonsten hagelte es vor allem massenweise Strafen. Wir wollen die Gelegenheit nutzen und nicht nur auf das Rennen, sondern passend zur Saisonhalbzeit auch auf den Kampf um die Meisterschaft schauen.
Wenn jemand am nun schon zweiten Rennwochenende hintereinander die Pole Position holt, dabei 45 Kilo Zusatzballast mit sich rumschleppt, nebenbei den Rundenrekord pulverisiert und obendrein den Rest des Feldes um eine gefühlte Ewigkeit distanziert, kann man schon folgern, dass dieser jemand derzeit ganz schön gut unterwegs ist. Und wenn dieser jemand seine Pole Position dann auch noch in zwei lupenreine und nie gefährdete Start-Ziel-Siege verwandelt, kann man auch ganz wahrhaftig von einer gewissen Dominanz sprechen. Colin Turkington ist unzweifelhaft der Mann der Stunde in der BTCC. Die Leistung, die der Nordire am Croft-Wochenende im BMW des West-Surrey-Teams zeigte, war perfekt und macht ihn pünktlich zur Saisonhalbzeit zum Titelanwärter Nummer Eins.
Dabei kam die Vorstellung freilich nicht überraschend. Colin Turkington hatte in ähnlicher Manier bereits das Rennwochenende in Oulton Park bestritten und kehrte nun an den Ort zurück, an dem er im Vorjahr schon eine vergleichbar souveräne Leistung im damals neu entwickelten BMW 125i gezeigt hatte. Dass der Nordire jetzt nicht mit einem riesigen Vorsprung die Meisterschaft anführt, hat seine Ursache in einem Kupplungsschaden und einer unglücklichen Kollision mit Árón Smith und Teamkollege Foster im dritten Rennen, das Turkington wegen der umgedrehten Startaufstellung ohnehin auf Platz 9 beginnen musste.
Dass Croft aber nicht nur Turkington-, sondern ganz allgemein auch BMW-Land zu sein scheint, unterstrich Teamkollege Rob Collard, der nach Startplatz 6 einen vierten, einen dritten und einen zweiten Platz in den Rennen folgen ließ. Den Speed von Turkington konnte er gleichwohl nicht mitgehen. So hing Collard im ersten Rennen hinter Jason Plato fest und fand einfach keinen Weg am MG vorbei. Im zweiten Rennen schnappte er Plato dann gleich am Start, konnte aber Godon Shedden auf Rang 2 ebenso nicht gefährlich werden wie dem führenden Andrew Jordan im dritten Rennen. Wermutstropfen für Collard ist obendrein eine Back-to-the-Grid-Penalty für das nächste Rennwochenende in Snetterton. Die Rennleitung sah eine Attacke gegen Jack Goff, bei der reichlich Lack ausgetauscht wurde, als zu hart an und bestrafte den West-Surrey-Piloten. Da dies die insgesamt dritte Strafe gegen Collard in der laufenden Saison ist, muss er das nächste Rennen aus der letzten Startreihe in Angriff nehmen. Nick Foster, der dritte Mann im West-Surrey-Team, wurde im ersten Rennen früh bei einem Startunfall in den Feierabend geschickt, zeigte im zweiten Rennen aber eine gute Aufholjagd, die ihn von der letzten Startreihe bis auf Platz 14 brachte. Er rundete sein Wochenende abschließend mit Platz 7 im dritten Rennen ab. Die gesamte BMW-Leistung war also insgesamt gut und der 125i ist mittlerweile ein ausgereiftes und siegfähiges Auto – das gleichwohl vor allem mit Colin Turkington am Steuer eine über allen anderen schwebende kongeniale Gemeinschaft bildet, die Jason Plato schon vom „Untergang der frontgetrieben Autos in der BTCC“ sprechen lässt.
Auf der Suche nach Verfolgern stößt man natürlich auf den amtierenden Champion Andrew Jordan, der neben dem Kampf um die Gesamtwertung auch Turkingtons ärgster Widersacher in der Independent-Wertung ist. Nach dem relativ ernüchternd verlaufenden Rennwochenende in Oulton Park hatte der Eurotech-Pilot Boden in der Meisterschaft eingebüßt, konnte sich mit dem Sieg im dritten Rennen in Croft aber einen wichtigen Erfolg und eine gute Punkteausbeute sichern, die ihn nun zur Saisonhalbzeit auf Tabellenplatz 3 mit 28 Punkten Rückstand auf Turkington bringt. Dabei profitierte Jordan freilich vom Chaos, das sich nach dem Start des dritten Rennens entwickelt hatte und vier verschiedene Führende in den ersten Kurven sah: Zunächst beförderten sich Goff und Ingram gegenseitig neben die Strecke und dann knallte Giovanardi von Jordan angeschoben in einen am Kurvenscheitelpunkt positionierten Reifenstapel. Der Honda-Pilot kam daraufhin – wohl selber etwas überrascht über diesen Umstand – als Führender aus der ersten Runde zurück und hielt diese Position unangefochten bis zur schwarz-weiß-karierten Flagge. Ob dieser Sieg nicht etwas zu teuer bezahlt worden ist, wird sich in Snetterton zeigen, denn für den Abschuss von Giovanardi bekam Jordan nachträglich eine Zehn-Plätze-Strafe für das nächste Rennen aufgebrummt. In den beiden Läufen zuvor zeigte Jordan solide Vorstellungen, die ihm nach Startplatz 5 einen sechsten und einen vierten Rang einbrachten. Weiter nach vorne schien es aus eigener Kraft nicht zu gehen, allerdings ist Croft auch nicht der Typus von Strecke, auf dem der Honda Civic seine Stärken voll ausspielen kann.
Aber Jordan hin, Jordan her, ein anderer Honda-Pilot, nämlich Gordon Shedden, scheint derzeit der ärgste Verfolger von Turkington zu sein. Dabei war die Fahrt des Schotten in Croft fast ein Spiegel der Rennen in Oulton Park: Hinter Turkington holte er jeweils das Maximum aus seinen Möglichkeiten und sicherte sich in den ersten beiden Läufen zwei zweite Plätze und damit wichtige Punkte. Das entscheidende Manöver zeigte Shedden dabei schon am Start des ersten Rennens, als er sich von Startplatz 3 kommend den zweiten Rang von Jason Plato holte. Denn während der Rest des Feldes eine Ziehharmonika hinter dem MG, der sich einfach nicht überholen ließ, bildete, konnte Shedden hinter Turkington enteilen und in den ersten Runden sogar etwas Druck auf den BMW ausüben. Nicht minder wichtig war Sheddens Leistung im dritten Rennen, das ihn von Startplatz 8 kommend bis auf Rang 4 im Ziel führte und erneut wichtige Punkte einbrachte. Dabei wühlte sich der Schotte durchs Feld und zeigte einige sehr sehenswerte Manöver gegen Tordoff, Goff, Morgan und Jackson und fuhr zunächst sogar auf dem dritten Platz über die Ziellinie. Da das Manöver gegen Jackson nach dem Geschmack der Rennkommissare aber etwas zu harsch war, belegte man den Schotten kurzerhand mit einer Zeitstrafe, die ihn die Position mit Jackson nachträglich wieder tauschen ließ. Nur sieben Punkte Rückstand auf Turkington machen den Punkte-Hamster Shedden aber trotzdem zum derzeit gefährlichsten Verfolger.
Und was ist mit dessen Teamkollegen Mat Neal? Platz 7 in der Gesamtwertung und über 100 Punkte Rückstand auf Turkington lassen wohl alle Meisterschaftsträume für den Honda-Mann zur Saisonhalbzeit platzen. Dabei ging das Wochenende in Croft mit Startplatz 4 gar nicht mal so schlecht los und schien nach der verkorksten Vorstellung in Oulton Park eine kleine Wende zu sein. Beim Start verlor Neal durch einen Rempler von Jordan zwar einige Plätze, kam aber hinter seinem Markengefährten auf Platz 6 ins Ziel. Eine nachträgliche Strafe gegen Jordan wegen der unglücklichen Attacke am Start ließ daraus dann Platz 5 werden. Das zweite Rennen erlebte dann einen furios auffahrenden Matt Neal. In der fünften Runde schnappte er sich in unnachahmlicher Art im schnellen Knick von Sunny Inn Jason Plato und tat gleiches an selber Stelle einige Runden später auch mit Rob Collard. Platz 3 und damit der letzte Platz auf dem Podium hinter seinem Teamkollegen Shedden schien die Welt des Matt Neal wieder halbwegs versöhnlich werden zu lassen. Aber dann bemängelten die Rennkommissare eine zu geringe Fahrzeughöhe am Honda Civic, disqualifizierten Neal und stellten ihn für das letzte Rennen des Tages auf den letzten Startplatz. Hier war dann kein Blumentopf mehr zu gewinnen, auch wenn sich Neal im dichten Verkehr des Hinterfeldes trotzdem alle Mühe gab. Eine kuriose Szene in Runde 5, als Neal, Rob Austin und Warren Scott zu dritt nebeneinander durch die zweite Schikane fahren wollten, ließ die Kontrahenten in einem Knäuel aus Fahrzeugen neben die Strecke rutschen und beendete Matt Neals Arbeitstag. Übrig blieben nur die Punkte aus Lauf 1, die zu wenig waren, um den Anschluss in der Meisterschaftstabelle zu wahren.
Gibt es noch weitere ernsthafte Verfolger? Jason Plato dürfte neben seinem prognostiziertem Untergang der Fronttriebler vor allem daran verzweifeln, dass sein MG zwar auf eine Runde bärenstark daherkommt (erneut sicherte er sich Startplatz 2 hinter Turkington), in den Rennen dann aber in einen gemütlichen Reise-Modus zu schalten scheint. Wie man diesen abstellt, hat das Team bislang noch nicht herausgefunden. Nachdem Plato Shedden am Start von Lauf 1 ziehen lassen musste, verteidigte er das gesamte Rennen über seinen dritten Platz mit dem sprichwörtlichen Messer zwischen den Zähnen gegen die sichtlich schnelleren Verfolger Collard, Jordan und Neal, die ihm ständig im Rückspiegel saßen. Diese Leistung ließ sich im zweiten Lauf dann nicht wiederholen und der alte Tourenwagen-Haudegen musste die lästigen Verfolger passieren lassen und sich mit Rang 5 begnügen. Das dritte Rennen hätte eigentlich eine gute Ausgangsbasis für Plato sein können, aber wegen eines sehr rüden Abschusses von Alan Menu, belegten ihn die Rennkommissare mit einer 10-Plätze-Strafe für die Startaufstellung des letzten Laufes. Von da ging dann nicht so viel nach vorne und der MG-Pilot landete – mit den Soft-Reifen, die dem MG ja ohnehin sowieso nicht so gut passen – letztendlich nur auf Rang 10. Fast 50 Punkte Rückstand lassen Plato momentan auf dem vierten Platz im Klassement verharren. Aber wenn der MG nicht allmählich mal Fortschritte macht und zu alter Form zurückfindet, ist diese Ausgangslage schnell bedeutungslos. Bezeichnend für den Durchhänger bei den MG ist auch die eher blasse Leistung des an sich schnellen Sam Tordoff. Auf Platz 7 in der Qualifikation folgten ein neunter, ein siebter und ein zwölfter Platz im unbedeutend werdenden Teil des Klassements. Tordoff ist mit dem im Reise-Modus schleichenden MG noch zahnloser unterwegs als sein erfahrener Teamkollege und eigentlich sah man ihn in Croft immer nur dann im TV-Bild, wenn er von irgendeinem Konkurrenten überholt wurde.
Schaut man auf die Tabelle, entdeckt man hinter Rob Collard etwas überraschend auf Platz 6 Mat Jackson. Überraschend deshalb, weil die Ford mit Ausnahme von Thruxton nach wie vor ihrer Leistung eher hinterherfahren. Aber Jackson hat sich als guter Punkteholer etabliert, der immer das Maximum aus seinen limitierten Möglichkeiten macht und meist fehlerlos bleibt. Einen desolaten 15. Startplatz verwandelte der Motorbase-Pilot in einen mehr als respektablen achten Rang im ersten Rennen. Darauf ließ er einen sechsten Platz im zweiten Lauf folgen und krönte sein Wochenende schließlich mit dem letzten Platz auf dem Podium im chaotischen dritten Rennen – wenngleich er diesen nachträglich erhielt, weil Shedden wegen seines Remplers gegen den Ford-Mann ja bestraft wurde. Teamkollege Fabrizio Giovanardi verspielte alle Chancen auf einen Erfolg, als er im dritten Lauf als Führender zunächst einen Reifenstapel mitnahm (angeschoben von Jordan) und anschließend mit einer hübschen Pirouette in Richtung Leitplanke segelte. Startplatz 18, Rang 12, Rang 9, ein Ausfall und ein volles Strafenkonto (Abschuss von Áròn Smith) lautet die Croft-Bilanz des Italieners, der beim nächsten Rennen ebenso wie Rob Collard aus der letzten Startreihe starten wird (auch gegen ihn wurde die insgesamt dritte Strafe ausgesprochen).
Solide waren die VW unterwegs, denen der Kurs von Croft eigentlich gar nicht so recht passt. Die Startplätze 9 (Menu) und 11 (Smith) bildeten eine gute Ausgangsbasis, die Alain Menu im ersten Lauf auf Rang sieben abschloss, dabei Tordoff überholen konnte und in den letzten Runden sogar Kontakt zu der hinter Plato feststeckenden Gruppe mit Collard, Neal und Jordan hatte. Ähnlich gut war der Schweizer zunächst auch im zweiten Rennen unterwegs, als er kurz vor Schluss in der ersten Kurve am langsameren Jason Plato vorbeigehen wollte. Der lenkte jedoch unverhofft ein und beförderte Menus VW unsanft in die Reifenstapel. Von weit hinten gestartet schaffte es Menu dann im letzten Rennen noch auf einen sensationellen achten Platz nach vorne zu fahren. Teamkollege Árón Smith wurde im ersten Lauf von Giovanardi abgeschossen, kam im zweiten aus der letzten Startreihe auf Platz 14 und verbesserte sich im dritten auf Rang 11.
Ein echtes Destruction-Derby-Wochenende verlebte Rob Austin: Im freien Training zerlegte er seinen Audi derart vehement, dass es alle Mühe der Mechaniker bedurfte, „Sherman“ unter Zuhilfenahme einiger spontan aus einem Serien-Audi ausgebauten Ersatzteile wieder flott zu machen. Austin dankte es mit einem angesichts der Umstände mehr als guten zehnten Startplatz. Im ersten Rennen folgte dann aber bereits in der ersten Kurve eine Kollision mit Adam Morgan, die in einem Dreher endete und mit einem angeschlagenen Audi letztendlich nicht mehr als Rang 13 zuließ. Das zweite Rennen war durch eine Startkollision mit Dave Newsham (ursprünglich verursacht von einem beherzt in eine nicht vorhandene Lücke vorstoßenden Giovanardi) schon vor der Überquerung der Startlinie beendet und im dritten Rennen folgte die bereits beschriebene skurrile Kollision mit Matt Neal und Warren Scott. Besser lief es für Teamkollege Hunter Abbott, der von Startplatz 17 kommend bis auf den zehnten Rang nach vorne fuhr und damit sein bestes Saisonresultat erzielte. Es folgte ein Ausfall im zweiten Lauf bevor im letzten Rennen des Tages noch mal ein guter elfter Platz zu Buche stand. Abbott scheint allmählich in der BTCC anzukommen.
Dort angekommen ist zweifellos schon seit einiger Zeit Adam Morgan, der mit seiner A-Klasse (mal wieder) etwas Licht, aber noch viel mehr Schatten erlebte. In der Qualifikation unterstrich Morgan mit Platz 8 den Speed, den der neu entwickelte Mercedes zweifellos hat. Im ersten Rennen geriet er beim Start – verursacht durch die Kollision zwischen Jordan und Neal – mit Rob Austin aneinander und musste das Rennen bereits auf der Gegengeraden mit havarierter A-Klasse beenden. Im zweiten Rennen ackerte sich Morgan dann aus der letzten Startreihe bis auf Platz 11 nach vorne und belegte im dritten Rennen den mehr als versöhnlichen fünften Rang. Man wünscht Adam Morgan wirklich mal ein zwischenfallfreies Wochenende, an dem er das Potenzial des Mercedes ungehindert vorführen kann.
Etwas unter ging am Ende Jack Goff, der das erste Rennen noch auf Platz 19 im Nirgendwo des Klassements beendet hatte, sich im zweiten Rennen auf Position 10 verbessern konnte und plötzlich auf der Pole Position für den letzten Lauf stand. Hier wurde er früh in eine Rangelei mit Giovanardi und Ingram verwickelt, die ihn die Führung kostete. Im Rennverlauf musste er sich dann den deutlich schnelleren Konkurrenten geschlagen geben, konnte seinen hart-bereiften Vauxhall aber immerhin noch auf Platz 6 ins Ziel bringen. Deutlich frustrierender verlief das dritte Rennen für Tom Ingram, das er vom aussichtsreichen dritten Startplatz in Angriff nahm, seinen Toyota aber nach der angesprochenen Kollision in der ersten Kurve ähnlich früh wie bereits drei Wochen zuvor in Oulton Park abstellen musste. Zuvor war nach einem eher enttäuschenden Qualifying auf Platz 14 nur der 15. Platz im ersten Lauf und ein 8. Platz im zweiten Rennen rausgesprungen.
Die gesamten Ergebnisse aus Croft können unter diesem Link abgerufen werden.
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Die BTCC macht jetzt erst mal eine kleine Sommerpause. Weiter geht es dann mit dem Start in die zweite Saisonhälfte mit dem Wochenende in Snetterton am 2. und 3. August.
Zum Abschluss gibt es hier noch mal das dritte Rennen in voller Länge. Wer das noch nicht gesehen hat, sollte es sich jetzt gemütlich machen und dieses Chaos genüsslich verfolgen. Prädikat: Sehr sehenswert.
Zu Youtube (Hinweis: Leider ist bei dem Video kein Einbetten möglich)
1 Kommentare
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