In dieser Woche findet das vorletzte Saisonrennen auf dem Phoenix International Raceway statt und Jimmie Johnson steht knapp davor, wieder einmal NASCAR-Geschichte zu schreiben. Dazu reicht es ihm schon, mit 161 Punkten Vorsprung nach Homestead zum Finale zu fahren.
Auch ein Totalschaden konnte Jimmie Johnsons Meisterschaftschancen nicht allzu sehr trüben. Zwar wurde ihm in Texas ordentlich die Suppe versalzen, doch er biss die Zähne zusammen und löffelte den Teller leer. Hätte man die heftig ondulierte Mühle aufgegeben und sich die restlichen 200 Runden gespart, wären weitere 15 Punkte auf Mark Martin und Jeff Gordon verlorengegangen. Ich rechne mal ein wenig und zeige die unterschiedlichen Herangehensweisen auf, die verbliebenen Meisterschaftskandidaten zu bestimmen. 73 Punkte beträgt der Restvorsprung auf die Verfolger und rechnerisch haben noch alle Fahrer bis einschließlich Ryan Newman auf Platz 9 eine Chance auf den Titel. Aber Halt-Stopp: Das ist die „super safe“-Rechenmethode, die eigentlich Quatsch ist. 195 Punkte kann man in einem Rennen nur aufholen, wenn der Konkurrent das Rennen nicht bestreitet. Der letzte Platz wird noch mit 34 Punkten belohnt und da wir davon ausgehen können, dass Johnson in beiden Rennen startet, macht das noch 161 Zähler pro Wochenende. Damit muss man die rechnerische Linie hinter Greg Biffle (-247) auf Platz 7 ziehen.
Realistisch ist das aber immer noch nicht so wirklich, denn die über-100-Punkte-Aufholaktion von Mark Martin ist eigentlich eine Seltenheit in der NASCAR und fordert einen weiteren sehr schlechten Tag von Johnson. Geht man davon aus, dass man bei einem 10. Platz höchstens 61 Punkte und bei einem 20. Platz maximal 92 Zähler liegen lässt, dann sind je nach Variante mindestens Mark Martin (-73) und Jeff Gordon (-112) und unwahrscheinlicher höchstens noch Kurt Busch (-171) und Tony Stewart (-178) im Meisterschaftsrennen. Schafft es Johnson in Phoenix dagegen, seinen Vorsprung auf mind. 161 Punkte anwachsen zu lassen, dann ist er bei einem sicheren Start in Homestead schon vorzeitig Meister. Alles über 100 Punkte vorne weg ist fast sicher und mit mehr als 60 Punkten reicht eine gemütliche Top10-Fahrt in Florida. Damit sollten jetzt so ziemlich alle Wahrscheinlichkeiten und Rechenspiele und ihre Bedeutung für vor und nach dem Rennen in Phoenix erklärt sein, wobei eins noch hinterher: Wenn Jimmie Johnson bei beiden Rennen mindestens auf Platz 4 ins Ziel kommt, dann kann Mark Martin machen was er will!
Phoenix hat ähnlich wie Pocono oder Darlington keine symmetrische Streckenführung
Gefahren wird also auf dem Phoenix International Raceway in der Wüste von Arizona – rain anyone? Die Strecke ist mal wieder eine echte Rarität und hat seine außergewöhnliche Form den geologischen Gegebenheiten auf dem Grundstück zu verdanken. Weil man außer dem Oval noch eine Rundstrecke und einen Dragstrip mit auf das felsige und hügelige Gelände quetschen wollte, musste die Strecke ein wenig zurechtgebogen werden: So hat die Gegengerade außer ihrem Banking von 9° einen Knick, der als „dogleg“ bekannt ist. Die Turns haben ähnlich Pocono einen unterschiedlichen Charakter, Turn 1 und 2 sind mit 11° überhöht und enger als Turn 3 und 4, die dafür auch 2° weniger Banking aufweisen. Das Oval ist exakt eine Meile lang und fasst 76.800 Zuschauer, die zum Teil auf Naturtribünen ihren Platz findet. Rustikales Ambiente also und man erzählt sich außerdem die Geschichte, dass das Rennen ohne die freiwilligen Helfer nicht möglich wäre, die jeden Morgen auf den Tribünen die Klapperschlangen einsammeln; authentisches Wüstenfeeling.
1964 wurde der Raceway in Avondale, Arizona im Südwesten von Phoenix erbaut und in einer Sports-Illustrated-Umfrage wählten ihn 2007 12% aller NASCAR-Fahrer zu ihrer Lieblingsstrecke, was immerhin zu einem zweiten Platz gemeinsam mit dem Atlanta Motor Speedway hinter Bristol (18%) reichte. Eigentlich galt das Oval bis zum Jahr 2005 eher als Rennschauplatz der Open-Wheeler, allen voran den IndyCars und der Indy Racing League, doch die NASCAR-eigene International Speedway Corporation (ISC) entschied sich in besagtem Jahr für eine Neuausrichtung. Interessanterweise verfügte die Strecke bis zu diesem Zeitpunkt über die drittlängste IndyCar-Historie nach Indianapolis und Milwaukee. Die ISC kaufte den Phoenix International Raceway 1997 dann schließlich, doch Cup-Rennen fanden schon seit 1988 dort statt. Seit dem 2005er Kalender-Realignment verfügt das Oval gemeinsam mit Texas auch über ein zweites Saisonrennen, damals zu Ungunsten von Rockingham und Darlington.
Der externe Rundkurs war in den Parkplatz des Raceways integriert und führte von außen über die Fahrbahn des Ovals in das Innere der Anlage. Dieser Kurs wurde dann später durch eine integrierte Strecke im Infield ersetzt. Seit den letzten großen Umbauarbeiten 2002-03 gibt es einen Access-Tunnel unter Turn 4, womit auch die erwähnten bisherigen und einzigen Zufahrten ins Infield geschlossen werden konnten. Dadurch existiert auch der Dragstrip in seiner früheren Form nicht mehr.
Wie nicht anders zu erwarten war, ist Hendrick Motorsports auch in Phoenix top
Die Liste der bisherigen noch aktiven Sieger lässt wieder auf eine Hendrick-Motorsports-Show vom feinsten schließen, denn seit 2007 hat hier kein Nicht-Hendrick-Fahrer gewonnen. Außerdem gilt die Strecke mittlerweile als Chevrolet-Domäne, nachdem zu Anfang eher die Fords die Vorherrschaft besaßen. Jedoch konnten diese seit 2003 nur noch ein Rennen in Phoenix gewinnen, alle anderen gingen an Chevy. Wie erwartet führt Jimmie Johnson die Statistik mit 3 Siegen an, die alle hintereinander den Jahren 2007 und 2008 entstammen. Das Frühjahrsrennen 2009 gewann dann Mark Martin, der gemeinsam mit Jeff Burton, Dale Earnhardt Jr und Kevin Harvick auf jeweils 2 Erfolge kommt. Eine Fahrt in die Victory Lane gelang bisher Tony Stewart, Matt Kenseth, Kurt Busch, Kyle Busch und Jeff Gordon, der 2007 vor Johnsons Serie das Rennen im Frühling gewann. Zu beachten ist, dass Mark Martins erster Sieg, beide Erfolge von Jeff Burton und Kurt Buschs Sieg in einem Ford zustande kamen. Tony Stewart gewann in einem Pontiac und Kyle Busch in einem Hendrick-Chevy; Toyota und Dodge konnten bisher noch kein einziges Phoenix-Rennen gewinnen.
Als Favoriten gelten die ersten drei Fahrer in der Meisterschaft, allen voran Jimmie Johnson, der seit 2007 nur Top5-Ergebnisse erreicht hat – darunter drei Siege. Mark Martin kam in diesem Jahr frisch zu Hendrick Motorsports und gewann das Frühjahrsrennen in Phoenix. Jeff Gordons beste Ergebnisse liegen fast ausnahmslos in seiner sehr erfolgreichen Vergangenheit, 2008 und 2009 kam nach dem 2007er Sieg kein Top10-Ergebnis mehr zu Stande. Als weiterer Chevy-Fahrer ist da zum einen noch Juan Pablo Montoya, der nie besser als auf Platz 16 ankam, auch nicht in diesem Frühjahr. Zum anderen Tony Stewart, der gute Chancen auf ein Top5-Ergebnis hat, wenn man seine bisherigen Resultate anschaut (seit 2006 4x Top5 und 3x nicht). Auf Ford-Seite erwarte ich keine Höhenflüge, eher ein Top5-Resultat von Greg Biffle, Carl Edwards oder Matt Kenseth. Kyle Busch versucht zwar an diesem Wochenende – wie übrigens auch Kevin Harvick – wieder ein Triple, aber in Phoenix ist er nicht der erfolgreichste Fahrer (sein einziges Top5-Ergebnis war sein Sieg). Den ersten Toyota-Sieg traue ich eher Denny Hamlin zu, der in der Wüste konstanter unterwegs ist (nicht schlechter als Platz 6 in den letzten vier Rennen). Die Fahne für Dodge wird einzig Kurt Busch hochhalten können, der auch für ein Top5-Resultat gut zu sein scheint.
Das Rennen wird wie gewohnt auf ABC übertragen und zwar zur gleichen Zeit wie Texas in der letzten Woche: Sonntagabend ab 20:30 Uhr, Start ca. 21:15 Uhr. Am Samstagabend ist die Nationwide Series unterwegs, ESPN2 überträgt ab 22 Uhr und der Rennstart erfolgt ca. gegen 22:45 Uhr. Die Trucks fahren schon in der Nacht von Freitag auf Samstag unter Flutlicht ab ca. 2:15 Uhr. SPEED geht um 1:30 Uhr auf Sendung.
News
– Der Merger zwischen Richard Petty Motorsports und Yates Racing wird einige Opfer fordern. Zum einen wird die komplette Motorenabteilung von RPM dichtgemacht, da Roush-Yates in der nächsten Saison die Ford-Motoren für die gemeinsame Organisation vorbereiten wird. Zum anderen wurde den Petty-Crew-Chiefs mitgeteilt, dass für 2010 pro Wagen nur 17 Crewmitglieder vom Vorstand genehmigt sind. Insgesamt müssen ca. 200 der derzeit 250 Mitarbeiter ihren Platz räumen. 47 wurden schon entlassen und 14 weitere, die sich um die restlichen Dodge-Motoren bis Saisonende kümmern, werden nach Homestead folgen.
– Bobby Labontes Einsätze für TRG Motorsports machen sich nachwievor bezahlt, denn nach Texas konnte man CBR MotorCars auch für Phoenix an diesem Wochenende als Hauptsponsor gewinnen. Labonte besitzt aufgrund seiner Meisterschaft aus dem Jahr 2000 pro Jahr sechs „champion’s provisionals“, dank denen er sicher im Feld steht, solange kein jüngerer Champion nicht-qualifiziert sein sollte. Außerdem besitzt er einige Anziehungskraft für Sponsoren, sodass es eine gute Entscheidung sein könnte, ihn 2010 für die #71 zu verpflichten. Dort sind angeblich schon einige Sponsoren für den Anfang der Saison gefunden worden, ein Platz in den Top35 nach den ersten fünf Rennen wäre wohl ziemlich sicher.
– James Buescher ist von James Finch verpflichtet worden, um in der Nationwide Series den Miccosukee-Chevy mit der #1 in allen 35 Rennen zu fahren. Außerdem wird er in mindestens 19 Rennen in der Truck Serie für Turner Motorsports (#31) fahren. Damit bekommt er nach einer Vollzeitsaison bei den Trucks nun die Gelegenheit, sich in einem Top-Auto in der zweiten NASCAR-Liga zu beweisen.
– John Wes Townley bekommt in der Nationwide Series eine Chance bei Richard Childress Racing. Nach seinen sieben Starts für Roush-Fenway Racing in diesem Jahr und einer Vollzeitsaison bei den Trucks ermöglicht ihm sein Sponsor Zaxby’s damit, nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen. Die Startnummer ist noch nicht bekannt.
– Alex Tagliani feiert nach dem Straßenrennen in Montreal nun auch endlich sein Oval-Debüt, wenn er in Phoenix in der Nationwide Series für MacDonald Motorsports mit der #81 antritt. Zwar ist er fest für das Rennen qualifiziert, auf der Entry List ist aber kein Sponsor angegeben. Ob er das Rennen beenden kann, ist daher fraglich.
– Bei Rusty Wallace Inc bekommt man derzeit finanziell keine zwei Vollzeitsaison für die #62 mit Brendan Gaughan zusammen. Möglicherweise muss er sich daher 2010 das Nationwide-Cockpit mit dem bei Penske Racing entlassenen David Stremme teilen.
6 Kommentare
Ich denke auch das Johnson das nach Hause fährt. Aber man kann ja noch hoffen das es spannend wird.
soweit nicht schlecht, der Bericht.
Das einzigste was mich ein wenig wundert, ist die Aussage, daß Darlington keine symetrische Streckenführung hat. Sicher, die beiden Turns sind unterschiedlich, aber die Geraden sind ja gleichlang. Also von einer Unsymetrie kann man bei dem Kurs echt nicht reden. (Klugscheißer-Modus aus)
@NASCARaddicted: Kommt drauf an, wo du die Symmetrieachse ziehst, also ob „längs“ oder „quer“ durchs Oval. Wenn man deine Definition nimmt (also die Symmetrieachse „längs“ durch die beiden Kurvenmitten), sind Bristol, Martinsville, Loudon, Indy, Dover und Homestead die einzigen symmetrischen Kurse. Kristian meint aber eben genau das andere „(un)symmetrisch“, nämlich die unterschiedlichen Kurven, von daher hat er schon Recht… ;-)
klar, ist eben Ansichtssache. Darum habe ich ja auch das mit dem Klugscheißermodus geschrieben.
Mir ging es tatsächlich um die unterschiedlichen Kurvenradien, denn so richtig symmetrisch ist wohl kaum eine Strecke. Wahrscheinlich habe ich das mit dem einen Wort zu lapidar ausgedrückt! ;o)
Wobei aber eben Pocono, Darlington und Phoenix gute Beispiele für unterschiedliche Turns sind. Übrigens sind auch die Turns in Bristol unterschiedlich: Turn 1/2 sind ein klein wenig enger als Turn 3/4, man fährt dort ca. 10 mph schneller respektive langsamer. (Ich wollte diesen Klugscheißermodus auch mal benutzen! ^^)
Das mit Bristol hab ich auch gewußt, wohl das mit dem Klugscheißermodus aber nicht übertreiben (Angeber-Modus aus) :-)
Wobei, so zum lachen ist mir nicht, nach dem Rennen. Laut nascar.com muß JJ nur 25. werden, um Meister zu werden. Also wird es wohl wieder nix für Mark Martin … :-(
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