Kindertheater, Politik-Stadl, Machtbühne, Ego-Zirkus. Was gerade in der Formel Eins los ist, hilft der Serie überhaupt nicht.
Die meisten werden es schon mitbekommen haben, dass das neue Wertungssystem, in dem derjenige Weltmeister wird, der die meisten Siege, und nicht wie bisher die meisten Punkte in einer Saison, eingefahren hat, wieder einkassiert wurde. Schuld war ein Verfahrensfehler, denn die Juristen der FOTA haben mit spitzen Fingern die Regelbücher gewälzt. Kann man sich drüber freuen oder ärgern, jedenfalls lässt diese Entscheidung einen Blick auf den Machtkampf in der Serie zu.
Und dieser Machtkampf ist eine komplexes Gemisch aus verschiedenen Dingen. Natürlich ist da die klassische Frage, wer in der Formel Eins das Sagen hat, die Teams, Ecclestone oder die FIA. Aber es geht natürlich auch um Geld, persönliche Fehden, Gesellschaftsstrukturen und darum, einfach Recht zu behalten. Im Prinzip teilt sich die Formel Eins in drei Lager, die zum Teil alle unterschiedliche Vorstellungen haben.
1. Die FIA
Der oberste Sportbehörde der Welt ist daran gelegen, genau das zu sein: die oberste Sportbehörde, die entscheidet, was weltweit im Motorsport passiert, und was nicht. Das gelingt ihr im großen und ganzen auch ganz gut, nur wenn es um die Top-Serien geht, gibt es Probleme. Die WTCC, die WRC und die Formel Eins sind weltweit die beliebten Motorsportserien, aber genau hier gibt es auch die größten Probleme. In der WRC konnte man eine komplette Revolution der Fahrer und der Teams 2009 gerade noch so abbiegen, musste aber den Ausstieg von Skoda und Subaru hinnehmen. Der völlig überflüssige Rotations-Kalender, die Irrungen im Regelwerk sorgen weder bei den Fans, noch bei den Teams für glückliche Gesichter. In der WTCC wäre man um ein Haar ohne BMW gestartet, die die lasche Einbremsung der Seat nervt und dann sind da natürlich die Probleme in der Formel Eins. Dort haben Mosley und Ecclestone den Laden seit Anfang der 90er mehr oder weniger im Alleingang geworfen und alle Versuche der Teams, mehr Einfluss zu bekommen, abgewehrt. Aber Mosley hat ein Problem, seit dem er im letzten Jahr in die unschöne SM-Affäre verwickelt war. Viele halten ihn weiterhin für untragbar, dazu kommen die Beschlüsse der Sportkommissare bei einigen Rennen und die Verurteilung von McLaren 2007.
2. Bernie Ecclestone
Dessen Imperium wurde bisher durch die reibungslose Zusammenarbeit zwischen ihm und Mosley gesichert, aber seit dem letzten Jahr ist das schwieriger geworden. Zum einen musste Ecclestone, zumindest öffentlich, von seinem alten Kumpel abrücken, zum anderen ist er nicht der alleinige Vertreter der Teams gegenüber der FIA. Dazu kommt, dass die Wirtschaftskrise auch dafür sorgt, dass er bei seinem „Arbeitgeber“ der CVC, unter Druck steht. Das Kanada aus dem Kalender geflogen ist, hat die Teams mächtig verärgert und der GP ist auch nicht gescheitert, weil er zu erfolglos war, sondern weil Ecclestone mehr Geld erwirtschaften muss, damit die Verluste der CVC aufgefangen werden.
3. Die FOTA
Die Gründung der FOTA im letzten Jahr war für die Teams wichtig, weil sie damit a) Ecclestone ein wenig umgehen konnten, und b) direkt mit der FIA verhandeln können. Die Teams wollen zweierlei: mehr Geld und mehr Einfluss auf die Serie. Sie wollen also genau an die zwei Topfe, die Ecclestone und die FIA beschützen.
Hinter den Kulissen dürfte es also mächtig zur Sache gehen. Ecclestone arbeitet schon daran, die FOTA auseinander zu treiben. Dass er Williams und BrawnGP Geld aus dem TV-Topf vorab zur Verfügung gestellt hat, sorgt dafür, dass die auch bei Abstimmungen auf seiner Seite sind. Gleichzeitig betreibt Mosley im Hintergrund den Versuch, die Hersteller weiter zu schwächen. Mehr Privatteams statt großer Konzerne sollen in die Formel Eins. Dafür führt er Budgetgrenzen, Einheitsteile etc. ein. Die Rechnung ist klar: je mehr Privatteams die von Sponsoren abhängig sind, in der Formel Eins sind, desto mehr Einfluss kann die FIA auf den Sport nehmen. Es macht vermutlich wenig Spaß mit den Herstellern zu verhandeln, die zum einem mehr Geld haben und zum anderen schnell den Stecker aus der Serie ziehen können.
Während die FOTA also versucht der FIA und Ecclestone mit einer wie auch immer geformten Einheit der Teams zu drohen, arbeiten die zusammen mit Ecclestone daran, genau das Gegenteil zu erreichen. Logisch, denn je uneiniger die Teams sich sind (oder sein müssen, weil sie auf der Schuldenliste von Bernie stehen), desto schwieriger wird es, Einigkeit gegenüber der FIA zu erzielen.
Das die FOTA jetzt die neue Wertung gekippt hat, ist einerseits ein Machtbeweis, andererseits hätte man die Sache vermutlich hingenommen. Denn deren System mit 12 Punkten für den Sieger, ist jetzt so anders auch nicht. Es ging ihnen also einerseits um einen Machtbeweis, andererseits aber auch um die im gleichen Beschluss der FIA angekündigte Budgetdeckelung. Die würde tatsächlich die Formel Eins für Privatteams interessanter machen, was die Position der Hersteller schwächen würde.
Die Frage ist aber, ob die Entscheidung, die FIA nebst Weltrat so zu düpieren. Ecclestone hat schon angekündigt, dass das neue System 2010 sowieso kommen wird und die FOTA hat sich auf einem Nebenkriegsschauplatz verwicklen lassen. Den im Grunde ist es vermutlich sowohl der FIA als auch Ecclestone egal, nach welchem Punktesystem einer Weltmeister wird. Wenn die FIA ihren Beschluss auf Druck und Bitten der FOTA auch für 2010 zurückziehen wird, dann machen die das nur, wenn sie gleichzeitig von der FOTA die Zustimmung zu den geplanten Budgetgrenzen bekommen. Einfach „quid pro quo“ Spiel – Du bekommst das, wir dafür was anderes.
All diese Dinge wird man vermutlich im Hinterkopf haben müssen, wenn es dieses Jahr mal wieder Streit gibt. Und der ist vermutlich so sicher wie das Amen in der Kirche. Ecclestone rechnet jetzt schon damit, dass es in Australien Proteste gegen einige Wagen geben wird. Der Diffusor von Toyota, die Luftleitbleche von Renault, die Auspuffabdeckung von Ferrari, die teilweise überraschend großen seitlichen Bardgeboards anderer Teams sind nicht nur mir aufgefallen. Ein Schelm, wer denkt, dass Eccelstone im Hintergrund ein wenig Unfrieden stiften könnte, mit dem Ziel die Einheit der Teams in der FOTA zu sprengen.
Leidtragende sind mal wieder die Fans, die sich in diesem Jahr sowieso an sehr viele Neuerungen gewöhnen müssen. Und offener Streit hilft der Serie in diesen wirtschaftlich angespannten Zeiten sowieso nicht.
5 Kommentare
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Also bitte, das ist nun Unsinn. Zwischen den beiden Punktesystemen besteht ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht! Ansonsten aber gute Zusammenfassung.
@Ich: Bezieht Don sich da nicht eher auf das aktuelle/alte System? Wo der Sieger 10 Punkte bekommt.
Ich finde es persönlich gut das sich FOTA nicht alles gefallen lässt, aber FIA/Ekelstein ziehen früher oder später am längeren Hebel, dafür hat die FOTA einfach noch nicht so das standing. Wäre ja zu schön, wenn alle am ähnlichen Strang ziehen und nicht solche Querausreisser gibt, wie bei diesem Wertungssystem..
Könnte sein! In dem Fall nehme ich natürlich alles zurück. Aber so weit ich weiss, hatte man von Seiten der FOTA auch nur einen eigenen Vorschlag gemacht, weil die F1-Zampanos plötzlich mehr Gewicht auf den Sieg legen wollten (siehe „Medaillen“). Ich glaube nicht, dass die Teams jetzt von sich aus dieses Fass aufgemacht hätten.
Ich hatte mich gerade erst an das aktuelle Punktesystem gewöhnt, daß eingeführt wurde damit ein Sieg nicht soooo wichtig ist und Konstanz belohnt wird, damit nicht wieder einer à la MS allen in der Tabelle davonfährt und zur Saisonmitte die WM entschieden ist. Das war ja auch nichts damals!
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