Es war vor dem Start durchaus klar, dass das Rennen nicht zu den spannendsten gehören würde. Ein Langweiler war es aber dennoch nicht.
Was schon an den Gerüchten lag, die vor dem Start plötzlich auftauchten. Die Times berichtete wenige Stunden vor dem Start über einen möglichen Boykott der FOTA-Teams in Istanbul. Das kam etwas überraschend, nach dem man am Freitag noch von „Friedensangeboten“ und anderen Dingen gesprochen hatte. Möglich wäre ein Boykott, theoretisch, schon gewesen, denn zum einen waren an der Strecke nur ein paar Besucher anwesend, zum anderen heißt der Veranstalter Bernie Ecclestone, der zu dem gar nicht vor Ort war. Am Ende war der „Streik“ nur eine Ente, aber ich vermute schwer, dass das ein Warnschuss der FOTA war, ein gezielte Indiskretion mit dem Hinweis, dass man auch anders könnte. Ob das Sinn macht ist eine andere Frage. Das Rennen konnte dann wie geplant starten:
Vettel konnte seinen Start locker gewinnen, Barrichello blieb stehen, er hatte wohl Getriebeprobleme (und viel später wohl auch damit aus). Aber schon in der ersten Runden kam halt dann das, was ich gestern schon mal angedeutet habe: Vettel macht halt noch ab und an kleine Fehler, während Jenson Button seine ganze Routine ausspielen konnte. Der winzige Fehler von Vettel zeigte aber auch noch was anderes: während der Deutsche komplett am Limit pushte, schien Button noch Reserven zu haben. Etwas, was man in der gesamten Saison beobachten konnte, denn wann hat man mal einen stehenden Reifen oder einen Slide beim Brawn gesehen?
Als Button vorbei war, konnte sich Vettel direkt darauf einrichten, den zweiten Platz zu verteidigen. Denn weil Barrichello hinten rumgurkte, lag Mark Webber auf dem dritten Platz und der war deutlich schwerer als sein Teamkollege. Die Frage war aber, wie man jetzt darauf reagieren würde. Sollte man Vettel auf eine Zwei-Stopp-Strategie umpolen, oder lieber weiter mit Drei-Stopps setzen? Schwierig zu sagen – denn hätte man Vettel jetzt randvoll getankt, damit er einen langen zweiten Stint hinbekommen könnte, wäre er a) hinter Rosberg und vor allem die Ferrari zurück gefallen, die wiederum noch etliche Runden unterwegs gewesen wären. Vettel hätte also auf dem Weg auch sehr viel Zeit auf Webber verloren, der im übrigen in seinem ersten Stint immer in der Nähe von Vettel geblieben ist.
Eine weitere Variante wäre gewesen, Vettel auf den weichen Reifen in einen extrem kurzen Stint in der Mitte zu schicken, damit der dort die Zeit, die er auf Webber verloren hat, wieder reinholen könnte. Aber auch das wäre vermutlich in die Hose gegangen, weil der Red Bull mit dem weichen Reifen nicht so schonend umgeht, wie der Brawn. Wie miserabel die weichen Reifen waren, konnte man an Hamilton gegen Ende seines zweitens Stints sehen, der sich sogar von den desaströs schlechten Toro Rosso überholen lassen musste.
Vettel wäre so oder so Dritter geworden, denn Red Bull hatte die Pole mit hohem Risiko erkauft. Als Vettel hinter Button zurückfiel, war auch der zweite Platz weg. Endgültig verlor man den zweiten Platz, als Vettel hinter Button festklemmte.
Dahinter tat sich eigentlich wenig. Rosberg und Trulli lieferten sich ein Fernduell, das der Toyota-Pilot knapp für sich entscheiden konnte. Rosberg hatte den Grundstein für sein gutes Rennen am Start gelegt, als er die Ferrari hinter sich lassen konnte. Die wiederum waren erstaunlich schwach im Rennen. Man sah eigentlich überhaupt nichts von beiden Piloten. Sowohl Massa als auch Raikkönen blieben schwach, der Finne musste sich am Ende sogar noch Timo Glock geschlagen geben, als es um den letzten Punkt ging.
Die Toyota wiederum hatten ein gutes Rennen und es wäre deutlich mehr drin gewesen, wenn Glock nicht die Quali verhauen hätte. Man war zumindest wieder deutlich schneller als die Williams, was für Toyota sicher eine Erleichterung darstellt, nach dem man in Spanien und Monaco ja etwas neben der Schnur war.
BMW konnte mit Kubica zwei Punkte holen und vermutlich ebenfalls aufatmen. Immerhin konnte man einen Ferrari hinter sich lassen, aber das Ergebnis ist natürlich immer noch nicht sonderlich berauschend für den Hersteller. Noch schlechter lief es für McLaren, aber das ist man ja mittlerweile gewöhnt.
Button führt jetzt in der WM mit 32 Punkten, und er hat sechs der sieben Rennen gewonnen. Silverstone und der Nürburgring sollten zwei Strecken sein, die dem Wagen liegen. Red Bull ist zwar auf eine Runde mindestens gleich schnell, aber auf die Distanz fehlt ihnen einfach noch der Speed. Die 6.5 Sekunden, die es am Ende in Türkei waren, geben das Bild nicht wieder, denn am Ende cruiste Button nur noch nach Hause. Im Grunde lag Webber rund 20 Sekunden zurück, man verliert also ungefähr 3 Zehntel pro Runde.
Die lassen sich aufholen, aber es wird schwer für Red Bull. In 14 Tagen soll es ein großes Update für den Wagen geben, also könnte das Rennen in Silverstone etwas spannender werden. Wenn die FIA und die FOTA bis dahin ihre Streitigkeiten beilegen. Denn am 12. Juni, am Tag vor dem 24H Rennen in Le Mans, will die FIA die Startliste für 2010 bekannt geben. Bedeutet, dass die FIA bis Ende der Woche auf die Bedingungen der FOTA eingeht, oder…
(Neue Bilder kommen morgen)
2 Kommentare
Ich fand das Rennen ziemlich unterhaltsam. Im Hinterfeld gab es immer mal wieder spannende Duelle (Barrichello vs. seine „Opfer“, Hamilton vs. Raikönnen usw.) und vorn war außer Buttons Sieg auch lange nicht alles so klar, vor allem bei Vettel vs. Webber und Trulli vs. Rosberg. Die RTL-Einschaltquoten waren auch sehr gut, also scheint die Vettel-orientierte Vettel-Mania erzeugende Vettel-Berichterstattung doch beim „gemeinen“ Publikum zu wirken ;-)
Barrichello hat Glück, dass der Brawn so sehr überlegen ist, dass man trotz seiner Patzer leicht den WCC holen wird. Trotzdem sehe ich ihn nächstes Jahr nicht mehr in dem Auto. Damit hat er seine grösste und letzte Chance auf den Titel verspielt.
Den Rekord der meisten Punkte in einer Saison wird Button sicher brechen, aber kann er auch die meisten Siege in einer Saison holen? Es sieht ganz danach aus – hängt wohl vor allem davon ab, wie viele Regenrennen es noch gibt.
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