Am Samstagabend telefonierte ich mit einem Kollegen. Wir sprachen über die gute Performance des Torro Rosso Teams und über die Pole von Vettel. Und darüber, wie seine Siegcancen sind. „Schmal“, meinte der Kollege. Die ersten Runden würde er sicher vorne sein, wenn der Start denn passt. Aber irgendwann würde Kovalainen die STR-Festspiele beenden. Spätestens ab dem Moment, in dem es eine sichtbare Fahrspur geben würde. Wie sollte Vettel einen McLaren hinter sich halten? Da musste ich ihm zustimmen. Aber Sebastian Vettel hat uns beide dann Lügen gestraft. Selbst als es trocken wurde, hatte Kovalainen nicht den Hauch einer Chance. Vettel nahm dem Finnen teilweise eine halbe Sekunde pro Runde ab und fuhr am Ende einen ungefährdeten Start/Ziel Sieg entgegen. Aber wie viel war dem Wetter geschuldet, was für eine Rolle spielte Vettel?
Sicher hat der Regen dem Deutschen am Wochenende geholfen. Ohne Wasser auf der Strecke wird Torro Rosso nicht in der Lage sein, Ferrari und McLaren zu halten. Selbst bei Renault dürfte das schwer sein. Die Zeiten aus der zweiten, trockenen Freitagssession, wo meist in Rennabstimmung geübt wird, zeigen es deutlich. Da war Vettel Zehnter, was immer noch gut ist, aber das Potenzial des Teams wohl am ehesten widerspiegelt.
Im Regen sah es aber anders aus, und genau hier kommt wohl der „Vettel-Faktor“ zum tragen. In der ersten Quali war er schon dritter, die beiden folgenden gewann er bekanntermaßen. Und das macht vielleicht am besten deutlich, wie gut Sebastian Vettel ist. Mit einem Wagen, der normalerweise mit ein wenig Glück in die Top Ten rutscht, kann er alle Top Teams schlagen. Ein Alonso im Renault fährt auch im Regen da rum, wo er mit einem Renault auch im trockenen unterwegs ist. Ebenso Kovalainen und die Toyota. Das alleine ist schon erstaunlich und sollte für hochgezogene Augenbrauen sorgen. Nicht vergessen sollte man allerdings auch, dass Bourdais den SRT auf die vierte Position stellte und Pech beim Start hatte. Aber er lag über acht Zehntel hinter seinem Teamkollegen.
Im Rennen zeigte Vettel dann erneut, was er kann. Obwohl er wegen dem nachdrängenden Hamilton immer wieder pushen musste, blieb sein Fahrstil, bis auf eine Ausnahme, ruhig und sauber. Kein Dreher, kein Verbremser – und das mit dem Druck, seinen ersten Sieg einfahren zu können. Bei Vettel passte gestern wirklich alles und auch Hamilton hatte keine Chance. Der fuhr zwar in der ersten Hälfte ein fantastisches Rennen und lag vor seinem Boxenstopp knapp hinter Vettel, aber mit dem zweiten Reifensatz schien irgendetwas nicht mehr zu stimmen. Er kam bei weitem nicht mehr an die Zeiten des ersten Stints ran und konnte seinen Abstand auf Vettel nicht mehr reduzieren. Als er dann unplanmäßig noch mal an die Box musste, war die Sache dann sowieso gelaufen.
Eine Sache hat mich beim Rennen aber schon gewundert. Red Bull lag mit Mark Webber auf einem guten dritten Platz. Nach hinten hatte er rund 8 Sekunden Luft, nach vorne holte er zwischendrin sogar leicht auf Kovalainen auf. Aber nach dem Reifenwechsel verschwand er plötzlich im Mittelfeld. Er stecke im Verkehr und kam am Ende nur auf einen achten Platz. Die Frage, warum Red Bull nicht mit dem Schwesterteam mithalten kann, darüber rätselt die gesamte Branche. Im Prinzip fahren beide mit identischem Material von Red Bull Technology, aber etwas scheint doch anders zu sein. Es wird immer wieder der Renault Motor genannt, aber wenn Alonso auf Platz vier reinkommt, kann es so schlimm nicht sein. Eine Möglichkeit wäre, dass das RB Chassis deutlich schlechter ist, als das von Renault und der Ferrari Motor die Schwäche ausgleichen kann.
Jetzt gibt es natürlich viele Stimmen, die sagen, man solle Vettel doch lieber bei Torro Rosso lassen, anstatt ins vermeintlich schlechtere Hauptteam zu stecken. Ich denke aber weiter, dass Vettel dort besser aufgehoben ist. Die Frage ist wohl eher, ob man Gerhard Berger nicht zu Red Bull holen sollte, denn der scheint einer der entscheidenden Faktoren für den Aufstieg des ehemaligen Minardi Teams zu sein.
Dennoch ist es zu früh, von einem „neuen Schumi“ zu sprechen. Vettel hat vermutlich das Zeug dazu, aber in den vielen Jahren der Formel Eins, hat man schon etliche Supertalente gesehen, die irgendwann auf ihrem Weg stecken geblieben sind. Im aktuellen Fahrerfeld sind zum Beispiel Mark Webber so ein Fall, der interessanterweise seine Karriere mal bei Minardi gestartet hat. Für die Formel Eins in Deutschland kommt Vettel aber gerade recht. Das Vakuum nach dem Rücktritt von Schumacher konnten weder Heidfeld noch Rosberg füllen, wobei letzterer einfach das Pech hat, im falschen Auto zu sitzen. Bei Vettel kommt aber alles zusammen: eine sympathische Ausstrahlung, der Speed, eine gewisse Lausbubenhaftigkeit, ein wenig Schüchtern- und Bescheidenheit. Alles Dinge, die in Deutschland gefallen.
Einen großen Verlierer gab es am Wochenende auch. Und das war in meinen Augen nicht Ferrari oder ein unerklärlich langsamer Raikkönen, sondern Nelson Piquet. Der rutschte schon in der Quali hilflos rum, im Rennen kam er auch auf keinen grünen Zweig. Ich würde mich wundern, wenn er nächstes Jahr noch in einem Renault sitzt. Ebenfalls unerklärlich langsam war Adrian Sutil, der sich am Ende sogar noch Sebastian Bourdais geschlagen geben musste.
Ein großen Lob muss man aber wirklich allen Piloten aussprechen: bis auf Fisichella, dem nach einer Kollision der Frontflügel wegflog, blieben alle Piloten auf Piste. Es gab ein paar Dreher (Sutil, Glock) aber sonst passierte nichts. Das war bei den Witterungsbedingungen schon eine große Leistung.
Das war der letzte Europa GP für diese Saison. Die F1 verabschiedet sich jetzt auf die Asien-Tour und ich bin schon sehr gespannt, wie der Singapur GP ablaufen wird. Die ersten Animationen der Strecke sehen schon mal sehr vielversprechend aus.
15 Kommentare
Hi Don!
… Du hast nicht zufällig noch ein schönes Foto in guter Auflösung von dem Moment als Seb über die Ziellinie gefahren ist? Wär echt genial für den Desktop :-)
Für mich ist Kovalainen der größte Verlierer an diesem Wochenende. Er hat mich eigentlich schon die ganze Saison nicht überzeugt. Sein Sieg war mehr als glücklich und sonst gabs da nicht so viele Lichtblicke. Ich verstehe nicht wieso McLaren es so eilig hatte ihn auch für die nächste Saison zu verpflichten. Gestern hätte der wirklich gewinnen müssen. In der 1. Phase des Grand Prix konnte er Vettel nicht Folgen, aber gut da kann man sagen, dass Vettel leichter war und Vettel von Anfang an freie Sicht hatte. (Auch wenn man eigentlich auch sagen muss, dass Kova als Vettel schon 5 Sekunden weg war auch keine guten Rundenzeiten fuhr.) Aber in der letzten Phase des Rennens war seine Leistung schon sehr schwach. Da hätte er mit dem McLaren doch Vettel zumindest näher kommen oder sogar abfangen müssen. Stattdessen fuhr er im McLaren der ja im Regen oder auf halbnasser Strecke sonst so gut läuft sehr schwache Rundenzeiten. Ich finde jedenfalls nicht, dass er den Platz im McLaren Team wirklich verdient.
Ich finde es reichlich respektlos, Sebastian Vettel mit einem Mark Webber zu vergleichen. Fisichella oder möglicherweise Button hätte ich vielleicht noch verstanden, aber doch nicht Mark Webber!
Aber mal ganz im Ernst, natürlich kann heute niemand sicher sagen, dass Sebastian Vettel der neue Michael Schumacher ist, ich persönlich halte ihn für einen kommenden Mehrfachweltmeister, das kann nur die Zukunft zeigen. Für ihn zu hoffen ist jedenfalls, dass Red Bull im nächsten Jahr besser dasteht, als es das aktuell den Anschein hat, und ihm die Chance gibt, weitere Siege nachzulegen.
@roba: Nein, Red Bull Photofiles gibt nichts her. Das Titelfoto des Artikels ist aber groß genug, wenn man drauf klickt :)
@Mark: Ja, den hätte man auch nehmen können, aber bei Piquet ging es ja noch um eine Verlängerung des Vertrages.
@NoteMe: Respektlos? Mark Webber galt in seiner ersten Saison 2002, als er für Minardi mal einen fünften Platz in Australien holte, als kommender Schumacher-Konkurrent. Noch bevor Alonso auftauchte. Button ist aber auch guter Vergleich.
Ich gehe davon aus, dass früher oder später ein deutscher Hersteller noch nach Vettel greifen wird. Den Fehler, einen Schumacher nicht zu holen, wird man wohl nicht mehr machen.
Webber war Alonsos Nachfolger bei Minardi, und hat damals IIRC höchstens mit seinen Duselpunkten von Australien auf sich aufmerksam gemacht, danach kam aber auch nichts mehr ausser Ausfällen und ein Reihe von Einläufen mit Rundenabstand.
Keine Ahnung, vielleicht ist das damals auch an mir vorbei gegangen, aber dass Mark Webber ein Fahrer mit Chancen auf die Weltmeisterschaft, oder sogar ein Schumacher-Konkurrent sein/werden sollte habe ich bis vorhin noch nie gehört.
Für mich ist der Vergleich respektlos, weil Mark Webber traditionell nur im Training glänzen kann und im Rennen in bester Trulli-Manier eher nach hinter orientiert ist. Und so ein one-trick-pony (und dann auch noch der falsche Trick!) ist Sebastian Vettel ganz sicher nicht.
Es war übrigens das erste Mal, dass ein Ferrari Motor gewonnen hat, der nicht in einem Ferrari steckte! Ich hab mich nach dem Rennen gleich gefragt ob oder wann es das schon einmal gegeben hat und laut Motorsport Total Datenbank ist es wirklich das 1. Mal.
Großartig gemacht von Vettel. Es zeigt sich mal wieder, dass wahre Champions eher früher als später gewinnen, wenn das Auto auch nur einigermaßen passt.
Leute wie Button, Webber, Trulli, Heidfeld sind die verlorene Generation, die mal als Talent galt, dann aber ihre Zukunft schon früh hinter sich hatte. Vettel ist eher in der Alonso-Schumacher-Kategorie einzuordnen. Ich kann mich auch gar nicht dran erinnern, dass jemals jemand nach ein paar Jahren Stagnation noch mal groß heraus gekommen wäre, darum sind frühe Siege schon ein Indiz für „Champion-Potenzial“.
Ich denke auch, dass da der Schlüssel zur Red-Bull-Misere liegt, die Kombi Coulthard/Webber ist einfach schlecht, von nix kommt nix.
@ Don: kann man nix machen – trotzdem DANKE! Das von Dir angesprochene Titelfoto war ja direkt in Verwendung ;-)
Mark Webber galt schon als Talent. Hat sich dann aber recht schnell als Spezialist für die One-Lap-Quali raus gestellt.
Mann des Tages war sicherlich Vettel, aber auch Hamilton hätte das ding gewinnen können. Wäre da nicht die abtrockende Strecke gewesen. Und das er in Stint 2 seine Zeiten nicht fahren konnte, lag nicht am Reifensatz. Eher an dem vollen Auto. Nach dem Rennstart kam von HAM auch wenig.
KOV ist kein Verlierer in dem Sinne. Der Kerl ist nur der Wasserträger und das merkt man immer wieder. Den Speed eines HAM hatte er in dieser Saison eigentlich nie.
„…vetteltisimo…“
„…marvettellous…“
„…unbevettelble…“
„…vetteltastisch…“
„…increvettelble…“
:D
sind natürlich von mir geschützt die kreationen! lol
„Für mich ist Kovalainen der größte Verlierer an diesem Wochenende.“
Das sehe ich auch so, mit der genannten Begründung. Erwähnenswert finde ich noch die Aktion von Hamilton gegen Glock, da hätte ein heftiger Unfall draus entstehen können. Mit „racing“ (das es in der F1 heute leider wirklich zu wenig gibt) hatte das nichts mehr zu tun.
da muss ich zustimmen. als HAM Glock so rausgedrengt hatte, und das bei den Bedingungen (nasser Rasen), blieb mir auch ersteinmal die Kinnlade unten. Das war alles andere als nett, zumal Glock ihn ja nicht Rundenlang aufgehalten hatte. Vielleicht findet ja jemand ein Statement von Glock.
Wiegesagt, nicht sehr nett, und Obersaubersportsmannmäßig schon garnicht.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat Vettel letztes Jahr beim Race of Champions Sebastian Loeb besiegt – in Loebs Citroen!
@hwk: Glock hat bei Premiere ein nettes Statement rausgehauen. Das er sich beim nächsten mal auch so weit nach aussen schieben lässt und damit keine Rücksicht auf HAM nehmen wird ;).
Bei solchen Bedingungen sollte HAM sowas eigentlich unterlassen. Aber naja, zum Glück nichts passiert.
Also wer mir richtig Leid tat war Bourdais, vielleicht lehne ich mich ja weit aus dem Fenster aber ich würde behaupten, das STR einen Doppelsieg rausfahren hätte können. Bourdais war das ganz Wochenende im Regen schnell, im Freien Training wenn er draussen war meistens die besten Zeiten gefahren. Und bei den 0.8sec in der Qualy, da muss man auch bedenken, das er 5 Runden mehr Sprit an Bord hatte!!
Übrigens, wovon keiner spricht ist, das Rosberg einen extrem schweren Williams auf die 5 gestellt hat. Der war deutlich das schwerste Auto da vorne!
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