Das Urteil ist gesprochen, die Formel Eins kann (hoffentlich) wieder zum zurückkehren, was sie am besten kann: spannende Rennen abliefern
Denn ungeachtet der bisherigen GPs ist die Rangliste in der Formel Eins noch lange nicht so sicher, wie man glaubt. Vermutlich wird BrawnGP in China wieder den Ton angeben, die Frage wird aber auch sein, wie eng Toyota an den Engländern dran sein wird. Ross Brawn selber hat im Frühjahr mal erwähnt, dass er nicht glaubt, dass sein Team auf allen Strecken vorne sein wird. Das kann Understatement sein, kann aber auch stimmen. Aufgefallen ist mir, dass man in der Quali nicht den Speed hatte, den man im Rennen gehen konnte. Das lag am vielen Sprit im Tank, und ich bin mal gespannt, wie lange Brawn das Risiko mit der Tankbefüllung in Q2 eingehen wird. Nun ist der Kurs in Shanghai nicht so viel anders, als der in Malaysia. Er hat aber zwei Passagen, die sehr interessant sein werden.
Da ist zum Beispiel die Passage nach Turn 6 bis zu Turn 9. Eine Highspeedpassage, in der der Anpressdruck eine große Rolle spielen wird. Da hier auch der zweite Meßsektor liegt, muss man wohl einen Blick auf die Zeiten werfen. Der zweite Bereich ist Ausgangs Turn 13. Je mehr Anpressdruck man da hat, desto schneller kommt man auf die lange Gegengerade. Hier würde mich mal der Speed der Wagen am Kurvenausgang interessieren. Vielleicht bekommt man aber wenigstens eine Apex-Messung für die Kurve.
Große Aero-Updates sind in China nicht erwarten. Die meisten Teams hatten ihr Material in Asien gelassen und werden allerhöchstens kleine Neu-Teile mitbringen. Bei Toyota soll es einen leicht überarbeiteten Frontflügel geben, vermutlich eine Kopie des Brawn. McLaren wird ebenfalls neue Teile dabei haben, ebenso Renault, da beide es ja auch dringend nötig haben. Etwas verändert dürfte der STR sein, der von Red Bull das letzte Upgrade spendiert bekommt, mit dem Vettel und Webber schon seit Australien unterwegs sind. Laut Christian Horner soll das ungefähr drei Zehntel bringen.
In Sachen KERS gibt es so viel Bewegung, dass man den Überblick verliert. BMW wird zumindest am Freitag Robert Kubica KERS spendieren, nach dem man den Wagen etwas abgespeckt hat. Heidfeld wird wohl ebenfalls mit der Elektro-Beschleunigung unterwegs sein.
Interessanterweise verzichtet Ferrari auf KERS. Das ist einerseits überraschend, denn die beiden langen Geraden in Shanghai sind für den Einsatz eigentlich bestens geeignet. Wie gut man sich auf den Geraden gegen ein Überholmanöver wehren kann, hat ja Alonso in Malaysia gezeigt. Aber Ferrari hat massive Probleme mit KERS (geplatzte Akkus etc.), und andere Baustellen existieren am F60 auch noch. Von daher ist der Verzicht vielleicht nachvollziehbar, zumal das erhöhte Gewicht in langgezogenen Kurven auch nicht beim Grip hilft. McLaren fährt wohl wieder mit.
Der Rest ist wohl auch wieder ohne KERS unterwegs. Bei Red Bull wundert mich das ein wenig, denn zum einen soll der Wagen sehr leicht sein, also den Einsatz der Akkus vertragen, zum anderen scheint Renault KERS, ebenso wie McLaren, Griff zu haben. Das RB auf KERS verzichtet kann mit einer mangelnden Kühlung zusammenhängen. Die Frage ist aber auch, ob KERS, ausser beim Start, auf der Strecke überhaupt etwas bringt, denn durch das erhöhte Gewicht verliert man wieder in Sachen Zeiten.
Es ist immer noch zu früh, eine Rangliste zu erstellen. Vor allem in Sachen Rennspeed. Australien ist kein Referenzkurs, Malaysia war ja etwas kurz. Wird man also abwarten müssen, aber alles andere als zwei Gelb/Weiße Wagen vorne, wäre wohl jetzt schon eine Überraschung. Aber ich bin sehr gespannt, wie es dahinter aussehen wird. China könnte der erste richtige Gradmesser in der Saison sein.
Auf Wiedersehen, Ron Dennis
Nun verlässt Ron Dennis also McLaren. Die Firma, die er, nach der mehr oder weniger feindlichen Übernahme Anfang der 80er Jahre, von Teddy Mayer übernommen hatte. Zum Tode von Teddy Mayer im Februar dieses Jahres hatte ich die Übernahme mal wie folgt beschrieben:
Geht es nach der offiziellen Variante war es so: Marlboro hatte von Ron Dennis das “Project Four” auf dem Tisch liegen. Dennis wollte damit in die Formel Eins und hoffte die Unterstützung des Konzerns zu bekommen. Dort war man betrübt über die Situation bei McLaren und überlegte, was zu tun sei. Teddy Mayer war erfolgreich gewesen, aber offenbar hatte er Probleme mit der sich verändernden Formel Eins klar zu kommen. Mayer war ein Mann der 60er Jahre und die neuen Managementmethoden sagten ihm nicht zu, dachte man beim Sponsor. Statt aber McLaren fallen zu lassen und zu Dennis zu wechseln, schlug Marlboro vor, beide Projekte zusammen zu fassen. Mayer sollte McLaren weiter führen, allerdings mit Ron Dennis an seiner Seite, der das Team neu organisieren sollte.
Die inoffizielle Variante geht so: Marlboro hatte Dennis in der Hinterhand und setzte Mayer die Pistole auf die Brust. Entweder, er würde einer Übernahme durch Dennis zustimmen, oder der Konzern würde sein Geld sofort abziehen. So gesehen wäre es ein “reverse takeover” gewesen. Man ließ den Namen McLaren als Hülle und füllt es mit dem “Project Four” von Dennis aus.
Das Dennis nun selber Opfer seiner eigenen Politik wird, ist schon etwas tragisch. Sein Kopf war aber wohl schon seit der Spionageaffäre 2007 fällig, in der er sich etwas merkwürdig verhalten hat. Bei Mercedes war man wohl „not amused“ das Dennis einige Dinge ohne Rücksprache durchgezogen hatte und das er das Drama überlebt hat, war schon ein kleines Wunder.
Doch hinter den Kulissen muss es weiter mächtig gekracht haben. Über die zeitliche Nähe zwischen dem 100 Millionen Urteil, einer massiven Demütigung von Ron Dennis, und dem Skandal um Max Mosley ist viel spekuliert worden, und ein tschechischer FIA-Delegierter zeigt mit dem Finger mal offen in Richtung McLaren (bevor ihm auf selbige gehauen wurde, und er sich entschuldigte). Klar ist aber wohl, dass Mosley und Dennis in diesem Leben nicht gute Freunde werden.
Das Signal, dass McLaren und auch Mercedes mit dem Abgang von Dennis setzen, hat wohl aber auch etwas mit der „Lügen-Affäre“ zu tun. Den dilettantischen Versuch von McLaren, ein paar Punkte mehr zu ergattern, kann man verfolgen, aber die Hartnäckigkeit mit der die FIA das betreibt ist schon auffällig. McLaren ist nicht der erste Rennstall, der sich beim Lügen erwischen lässt, die Sache war schnell aufgeklärt, so hoch muss man die Sache also nicht hängen. Schon gar nicht muss dafür eine außerordentliche Dringlichkeitssitzung des Weltmotorsportrates anberaumen, in der man über McLaren zu Gericht sitzt.
Offenbar ist der FIA einiges zu Ohren gekommen, und in diesem Fall war der Tippgeber mal wieder einer aus dem Team. In der Spionageaffäre war es Alonso, der Ecclestone unterrichtete, in diesem Fall war es der Vater von Lewis Hamilton, der die FIA nicht nur um Unterstützung bat, sondern wohl auch noch ein paar Details aus plauderte. Bei Alonso konnte man den Ärger ja noch verstehen, aber bei den Hamiltons? Die haben McLaren und speziell Ron Dennis einiges zu verdanken. Ohne dessen Unterstützung säße Hamilton vielleicht heute an einem Schreibtisch, oder würde noch in der GP2 rumfahren.
Von daher ist es höchst erstaunlich, dass sich die Familie Hamilton so massiv gegen McLaren gestellt hat, dass es wohl eines massiven Eingriffs von Mercedes brauchte, um die Gemüter zu beruhigen. Anthony Hamilton hat offen zugegeben, dass er in Malaysia bei anderen Teams angeklopft hat. Einen Weggang von Hamilton kann sich Mercedes aber nicht leisten.
Auf Ron Dennis kann man aber sehr wohl verzichten. Meine Vermutung: Mercedes hat hinter den Kulissen einen Kuhhandel mit der FIA gemacht. Man opfert die Streitfigur Ron Dennis, räumt im Laufe der Saison im Rennstall auf, dafür bekommt man Ende April bei der Anhörung eine Ohrfeige, mehr aber nicht. Das bedeutet aber auch, dass Mercedes vermutlich nach und nach die komplette Kontrolle bei McLaren übernehmen wird. Die Umstrukturierung durch die Ausgliederung von McLaren Automotive deutet zumindest in die Richtung hin, dass man McLaren als Technologieträger und Rennstall behalten will. Mit der Auto-Gruppe kann man nichts anfangen, da man hat ja nun selber genug im eigenen Haus.
Mit dem Abschied von Ron Dennis geht auch nicht unbedingt eine Ära zu Ende. Als Figur in der Formel Eins war er mir immer etwas zu glatt, zu technokratisch, als dass ich jetzt sagen würde, dass man ihn vermissen könnte. Seine Management-Leistungen sind allerdings herrausragend. Es gibt keinen Teammanager, der seit 1980 die Geschicke eines Rennstalls so erfolgreich geleitet hat. Frank Williams ist der einzige, der noch an ihn ran reicht, aber seine Erfolge hat er auch nicht. 10 Fahrertitel in knapp 30 Jahren sind schon bemerkenswert, dazu seine Zusammenarbeit mit Alain Prost und Ayrton Senna. In den 90er Jahren führte er sein Team nach dem Verlust der Honda-Motoren aus einer ziemlich dunklen Phase in die Zusammenarbeit mit Mercedes. Auch dies eine Leistung, die man würdigen sollte, gerade wenn man sieht, wie schlecht es Williams ergangen ist.
Respekt für seine Leistung habe ich in jedem Fall. Aber vermissen werde ich ihn nicht.
Und sonst?
Ganz schnell die TV Zeiten von morgen, nebst Wiederholungen. Morgen früh kommt der Rest in der üblichen epischen Breite:
Formel Eins – 1. FT China – 03:55 Uhr Premiere LIVE
Formel Eins – 2 .FT China – 07:55 Uhr Premiere, DSF LIVE
Wiederholungen Premiere:
1. FT: 11.45, 16.15h
2. FT: 09.45, 13.15, 17.45, 22.00h
DSF:
1. FT: 07.00
Beide zusammen: 20:15h
2 Kommentare
Hi Don!
Danke für diesen ausfürhlichen Beitrag. Das mit Papa Hamilton wusste ich noch gar nicht. Schon krass, dass die den Dennis so in die Pfanne hauen. Anscheinend legt die Familie Hamilton nicht soviel Wert auf Freundschaften und Dankbarkeit… Aber das kennen wir ja schon von Lewis‘ Fahrstil ^^
Wenn Brawn noch die nächsten vier, fünf Rennen dominiert, haben sie sogar Chancen, alle Rennen der Saison zu gewinnen. Wird zwar nicht passieren, weil das Pech bei jedem früher oder später einmal zuschlägt. Aber die anderen Teams werden dann wohl alles auf die nächste Saison konzentrieren, weil der Titel für dieses Jahr eh weg ist.
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