In dieser Woche geht es im NASCAR-Chase auf dem Talladega Superspeedway mit der spektakulären „restrictor-plate“-Lotterie weiter, welche gleichzeitig auch die letzte große Chance sein dürfte, das Meisterschaftsgeschehen noch einmal maßgeblich zu beeinflussen.
Martinsville stellte sich in der letzten Woche nicht als einer der erwarteten „game changer“ heraus, da Jimmie Johnson statt einem Sieg zwar nur einen zweiten Platz holte, damit aber seine Meisterschaftsführung trotzdem weiter ausbauen konnte. Somit ging ihm in Virginia eigentlich nur seine Serie von drei Siegen im Herbstrennen hintereinander verloren. Seine Chase-Ergebnisse (4-1-9-1-1-2) zeigen, dass der achte Platz von Mark Martin am Wochenende einfach zu wenig war, um mit dem dreifachen Meister mitzuhalten. Martin (1-2-7-4-17-8) und Jeff Gordon (15-6-2-2-4-5) als Punktzweiter und –dritter zeigen, dass Johnson die Messlatte momentan verdammt hochlegt. Mit einem Rechenspiel kann man das ganz gut verdeutlichen: Selbst wenn z.B. Juan Pablo Montoya an seinem Horrorwochenende in Charlotte statt Platz 35 wieder einen dritten Platz herausgefahren hätte, läge er jetzt als Zweiter immer noch 88 Punkte hinter Johnson und nur 30 Punkte vor Martin. Jimmie Johnson ist auch der einzige Fahrer, der im diesjährigen Chase bisher jedes Mal in den Top10 angekommen ist.
Der letzte „game changer“ der Saison ist nun Talladega, eines der vier „restrictor-plate“-Rennen, bei denen die Motorleistung mit Luftmengenbegrenzern gedrosselt wird, um die Geschwindigkeiten unter 200 mph (320 km/h) zu halten. Die hohen Geschwindigkeiten sind nur aufgrund der Mächtigkeit solcher Strecken wie Daytona und eben Talladega möglich, wobei die Strecke in Alabama sogar die größere der beiden ist: 2,66 Meilen (4,28 km) ist eine Runde auf dem Superspeedway lang und die Kurven sind mit 33° überhöht. An dieses wahnsinnige Banking kommen sonst nur Daytona (31°) und der Bristol Motor Speedway (28-30°) heran. Rusty Wallace bestätigte 2004 eindrucksvoll, welche Konsequenzen diese Dimensionen haben: Bei einem Test ohne Luftmengenbegrenzer erreichte er eine Höchstgeschwindigkeit von 228 mph (367 km/h) auf der Gegengeraden, was einen Rundendurchschnitt von 221 mph (355 km/h) zur Folge hatte. Das ist aber nicht der offizielle Streckenrekord, weil er nicht während eines Rennwochenendes aufgestellt wurde.
Unfälle und hohe Geschwindigkeiten sorgten für die Einführung von „restrictor plates“
Den Rekord für die Ewigkeit hält nämlich Bill Elliott mit seiner Pole-Runde aus dem Jahr 1987, als er seinen Ford Thunderbird mit einer Geschwindigkeit von 212,809 mph (342,482 km/h) um das Oval bewegte – im Durchschnitt wohlgemerkt! Beim eigentlichen Rennen einen Tag später verlor dann Bobby Allison nach einem Reifenschaden seinen Buick und hob in Folge eines Drehers ab. Allisons Wagen schlug mit dem Heck in den Fangzaun ein. Ähnlich wie bei Carl Edwards‘ Unfall im Frühjahr 2009 wurden dabei auch einige Zuschauer von umherfliegenden Trümmerteilen verletzt. Der Unterschied zwischen den beiden Unfälle: Edwards Ford „surfte“ mit dem Dach voraus am Fangzaun entlang, der ihn letztendlich schnell wieder auf die Strecke zurückwarf, während Allison gleich eine ganze Portion des Zaunes komplett mitriss. „roof flaps“, also die beweglichen Klappen auf dem Dach der Wagen, deren Aufstellen ein Abheben verhindern soll, wurden erst 1994 eingeführt. Während sie Allisons Einschlag hätten verhindern können, waren sie bei Edwards‘ Unfall machtlos. Die #99 war schon wieder auf dem Weg zum Boden, nachdem die „flaps“ ein weiteres Aufsteigen nach dem Dreher verhinderten, wurde aber unglücklich von Ryan Newman getroffen, der den Ford wieder in die Luft beförderte.
Die Geschehnisse im Jahr 1987 hatten dann die Einführung der „restrictor plates“ zur Folge, während der jüngste Crash für eine Erhöhung der Fangzäune von 14 auf 22 feet (4,26 m auf 6,71 m) sorgte. Im Bereich der Start- und Zielgerade ist dieser Umbau schon abgeschlossen, auf der Gegengerade und in Daytona folgt er rechtzeitig zur neuen Saison. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, die Gitter der Zäune engmaschiger zu gestalten, denn mich erinnert der Status Quo immer ein wenig an den Maschendrahtzaun meines Nachbarn. Anscheinend kommen immer noch größere Trümmer durch, die dazu fähig sind, einem den Kiefer zu zertrümmern. Obwohl der Vorfall sehr kontrovers diskutiert wurde, muss ich natürlich auch eingestehen, dass NASCAR bisher einen guten Job gemacht hat. Man hat konsequent aus schlimmen Unfällen gelernt und die Schwachstellen dementsprechend beseitigt. Die Einführung des COT, sowie die Nutzung der SAFER-Barrier und des HANS-Device sind bspw. einige solcher Verbesserungen in der Sicherheit. Hoffen wir also, dass der „big one“ in diesem Jahr nur die Meisterschaft spannender macht und niemand ernsthaft verletzt wird. Denn trotz aller Gefahr möchte ich auf das spektakuläre Racing in drei parallelen Pulks mit über 30 Autos nicht verzichten.
Auch in Talladega führt Hendrick Motorsports die Siegerliste an, allerdings nicht Jimmie Johnson
Zurück zum eigentlichen Rennen; werfen wir einen Blick auf die in Talladega erfolgreichsten noch aktiven Fahrer. Zwar ist „restrictor-plate racing“ allgemein eine große Lotterie, doch es gibt so einige Experten, die in den letzten Jahren wiederholt auftrumpfen konnten. Wieder führt ein Hendrick-Fahrer die Liste an, denn Jeff Gordon konnte bereits 6 Siege einfahren. Zuletzt gewann er beide Talladega-Rennen 2007. Zweiter in der Liste ist Dale Earnhardt Jr, ein ausgewiesener „plate“-Spezialist mit 5 Erfolgen. Vielleicht kann er der eher deprimierenden Saison noch ein kleines Highlight hinzufügen, im Frühjahr wurde er immerhin Zweiter. Mark Martin steht mit 2 Erfolgen in den 90er Jahren an dritter Stelle, während Tony Stewart, Brian Vickers, Brad Keselowski, Kyle Busch, Bobby Labonte und Jimmie Johnson erst einmal in die Victory Lane fuhren. Für Vickers und Keselowski war es gleichzeitig auch der erste Cup-Sieg.
In dieser Woche lehne ich mich mal nicht aus dem Fenster und gebe keine Tipps auf einen Sieger ab, sondern betrachte mal die bisherigen Ergebnisse u.a. der verbleibenden Meisterschaftskandidaten. Dabei ziehe ich die Linie hinter Kurt Busch, der mit seinen 240 Punkten Rückstand aber schon weit zurück liegt. Die Fahrer ab Platz 7 mit über 300 Punkten hinter Johnson spielen für die Meisterschaft dann jedoch keine Rolle mehr. Nimmt man das Frühjahrsrennen als letzten Maßstab, so macht es Hoffnung: Sowohl Johnson als auch Martin (-118) und Gordon(-150) schieden nach Unfällen aus und landeten jenseits der Top30. Tony Stewart (-192) und Juan Pablo Montoya (-200) schlugen sich mit Top30-Ergebnissen eher mittelmäßig. Einzig Kurt Busch (-240) konnte am Ende in die Top10 fahren. Normalerweise ist aber Johnson oft für die Top10 gut, ebenso wie Ryan Newman, der in den letzten Jahren einige Top-Ergebnisse in Talladega ablieferte. Ansonsten habe ich noch die „plate“-Experten auf der Rechnung, als da wären: Dale Earnhardt Jr, Tony Stewart und Jeff Gordon. Damit haben wir nun wieder einmal so ziemlich alle Fahrer des Hendrick-Motorsports-Komplexes zusammen und außerhalb dessen sehe ich eigentlich nur Kurt Busch mit guten Ergebnissen in der Vergangenheit. Montoyas bestes Resultat ist ein zweiter Platz aus dem Vorjahr und es wäre schon ein Hammer, wenn er am Sonntag gewinnt.
Das Rennen wird wie alle anderen Chase-Rennen auf ABC übertragen, welche nach der in Amerika erfolgten Winterzeitumstellung um 18 Uhr auf Sendung gehen. Der Rennstart ist für ca. 19:15 Uhr angesetzt, also wieder einmal zur besten Zeit. Das Qualifying mit 44 Autos findet erst am Samstag um 17 Uhr statt und danach wird es kein weiteres Practice mehr geben – „impound rules“ also an diesem Wochenende. An den Wagen darf dann nach der Qualifikation nicht mehr viel verändert werden. Als Support sind noch die Trucks vor Ort, die am Samstag (und damit noch in der Sommerzeit) um ca. 21:15 Uhr fahren, SPEED überträgt ab 20:30 Uhr. Die Nationwide Series pausiert in dieser Woche, um dann in der nächsten Woche in Texas mit dem Meisterschaftsendspurt zu beginnen. Alle drei nationalen Serien fahren dann an den verbleibenden drei Wochenenden am selben Ort. Außerdem bleibt zu hoffen, dass sich die Sache mit den Streams ein wenig entspannt, nachdem in der letzten Woche gleich mehrere Anlaufadressen bei justin.tv während des Rennens verschwanden. Das Resultat, nämlich dass die zwei verbleibenden Channels völlig überfüllt ohne Abo unschaubar waren, lässt gleichzeitig auf den möglichen Grund für die Abschaltung schließen: justin.tv möchte zahlende Kundschaft! Mal sehen, wie sich die Sache entwickelt, zumal XS Sports wohl ab 22 Uhr wieder auf Football umschalten wird. Gerade dieses Rennen würde ich schon gerne sehen.
News
– AJ Allmendinger muss sich im Dezember wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss vor einem Gericht verantworten. In dieser Woche wurde er in North Carolina mit 0,8 Promille angehalten und bestand einen sogenannten „field sobriety test“ nicht. Sein Alkoholpegel ist allerdings der maximal erlaubte in dem Bundesstaat, somit wird zu klären sein, ob er unter Ausfallerscheinungen litt. Dieses Ereignis könnte ungünstiger nicht kommen, schließlich soll er in der nächsten Saison die legendäre #43 bei Richard Petty Motorsports fahren, die gerade mit Best Buy einen großen Sponsor für mindestens die Hälfte der Saison an Land gezogen haben. Best Buy verlässt nämlich die #19 von Elliott Sadler, um dort Stanley Tools für ein Vollzeitsponsoring Platz zu schaffen. Außerdem ist seit Jahren bekannt, wie die Meinung der Pettys zum Umgang mit Alkohol ist: So findet man keinen Alkoholsponsor auf den Autos mit der Nummer #43 und #44, zusätzlich ließ man sogar einige Male das Budweiser Shootout aus und trat auch nicht in der ehemaligen Busch Series an, nur um nicht mit Alkohol in Verbindung gebracht zu werden. Zwar ist Allmendinger der erklärte Schützling von Richard Petty, doch man wird sehen, wie sich die Situation in den nächsten Tagen und Wochen entwickelt.
– Kyle Busch bekommt ab Texas einen neuen Crew Chief. Nach dem Verpassen des diesjährigen Chase und anhaltender Performanceprobleme zieht Joe Gibbs nun die Notbremse und teilt Steve Addington eine neue Aufgabe im Team zu. Der neue Crew Chief am Auto mit der #18 wird Dave Rogers sein, der zuvor das Nationwide-Auto mit der #20 betreute.
– Ford testet in Talladega erstmal den neuen Motor für die kommende Saison und zieht damit als letzter aller Hersteller mit einem überarbeiteten Aggregat in den Kampf. Matt Kenseth und David Ragan sind aufgrund ihrer Nichtbeteiligung am Chase ausgewählt worden und werden am Wochenende den neuen Motor unter der Haube haben. Allerdings werden erst Mitte 2010 alle Ford-Teams umgerüstet sein.
– Auch Elliott Sadler wird in Talladega einen Ford fahren, um Erfahrung mit dem neuen Triebwerk auf einem Superspeedway für das Daytona 500 zu sammeln. Die letzten drei Saisonrennen bestreitet AJ Allmendinger ebenfalls in einem Ford, da die #44 von Richard Petty Motorsports keinen direkten Vertrag mit Dodge besitzt. Diese Maßnahmen sind notwendig, um die RPM-Autos auszubalancieren, denn das Ford-Aggregat wird anders im Motorraum einbaut als der Dodge-Motor.
– BAM Racing meldete sich in dieser Woche mit einer Ankündigung auf der Homepage zurück und plant offenbar größeres: Für die nächste Saison konnte man Warner Music Nashville als Partner gewinnen und am Tag des Budweiser Shootout in Daytona wird die erste Promotion-Veranstaltung stattfinden. Angeblich soll WMN auch auf dem Auto mit der #49 zu sehen sein, was bedeutet, dass zumindest wieder einzelne Rennen für BAM möglich erscheinen. In der Vergangenheit verzichtete man ohne Sponsor auf „start & park“-Entries. 2010 soll auch die neue Homepage gestartet werden, dann wird man sehen, was von dieser Meldung zu halten ist.
3 Kommentare
super Beitrag
zu XS Sports:
Wen interessiert eigentlich Football?
Wie kann man denn mitten im Rennen umschallten?
Der Junge ist wohl nicht ganz dicht.
Es ist doch die Entscheidung des Streamers, ob er was zeigt und wenn ja was. Der macht das für lau, hat sogar eher noch Kosten dabei. Da sind Beschimpfungen völlig fehl am Platz, ohne freiwillige Streamer würdest du nämlich gar nichts sehen.
[…] – also den Anschluss an das Hauptfeld – nicht gänzlich zu verlieren. In der letzten Talladega-Vorschau steht noch ein wenig mehr zum Thema „restrictor plates“. Außerdem verriet ich dort, […]
Comments are closed.