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WEC: Interview mit John Litjens: „Le Mans wird ein Sprintrennen“

von DonDahlmann
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Beim Prolog der WEC in Paul Ricard hatten wir die Gelegenheit, mit John Litjens zu sprechen, Projektleiter bei Toyota Motorsports Group für die Rennfahrzeuge.

Auch wenn die Strecke von Paul Ricard nur ein paar Kilometer von der südfranzösischen Küste entfernt liegt und man eigentlich den Frühling erwartet. An diesem Freitag ist es mit zwölf Grad recht frisch und zudem bläst ein kräftiger Mistral-Wind. So stark, dass im Fahrerlager Stühle und Tische durch die Gegend fliegen. Litjens, seit 1997 bei TMG angestellt, ist aber relaxed. „Wir haben genug getestet“, sagt er im Interview, der Wind sei aber ärgerlich, antwortet er auf Nachfrage.

John Litjens TMGRacingblog: Wie sehr stört der Wind heute die Messergebnisse?
John Litjens: Das macht schon was aus. Man hat sehr viel Rückenwind auf der langen Geraden und Gegenwind bei Start und Ziel. Die Gefahr ist, dass man bestimmte Probleme mit der Aerodynamik so nur schwer einschätzen kann, weil man auch nie weiß, wie stark der Wind gerade bläst.

RB: Verhält sich das Auto bei derartigen Winden auch anders?
JL: Klar, das merken die Fahrer schon und das macht das Reporting nicht einfacher.

RB: Verändert man dann bei solchen Bedingungen auch kurzfristig das Testprogramm? Also geht man mehr auf die Reifen oder Tests mit dem Hybridsystem?
JL: Auf jeden Fall. Es gibt genügend Dinge, die man auch so testen kann, aber weniger Störungen wären uns lieber.

RB: Toyota hat über den Winter sehr viel getestet, auch wenn der TS040 in Sachen Monocoque gleich geblieben ist. Bedeutet das auch, dass die Aufhängungspunkte gleich geblieben sind?
JL: Wir haben vor allem die Aerodynamik verbessert, wie man ja auch sehen kann. Aber ja, auch bei der Aufhängung gab es teilweise Veränderungen. Hier haben wir vor allem danach gesucht, wie man den Reifenverschleiß verbessern kann. Der war letztes Jahr schon ganz gut, aber im Vergleich zur Konkurrenz und zu anderen Jahren denken wir, dass da noch Potenzial drin ist. Im letzten Jahr hatten wir viele Einzelstints, das wollen wir verändern.

RB: Porsche hat sich in diesem Jahr entschlossen, in die 8-MJ-Klasse aufzusteigen. Warum ist Toyota nicht diesen Schritt gegangen?
JL: Wir haben uns den Punkt sehr genau angeschaut, uns aber dagegen entscheiden. Wir glauben, dass wir mit den 6 MJ die beste Lösung für unser Paket haben. Man darf auch nicht vergessen, dass man bei 8 MJ auch weniger Benzin zur Verfügung hat. Dafür muss man dann wieder das Gesamtgewicht runterbringen, damit sich das auch auszahlt. Eine weitere Frage war, ob man die 8 MJ mit den Superkondensatoren erreichen kann oder ob dafür nicht besser auf einen Akku wechselt. Hinzu kommt der Punkt, dass man sich überlegen muss, ob man die 8 MJ auch auf jeder Strecke komplett immer abrufen kann. Das war auch bei 6 MJ nicht immer der Fall.

RB: Das heißt in dieser Saison hat sich bei Toyota der Einsatz der 6 MJ so verbessert, dass man sie auch auf Strecken wie in Sao Paulo konstant abrufen kann?
JL: Dort, aber auch in Le Mans können wir jetzt die 6 MJ konstant über die gesamte Zeit abrufen.

RB: Ein weiterer Punkt bei den Tests dürfte noch mal die Zuverlässigkeit des Gesamtpaket gewesen sein.
JL: Absolut. Wir haben bei den vielen Tests natürlich auf die Dinge geachtet, die im letzten Jahr Probleme verursacht haben. Wir sind in diesem Jahr, verglichen mit 2014, schon mehr Kilometer gefahren, haben also noch härter getestet.

Toyota Racing TS040

RB: Porsche kommt mit drei Autos, ebenso Audi. Warum belässt es Toyota bei zwei Autos für Le Mans?
JL: Das ist eine Frage der Ressourcen und natürlich des Geldes. Wir haben ein bestimmtes Budget, damit müssen wir leben. Natürlich sind drei Autos in Le Mans ein Vorteil, weil man immer irgendeinen technischen Schaden haben kann. Drei Autos wären vielleicht möglich gewesen, aber wir bevorzugen es, dass wir das Geld in die weitere Entwicklung und Standfestigkeit stecken.

RB: Wie geht Toyota die WEC-Saison und das Rennen in Le Mans an? Sind die ersten beiden Rennen in Silverstone und Spa eher Tests?
JL: Nein, ganz und gar nicht. Die Rennen zählen ja schon zur Weltmeisterschaft und die ist wichtig. Silverstone ist allerdings ein wenig anders gelagert, weil man hier ein komplett anderes Setup in Sachen Aerodynamik fährt als In Le Mans. In Spa sieht es dann wieder anders aus. Die Strecke kommt der von Le Mans eher entgegen, hier kann man auf jeden Fall für das Rennen viel testen und ausprobieren. Dort fahren wir mit der Low-Downforce-Variante, in Silverstone setzt man auf das High-Downforce-Paket.

Toyota Racing TS040 RB: Wie groß ist der Unterschied zwischen beiden Paketen?
JL: Das betrifft natürlich hauptsächlich den Luftwiderstand. Aber auch hier kann man nicht einfach eine extreme Lösung suchen. Die Porsche-Kurven sind ein Sektor, in dem man viel Zeit holen oder liegen lassen kann. Aber klar ist, dass man auch einen guten Topspeed benötigt.

RB: Audi hatte in den letzten Jahren immer etwas weniger Topspeed, weil man mehr auf Abtrieb gegangen ist. In diesem Jahr hat man mit einem neuen Konzept überrascht und riesige Lufteinlässe an der Front vorgestellt.
JL: Ja, da sind wir auch mal gespannt, was das bringt. Wenn man sich den R18 von vorne anschaut, sieht man, dass das Fahrwerk da teilweise angeströmt wird. Vermutlich wird man versuchen, da extra Abtrieb auf der Vorderachse zu erzeugen. Aber die Effizienz ist natürlich bei so einer Lösung normalerweise niedriger, als wenn ich die Front geschlossen halte.

RB: Fragt man sich bei so einer Neuerung „Oh, haben wir da was übersehen?“
JL: (lacht) Klar, schaut man sich das an und man fragt sich „Was haben die da denn gemacht“. Werden wir dann sehen, wie das funktioniert.

RB: Nissan hat mit dem Frontmotor auch ein neues Konzept.
JL: Ja, das ist faszinierend. Auch weil man sieht, welche Freiheiten einem das technische Reglement lässt. Da ist vor allem toll für die Zuschauer, aber auch natürlich spannend für die Ingenieure. Die Frage für die Kollegen von Nissan wird sein, wie schnell sie das neue Konzept schnell und zuverlässig bekommen.

RB: Wird man dieses Jahr in Le Mans unter 3:20min fahren müssen, um den Sieg holen zu können, oder sogar noch schneller?
JL: Ja (grinst).

RB: Es wird also wieder ein Sprintrennen im diesem Jahr?
JL: Davon kann man ausgehen. Es wird 24 Stunden Vollgas sein.

RB: Wird es andere Stintlängen geben?
JL: Davon gehen wir nicht aus. Alle Hersteller fahren an der Grenze des Verbrauchslimits und da wird man nicht viel einsparen können. Natürlich werden die Systeme effizienter, aber ob man eine Runde mehr rausholen kann? Eher nicht.

RB: Oft entscheidet sich das Rennen auch an der Box. Wir wissen, wie sich Rennfahrer auf so ein Rennen vorbereiten, aber was machen die Mechaniker?
JL: Wir haben ein Fitness- und Sportprogramm für unsere Mechaniker, das seit einigen Wochen schon läuft und natürlich vor Le Mans intensiver wird. Da wird sehr viel geübt und sehr viel trainiert, damit man 24 Stunden fit ist.

Toyota TS040

RB: Wenn man Zeiten unter 3:20min fahren wird und das vor allem von mindestens acht Auto so gemacht wird – ist Le Mans dann etwas zu schnell geworden? Irgendwie standen ja mal die 3.30min im Raum, die nicht unterschritten werden sollten.
JL: Das ist mit Sicherheit sehr schnell. Aber der ACO hat ja die Instrumente, das einzubremsen. Es ist halt das alte Spiel. Jeder entwickelt weiter, also werden die Auto schneller. Man muss auch aufpassen, dass die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Klassen nicht zu groß werden. Dabei muss man aber auch sagen, dass wir davon ausgehen, dass sich der Topspeed nicht so sehr verändern wird. 345 km/h waren es im letzten Jahr, viel mehr wird es auch 2015 vermutlich nicht werden.

RB: Aber wie könnte man die Autos denn einbremsen? Wäre das Fuelflowmeter ein Ansatzpunkt?
JL: Mit Sicherheit wäre das eine Möglichkeit. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der ACO sehr genau beobachtet, wie sich die Dinge entwickeln und dann sehr genau nachsteuert.

RB: Allgemein geht man davon aus, dass Porsche in diesem Jahr eines der schnellsten Autos haben wird.
JL: Ja, durchaus. Wenn man sich die Entwicklung von Porsche im letzten Jahr anschaut und man auch davon ausgeht, dass sie dieses Tempo auch 2015 weiter durchziehen, kann man schon davon ausgehen, dass Porsche in diesem Jahr unser größter Konkurrent wird. Auf der anderen Seite haben wir ja gesehen, dass Audi sehr viel in den neuen R18 investiert hat. Man darf Audi nie unterschätzen.

RB: Wie läuft so ein Entwicklungszyklus? Es gibt ja die lange Pause nach Le Mans, entwickelt man in der Zeit die Autos weiter?
JL: Ein wenig schon, aber gleichzeitig muss man sich ja ab dem Sommer schon auf das nächste Jahr konzentrieren. Dazu kommt, dass die Saison dann wegen der vielen Reisen auch enger wird und man nicht so viel Zeit hat.

Toyota TS040 2015RB: 2017 wird das Reglement in der LMP1 verändert. Gibt es schon die ersten Hinweise, was sich ändern wird?
JL: Die Hersteller haben zusammen mit der FIA die ersten Sitzungen hinter sich gebracht. Dabei ging es vor allem um die Sicherheit der Fahrer, es wird daher Änderungen am Monocoque geben. Wir wollen nicht warten, bis etwas passiert, sondern die größtmögliche Sicherheit für alle erreichen. Wir werden die Autos vermutlich auch etwas schwerer machen, um sie so einzubremsen.

RB: Änderungen am Motorreglement wird es also nicht geben?
JL: Ich glaube nicht, dass es da große Veränderungen geben wird. ACO, FIA und die Hersteller suchen hier Konstanz.

RB: Vielen Dank für das Gespräch!

Bilder: Toyota; Racingblog

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