Ein dominanter Dario Franchitti hätte dem Rennen fast die Spannung genommen – die starken Andretti-Autos und der Benzinpoker sorgten dann doch nochmal für Unterhaltung. Und Mike Conways Crash zeigte deutlich, wie gefährlich Open-Wheel Ovalrennen immer noch sind.
Am Ende wurde es doch nochmal knapp: Nachdem Dario Franchitti den Großteil des Rennens nach Belieben dominierte, hätte ihm der Spritpoker am Ende fast noch den Sieg gekostet. Das sorgte immerhin für ein wenig Spannung in einem sonst eher taktisch geprägten Ovalrennen. Immerhin: Auf den Plätzen hinter dem Schotten tummelten sich Fahrer, mit denen man nicht wirklich rechnen durfte. Vor allem Andretti Autosport überraschte mit einer starken Performance. Wenig Grund zur Zufriedenheit hat dagegen Roger Penske: Fehler von Team und Fahrern kosteten allen drei Wagen eine Spitzenplatzierung. Dass man sich bei aller Spannung vielleicht etwas überlegen sollte, um den Spritpoker auf Ovalen einzudämmen zeigte dann der Crash von Mike Conway. Der Brite hatte noch viel Glück im Unglück. Ein etwas anderer Einschlagswinkel hätte für die große Katastrophe gesorgt.
In gewisser Weise erfüllte das Rennen schließlich doch die Erwartungen: Viele waren davon ausgegangen, dass die Penske und Ganassi-Autos den Klassiker dominieren würden. Dass dann aber nur einer der Wagen so deutlich vorausfahren würde, ist schon eine Überraschung. Vor allem Franchittis Vorsprung auf Scott Dixon war verblüffend. Der Kiwi verlor zwar auch zahlreiche Plätze wegen eines lose montierten Vorderrads – auch ohne diesen Fehler seiner Boxencrew war er aber nie eine Bedrohung für den amtierenden IRL Meister.
Klarer war da die Sache schon bei Penske: Dort wären die Fahrer – allen voran Helio Castroneves – vielleicht näher an Franchitti drangewesen. Schließlich verhinderten aber zahlreiche Fehler ein gutes Ergebnis. Mit Will Power auf Rang acht als besten der drei Piloten wird die erfolgsverwöhnte Truppe sicher nicht zufrieden sein können. Zumal man ja auch immer noch auf der Suche nach einem Hauptsponsor ist.
Damit zu den positiven Überraschungen: Da wäre allen voran Andretti Autosport. Damit, dass das Team so gut mithalten kann, hätte nach den riesigen Problemen beim Qualifying vor einer Woche wohl kaum jemand gerettet. Vor allem Tony Kanaan, der sich von Startplatz 33 zeitweise bis Rang zwei vorkämpfte zeigte eine äußerst beeindruckende Leistung. Gut dabei war aber auch Marco Andretti, der sein bestens Ovalrennen seit langen ablieferte, und am Ende mit Rang drei belohnte wurde.
Eher diskret unterwegs war Ryan Hunter-Reay: Der im bisherigen Saisonverlauf konstant beste Andretti-Pilot war brav im Mittelfeld unterwegs. Sein Rennen endete zwar mit einem Paukenschlag, bis zur letzten Runde blieb er aber ziemlich unauffällig. Danica Patrick war zwar wieder mit dem Auto nicht zufrieden, schaffte aber am Ende trotzdem mit Rang sechs ihre beste Saisonplatzierung. In guter Erinnerung wird sie den Mai 2010 dennoch nicht behalten: Auch vor dem Rennen waren wieder vereinzelte Buhrufe von den Tribünen zu vernehmen. Für jemanden, der so an Schulterklopfer und positiven Medienhype gewöhnt ist, sicher eine charakterbildende Erfahrung.
Ein tolles Rennen erwischte Dan Wheldon: Fast die ganze Zeit war der Brite im vorderen Feld unterwegs, sparte dabei aber ausreichend Sprit, um am Ende fast noch Franchitti angreifen zu können. Nach eher unauffälligen Rennen auf den Rundkursen schient die Truppe von Panther Racing auf den Ovalen wieder zu Form aufzulaufen.
Beeindrucken konnte auch das Rahal-Letterman-Team: Niedmand hätte gemerkt, dass seit dem Indy 500 im vergangenen Jahr kein IRL-Wagen der Truppe mehr auf der Strecke war. Trotzdem konnte man zahlreiche etablierte Teams schlagen, und sich über weite Strecken im Vorderfeld halten. Schließlich wurde Graham Rahal mit einer eher fragwürdigen schwarzen Flagge aus den Top 10 entfernt: Der US-Pilot hatte im Zweikampf mit Dan Whelon wohl zu oft die Linie gewechselt. Für europäische Verhältnisse sah das Manöver nicht strafwürdig aus – andererseits zeigt der Unfall von Conway, dass man bei der IRL schon richtig handelt, wenn man unter allen Umständen Duelle zu vermeiden versucht, die so gefahren werden, dass sich die Räder der Autos berühren könnten.
Bester Rookie war am Ende Mario Romancini (Platz 13), der der Duell mit Simona de Silvestro (14) knapp für sich entscheiden konnte. Verdient hätten den Sieg in der Rookie-Kategorie aber beide: Romancini konnte nach bisher eher mittelmäßigen Fahrten am Bump Day und im Rennen endlich zeigen, dass er doch über mehr Talent verfügen dürfte, als bisher zu sehen war. Aber auch Simona de Silvestro lieferte auf dem kräfteraubenden Indianapolis Speedway bei ihrem erst zweiten Lauf auf einem Oval eine tadellose Leistung ab.
Auch Justin Wilson und Mike Conway waren in den Dreyer&Reinbold Wagen gut unterwegs, und konnten über 199 Runden das beste aus ihrem Material machen.
Conways Unfall in der letzten Runde führte dann plastisch vor Augen, wie gefährlich Open-Wheel Ovalrennen immer noch sind: Dem vor ihm fahrenden Ryan Hunter-Reay ging in der letzten Runde plötzlich der Sprit aus, Conway konnte nicht mehr ausweichen, und fuhr auf. Der Wagen stieg in Richtung Fanzaun auf und brach beim folgenden Einschlag in mehrere Teile. Glücklicherweise blieb immerhin das Monocoque intakt. Conway brach sich bei dem Unfall das linke Beim und einen Brustwirbel. Als Folge muss er nun drei Monate lang einen Stützgips für den Rücken tragen – die Saison ist wohl gelaufen. Ryan Hunter-Reay verletzte sich ein paar Bädner im Daumen, und musste sich ebenfalls einer Operation unterziehen. Er soll aber schon am kommenden Wochenende in Texas wieder dabei sein.
Das alles ist übel – Trotz der teils schweren Verletzungen hatten beide Fahrer aber noch immenses Glück im Unglück. Denn hätte sich Conways Wagen nach dem Abheben etwas anders bewegt, wäre er mit dem Helm im Fangzaun gelandet – und ob er in dem Fall noch unter und weilen würde, muss bezweifelt werden. Auch Hunter-Reay hatte riesiges Glück: Conways fliegendes Auto traf seinen Boldien in Helmhöhe. Die Fahrgastzelle hat Kratzer vor und hinter dem Helm. Nur Hunter-Reays Kopf bleib durch schieries Glück verschon. Auch hier gilt: Hätte ihn der Wagen am Kopf getroffen, wäre die Katastrophe wohl unvermeidlich gewesen.
So ist die IRL noch einmal entkommen. Trotzdem sollte man sich bei allem Spektakel, das ein Tankdrama bringt vielleicht überlegen, ob man das weiterhin riskieren will. Denn kein Fahrer kann schnell genug reagieren, um auf einem Oval einem unmittelbar davor langsamer werdenen Auto noch angemessen auszuweichen. Unfälle wie der vom Sonntag können wohl nur vermieden werden, wenn man etwas am Tankregelemnt ändert. Eine Prüfmenge, die nach der Zieldurchfahrt noch vorhanden sein muss, würde nichts von der Spannung eines Spritpokers nehmen – denn ob es dabei darum geht, das gerade noch mit Sprit oder „gerade noch mit 5 Litern“ ins Ziel zu kommmen ist für die Spannung unerheblich. Sie könnte das Risiko solcher Unfälle aber massiv verringern.
In der Meisterschaft hat sich auch nach dem Indy 500 wenig getan: Will Power führt weiterhin relativ deutlich – auch, wenn der Vorsprung wegen des magern Platz Acht in Indy etwas gesunken ist. Dahiner lauert nunmehr Dario Franchitti, der seinerseits vom Teamkollegen Dixon verfolgt wird.
Das nächste Rennen findet schon Samstagnacht in Fort Worth, Texas statt. Eine ausführliche Vorschau darauf folgt gegen Ende der Woche.
5 Kommentare
Das mit der Mindest-Spritmenge klingt ja schön, aber das will doch kein Mensch sehen:
Die Top10 bei Zieldurchfahrt nur provisorisch, Siegerehrung nicht unmittelbar nach Ankunft.
Wenn der Tank leer ist sieht man es wenigstens gleich, wenn der Tank nur noch 4,98 Liter hat und das 3 Stunden später verkündet wird, ist das für die Zuschauer doch nix.
Das hatte ich mir eingangs auch gedacht – bin sonst auch kein Freund von solchen Regelungen. Aber in dem Fall ist alles andere halt ein Sicherheitsrisiko.
Vielleicht könnte man das ja (bei aller Messungenauigkeit) graphisch darstellen? Eine Lampe am Auto, die aufleuchtet, oder so?
Eine einfache Möglichkeit wäre doch, wenn eine Menge unterschritten wird, die ein Ausrollen innerhalb der nächsten Meile zu befürchten lässt, einfach die Rückleuchte aufleuchtet. So könnten sich die Hinterherfahrenden schon etwas besser darauf einrichten, dass der Kollege demnächst langsamer wird. Dafür bräuchte man dann keine Messung hinterher, mit allen schlechten Folgen. Auf eine Diskussion, ob nun 5,000l noch im Tank sein müssen, oder ob nicht auch 4,998l reichen, kann ich gerne verzichten.
Ganz ehrlich, das Spritpoker-Ausrollen-mit-leerem-Tank ist nur eine von sovielen Ursachen die einen solchen Unfall provozieren kann und es ist eigentlich ein Wunder dass nicht viel öfter Indycars im Fangzaun enden. Das fängt bei Zündaussetzern an geht über Getriebeprobleme, Motorprobleme also technische Dinge die dazu führen dass jemand an Geschwindigkeit verliert, aber auch menschliche Fehler produzieren bei Open-Wheeler halt gerne mal das Aufsteigen eines der beteiligten Fahrzeuge. Selbst Vettel hätte mit etwas Pech über das Rad von Webber am WE räubern können und wäre dann aufgestiegen, nur als Beispiel.
Auf einer Strecke mit relativ viel Platz ist bis auf einen direkten Kopftreffer aber das Risiko überschaubar meiner Meinung nach, auf einem Oval mit Mauer und Fangzaun direkt neben der Strecke halte ich es weiterhin für unverantwortlich solche Geschwindigkeiten mit freistehenden Rädern zu fahren. Wie Einige wissen boykottiere ich seit Greg Moores Tod Ovalrennen von Open-Wheelern. Fast wäre ich am Wochenende schwach geworden doch mal reinzuschauen aber wenn ich das Video sehe wird mir wieder schlagartig bewußt dass ich nicht nochmal zuschauen will wie jemand so umkommt.
Unverantwortlich? Nein. Es ist dein gutes Recht, dir das nicht anzusehen. Ebenso wäre es das gute Recht jeden Fahrers, nicht anzutreten. Fakt ist aber, dass die Sicherheitsvorkehrungen sehr gut funktioniert haben (ob die Verletzungen auch noch verhindert hätten werden können, wird hoffentlich erforscht werden).
Natürlich hätte der Unfall katastrophal enden können, wäre der Winkel anders gewesen. Absolute Sicherheit gibt es aber auch auf langsameren Nicht-Ovals nicht, und es ist dann oft einfach eine Frage des Glücks. Siehe Massa, siehe Trulli-Chandhok in Monaco.
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