Spannend war das, was die IRL am Wochenende in Long Beach geboten hat ja nicht gerade. Am Ende durfte sich die Serie aber trotzdem über einen Erfolg freuen.
Ein Viertel der Saison ist bei den Indycars jetzt schon wieder vorbei, und bisher fällt die Bilanz für die strauchelnde Rennserie eher gemischt aus: Schwere Organisationsprobleme aber ein tolles Rennen in Brasilien; Regenverschiebung in St. Petersburg – aber dann wiederum ein Rennen mit schönen Duellen und vielen Überholmanövern. Am Barber Motorsports Park in Alabama gab’s dann das andere Extrem: Tolle Organisation und viele Fans vor Ort – aber das Rennen war ziemlich dröge. Und so ähnlich war es am vergangenen Wochenende dann auch beim Klassiker von Long Beach. Dass die Indycar am Ende mit dem Rennen trotzdem zufrieden sein konnte, lag vor allem daran, dass mit Ryan Hunter-Reay endlich mal „der richtige“ gewonnen hat.
Der sympathische Texaner profitierte dabei aber auch von Pech des Meisterschaftsleaders Will Power. Der Australier hatte das Rennen einmal mehr gut im Griff, als er beim Herausbeschleunigen aus der engen Haarnadel vor Start und Ziel kurzfristig nicht beschleunigen konnte und von Hunter-Reay und Justin Wilson überholt wurde. Anfangs dachten die Kommentatoren daran, dass Power womöglich den Speed-Limiter gedrückt, oder dass das Auto einen mysteriösen Defekt erlitten haben könnte. Wie Power nach dem Rennen zugab, ist die Wahrheit aber viel simpler: Er hatte sich ganz einfach verschalten. Gut für Hunter-Reay, der das Rennen ab diesem Zeitpunkt weitgehend dominierte.
Insgesamt scheint es bei Andretti Autosport wieder ein wenig nach oben zu gehen. Marco Andretti hatte in Alabama bis zum Tankdrama kurz vor Schluss einen starken Auftritt, und auch Tony Kanaan konnte in Long Beach immerhin den recht achtbaren fünften Platz nach Hause fahren. Sonst hat man vom Brasilianer aber schon animiertere Auftritte gesehen, als in diesem Jahr. Es wäre hoch an der Zeit, dass ihn der Erfolg seines eigentlich geringer eingeschätzen Teamkollegen Hunter-Reay wieder wachrüttelt. Abermals kein gutes Rennen hatte dagegen der vierte Andretti Autosport Wagen: Danica Patrick scheint sich gedanklich schon ein wenig von der Indycar-Szene verabschiedet zu haben, und hinterließ zum wiederholten Mal in dieser Saison einen reichlich blassen Eindruck. Dass ihr immerhin die im schwächeren HVM Wagen fahrende Simona de Silvestro diesmal nicht die Show stehlen konnte, und hinter ihr ins Ziel kam, mag nur ein schwacher Trost sein – sofern Danica das überhaupt noch interessiert.
Ein gutes Rennen zeigte dagegen schon wieder Justin Wilson. Der Brite brachte den sicher nicht gerade überlegenen Dreyer & Reinbold Dallara auf Platz zwei ins Ziel. Ebenfalls beeindrucken konnte endlich mal wieder Mario Moraes: Der Brasilianer, der gegen Ende der vergangenen Saison eine Reihe beeindruckender Resultate hingelget hat, und schon als ein neuer Star der Serie gehandelt wurde, konnte sich in Long Beach nach einer eher unauffälligen aber effektiven Fahrt den sechsten Rang sichern. Weniger toll läuft es nach wie vor für Takuma Sato: Nach einem kleinen Aufwärtstrend in der Qualifikation im Barber Motorsports Park konnte sich der Ex-Formel 1 Pilot diesmal nicht ins Quali-Segment der besten zwölf fahren. Im Rennen blieb er dann unauffällig, und kam nach Mauerkontakt mit einer Runde Rückstand auf Platz 18 ins Ziel. Schade, denn das Talent um vorne mitzufahren hätte Sato ganz sicher. In schlechter Erinnerung wird den Lauf in Long Beach auch Graham Rahal behalten. Nach verhaltener Qualifikation und einem Rennen in hinteren Teil des Feldes wurde der Jungstar in Runde 58 auch noch Opfer von Mario Romancini, der sich bei einem Überholversuch in Kurve eins massiv verschätzte und Rahal und sich selbst in die Reifenstapel schickte.
Das alles ist aber noch nichts gegen die Probleme, die Milka Duno in Long Beach hatte. Nachdem ihr im Freien Training rund zehn Sekunden auf die Spitze fehlten, wurde sie aus Sicherheitsgründen für die Qualifikiation geparkt. Als Ausfallgrund für das Rennen, das die Venezoelanerin vom letzten Startplatz aus in Angriff nehmen durfte, wird von der offiziellen Statistik etwas schmeichelhaft „Handling“ angegeben. Tatsächlich hatte die Rennleitung schon vor dem Start angekündigt, sie zu wieder parken, sofern sie das Tempo der Spitze nicht mitgehen könnte. Das dürfte wohl letztlich auch geschehen sein. Duno aus dem Rennen zu nehmen war sicher nicht ganz ungerechtfertigt. Wieso man aber bei IRL erst jetzt bemerkt, dass sie das Niveau der Spitze nicht so ganz mitgehen kann, das darf man sich natürlich schon fragen. Insgesamt stecken die Offiziellen dabei in einem gewissen Dilemma: Duno verfügt über Sponsoring aus den wohlwollenden Quellen des staatlichen venezoelanischen Ölkonzerns Citgo, und füllt damit als sichere Starterin das Feld auf. Andererseits ist es – abgesehen von Sicherheitsbedenken – für das Ansehen der Serie nicht gerade förderlich, wenn da jemand dabei ist, der alle paar Runden wieder vor der Spitzengruppe auftaucht.
Währenddessen muss Long Beach Sieger Hunter-Reay noch immer darum kämpfen, die ganze Saison fahren zu dürfen: Bisher ist sein Antreten bei Andretti Autosport nur bis zum Rennen in Texas gesichert. Für die IRL wäre er eigentlich geradezu ein Traum: Amerikaner, noch dazu aus Texas, also einem der demographisch für die Indycars so interessanten Südstaaten; Ein schneller Fahrer auf Rundstrecken und Ovalen; Jemand der genau weiß, wie man mit den Medien umgehen muss – und noch dazu von Seriensponsor IZOD gefördert. Wenn er so weitermacht, dann darf man also hoffen, dass sich vielleicht doch noch jemand erweichen lässt, dem ersten amerikanischen Indycar Sieger seit Watkins Glen 2008 (damals ebenfalls Hunter-Reay) vielleicht doch den Rest seiner Saison zu finanzieren.
Dass das aber keineswegs sicher ist, zeigen sie Probleme, die Graham Rahal in dieser Saison duchstehen muss. Der Drei-Renn Stint bei Sarah Fischer ist jetzt vorbei. In Kasas wird man Rahal also wohl nicht sehen. Beim Indy 500 wird er dann vermutlich für Newman/Haas Racing ins Lenkrad greifen, die restliche Saison ist dann wieder ungewiss. Trotz mittelmäßigen Auftritten hat sich aber zumindest das Engagement für Sarah Fischer Racing für beide Seiten gelohnt: Niemand hatte vor dem Rennen in St. Petersburg ernsthaft erwartet, dass Rahal aus dem Wagen plötzlich einer Siegerauto macht. Der US-Jungstar konnte mit seinem engagierten Auftreten aber beweisen, dass er den Charakter hat, notfalls auch in ein weniger tolles Auto zu steigen, um bei den Rennen dabei sein zu sürfen. Und Sarah Fischer Racing und ihr treuer Sponsor Dollar General bekamen durch den Deal etwas zusätzliche Aufmerksamkeit.
Nach wie vor auf der Suche nach einem guten Cockpit ist auch Paul Tracy: Der Kanadier gab beim Rennen in Long Beach eine Pressekonferenz, bei der er über seine Zukunft sprach. Statt dem erwarteten Engagement bei KV Racing für das Indy 500 und die beiden Kanada-Rennen in Edmonton und Toronto konnte Tracy diemal aber nur einen Deal für das Indy 500 verlautbaren. Man mag zu Tracy und seinem oft etwas polternden Auftreten stehen, wie man will. Aber dass er den Sport bereichtert, steht außer Frage. Dass er obendrein auch nach wie vor schnell Auto fahren kann, hat er vergangenes Jahr in Toronto bewiesen. Es wäre also zu hoffen, dass sich doch noch jemand findet, der ihm ein paar weitere Rennen gönnt. Zuletzt klang sein Twitter-Feed (@paultracy3) aber eher verbittert: „I think I’m going to change my name to John , I feel like a John. / Cuz everytime I talk to a irl team owner , they ask me for $$ like a hooker“. Seiner eigenen Publicity mögen solche Sprüche eher schaden. Aber die Indycar hätten einen Charakter wie Tracy dringend nötig.