Von Stefan Tegethoff
Es wird langsam Herbst, die Saisons der meisten Motorsport-Serien gehen langsam, aber sicher auf ihr Ende zu und die American Le Mans Series fährt mal wieder einen ihrer zwei Langstrecken-Events, die die Saisonhöhepunkte der Serie darstellen.
Die letzten beiden Ausgaben des Petit le Mans hatten jeweils spannende letzte Stunden zu bieten. Während 2007 noch die Audi R10 gegen die LMP2-Porsches kämpften und am Ende einer der Wagen mit den vier Ringen knapp siegte, gab es 2008 ein grandioses Duell zwischen Peugeot und Audi, in dem am Ende wiederum Letztere siegten. Das Besondere war: McNish/Capello, die am Ende gewannen, starteten nach einem Unfall im Warm Up eine Stunde vor Rennstart zwei Runde später als der Rest des Feldes, weil man das Auto nicht rechtzeitig fertig bekam. Den Höhepunkt des Rennens kann man sich hier anschauen:
Auch die 12 Stunden von Sebring, der erste Renneinsatz des Audi R15, war nicht minder spannend, am Ende gewann Audi mit gut 20 Sekunden Vorsprung. In Le Mans wiederum, im Juni, ging das Rennen deutlich zugunsten von Peugeot aus. Der verdiente Gesamtsieg nach so vielen Niederlagen gegen die Audi. Das Rennen morgen wird das erste Aufeinandertreffen seitdem sein und man darf gespannt sein, wie sich die beiden Konkurrenten auf der Road Atlanta schlagen werden, die einen völlig anderen Charakter hat als Le Mans oder Sebring.
Die Strecke
Es handelt sich hier um eine der meiner Meinung nach besten Rennstrecken der Welt. Rauf und runter geht es in pfeilschnellen Kurvenkombinationen, aber es gibt auch eine 1,3 Kilometer lange Bergauf-Gerade, die eine gute Überholmöglichkeit darstellt. Berühmt sind vor allem die Esses, eine Reihe schneller, geschwungener S-Kurven, die erst bergab, dann wieder bergauf führen, sowie der Zielschuss – so würde man es wohl im Skisport nennen – wo die Fahrer unter einer Brücke hin durchkommen, den Berg hinab und dann durch eine äußerst schnelle Rechtskurve fahren.
Diese beiden Passagen sind allerdings auch die „Hot Spots“, was Unfälle angeht. Insbesondere vor, in und nach Kurve 3 gehen fehlgeschlagene Überrundungsmanöver gern mal schlecht aus, was dann in bösen Unfällen endet. So auch gestern, als der Highcroft-Acura eingangs der Passage eine Berührung mit einem aus der Box kommenden Wagen hatte und sich mehrfach heftig überschlug.
Vor dem 2008er Petit Le Mans ist die Rennstrecke komplett neu asphaltiert worden. Dadurch wurden die Rundenzeiten der LMP1-Fahrzeuge in der Qualifikation um ca. 2,5 Sekunden schneller. Die schnellste in diesem Jahr bisher gefahrene Runde liegt wieder ca. 1,5 Sekunden über der Pole-Zeit von 2008, was auf die neuen Aerodynamik-Regeln zurückzuführen ist. In der Quali wird man aber sicher noch mal ein paar Zehntel von den Trainingszeiten abknabbern, aber an die letztjährigen Bestzeiten wird man nicht rankommen.
Die Teilnehmer
Aber nun zur Entry List für das diesjährige Rennen. Nach einer schwierigen Saison für die Serie sind für das Saisonhighlight morgen 30 Wagen in drei Klassen gemeldet.
In der LMP1 sind elf Autos gemeldet. Favoriten sind sicherlich die zwei Audi R15 (Vorjahressieger Capello/McNish in der #2 und Werner/Luhr in der #1) sowie die zwei Peugeot 908 (#07 Minassian/Lamy und #08 Montagny/Sarrazin), die eigentlich immer, wenn sie antreten, den Sieg dank ihrer umstrittenen Turbodiesel unter sich ausmachen. Es wird spannend sein, zu sehen, ob Audi den Performance-Nachteil aufgeholt hat, ob er auf dieser Strecke nicht existiert, oder ob sie ihn wieder – wie 2008 – durch Erfahrung und fahrerisches Können ausgleichen können. Audi hat seit Le Mans intensiv weiter getestet, aber dass Tests nicht so viel bringen, wie Rennen, dürften mittlerweile alle mitbekommen haben, hoffentlich auch der Audi-Vorstand, wenn er über das 2010er Budget entscheiden muss. Peugeot bemängelt derweil, dass der Zusatzflügel an der Front, gegen den man bereits in Le Mans protestierte, noch immer nicht abgeändert wurde.
Dazu kommen die beiden Acura von Patron Highcroft (#9 mit Brabham/Sharp/Franchitti) und de Ferran Motorsports (#66 mit de Ferran/Pagenaud/Dixon), die sich über die Saison ein oft recht spannendes Duell um die Meisterschaft geliefert haben, in dem Brabham/Sharp zur zeit recht deutlich führen. Hier sind die beiden IRL-Stars vom Team Ganassi als Gastfahrer untergekommen. Ob die Acura mit diesem schönen Aufgebot an Fahrern und ihrem Vorderreifen-so-breit-wie-Hinterreifen-Konzept allerdings gegen die vier Diesel anstinken können, wird abzuwarten bleiben.
Aus Europa herübergekommen ist das Team Oreca-Matmut mit einem ihrer AIM-betriebenen Wagen, komplett französisch besetzt. (#7 Panis/Lapierre/Dumas). In der LMS standen diese Saison zunächst nur dritte und vierte Plätze hinten den Aston Martin und Pescarolo zu Buche, bis man dann in Silverstone schließlich ein Rennen gewinnen konnte. Um nach Georgia rüber zu kommen, musste man aber die 1000km vom Nürburgring ganz auslassen und konnte in Silverstone nur im einem – dem siegreichen – Auto antreten. Der Wagen könnte sich einen spannenden Kampf mit den beiden Acura um den Platz hinter den Dieseln liefern.
Dann hätten wir mit dem Vater-Sohn-Gespann John und Clint Field noch eines der regelmäßigen ALMS-Teams im Angebot, die ihren Intersport-Lola-AER an die Rennstrecke bringen und sicher hier und da mal wieder für “Action“ (in welcher Form auch immer) sorgen, aber am Ende wohl keine Rolle spielen werden.
Autocon Motorsports nimmt auch immer mal wieder mit mäßigem Erfolg an ALMS-Rennen teil, sie stellen ebenfalls einen Lola-AER auf, Fahrer werden Burgess, McMurry und Willman sein. Gegen die große Konkurrenz wird dieses Rennen wohl kaum ihr Durchbruch werden.
ECO Racing ist auch so ein Team, was immer mal wieder an die Oberfläche kommt, so auch dieses Wochenende. Mit ihrem Radical-Chassis mit Biodiesel-AER-Motor werden sie aber wohl höchstens in der Green Challenge was holen können, wahrscheinlich aber nicht einmal dort. Letztes Jahr in Laguna Seca ist man Klassensiebter geworden.
Außerdem werden wir den ersten Einsatz des neuen LMP1-Lola vom Drayson-Team zu sehen bekommen. Lord Paul Drayson ist im Vereinigten Königreich Minister im Kabinett von Gordon Brown, und zwar für „Business, Innovation and Skills“, tritt für grüne Technologien ein, fährt aber auch gern mal Autorennen; meistens mit E85-Kraftstoff, weil er für grüne Technologien ist, aber weil es der erste Einsatz mit dem neuen Wagen ist, kommt sicherheitshalber erstmal richtiges Benzin in den Tank. In der ALMS, der LMS und Le Mans ist er dieses Jahr schon angetreten, sein zweiter Mann ist dabei üblicherweise der britische Nachwuchs-Sportwagen-Fahrer Jonathan „Jonny“ Cocker, als dritter Mann kommt dieses Wochenende wieder einmal Rob Bell hinzu. Der Lola, den sie fahren, ist das Modell B09/60. Das ist das Modell, mit dem 2008 die Aston Martin angetreten sind, ein Coupé, moderner als die beiden offenen B06/10, die Autocon und Intersport einsetzen. Interessant ist übrigens auch, das Lord Drayson auf einem Auge blind geboren wurde, das nur nebenbei. Ich bin gespannt, wie sich das Team schlägt, sollten sie denn defektfrei durchkommen.
Das LMP2-Feld besteht aus fünf Wagen – klingt wenig, ist aber ein Höchststand für diese Saison. Dominiert hat über das Jahr hinweg der von Lowe’s gesponsorte Fernandez-Acura, der bis auf ein Rennen alle gewonnen hat. Der Wagen ist schnell und zuverlässig, nachdem man ihn ja mittlerweile seit einigen Jahren in der LMP2 einsetzt. Fahren werden Adrian Fernandez und Luiz Diaz.
Das Rennen in Lime Rock war das einzige, was Konkurrent Dyson Racing gewinnen konnte. Das ist was ganz besonderes für das seit 1974 im Motorsport aktive Traditionsteam, denn die Heimatbasis in Poughkeepsie, NY ist grad mal 50 Kilometer vom Lime Rock Park entfernt. Das Team, das zwei Lola-Mazda-Coupés einsetzt (#16 mit Dyson/Smith und die etwas stärker einzuschätzende #20 mit M. Franchitti/Leitzinger) war oft recht nah am Acura dran, wurde aber immer wieder von Unfällen oder technischen Defekten zurückgeworfen. Eine Überraschung ist aber immer möglich und ein Erfolg bei einem großen Rennen wäre dem Team zu gönnen.
Aus deutscher Sicher sehr schön war das Comeback des Cytosport-Teams von Greg Pickett, der den einzigen deutschen NASCAR-„Star“ Klaus Graf als zweiten Fahrer den wieder aus der Mottenkiste geholten Porsche RS Spyder fahren lässt. Graf, der sonst zu Unrecht seine Zeit damit verbringen muss, in kleineren US-Sportwagen-Serien dem Feld auf und davon zu fahren, ist der deutlich stärkere Fahrer als Pickett, der aber dieses Jahr auch beachtlich konstante Anfangsstints gefahren ist, sodass Graf danach jeweils um den Klassensieg mitfahren konnte, was aber sowohl in Elkhart Lake als auch in Mid-Ohio durch Safety Car-Phasen vereitelt wurde, sodass es „nur“ für die Klassenplätze 2 und 3 reichte (die regeln wurden übrigens mittlerweile geändert!). Als dritten Fahrer bekommt man von Porsche den Aachener Sascha Maassen zur Seite gestellt. Mit der Zuverlässigkeit und dem Grundspeed des großartigen RS Spyder und dieser Fahrerkombo ist das Team durchaus für einen Klassensieg gut.
Letztes LMP2-Team ist van der Steur Racing, die mit einem Radical-AER und der Fahrerkombo van der Steur/Pecorari/Pecorari antreten. Ich kann nicht viel zu dem Team sagen, aber es dürfte auch keine allzu große Rolle spielen am Samstag.
Hart umkämpft ist in diesem Jahr vor allem die GT2-Klasse. 14 Wagen stehen auf der Entry List, aber einen davon können wir streichen: für den Jaguar XKR, der von Rocketsports-Nachfolgeteam RSR eingesetzt werden sollte. Deren Debüt wurde aber auf das kommende Rennen in Laguna Seca verschoben, weil die Entwicklung noch nicht ganz abgeschlossen ist. 2010 soll ein werksunterstütztes Zwei-Wagen-Team eingesetzt werden.
Wir haben zwei Werks-Corvette C6.R (#3 mit Magnussen/O’Connell/Garcia und #4 mit Berretta/Gavin/Fässler), die in den wenigen Einsätzen bereits ihre Klasse bewiesen haben, indem sie beim vergangenen Rennen in MoSport den Klassensieg und auch noch Klassenplatz 3 holten.
Von Rahal Lettermann Racing mit Werksunterstützung eingesetzt werden die beiden BMW M3 GT2, in denen an diesem Wochenende zwei WTCC-Stars als Gastfahrer sitzen (#90 mit Hand/Auberlen/Prialux und #92 mit Dirk Müller/Milner/Jörg Müller). Auch BMW hat nach einer Eingewöhnungs- und Entwicklungsphase in der ersten Saisonhälfte mittlerweile einen Klassen-Doppelsieg auf der Road America eingefahren.
Die Porsche 911 GT3 RSR-Armada besteht aus vier Fahrzeugen. Zu den Favoriten gehören sicherlich die Wagen von Flying Lizard Motorsports (#44 mit Law/Neiman/van Overbeek und #45 mit Bergmeister/Long/Lieb), vor allem die #45, die fünf der bisherigen acht Saisonrennen gewonnen hat. Mit Marc Lieb hat man sich einen dreifachen Saisonsieger und Meister der diesjährigen LMS dazugeholt. Farnbacher Loles setzt die #87 mit Werner/Henzler ein, ebenfalls eine starke Kombo. Neu dabei ist der Porsche vom Team Falken Tire mit den US-Fahrern Bryan Sellers und Dominic Cicero.
Der traditionelle GT2-Gegner von Porsche ist Ferrari, jedoch setzt nur noch Risi Competizione einen Wagen vom Modell 430 GT ein. In der Kombination Melo/Kaffer/Salo haben sie dieses Jahr aber bereits Sebring gewonnen und sind nicht zu unterschätzen.
Zu diesen Teams kommen dann die „Paradiesvögel“, die nur wenig Chancen auf Podestplätze haben. Am stärksten einzuschätzen ist wohl noch der Team PTG-Panoz Esperante mit Ford-Motor und den Fahrern Farnbacher/James, die in Sebring nach Ausfällen der Konkurrenz Platz 3 erreichen konnten, aber nicht ohne einen kontroversen Crash mit einem aufholenden Flying Lizard-Porsche. Für den Doran-Ford GT mit Roush-Yates-Motor und den Fahrern Robertson/Robertson/McMurry und die Dodge Viper der Primetime Race Group mit Feinberg/Hall am Steuer dürfte es wohl ein Erfolg sein, ohne größere Probleme die Zielflagge zu sehen.
Die Trainings-Sessions
Nachdem beim Test am Mittwoch noch ein Audi knapp vorn lag, führten in allen drei bisherigen Trainingseinheiten die beiden Peugeot das Feld an, im Respektabstand von stets rund einer Sekunde folgten die beiden Audi. Im ersten Training mischte sich noch der de Ferran-Acura dazwischen, aber das dürfte nicht viel zu sagen haben. Es bestätigt sich das, was wir eigentlich schon wussten: die Diesel sind schneller als die Benziner und Peugeot kann schneller als Audi. Dahinter dürfte es zwischen Oreca und Acura spannend werden. (schnellste Zeit bisher: 1:07.912 von Sarrazin/Montagny in Practice 3)
Bein den kleinen Prototypen sieht es recht ausgeglichen aus, in den Trainings 2 und 3 war der Cytosport-Porsche vorn, beim test und im ersten Training ein Dyson-Lola, aber ich würde mal davon ausgehen, dass auch der Acura diese Zeiten fahren könnte, wenn nicht noch schnellere. (Schnellste Zeit bisher: 1:11.609 von Dyson/Smith in Practice 1)
In der GT2 scheinen die BMW gut aufgelegt zu sein. Beim Test und den ersten zwei Trainings lagen sie vorn, die Bestzeit des Panoz in der dritten Einheit darf man wohl eher vernachlässigen. (schnellste Zeit bisher: 1:20.975 von Müller/Milner/Müller in Practice 1)
Nach dem bereits angesprochenen schweren Unfall des Highcroft-Acura im zweiten Training, bei dem das Chassis irreparabel beschädigt wurde, lässt man nun ein neues aus Californien anliefern. Das wird am Freitagmorgen dort ankommen und man wird abwarten müssen, ob sie es bis zum Rennstart zusammengebaut und feinabgestimmt bekommen. Gerade auch für den Erhalt der Meisterschaftsführung wäre das wichtig.
Das Rennen
Samstag um kurz nach 17 Uhr deutscher Zeit geht es los zur 10 Stunden- oder 1000 Meilen-Hatz. Bisher wurden immer die 1000 Meilen (ca. 1600 Kilometer) zuerst erreicht, selbst im letzten Jahr, wo das Rennen durch elf Gelbphasen, darunter einige ziemlich lange, unterbrochen wurde, absolvierte man die Distanz in neun Stunden und 41 Minuten. Zieleinlauf dürfte also zwischen zwei und drei Uhr morgens sein.
MotorsTV wird ab 17 Uhr Flag-to-Flag übertragen, ebenso Speed. Ich hoffe und gehe davon aus, dass MotorsTV wieder den großartigen Kommentar von Radio LeMans mit John Hindhaugh & Co. übernehmen wird. Den kann man sich übrigens – wenn man weder MotorsTV noch Speed empfangen kann – auch im Netz auf www.radiolemans.com zu Gemüte führen.
Das offizielle Live Timing der IMSA gibt es hier: Das hängt sich bei so langen Rennen aber auch gern mal irgendwann zwischendrin auf und wird dann nur noch in einer Minimalversion angeboten. Wenn ich mich recht erinnere, war das in Sebring und letztes Jahr beim Petit Le Mans der Fall.
Um einen Überblick über alle Autos zu behalten, gibt es außerdem hier einen Spotter Guide.
1 Kommentare
Der Spotter Guide ist ja ganz allerliebst. Wirklich schön gemacht.
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