So, zurück aus Belgien: das war nun also – besser spät als nie – mein erster Live-Besuch an einer Rennstrecke, und ich hab viel gelernt: dass der Circuit de Spa-Fracorchamps landschaftlich echt klasse ist; dass die Autos noch lauter sind, als ich es mir vorher vorgestellt hatte (und dass mein rechtes Ohr irgendwie weniger Ohrstöpsel-gerecht geformt ist als mein linkes); dass Peugeot doch irgendwie weniger sympathisch ist als Audi; und dass man manchmal einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und manchmal halt nicht…
Und so wusste ich zwar, dass es ein gutes und aufregendes Rennen gewesen war, aber einige Ereignisse der von der Presse als Chaos-Rennen betitelten Events waren trotzdem an mir vorbei gegangen. Hier also meine Aufarbeitung des Wochenendes in der Langfassung, eigene Erlebnisse vermischt mit den Rennszenen, von denen ich erst hinterher gehört oder gelesen habe. Und am Ende gibt’s dann noch eine Einschätzung des Kräfteverhältnisses im Hinblick auf die 24h von Le Mans sowie eine Galerie mit einigen meiner besseren Fotos. Alles begann am…
Freitag
Um 12:30 kam ich auf den Parkplatz gerollt, Anfahrt hatte super geklappt, auch wenn die belgischen Autobahnen eher zum Abgewöhnen sind (inkl. Tempolimit), nur war ich wegen der spannenden UK-Unterhauswahl in der Nacht zuvor erst später losgekommen. Also kam ich an, während das erste freie Training der LMS schon lief. Entsprechend hörte man die Wagen schon die Eau Rouge hochdonnern, und konnte das auch durch die Bäume vom Parkplatz aus erahnen. Hat schon was, dieser Anblick. Ums mal vorsichtig zu formulieren. Es regnete noch leicht, die Strecke war feucht, aber nicht richtig nass. Der Rest des Tages sollte bis auf gelegentlichen Nieselregen überwiegend trocken bleiben.
Der Plan für den Freitag sah vor, mir erstmal einnen Überblick zu verschaffen und einmal um die Strecke herumzuwandern. Das Ende des LMS-Trainings hab ich mir dann noch von der Tribüne unten in der Senke von Eau Rouge angeguckt, ist schon faszinierend und Fernsehbilder können die Steigung und die Geschwindigkeit einfach nicht transportieren. Interessant auch, wie man die Autos in der Kompression aufsetzen sehen und zum Teil auch hören konnte.
Dann ging’s das erste Mal hoch, ist eine ganz schöne Kraxelei zur Raidillon, von da oben das Herausfahren der Radical Masters-Boliden zu ihrem Training beobachtet. Auch interessante Fahrzeuge, obwohl das an dem Wochenende die Serie war, für die ich mich am wenigsten begeistern konnte. Die lange Kemmel-Gerade geht auch deutlich mehr bergauf, als das in TV-Bilder sichtbar ist. Les Combes, Rivage, dann Pouhon. Diese Doppellinks (übrigens dort auch überall nur als „Double Gauche“ ausgeschildert, von „Pouhon“ ist nie die Rede) hab ich schnell zu einem meiner Lieblingsplätze auserkoren: mittlerweile war der französische Porsche Carrera-Cup auf der Strecke und ich hab zufällig auch grad gefilmt, als einer der Porsche sich eingangs der Kurve von der Bahn drehte, ohne aber einzuschlagen.
Weiter zu Fagnes, wo man leider nicht so viel sieht, weil alles recht eben ist, dann einmal kurz durch den (wieder aufgebauten) Stavelot-Tunnel aus dem Rennstrecken-Bereich raus, die alte Grand Prix-Strecke angucken, die durch das Tal bis zur heutigen Courbe Paul Frère verläuft. Wieder rein, den Bach Eau Rouge fotografiert, vorbei an der Kart-Strecke, auf der das ganze Wochenende Motorräder um die Wetter fuhren, dann Blanchimont. Auch das ist eine tolle Ecke, auf einem Baumstumpf sitzend und ein Brötchen essend hab ich hier die großartigen Wagen der Classic Endurance Racing-Serie genossen. Unglaublich schöne Autos und auch ein toller Klang.
Die neue „Chicane“ mag nicht mehr den Flair des alten Bus Stop haben, aber gut gucken kann man hier auf alle Fälle: man sieht die Wagen aus Blanchimont herausschießen, hat dann gegebenenfalls die Überholmanöver direkt vor der Nase und das Herausbeschleunigen oder das Hereinfahren in die Boxengasse bekommt man auch noch mit. Schön übersichtlich also und dementsprechend gut besucht war die nach dem Umbau ja doch eher kritische betrachtete Stelle auch meist.
Zum Start des zweiten LMS-Trainings saß ich dann schließlich zum ersten Mal auf der Haupttribüne: dank Dach sehr laut (es gibt ja nur zwei überdachte Tribünen in Spa) und natürlich der tolle Blick auf die Boxengasse, bei Peugeot etwa wurden auch mal Boxenstopps geübt. Und vom rechten Tribünendrittel hat man auch noch den Blick auf den Mittelteil der Eau Rouge-Passage, es gibt also immer was zu sehen.
Im Infield ausgangs La Source kommt man den Fahrzeugen dann so nah wie sonst kaum irgendwo, vor allem, wenn sie im Drehzahlbegrenzer das Verbindungsstück zwischen neuer und alter Boxengasse entlang rödeln. Da es schon spät war, hab ich mir für diesen Tag das LMS-Fahrerlager gespart und habe stattdessen auf dem Rückweg noch einen kurzen Blick in die Radical Masters-Paddock-Zelte geworfen. Die Boxenausfahrt ist auch ein netter Platz zum Fotografieren, nach einem letzten Blick auf Eau Rouge war dann für den ersten Tag Feierabend.
Samstag
Ich hatte etwas länger geschlafen (so eine Ardennen-Wanderung ist ja nicht ganz unanstrengend) und kam wieder erst im Laufe des LMS-Trainings an die Rennstrecke, das ich mir dann zum Auftakt vom oberen Ende von Eau Rouge angeguckt habe. Sehr beeindruckend. Man sieht den Top-Autos, also den Audis und Peugeots, den höheren Abtrieb und Speed tatsächlich auch an. Die BMW schienen mir oben in Raidillon mehr über die Randsteine fahren zu können als viele GT2-Konkurrenten, oder zumindest wählten sie ihre Linie oft so.
Zum Trainingsende bin ich den Berg wieder runter, es folgte „Right time, right place, part 1“: Die CER-Fahrzeuge sammelten sich gerade an der Paddock-Ausfahrt, daraus sind haufenweise schicke Nahaufnahmen entstanden, ein paar findet ihr unten. Stehende Autos sind für einen ungeübten Fotografen mit einer Mittelklasse-Kompakt-Digicam doch einfacher abzulichten als solche, die man bei 300 km/h durch einen Maschendrahtzaun anvisieren muss. Und wenn diese Klassiker aus den 60er und 70er Jahren dann direkt neben einem angeworfen werden und losfahren, macht das natürlich noch mal extra Spaß.
Auf zum ersten Besuch im LMS-Fahrerlager: Audi hatte neben seiner Hospitality einen R10 ausgestellt, neben der Box hatte man einen Straßen-R8 in schickem Schwarz stehen. Unheimlich fotogene Autos, alle beide. Im Boxenbereich konnte man nach der gerade zu Ende gegangenen Trainingssession die Mechaniker bei ihrer Lieblingsbeschäftigung beobachten: putzen – und zwar bevorzugt Reifen. Rumstehende Fahrzeugteile gab es auch zu Hauf zu sehen: Audi-Heckflügel, Lola-Motorenverkleidungen, Aston Martin-Schnauzen. Und hier und da auch mal ein Fahrer. Das führte zu „Right time, right place, part 2“, denn als ich gerade an den Peugeot-Trucks vorbeiging, kam der von einer kleinen Gruppe Fans sehnlichst erwartete Sébastien Bourdais heraus, um ein paar Autogramme zu geben; da hab ich natürlich auch zugeschlagen. Das schien für ihn aber eher eine lästige Pflicht zu sein, mit neutralem bis leicht genervten Gesichtsausdruck unterschrieb er wortlos, was man ihm vor die Nase hielt.
Nach der interessanten Tour durchs Paddock – Peugeot war übrigens das einzige Team, das seinen Bereich strikt abgesperrt hatte – bin ich rauf aufs Dach des neuen Boxengebäudes, um mir von da das erste Rennen des Porsche-Cups anzuschauen. Das war recht sehenswert: es gab einige enge Duelle und Überholmanöver auf der Start-Ziel-Geraden sowie einen Dreher ausgangs der Schikane und bei der übersichtlichen Anzahl an teilnehmende Fahrzeugen konnte man auch Positionsveränderungen halbwegs nachvollziehen. Es gewann schließlich Frédéric Makowiecki in der #1, für den das ja aber nur ein „Nebenjob“ zu seinem Engagement in der GT1-WM ist, wo er für Hexis AMR fährt. Zweiter wurde Kevin Estre, auch in der GT3-EM aktiv, der Makowiecki vor sich her jagte, aber nie wirklich in Schlagdistanz kam. Ansonsten fiel mir in diesem ersten Rennen des Wochenendes noch Gentleman Driver Henry Hassid durch einen guten (stehenden) Start und einige Platzgewinne auf, das mag aber auch an der einprägsamen Lackierung seines Wagens liegen, die den Wagen von den anderen, überwiegend weiß-mit-bunten-Details lackierten Neunelfern abhob.
Während der Radical Masters-Quali hab ich mich dann via Blanchimont Richtung Pouhon bewegt, weil ich die LMS-Quali von dort anschauen wollte. Bisher hatte ich nur andere Rennserien, aber noch nicht die Headliner-Fahrzeuge in dieser Kurve gesehen, das wollte ich unbedingt ändern, da in der schnellen Bergabpassage der Speed recht gut rüberkommt. Die GTs habe ich von „unten“ gesehen, das Herausbeschleunigen Richtung Fagnes und die unterschiedliche Randsteinnutzung am Kurvenausgang waren ganz spannend. Während einer Rotphase, deren Grund ich nicht kenne, bin ich dann aber doch wieder auf den Hang gewechselt. Der Speed der LMPs und insbesondere der Diesel-Boliden durch diese Doppel-Links ist wirklich beeindruckend. Ein Peugeot-Abgeordneter saß auch mit Kamera und Laptop dort am Hang und analysierte das Kurvenverhalten direkt vor Ort. Wie die Quali ausgegangen war, hab ich erst am Sonntag mitbekommen, hat mich auch relativ wenig interessiert, so relevant ist das ja bei einem Langstreckenrennen nicht.
Es folgte einer der Höhepunkte des Wochenendes, das einstündige Classic Endurance-Rennen. Dazu hab ich mir innen in der Rivage einen gemütlichen Platz gesucht, während der Einführungsrunde einige schicke Fotos geschossen (dafür ist die 180°-Kehre wohl mit der beste Platz an der Strecke) und auch den Start weit entfernt unten im Tal beobachtet, von dort aus geht das ja dank des tollen Panoramas halbwegs. Ein paar Runden hab ich noch dort verbracht und mir den Kopf verdrehen lassen von den alten Lola-, Chevron- und Porsche-Prototypen, einem Gulf-Mirage, March 74, Sauber C5 und besonders dem MacLaren M1B sowie in den GT-Kategorien von dem Ford GT, einigen BMW M1, Chevrolet Corvettes, Porsche 911 und einem De Tomaso Pantera. Sehr, wirklich sehr sehens- und hörenswert. Sieger des Rennens, in dessen Lauf ich dann wieder den Weg über Les Combes und Kemmel gemacht habe, war deutlich und unangefochten Paul Knapfield im Ferrari 712-Prototypen vor einigen Lolas und Chevrons unterschiedlicher Typen – auch die schnellste Rennrunde ging mit 2:25.229 an den Briten im italienischen Fahrzeug, 20 Sekunden fehlen damit mangels modernen Mengen von Abtrieb auf die heutigen Prototypen, acht auf die schnellsten Radicals.
Das eher unspektakuläre Rennen 2 des Porsche-Cups hab ich von der Haupttribüne aus an mir vorbeiplätschern lassen, die Abstände waren recht groß und Duelle gab es kaum, Sieger war wiederum Frédéric Makowiecki. Das erste Radical Masters-Rennen habe ich nur zum Teil verfolgt, die Boxenstopp-Übungen der Peugeot-Crew haben mich mehr interessiert, aber als Tagesausklang war es ganz nett.
Sonntag
Tatsächlich hab ich es geschafft, früh aufzustehen, um pünktlich zum Warm-Up an der Rennstrecke zu sein, trotz leicht stockenden Verkehrs im Kaff Francorchamps. Die Parkplätze waren voll, das Rennen sollte wohl doch besser besucht sein, als ich das nach TV-Bildern vom letzten Jahr vermutet/befürchtet hatte. Aber da sich die Zuschauer eben um die ganze Strecke verteilen, nimmt man die Menge kaum war. Das zwanzigminütige Aufwärmtraining habe ich in La Source verbracht, einerseits, weil man, wie gesagt, sonst nirgendwo so nah an den Autos ist, andererseits, weil im Anschluss die Autogramm(halb)stunde folgte.
Bei Audi, Peugeot und AF Corse mit ihren EX-F1-Fahrern war das Gedränge selbstverständlich am Größten, darum habe ich mich mit vier Audi-Autogrammen zufrieden gegeben (McNish, Capello, Bernhard, Rockenfeller) und lieber noch ein wenig bei den „kleineren“ und entsprechend weniger belagerten Teams vorbeigeschaut, z.B. beim belgischen Prospeed-Team oder bei Kruse-Schiller. Irgendwann verteilt sich das Ganze dann etwas mehr und so konnte ich auch noch bei den Matech-Damen und -Herren, dem Felbermayr-Proton-Team, bei Schnitzer-BMW und den Spyker-Jungs Dumbreck und Coronel ein paar Unterschriften abstauben. Über 30 hab ich zusammenbekommen, auch wenn ich eigentlich kein so passionierter Autogrammjäger bin, aber wenn sich die Gelegenheit schon mal bietet… Da die Mansells abgesagt hatten, muss ich wohl versuchen, im September nach Silverstone zu kommen, um mir Vater Nigels (mehr oder weniger Auto-)Biographie, die ich für einen Cent erstanden habe, signieren zu lassen.
Radical Masters-Rennen Nummer 2, das währenddessen lief, ging entsprechend völlig an mir vorbei; soll aber spannend gewesen sein. Nach der Beobachtung des Pit Walks, der mir nicht so wahnsinnig lohnenswert erschien, des Herausmarschierens der Grid Girls (inklusive lustiger „Du musst da stehen!“-Szenen) und des Anlassens und Herausfahrens der Autos vom Boxendach aus machte ich mich schließlich auf den Weg zur Eau Rouge: nachdem ich nun die ganze Strecke zwei Mal abgelaufen war, hatte ich mich entschieden, den Start von dort aus zu genießen. Wie sich herausstellen sollte, war das die richtige Entscheidung.
Während ich dann per Streckensprecher erst einmal die Startaufstellung erfuhr, begann es leicht zu regnen. War ja klar, ist ja Spa. Seit Freitag Mittag hatte es nicht mehr geregnet (zumindest nicht in meiner Anwesenheit), aber pünktlich um 11:25 Uhr, fünf Minuten vor Beginn der Einführungsrunde, nieselte es. Nicht viel Wasser, aber es reichte, um am Start für Chaos zu sorgen: in Kurve 1, also La Source, dreht sich Pedro Lamy im Pole-Peugeot und musste sich im Feld wieder einsortieren, Teamkollege Montagny (Fahrernamen natürlich hinterher nachgeguckt, um Helme zu identifizieren ging in der Startphase alles zu schnell) führte das Feld zur ersten Passage von Eau Rouge und Raidillon. Und weiter kam man dann auch erstmal nicht, denn oben verunfallte einer der Racing Box-Lola heftig.
Gesehen habe ich davon nichts, aber es hat mich veranlasst, meine Stellung etwas weiter ans obere Ende der Steigung zu verlegen, sodass sich der zweite Startunfall nach dem Restart vor meinen Augen abspielte: einer der Rebellion-Lola (der von J.-C. Boullion) berührte Olivier Panis‘ Oreca-Peugeot leicht am Heck und schickte ihn damit in einen Dreher. Den Einschlag habe ich nicht mehr mitbekommen, dafür war die Zuschauerreihe am Zaun zu dicht, aber für ein Foto des zum Glück unverletzt aussteigenden Fahrers hat es dann doch gereicht.
Die Aufräumarbeiten erfolgten ohne weiteren Safety Car-Einsatz, ich machte mich derweil auf den Weg Richtung Les Combes, um in der Startphase, in der das Feld noch eng beieinander ist, einige Duelle auf der langen Geraden mitzubekommen. Das hat auch geklappt: der wunderschöne und großartig klingende Aston Martin V8 Vantage beispielsweise, den das JMW-Team seit Saisonbeginn fährt, arbeitete sich jede Runde wieder etwas weiter nach vorn. Auch der Speed der LMP1-Wagen ist hier gegen Ende des langen Bergaufstücks irrsinnig.
Diesen Speed gab es aber nicht lange zu sehen: vom Zuschauerhang an der Kemmel-Geraden konnte man den Auslöser für die zweite Safety Car-Phase sehen, als nämlich der Team Bruichladdich-Ginetta vor der neuen Schikane in die Mauer crashte und in der Auslaufzone zum Stehen kam. Während dieser zweiten Gelbphase nach 15 Runde versuchte ich mir erstmals einen wirklichen Überblick über die Platzierungen in den Klassen zu verschaffen. Zu meiner großen Enttäuschung waren aber die Positionslichter, die ja eigentlich eine tolle Innovation für die Zuschauer an der Rennstrecke sind, nicht bei allen Fahrzeugen funktionierten oder nicht eingeschaltet waren. Bei Peugeot etwa waren sie das ganze Rennen über bei keinem der drei Fahrzeuge sichtbar, sodass es zeitweise schwierig war, nachzuvollziehen, wie der Stand im Gesamtklassement war.
Die GT2 wurde von Quifel angeführt, die OAK-Pescarolo Judd schienen auch durchweg stark; Lieb und Lietz im blauen Porsche führten schon zu diesem Zeitpunkt in der GT2, die Platzierungen dahinter konnte man auch erst in späteren Rennphasen an den Leuchten ablesen. Auch in der GT1 habe ich in den ersten Rennstunden nur sporadisch leuchtende grüne Lämpchen ausmachen können. Einige Runden nach dem Restart bemerkte ich – inzwischen an der Rivage angekommen – jedenfalls zu meiner Freude den Führungswechsel zugunsten des „gelben“ Audi mit der #7. Ursachen waren nicht auszumachen, der mal englische, mal französische Streckensprecher war nur sporadisch zu hören.
Weiter zur Pouhon, wo ich mich eigentlich länger aufhalten wollte. Leider war hier aus den Lautsprechern gar nichts zu vernehmen, aber die inaktiven Positionslichter zeigten an, dass der Kristensen/McNish/Capello-Audi mittlerweile nicht mehr in den Top3 war. In der LMP2 führte OAK (#25) vor Quifel, in der GT2 hatte der #91 CRS-Ferrari für einige Zeit die Führung inne, der Kampf zwischen diesem, den AF Corse-Ferrari, den beiden BMW und dem Porsche Duo Lieb/Lietz war recht abwechslungsreich.
Und dann begann das Chaos: über Blanchimont sah ich Rauch aufsteigen, wenige Minuten später wurden die roten Flaggen geschwenkt. Meine Vermutung war natürlich, dass es dort einen schweren Unfall gegeben hatte und die Unterbrechung für die Bergung eines gestrandeten Fahrzeugs notwendig sei. Da es aber keine Infos gab, habe ich mich auf den Weg durchs Infield Richtung Blanchimont gemacht. Einige Deutsche hörte ich darüber sprechen, ein Streckenposten habe etwas gesagt, aber sie waren sich nicht sicher, was er meinte, es gäbe wohl möglicherweise ein Problem mit der Zeitnahme (was ja auch stimmte, aber nicht die ganze Wahrheit war). Unten im Tal hörte ich einige Franzosen im Vorbeigehen aufgeregt von einem „Crash a Raidillon“ sprechen, konnte das aber mangels Französischkenntnissen auch nicht zuordnen. Nach ca. zwanzig Minuten Fußweg kam ich dann an der Blanchimont-Passage vorbei, dort war nichts zu sehen. Ein paar Meter weiter traf ich auf deutsche Fans, die mit einem Funkgerät ausgerüstet waren und wohl den Streckenfunk abhörten. Von diesen ließ ich mich dann aufklären, dass es einen Stromausfall an der ganzen Strecke gab – ein absolutes Kuriosum, das wohl in der Form bisher auch noch nicht vorgekommen war. Die ganze Konfusion und Ungewissheit war damit auch erstmal aufgeklärt.
Den Blanchimont-Crash hatte es aber tatsächlich gewesen, wie ich am Montag erfuhr: Franck Montagny hatte den #2-Peugeot im Überrundungsverkehr nach einem Kontakt mit dem KSM-Lola heftig in die Reifenstapel gesetzt, konnte den Wagen aber an die Box zurückbringen, wo man es tatsächlich schaffen sollte, ihn in der etwas mehr als halbstündigen Rot-Phase wieder in Top-Zustand zu bringen.
Als ich im Start/Ziel-Bereich ankam, lief der Strom wieder, man bereitete sich auf den Restart vor, der kurz darauf in Runde 53 erfolgte, es führte der Peugeot mit der #1 vor dem Audi mit der #7 und einem weiteren Peugeot, dem mit der #3. Als in Runde 55 der führenden Diesel-Löwe die Box aufsuchte, übernahm der Audi die Führung und es begann ein spektakuläres Duell zwischen der #7 und der #3. Bourdais im Peugeot knabberte von seinem beim Restart auf Grund der durchmischten Reihenfolge hinter dem Safety Car um die zehn Sekunden betragenden Rückstand in jeder Runde etwa eine Sekunde ab, bis er schließlich in Runde 65 im Heck der Konkurrenz aus Ingolstadt hing. Ich beobachtete diesen geringer werdenden Abstand von dem Bereich zwischen Blanchimont und der Schikane aus; einige Runden lang ging das Duell im Zehntelabstand weiter, dann kam der Führungswechsel: in Runde 70 fuhr der Audi mit zwei Positionslämpchen vorbei, und zwar hinter dem Peugeot mit der #3.
Die besten Szenen des beschriebenen Zweikampfes spielten sich aber – unbemerkt von mir – anderswo ab: so gab es wohl in den Runden, als beide eng beieinander waren, einige spektakuläre Überholmanöver in La Source, Eau Rouge und auf der Kemmel-Geraden, zu sehen hier:
In Runde 72 musste der Audi dann jedenfalls an die Box und Reifen wechseln, der führende Peugeot kam bei seinem Stop zwei Umläufe später ohne neue Pneus aus und nachdem auch die #1 in Runde 78 einen Boxenbesuch samt Reifenwechsel absolvieren musste, war die Reihenfolge #3-#7-#1 für die nächste Rennphase fest etabliert, der Abstand an der Spitze betrug eine halbe Minute und wuchs. Die fehlenden Positionslichter der Franzosen machten diese Wechselspielchen aber wirklich zu einer nicht einfach zu verfolgenden Angelegenheit.
Mittlerweile funktionierten aber die grünen Lämpchen an den LMP1-Fahrzeugen ab und an mal, sodass ich die Führung des belgischen MarcVDS-Ford GT bemerkte. Der Larbre-Saleen fuhr mal mit zwei, mal mit drei aktivierten Lichtern vorbei, hier fand ein Kampf mit den Matech-Ford GT statt. Auch der Young Driver-Aston Martin muss zwischenzeitlich mal auf Rang 3 gelegen haben, wie ich den Durchsagen des Streckensprechers entnahm. Hier schien es also munter zuzugehen.
Nach dem Wechsel der Streckenseite beobachtete ich vom Dach aus einige Boxenstopps, der #8-Audi wurde dabei leider rückwärts in die Box geschoben, wo er eine knappe Viertelstunde verblieb. Im Infield von La Source stand das Racing Box-Wrack aus Runde 1 für Nahaufnahmen bereit, im Paddock konnte ich Mechaniker bei Boxenstopp-Vorbereitungen (sprich: im Laufschritt die Reifen aus den Wärmschränken holen) erhaschen.
Einmal wollte ich, bevor ich mir das Rennende von der Tribüne aus ansehen würde, nochmal zur Eau Rouge/Raidillon hoch. Kurz nachdem ich gegen viertel nach vier dort oben angekommen war, kam es zu einer weiteren Safety Car-Phase. Grund dafür war ein Unfall des Young Driver-Aston Martin. Der nach wie vor führende Peugeot war dabei hinter einem anderen Safety Car als der ihn jagende Audi (wie in Le Mans wurden zwei der Sicherheitsfahrzeuge eingesetzt, die mit einer halben Runde Abstand um die Strecke fuhren), sodass die Gelbphase der #7 nicht zugute kam.
Einige Runden nach dem Restart und eine gute halbe Stunde vor Rennende begann es dann tatsächlich noch einmal zu regnen, nachdem es bis auf das kurze Niesel-Schauer am Start trocken geblieben war. An meinem Standort war auch dieser neuerliche Regen nur leicht, im hinteren Bereich der Strecke muss er wohl stärker gewesen sein. Da ich mittlerweile wieder im Paddock angekommen war, konnte ich die entscheidenden Szenen auf einer der zwei Videowände beobachten: während es auf der Strecke einige Ausflüge in die diversen Kiesbetten gab, wechselte Tom Kristensen auf Intermediates und konnte damit zunächst in großen Schritten auf den Führenden aufholen – jedoch nicht lange, denn der Regen fiel wieder nicht lange. Als die Strecke wieder abtrocknete war die letzte Chance der Audi-Mannschaft vertan. Kurz vor Schluss konnte sogar der in der Rotphase reparierte #2-Peugeot den Audi noch ein- und überholen (praktischerweise auf Start/Ziel, wo ich es mir inzwischen für das Finish gemütlich gemacht hatte).
Wie in Le Castellet war in der GT2 der Kampf um die Plätze hinter dem klar führenden Duo Lieb/Lietz wieder eng: die zwei AF Corse-Ferrari balgten sich um Rang zwei, dadurch kam auch der #79-Schnitzer BMW mit Priaulx/Müller/Farfus wieder bis auf 1,5 Sekunden heran. Schließlich setzten sich Melo/Bruni durch und hielten ihren zweiten Rang vor Alesi/Fisichella/Vilander, die mit dem zweiten Podium in Folge aber zeigen, dass sie in der Serie durchaus zurecht kommen. Die Konkurrenz litt dabei aber auch unter Strafen, so konnte ich den zweiten Schnitzer-BMW bei der Stop&Go-Penalty beobachten, die er laut autosport.com wohl für den exzessiven Gebrauch von Auslaufzonen bekam, genauso wie der Melo/Bruni-Ferrari. Außerdem waren hier, wie auch in den anderen Klassen, wohl einige Fahrzeuge durch eine geschlossene Boxengassen-Ausfahrt in der konfusen Stromausfall-Phase benachteiligt.
In der LMP2 siegte Quifel, die ich fast immer mit dem einen blauen Licht des Klassenführenden habe herumfahren sehen, während dahinter der Ray Mallock-Lola und die OAK-Pescarolos um die Plätze kämpften. Ein Blick in die Zeitenliste verrät aber, dass die Führung des Quifel-Lolas nicht so groß war, wie ich vermutet hatte, am Ende lag der Vorsprung auf die RML-Kombo Erdos/Newton/Wallace bei gut einer Minute.
In der GT1 hatte sich der MarcVDS-Ford GT vorn behaupten können, der Jubel über den Heimsieg war beim Team (mit Gastfahrer Eric de Doncker) und beim Publikum entsprechend groß. Es folgten die beiden Matech-Ford, dieser GT1-Wagen scheint also ebenso schnell wie zuverlässig zu sein und damit gute Chancen für die 24 Stunden von Le Mans zu haben. Das 2/3-Damenteam Frey/Allemann/Yan Zimmer wurde Dritter.
Es folgten dann noch die fünf Siegerehrungen, bei denen es tatsächlich auch fünf unterschiedliche Nationalhymnen zu hören gab: die Marseillaise für Peugeot, die portugisische Hymne für Quifel, die belgische für MarcVDS, die deutsche für Felbermayr-Proton und schließlich „Good Save the Queen“ für die Formula Le Mans-Sieger Zacchia/Kaufmann/Moro vom Team Hope Polevision Racing. Die Green Challenge (die fünfeinhalbte Siegerehrung, zusammen mit der der Gesamtsieger durchgeführt) gewann OAK (die auf dem Circuit Paul Ricard noch hinter dem Strakka-HPD gelegen hatten) mit den sprit-effizienten Judd-Motoren, denen man diese positive Eigenschaft aber keinesfalls anhört, denn sie gehören zu den am lautesten kreischenden im Feld.
Bemerkenswert ist noch, dass der beste LMP2 auf Gesamtrang 6 ins Ziel kam, der FLM-Sieger auf Rang 14 und die GT2-Gewinner Lieb/Lietz sogar zwei Plätze und eine Runde vor dem in der GT1 siegreichen Ford GT. Schade ist auch, dass die Formula Le Mans nicht mehr in Form von eigenen Rennen ausgetragen wird, denn in den Hauptrennen geht diese Klasse mit den Einheits-Prototypen von Oreca völlig unter. Nach einem Blick ins Parc Fermè einschließlich einiger letzter Fotos der nun stehenden Siegerautos und einiger Wracks war dann für mich auch Feierabend, um 18:30 kehrte ich der Eau Rouge den Rücken zu – vielleicht bis nächstes Jahr.
Fazit: Das Kräfteverhältnis vor den 24h von Le Mans
Einige abschließende Gedanken zum Kräfteverhältnis für Le Mans: Audi und Peugeot scheinen etwa gleich stark. Peugeot hatte in Spa die Nase vorn, da Audi mit einer auf den anstehenden 24h-Event an der Sarthe ausgerichteten Abstimmung und dementsprechend für Spa eigentlich zu wenig Downforce an den Start ging. Trotz dieses Umstandes fehlten nach sechs Stunden nur anderthalb Minuten. Die Benziner haben weiterhin keine Chance und werden ihr eigenes Rennen ausfahren – die Werks-Aston Martin sind die großen Favoriten, aber die waren in Spa (leider!) nicht am Start, sondern nur der von Signature eingesetzte Schwesterwagen.
Die LMP2 ist sehr ausgeglichen, hier gibt es eine ganze Reihe siegfähiger Teams: der Strakka-HPD war nach einem Unfall im Warm-Up in Spa nicht konkurrenzfähig, siegte aber in Le Castellet. Quifel, RML, OAK und auch Racing Box dürften aber allesamt um den wichtigsten Saisonsieg streiten können, vielleicht kann sogar das Team Bruichladdich, das beim Saisonauftakt aufs Podium fuhr, für eine Überraschung sorgen.
Die dominante Performance der Ford GT aus der GT1-WM lässt vermuten, dass die auch in Le Mans ein Wörtchen um den Sieg mitreden werden. Fraglich, ob die aus Corvettes, Saleens und Aston Martins bestehende Konkurrenz an diesen starken Wagen vorbeikommt.
Richard Lietz und Marc Lieb sind nach zwei dominanten Siegen die großen Favoriten in der GT2-Klasse. Aber die Ferrari-Meute ist ebenfalls stark und BMW hat beim erst zweiten Rennen eine beeindruckende Vorstellung abgeliefert, wenn es auch leider nicht für ein Podium reichte. Dazu werden neben weiteren Porsche auch noch die beiden erfolgsverwöhnten Werks-Corvette aus den USA nach Frankreich kommen, die aber zum ersten Mal in der kleineren GT-Klasse antreten.
Es wird also spannend, wenn es in vier Wochen zweimal rund um die Uhr geht!
PS: Und noch was Kurioses: Die Distanz, die der Siegerwagen im Rennen zurückgelegt hat, beträgt 139 Runden, also 973,5 km. Mein Tachostand am Ende der Heimreise: 973,0 km. Aber ich hab weniger Tankstopps gebraucht…
PPS: Ja, ich mag den Diesel-Sound immer noch sehr gern, dieses „Vorbeizischen“ ist einfach faszinierend. Die Abwechslung machts…
PPPS: Ich hab jetzt nur Fotos von mir hier angehängt, für qualitativ hochwertigere Bilder einfach mal bei endurance-info.com oder in der tollen Flickr-Galerie von unserem Leser und Chatter Mattzel89 gucken, in der auch meine Wenigkeit abgelichtet ist, zu erkennen an der gelben Kapuze ;-)
5 Kommentare
Wirklich toller Bericht, vielen Dank dafür!
Interessant , wie wenig man als Fan auf einer großen Rennstrecke wie Spa mitkriegt, wenn ich da an das krasse Gegenbeispiel Eurospeedway denke ;)
Krieg bei dem Bericht selber wirklich Lust, obwohl ich ja nicht der große Langstreckenrennen-Fan bin, mir mal ein Rennen der LMS anzuschauen, leider keine Strecke bei mir in der Nähe…
Viele Grüße
Super Bericht, vielen Dank!
Habe das Rennen bei Eurosport verfolgt. Es waren wirklich interessante Manöver dabei.
Le Mans kann kommen!
Was mir allerdings negativ aufgefallen ist bei der TV-Übertragung sind die extrem schlecht lesbaren Einblendungen. Selbst auf einem großen Bildschirm sind die „Bauchbinden“ eine Zumutung. Schriftgröße 6? Ich hoffe mal, dass man dieses Design nicht auch noch bei Le Mans übernimmt.
Danke für den tollen Bericht. Echt klasse. Muss unbedingt auch mal nach Spa-Franchochamps.
Schicker Bericht. Spa wollte ich mir auch schon immer mal persönlich antun.
Jo @Kimi, genau das wollte ich auch gerade einwerfen. Hoffentlich lesen die Eurosport-Spezis (und ACO und Radio Le Mans und der Papst und… äh) hier mit.
An Schrift war das vermutlich das winzigste, was ich jemals auf einem Fernseher gesehen habe. Sah aus wie für HD optimiert. Nette Idee, hat nur leider den bösen Nachteil, dass es in SD (was auch auf absehbare Zeit noch die überragende Mehrheit an TV-Geräten ist) praktisch unlesbar ist, weil völlig kaputtskaliert und runtergewaschen und einfach viel viel viel zu klein. Egal ob Runden oder Zeit am oberen Rand oder Namen, Flaggen, Teams oder sonstige Tafeln sonstwo – in dieser Form muss man andauernd kniepäugig nah dran gehen und sich auf jeden einzelnen Buchstaben konzentrieren, wenn man auch nur irgendwie entschlüsseln will, was da wohl geschrieben stehen könnte. Vollständig unbrauchbar. Das geht so nicht.(tm)
Ach ja, was der Peugeot-Abgeordnete da übrigens hat ist keine Kamera, sondern eine Radarpistole (sieht mir nach einer Stalker Pro aus).
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