Hier sollte mal die Vorschau auf den A1GP-Saisonauftakt in Surfers Paradise zu lesen sein. Leider kam es dann anders.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass es die A1GP bis hierhin geschafft hat. Gerüchte über finanzielle Schieflagen gibt es ja schon lange. Schwarze Zahlen soll die Serie angeblich nur kurzfristig in ihrer dritten Saison 2007/08 geschrieben haben. Und mit dem ersten Profit kam der Übermut, und eine Entscheidung, die viele für die heutigen Probleme verantwortlich machen: Statt weiter auf das unverwechselbare Lola-Chassis und den toll klingenden, verlässlichen und vor allem preiswerten Zytek-Motor zu vertrauen, und das eigenständiges Konzept weiter zu entwickeln, versuchten die A1GP-Verantwortlichen eine Art vollwertige Winter-F1 aufzustellen: Motoren samt teurem Merchandising-Vertrag von Ferrari, ein neues Luxus-Chassis auf Basis des Ferrari F2004, ein Berater-Vertrag mit Design-Altstar Rory Byrne.
Die Folge: Schon zu Beginn der Saison 2008/09 soll die Serie angeblich in heftigen „Cash-Flow“-Problemen gesteckt haben. Das Auftaktrennen in Mugello musste abgesagt werden – damals immerhin schon ein Monat vor dem Renntermin. Als offizielle Begründung wurden damals Zeitprobleme bei der Fertigstellung des neues Autos angegeben. Tatsächlich soll aber auch dafür bereits der über der Serie kreisende Pleitegeier in Form ausständiger Rechnungen diverser Ausrüster verantwortlich gewesen sein. Auch zu Rennen Nummer zwei in Zandvoort schaffte es die A1GP nur mit knapper Not – trotz nächtelanger Schichten der traten schließlich nur 17 Autos an. Am Ende konnte sich die A1GP doch mit Müh‘ und Not über die Saison retten – die Finanzprobleme waren aber unübersehbar.
Dabei war das Produkt selbst immer sehr anständig: Die A1GP war ein meist verlässlicher Garant für spannende Rennen und kernige Rad-an-Rad Manöver. Vor allem zu Beginn griffen auch durchaus namhafte Fahrer, zum Teil auch solche mit F1-Erfahrung ins Lenkrad – man denke etwa an die Einsätze von Scott Speed, Vitantonio Liuzzi, Narain Karthikeyan und den Meisterschafts-Sieg von Niko Hülkenberg. Die Mischung mit Talenten aus bisher eher motorsportfernen Ländern wie Pakistan oder dem Libanon sorgte für eine originellen Mix. (Dass allerdings ausgerechnet „Nelsinho“ Piquet den Sieg im Auftaktrennen 2005 in Brands Hatch erringen konnte, mag vielleicht nicht das beste Omen gewesen sein). Auch die Auswahl der – teils etwas ungewöhnlichen – Strecken gab der A1GP einen gewissen Charme. Ein besonders großer Wurf gelang der A1GP bei der Auswahl der englischen Kommentatoren: Das legendäre Duo Ben Edwards und John Watson sorgte verlässlich für großartige Stimmung.
Leider hinkte die TV-Vermarktung der TV-Präsentation hinterher, so dass die Serie nur in wenigen Ländern einer breiten TV-Öffentlichkeit zugänglich war. Dass man etwa in Deutschland und Großbritannien auf Pay-TV-Sender setzte, nahm der A1GP leider viel Fan-Potential.Überhaupt häufen sich in jüngster Zeit Meldungen, die die Chefetage der A1GP in einem schiefen Licht erscheinen lassen: In Südafrika gibt es Geldverschwendungs- und Korruptionsvorwürfe rund um die Gesellschaft GO-GP.org, die (unter anderem) das A1GP-Rennen in Gauteng (formerly known as Kyalami) ausrichtet. Die „hauptberufliche“ Firma von A1GP-Chef Tony Teixeira, Energem, ist ebenfalls schon vor einiger Zeit recht unschön ins Gerede gekommen, und auch Teixeiras Handeln als Chef dieser Firma steht in der Kritik.
Was den finanziellen Niedergang der A1GP selbst betrifft, ist es schwierig, aus den ohnehin eher raren Meldungen jene herauszufischen, die tatsächlich glaubwürdig sind. Die folgende kurze Chronik ist daher mit besonderer Vorsicht zu genießen: Schon nach der ersten Saison zieht sich der Dubaier Scheich Maktoum Hasher Maktoum Al-Maktoum nach einem Verlust von angeblich 240 Millionen US-Dollar aus der Führungsriege der A1GP zurück, und übergibt die Kontrolle an seinen bisherigen Vize, Tony Teixeira. Außerdem verkauft er seine Anteile an der Serie um 150 Millionen US-Dollar an den Hedge-Fund RAB. In Folge gelingt es der neuen Führung zwei passable Saisons abzuhalten, an deren Ende (angeblich) ein kleiner operativer Gewinn steht. In Folge fragwürdiger Entscheidungen, wie etwa dem oben erwähnten Ferrari-Deal, sowie der Finanzkrise, die den RAB-Fonds in Mitleidenschaft zieht, ist man zu Beginn der vierten Saison 2008/09 aber trotzdem in ernsthaften Problemen. Folge: Man kann die Zulieferer nicht rechtzeitig, und angeblich zum Teil auch gar nicht bezahlen, weshalb sich die Produktion der Autos derart verzögert, dass weder zum Rennen in Mugello noch bis zu jenem in Zandvoort alle Wagen betriebsbereit sind. Die Probleme ziehen sich über das ganze Jahr, auch ein im Jänner angekündigter Retter aus dem fernen Osten materialisiert sich nicht. Außerdem: Gestrichene Rennen in Mugello (siehe oben), Lippo Village (Begründung: Strecke nicht von der FIA abgenommen) und in Mexiko (Begründung: „überraschendes“ Radiohead-Konzert am Rennstreckengelände, Schweinegrippe-Ausbruch zum Ersatztermin) folgen; dazu ein kurzfristig angekündigter, und dann wieder gestrichener Termin in Interlagos. Außerdem gibt es immer wieder Gerüchte, die für den Transport der Rennwagen zuständige Spedition halte die Autos als Pfand für nicht beglichene Schulden zurück.
Unter diesen Vorzeichen geht man nach dem Rennen in Brands Hatch dann nervös in die Sommerpause. Ende Juni stellt dann der britische Arm der A1GP die Geschäfte ein, die PR-Abteilung der weiter bestehenden Muttergesellschaft spricht phantasievoll von einer „Umstrukturierung“ der Geschäfte, und beruhigt: Die A1GP sei nicht in Gefahr. Problem: Die erwähnte Spedition, ein Gläubiger der britischen Tochtergesellschaft, gibt die Autos nicht mehr heraus. Angeblich bleiben die Boliden während des gesamten Sommers in Händen der Spedition, und werden auf einem Flughafen in England gelagert, ohne, dass die A1GP daran von der FIA für Surfers Paradise verlangte Änderungen an den Cockpit-Seitenwänden durchführen kann. Ende September gibt die A1GP dann etwas überraschend einen Deal mit der renommierten Sportmarketing-Agentur IMG bekannt, und veröffentlicht zeitgleich einen Kalender mit immerhin neun Rennen für die Saison 2009/10. Wenige Tage später verkündet man zudem via stolzer Pressemeldung, die Finanzierung der folgenden drei bis vier Saisons sei in trockenen Tüchern. Die britische „Autosport“ will herausgefunden haben, dass es sich bei dem Investor um die schweizer Bank „Credit Suisse“ handeln soll. Am 6. Oktober findet dann in London eine Gerichtsverhandlung statt, bei der ein Konkursverwalter für die A1GP bestimmt wird. Wenig später veröffentlicht die A1GP eine Liste mit 19 Teams, die angeblich in Surfers Paradise an den Start gehen sollen. Auch die Veranstalter des „Nikon SuperGP“ versichern immer wieder, man habe nicht die geringste Sorge um das Erscheinen der Serie in Australien. Gleichzeitig machen immer wieder Gerüchte die Runde, die A1GP habe es nicht geschafft, ihre Schulden zu begleichen. Sogar von einer Anfrage der Surfers-Veranstalter bei der Superleague Formula ist die Rede. Eine Woche vor dem geplanten Rennen verkündet die A1GP schließlich den Ausfall des Rennens.
Ob damit das Ende der Serie besiegelt ist, ist noch ungewiss. Tony Teixeira spricht weiterhin davon, dass man nun eben am 15. November im chinesischen Zhuhai in die Saison starten wolle. Realistisch betrachtet muss man wohl eher davon ausgehen, dass für die A1GP das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Ob dafür nun das Management, das ungewohnte Konzept, die schlechte TV-Präsenz oder die Wirtschaftskrise verantwortlich sind, spielt eigentlich keine Rolle. Am Ende wird es viele Verlierer geben: Rennsportfans werden sich in der Winterpause nach einer anderen Unterhaltung umsehen müssen, zumal auch die GP2 Asia nur im Herbst und Frühling Rennen austragen wird. Was aber viel schlimmer ist: Die zahlreichen Mitarbeiter der A1GP, die in den vergangenen Monaten teils unter Verzicht auf ihren Lohn für den Erhalt der Serie gekämpft haben, werden ihren Job verlieren. In der „Fanzone“ der A1GP-Website geht deshalb Angst um. „Many people will probably lose their marriages, businesses and homes over this if [A1GP] cannot be saved“, schreibt etwa der Besitzer eines A1GP-Vertragspartners, dem die A1GP noch Geld schuldet, und der nun wohl vor dem Ruin steht. Ihnen wäre es zu wünschen, dass die Serie doch noch gerettet wird – oder zumindest den Anstand findet, bald reinen Tisch über den tatsächlichen Stand der Dinge zu machen.
3 Kommentare
Beim behaupteten Melodram am Ende musst ich herftig schmunzeln. „Ja denkt denn keiner an die KINDER?!?“ :-D
Spannende Serie mit massiven Geburtsfehlern. Gibt schlimmeres, als so ein Konstrukt zu verlieren.
Ein Klasse geschriebener, detailliert recherchierter und höchst informativer Artikel. [Hier weitere Superlative eintragen.]
Vielen Dank dafür!
also irgendwie macht mich die situation immernoch sehr traurig. da ich a1gp seit dem ersten rennen verfolge und mir die serie richtig ans herz gewachsen ist und für mich eine wirklich gute alternative zur politik-f1 geworden ist. hoffe das a1gp nochmal alle kräfte bündeln kann und zurückkommt.
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