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24h von Le Mans: Analyse – Vorsprung durch Ausdauer

von StefanTegethoff
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Ähnlich faszinierend und spektakulär wie die 2008er „Schlacht von epischen Ausmaßen“ waren die diesjährigen 24 Stunden von Le Mans – doch entsprang die Spannung einer anderen Quelle als vor zwei Jahren: die Zuverlässigkeit von Audis R15plus siegte über den Speed des Peugeot 908. Und auch in den anderen Klassen gab es Überraschungen.

Das Rennen begann (nachdem man im Laufe der Vorstart-Phase für die Kameras den zuletzt 1969 durchgeführten Le Mans-Start zelebriert hatte) um 15 Uhr wie erwartet: Peugeot zog langsam, aber sicher vorn weg. Hatte Allan McNish im bestplatzierten Audi in der ersten Runde noch mehrfach vergeblich versuchen können, den Oreca-Peugeot zu überholen, war er am Ende des ersten Umlaufs schon nicht mehr nah genug an dessen Heck. So deutlich wie 2008, als die Franzosen direkt vom Start weg drei Sekunden pro Runde schneller fuhren, vergrößerte sich der Vorsprung 2010 jedoch nicht.

Doch schon nach gut zwanzig Rennminuten wurde alles auf den Kopf gestellt: im Vollgasabschnitt zwischen Mulsanne und Indianapolis flog Nigel Mansell aufgrund eines schleichenden Plattfußes hart in die Leitplanken ab, musste von den Sicherheitsteams aus dem Ginetta-Prototypen gehoben werden. Die schlimmen Befürchtungen bewahrheiteten sich aber zum Glück nicht, der 56jährige Formel 1-Weltmeister war bis auf Prellungen unverletzt, seine Söhne allerdings entsprechend frustriert, da sie nicht eine einzige Runde drehen durften.

Doch entscheidender war die wegen der Bergungsarbeiten ausgerufene Safety Car-Phase: in Le Mans werden wegen der Streckenlänge von über 13km drei Safety Cars (bis 2009 waren es zwei) an verschiedenen Stellen der Strecke vor das Feld geschickt, eines davon bei Start-Ziel. Da ein zu überrundendes GT-Fahrzeug vor dem Audi-Trio bei Ausrufen der Gelbphase und somit des Überholverbots stark verlangsamte, wurden die Ingolstädter nicht vom gleichen Safety Car eingefangen wie die Peugeots und hatten so beim Restart nach rund einer halben Stunde eine zusätzliche Minute Rückstand aufgebrummt bekommen, die schwer wieder wettzumachen sein würde.

Peugeot verwaltete den teils selbst herausgefahrenen, teils so geschenkten Vorsprung, bis gegen 17:30 der erste Rückschlag folgte: die #3, das schnellste Fahrzeug der Qualifikation, fuhr in langsamem Tempo und mit Rauch aus dem vorderen Rechten Radkasten die lange Hunaudieres-Gerade entlang. Was zunächst wie ein Reifenschaden aussah, stellte sich in der Garage als irreparabler Bruch der Aufhängung an der Verbindung zum Chassis heraus. Damit waren es nur noch drei französische Coupés an der Spitze.

Ähnliches Pech wie zu Beginn ereilte Audi auch bei einer weiteren Gelbphase im Laufe des Nachmittages, sodass die Peugeot; daraus resultierten zwei der ca. 3 Minuten Rückstand auf das verbliebene Peugeot-Trio (bzw. -Duo, nachdem die #1 im Laufe des Abends wegen Lichtmaschinen-Problemen eine gute Runde verlor), die man durch den Abend schleppte. Aufholen war kaum drin. Je nach Verkehrslage schwankten die Zeiten aller Spitzen-Diesel zwischen 3’23 und 3’30, mal waren die Ingolstädter schneller und holten ein wenig auf, dann zogen die Peugeot wieder weg. Es war aber die ganze Zeit über klar, dass das nicht alles war, was die Peugeots hätten zeigen können.

Doch warum fuhr man nicht schneller? Am Morgen zeigte sich, dass die Löwen durchaus Zeiten im 3’21er-Bereich durchgehend fahren können. Und eine ganze Runde Vorsprung wäre sicherlich beruhigender gewesen als knapp 3 Minuten – je nachdem, ob und wann nochmal ein Safety Car kommt, hätte eine Überrundung der Audis eine Sicherung des Vorsprunges bedeuten können. Doch Peugeot fuhr konstant sein Programm weiter.

Zum Einen wohl, um Kraftstoff zu sparen: vorher war schließlich vermutet (oder vor allem von Audi-Seiten gehofft worden), dass die Ingolstädter mit den neueren V10-Dieselmotoren um eine Runde längere Stints fahren könnten als die Konkurrenten. Doch durch das gedrosselte Tempo konnten die französischen V12-Löwen deren Stint-Länge mitgehen, die meist um die 12 Runden lag. Manches Mal blieben die Peugeots – vor allem die am Abend und in der Nacht führende #2 – sogar länger auf der Strecke. So hatte dieses Auto im Morgengrauen einen „Vorsprung“ von sieben Runden, was den Stopp-Zeitpunkt angeht, bei gleicher Anzahl. Hätte man im Laufe des Tages weitere fünf Runden durch längere Stints herausfahren können, hätte man gegenüber den Audi einen Stopp eingespart, also etwa eine Minute gewonnen.

Doch dazu sollte es gar nicht mehr kommen. Nachdem das einzig nennenswerte Ereignis der Nacht die etwa viertelstündige Reparatur am bis dato gut platzierten Oreca-Peugeot war (Kraftübertragung), die den Semi-Werkswagen einige Plätze und die Siegchancen kostete, folgte um fünf nach sieben der große Schock: Franck Montagny war gerade erst bei einem Routine-Boxenstopp ans Steuer gegangen, da rollte die führende #2 rollte auf der Out-Lap in langsamer Fahrt und mit Qualm aus dem rechten Auspuffrohr auf die Hunaudieres-Gerade. Montagny stieg aus und begutachtete den Wagen ebenso fassungslos, wie sein Team in der Box auf die Bildschirme starrte. Doch der Fahrer konnte an diesem kapitalen Motorschaden nichts tun: endgültiger Ausfall!

Damit lagen plötzlich die beiden Audi mit der #9 und der #8 in Front, dahinter Peugeot #1 mit etwa anderthalb Runden Rückstand, dann der #7-Audi, der am Abend nach einem Zwischenfall mit dem langsam um den Kurs schleichenden BMW Art Car im Kies landete und einige Minuten verlor. Dieser wiederum wurde gejagt vom Oreca-Peugeot. Anthony Davidson am Steuer der #1 wurde nun angewiesen, voll aufzudrehen: wie ein Irrer jagte er um den Kurs und durch den Verkehr, fuhr Zeiten zwischen 3’19 und 3’21, dabei sogar schneller als die Pole-Runde vom Mittwoch, und schickte durch kompromiss- und rücksichtsloses Überrunden die GT2-führende Corvette in den Porsche-Kurven in die Leitplanken und somit unschön ins endgültige Aus.

Der Grund: würde man etwa fünf Sekunden pro Runde auf den führenden Audi herausholen, war der Sieg noch drin; und wenn nicht der Sieg, dann wollte man immerhin um Platz 2 kämpfen. Aber da die Audi nur mit Mühe und Not ab und zu Zeiten unter 3’21 fahren konnten, hätte es tatsächlich knapp passen können, dass man die #9 bis 15 Uhr einholt – doch auch dieses Peugeot HDI V12-Aggregat hielt der Belastung nicht stand und verabschiedete sich kurz vor 13 Uhr, mit Qualm und sogar Flammen aus dem rechten Auspuffrohr.

Der Sieg war damit außer Reichweite, das Podium vorerst komplett in Audi-Händen. Doch der in der Nacht zurückgefallene Oreca-Peugeot hatte noch die Chance, Rinaldo Capello im #7 Audi Rang 3 abzujagen. 80 Minuten vor Schluss fehlte dazu nicht mehr viel, doch dann das bekannte Schreckensbild: Rauch und Flammen aus der rechten Fahrzeugseite, der selbe Schaden zum dritten Mal! Verzweiflung bei Oreca-Gründer Hughes de Chaunac und Peugeot Sport-Chef Olivier Quesnel, Erleichterung bei Audi: nun könnte nur noch ein eigener Dreifach-Ausfall den Sieg verhindern, doch danach sah es nicht aus.

Und so sammelten sich die drei rot-silber-schwarzen R15plus schon eine halbe Stunde vor Rennende zum fotogenen Konvoi und rollte um die Strecke, bis sie so um 15 Uhr im totalen Triumph die Ziellinie überquerten – die #9 mit Timo Bernhard, Romain Dumas und Mike Rokenfeller siegte nach fehlerloser Fahrt vor der #8, gefahren von Benoit Treluyer, Marcel Fässler und André Loterer sowie der #7 mit dem eigentlich am stärksten eingeschätzten Fahrertrio Allan McNish, Rinaldo Capello und Tom Kristensen.

Und ganz nebenbei schlug die #9 trotz der vier Gelbphasen den für beinahe unschlagbar gehaltenen Distanzrekord von 1971: damals spulten Helmut Marko und Gijs van Lennep im Martini-Porsche 917 Kurzheck 397 Runden ab, was 5.335,3 Kilometern entsprach. Bernhard, Dumas und Rockenfeller schafften die gleiche Rundenzahl, doch da der Circuit de la Sarthe inzwischen durch die Dunlop- und Hunaudieres-Schikanen sowie die Porsche-Kurven knapp 200 Meter länger (und natürlich auch langsamer!) geworden ist, summieren sich diese 397 Runden heute zu 5.410,7 Kilometern. Zu verdanken ist der neue Rekord der lange andauernden Jagd der Diesel-Fahrzeuge, bei der niemand wirklich vom Gas gehen konnte, auch wenn die Peugeots noch ein wenig schneller gekonnt hätten.

Bester Benziner wurde überraschend der Oreca-AIM – also wenigstens noch ein kleiner Erfolg für die Mannschaft von Hughes de Chaunac – nachdem alle der eigentlich stärkeren Aston Martin-Prototypen im Laufe des Rennens Probleme hatten, der bestplatierte mit der #009 gar weniger als eine Stunde vor Rennende mit Motorschaden ausfiel. Für das Schwesterauto #007 blieb der sechste Gesamtrang – hinter dem Sieger der LMP2-Kategorie!

Alle anderen Prototypen der LMP1-Kategorie waren ausgefallen – bis auf Drayson Racing, die vom Amerikaner Dale White gemanagte Mannschaft des englischen Lords Paul Drayson. Deren Zielankunft nach 254 Runden reichte zwar nicht für die nötigen 70% der Siegerdistanz, um in offizielle die Wertung zu kommen, doch allein das Überqueren der Ziellinie vor 238.150 Zuschauern um kurz nach 15 Uhr am Sonntag dürfte für die sympathische Privatmannschaft um die Fahrer Drayson, Jonny Cocker und Emanuele Pirro Erfolg genug gewesen sein, nachdem die Mechaniker im Laufe des Rennens das Fahrzeug diverse Male komplett zerlegten, um eine hartnäckige Vibration zu finden und auszumerzen. Lief der Wagen, waren der junge Cocker und insbesondere Veteran Pirro sogar in der Lage, mit dem Lola-Judd schnelle Zeiten unter 3’30 zu fahren, als beste Runde steht eine 3’27.325, gut acht Sekunden langsamer als die 3’19.074, die der Oreca-Peugeot als schnellste Rennrunde am Vormittag auf der Jagd verbuchen konnte.

An Geschwindigkeit hat es dem 908 HDI also auch im vierten Jahr keinesfalls gemangelt – das war auch schon am Mittwoch nach den ersten Trainingseinheiten klar. In Paris ist nun also vor allem Ursachenforschung angesagt: bisher gibt es noch keine Informationen, was den Dreifach-Ausfall verursacht hat. Hat man den vier Jahre alten V12 schlichtweg zu rücksichtslos weiterentwickelt? Das ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlicher ist wohl, dass ein Fertigungsfehler oder ein zugekauftes Pfennigteil in gleich drei Fällen die rechte Zylinderbank (oder den rechten Turbolader!?) zerfetzt hat.

Für 2011 werden aber sowohl Audi als auch Peugeot ein dem kürzlich bekanntgegebenen Reglement entsprechendes nagelneues Fahrzeug konstruieren, der Audi wird dann R18 heißen. Es ist bemerkenswert, wie die Erneuerungsintervalle sich stetig verkleinern: hielt der R8 (natürlich in Ermangelung ernsthafter Werks-Konkurrenz) noch sechs Jahre, wurde der R10 dreimal in Le Mans eingesetzt, der R15 nur noch zweimal, dazwischen sogar noch komplett umgekrempelt. Der harte Wettbewerb gegen Peugeot macht das ganze Unternehmen Le Mans um einiges aufwändiger und teurer, aber natürlich auch prestigeträchtiger. Noch hat aber keiner der beiden Hersteller offiziell bestätigt, 2011 wieder anzutreten, auch wenn alles darauf hindeutet…

LMP2

Der Sieger der LMP2-Kategorie kam – wie schon erwähnt – überraschend auf einem grandiosen fünften Gesamtrang ins Ziel. Und wie vorher vermutet, handelte es sich um einen der HPD ARX-01c-Prototypen. Doch nicht etwa der mit der enorm starken Fahrerkombination David Brabham, Mariono Franchitti und Marco Werner besetzte Highcroft-Acura, der in den USA seit Jahren in der ALMS Rennsiege einfährt, triumphierte, sondern der in der europäischen LMS startende Strakka-HPD!

Und das nicht etwa nur, weil das Highcroft-Auto wegen eines Kühlerschadens gegen Rennende viel Zeit in der Box verbrachte, sondern aus eigener Kraft: Danny Watts und Jonny Kane waren in der Lage, in ihren Stints stets genügend Vorsprung herauszufahren, den ihr Amateur-Kollege Nick Leventis – für dessen Renn-Karriere das Team überhaupt nur aufgebaut wurde – dann wieder verlieren durfte, ohne aber in Rückstand gegenüber dem Schwesterauto zu geraten. Und als kleinere Reparatur-Stopps den Highcroft-Avura im Laufe des Abends zwei Runden kosteten, konnten auch Leventis‘ gelegentliche Dreher und Ausrutscher die Führung nicht mehr gefährden, auch wenn durchaus einer dieser Zwischenfälle in Le Mans schnell einen Einschlag und damit das Ende hätte bedeuten können.

Doch soweit ließ es auch der Gentleman Driver nicht kommen und so führte das in Silverstone angesiedelte Strakka-Team für 356 der absolvierten 367 Runden die Klasse an. Insgesamt kamen erstaunlich viele Fahrzeuge in der sonst eher Ausfall-geprägten Privatiers-Klasse LMP2 ins Ziel: OAK Racing (Lahaye/Moreau/Charouz) und Ray Mallock Ltd. (Erdos/Newton/Wallace) komplettierten das Podest, der zweite OAK-Pescarolo und das Team Bruichladdich die Gesamt-Top Ten.

Überraschend auf den sechsten Klassenrang schaffte es das als 56. Entry nachgerückte Race Performance-Team, außerdem reichte es nach drei DNFs in den vergangenen Jahre für die Siegburger Kruse-Schiller-Motorsport-Mannschaft um Hideki Noda, Jean de Pourtales und Jonathan Kennard nach diversen Reparaturstopps zur Zielankunft.

GT2

Auf Rang 11, zwei Plätze vor dem GT1-Siegerfahrzeug, kam der Felbermayr-Proton-Porsche #77 ins Ziel und gewann damit die GT2-Kategorie nach turbulenten 24 Stunden. Die beiden von Pratt&Miller aus Michigan eingesetzten Chevrolet Corvette stellten sich bald als schnellste Fahrzeuge der Klasse heraus. Die Porsche-Armada sowie die meisten Ferrari konnten kaum etwas gegen die gelben US-V8 ausrichten, ebenso wenig die BMW-Mannschaft, deren Art Car im Laufe des frühen Abends nach mehreren Problemen verloren ging und das zuvor langsam um den Kurs schleichend ja auch bereits Tom Kristensen in große Problemen brachte.

Die einzige echte Konkurrenz war der ebenfalls aus den USA angereiste Risi-Ferrari F430, der wegen eines Verstoßes gegen das Aerodynamik-Reglement seine Pole-Position aufgeben und vom Ende des Feldes starten musste. Diesen Rückstand holten Jaime Melo, Pierre Kaffer und Gianmaria Bruni jedoch zügig auf und übernahmen in Runde 28 erstmals die Führung. In den folgenden Stunden entwickelte sich ein grandioses Duell zwischen diesem Fahrzeug und der #64 Corvette von Oliver Gavin, Olivier Beretta und Emmanule Collard, bis sich in der Nacht beim Ferrari die Gänge nicht mehr wie gewünscht einlegen ließen, was den sehenswerten Zweikampf beendete.

So war die Nacht dann leider in der GT2 wie in allen andere Klassen auch recht ereignislos. Die #64 Corvette führte souverän vor dem Schwesterauto, das aber um kurz nach 7 Uhr, zeitgleich mit dem führenden Peugeot, mit einem Motorschaden liegen blieb. Die zuverlässigen, aber dank leicht benachteiligender Balance of Performance-Einstufung etwas langsameren Porsche rückten durch die Aufälle auf die Podestplätze vor, ebenso wie die Ferrari aus den Teams Farnbacher und AF Corse; Formel 1-Veteran Giancarlo-Fisichella in letzterem Fahrzeug wurde in den Morgenstunden jedoch spektakulär von einem Bremsdefekt in der Indianapolis-Kurve zurückgeworden.

Und als schließlich die auf Siegkurs liegende Corvette am Vormittag von Anthony Davidson in den Porsche Kurven ins Abseits gedrängt wurde und nach heckseitigem Einschlag in die Leitplanken lange repariert werden musste, lag schlussendlich der Porsche mit der #77 vorn, der sich mit nur minimal langsameren Rundenzeiten stets in Schlagweite der vor ihm liegenden gehalten hatte, die nach und nach ausfielen. Und so führten Marc Lieb, Richard Lietz und Wolf Henzler die letzten 92 Runden, um dann, das zweite Fahrzeug mit Felbermayr Sr. Und Jr. sowie Miro Konopka längsseits, um kurz nach 15 Uhr als Sieger abgewunken zu werden.

Das Podium vervollständigten zwei Überraschungsteams: der Ferrari aus dem Hause Farnbacher mit Dominik Farnbacher, Allan Simonsen und Leh Keen am Steuer, die damit nach dem zweiten Platz auf der Nordschleife vor vier Wochen einen weitere großen Erfolg einfahren – und beweisen, dass die Hankook-Reifen, die man als einziges Team verwendet, eine erstaunlich gute Wahl sind! Auf Rang drei schaffte es die BMS Scuderia Italia, erstmals mit einem Porsche unterwegs, der gesteuert wurde von Marco Holzer, Richard Westbrook und DTM-Meister Timo Scheider.

Die AF Corse-Mannschaft um Fisichella/Alesa/Vilander schaffte es trotz des Unfalls noch auf Rang 4, vor dem IMSA Performance Matmut-Porsche (Narac/Pilet/Long) und dem verbliebenen BMW um Jörg Müller, Augusto Farfus und Uwe Alzen. Deren sechster Platz mit 28 Runden Rückstand auf die #77 kann durchaus als kleiner Erfolg gewertet werden, immerhin hatte man mit dem Wagen in ACO-Konfiguration keine allzu lange Vorbereitungszeit und hatte in der Woche vor dem Rennen noch einen kleineren Restriktor aufgebrummt bekommen. Für nächstes Jahr kann die Schnitzer-Einsatztruppe nach der Zielankunft dieses Jahr nun den Klassensieg anstreben.

Die Zielankünfte für die kleinen Benelux-Teams Prospeed und Spyker können auch als Erfolg verbucht werden, für Spyker ähnlich wie beim Drayson-Team vor allem, weil man nach einem Unfall lange Zeit in der Garage verbrachte, um den Wagen wieder zum Laufen zu bringen.

GT1

Die GT1-Kategorie war nach dem Ende der Gruppe C-Ära ab 1994 zunächst die stärkste Klasse in Le Mans, der McLaren F1 GTR und der Porsche 911GT1 konnten das Rennen sogar gewinnen. Es handelte sich um Fahrzeuge, die im Grunde nicht mehr weit von den heutigen Prototypen entfernt waren. Doch die GT1 wurde im Laufe der Jahre durch sich ändernde Reglements von FIA und ACO immer mehr eingebremst und seriennäher gestaltet, gegen die Prototypen hatten sie so in den letzten Jahren keine Chance mehr.

Zuletzt erreichte 2005 der in der Klasse siegreiche Aston Martin DBR9 den fünften Gesamtrang. Am besten in Erinnerung bleibt aus der jüngeren Geschichte wohl das Duell zwischen den zwei gelben Werks-Corvettes und den zwei hellblau-orangen Aston Martin, die sich über 24 Stunden aufs Härteste bekämpften, mit dem besseren Ende für die Briten.

2010 war nun der letzte Auftritt für diese Fahrzeugkategorie. Der ACO möchte die Klasse nicht mit den Fahrzeugen aus der konkurrierenden GT1-Sprint-Weltmeisterschaft am Leben erhalten, also wandert diese ehemals so grandios spektakuläre Klasse in die Mottenkisten – bis zur nächsten Reglementsänderung in einigen Jahren…?

Der letzte Auftritt war aller Ehren wert, auch wenn die Wagen durch Gewichtszuladung langsamer waren als die vom ACO bevorzugten GT2-Fahrzeuge, und die Zuverlässigkeit allgemein zu wünschen übrig ließ. Es kämpften die echten Endurance-Teams Luc Alphand Aventures und Larbre Competition gegen die Sprint-WM-Mannschaften von Matech, MarcVDS und Young Driver AMR. Und das Ergebnis lautet, wie erwartet: schneller sind die WM-Fahrzeuge, ausdauernder die Langstrecken-Konkurrenz.

Und so siegte tatsächlich der von Larbre eingesetzte zehn Jahre als Saleen S7R, unerwartet, aber verdient. Bis auf kleinere Reparaturen in den Morgenstunden, die einige Runden des großen Vorsprungs kosteten, hielt der Wagen von Julien Canal, Gabriele Gardel und Roland Berville und wurde so mit vier Runden Vorsprung vor der #72 Alphand-Corvette mit Jerome Policand, Stephane Gregoire und David Hart nach 331 Runden Erster.

Das einzig verbliebene GT1-WM-Team wurde Dritter: der Young Driver Aston Martin mit dem Fahrertrio Peter Kox, Christoffer Nygaard und Tomas Enge, der von dem Paderborner Team Fischer Racing betreut wird. Dessen schnellste Runde war übrigens rund drei Sekunden schneller als die des Larbre-Saleen, doch zwei gebrochene Antriebswellen verhinderten ein besserer Ergebnis.

Mehr Fahrzeuge kamen auch nicht ins Ziel, alle drei von Matech aufgebauten Ford GT fielen aus: den schnellen MarcVDS-Ford setzte Bas Leinders bei der Aufholjagd nach in der Safety Car-Phase verlorener Zeit in den S-Kurven nach dem Dunlop-Bogen heftig in die Reifenstapel, das Damen-Auto geriet wenig später in Brand (Natacha Gachnang geschah nichts) und der Mutsch/Grosjean/Hirschi-Wagen fiel kurz vor der Morgendämmerung mit Motorschaden aus.

Fazit

Das war ein echtes Ausdauerrennen, in allen Klassen. Die zahlreichen Ausfälle kosteten einiges an Spannung auf der Strecke, weil spannende Duelle, vor allem in den GT-Klassen, abrupt ein Ende fanden, doch sie sorgten für die spannende Frage: wer hält durch? Und das waren eben Audi, der Strakka-HPD, der Larbre-Saleen und Porsche.

In der Nacht war das gesamte Rennen recht statisch, Positions- und Abstandsveränderung gab es kaum, dafür folgte dann am Morgen, ab 7 Uhr, der große Sturm. Die Anspannung bei den Peugeot-Aufholjagden, erst der #1, dann des Oreca-Wagens, war enorm, jeweils bis zu deren Ausfällen, die die Erlösung für Audi brachten, doch irgendwie fast alles richtig gemacht zu haben.

Und dann sind da noch diese ganzen Dramen, die sich im Hinterfeld abspielen: Teams wie Drayson Racin g, Kruse-Schiller, Spyker oder die ebenfalls über die Distanz gekommene Gerard Welter-Mannschaft sind es, die das besondere Le Mans-Feeling, den „Spirit of Le Mans“ verkörpern.

Besonders schön ist, dass viele Teams, gerade auch diese kleineren Privatteams, während der Le Mans-Woche und sogar während des Rennens, vor allem über das neue Medium Twitter mit den Fans in Kontakt treten. So konnte man beispielsweise mit dem Drayson-Team besonders gut leiden, oder die Frustration der Mansell-Söhne nach dem Ausfall nachvollziehen.

Eurosport hat wie in den vergangenen zwei Jahren einen guten Job gemacht, das Rennen über 24 Stunden den Fans nachhause zu liefern. Klar kommt es dabei auch mal vor, dass die Kommentatoren-Mannschaft um Büsing, Ockenga und Winter dabei phasenweise müde klingt, sich wiederholt oder schlichtweg Stuss labert. Aber das ist verzeihlich. Ein wenig vermissen konnte man die Stimme von Rainer Braun, der (vermutlich wegen seines Kabel 1-Engagements?) dieses Mal nicht dabei war.

Ein wenig schade war allerdings, dass die Reporter des US-Kanals Speed gerade in der Nacht oft mehr Informationen hatten bzw. sammelten als die Teams von Eurosport, die zu der Zeit wohl im Bett lagen. Dass Speed sich in dieser Zeit besonders Mühe gab, kann aber auch daran liegen, dass es sich bei der Nachtphase eben um die US-Primetime handelt, während hierzulande auch der Großteil der Zuschauer den fernseher abschaltet.

Das Timing des ACO ist nach wie vor verbesserungswürdig, es hätte wohl mehr Sinn, wenn man einfach anzeigen würde, in welchem Abstand die Fahrzeuge die Start-Ziel-Linie überqueren, anstatt alle Abstände zu einem bestimmten Zeitpunkt zu nehmen und somit nicht vorhandene Rundenrückstände fälschlicherweise als solche darzustellen. An die winzigen Schriften der Grafikeinblendungen, für die eine neue Produktionsfirma verantwortlich ist, wird man sich wohl gewöhnen müssen.

Alles in allem ließ sich dieses grandiose Rennen – eine solche Faszination können einfach nur 24h-Rennen ausüben – aber dank TV, Timing und Twitter sowie dem wie immer grandiosen Radio Le Mans-Team um John Hindhaugh sehr gut verfolgen. Auch unser Live-Blog hat hoffentlich dazu beigetragen, ich bedanke mich nochmal im Namen des Teams bei allen Lesern, die die 24 Stunden oder zumindest einen Teil davon mit uns ausgeharrt haben!

LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Charles Leclerc, Ferrari SF-24, leads Carlos Sainz, Ferrari SF-24 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Oscar Piastri, McLaren MCL38, leads Carlos Sainz, Ferrari SF-24, and Sergio Perez, Red Bull Racing RB20 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Max Verstappen, Red Bull Racing RB20, leads Lando Norris, McLaren MCL38, and George Russell, Mercedes F1 W15 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Max Verstappen, Red Bull Racing RB20, Lando Norris, McLaren MCL38, and George Russell, Mercedes F1 W15, battle for the lead at the Race start during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Zak Mauger / LAT Images)

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7 Kommentare

DonDahlmann 15 Juni, 2010 - 18:54

Super Zusammenfassung, bzw. Analyse. Vielen Dank!

Mich hat in diesem Jahr neben dem Kampf in der GT1, vor allem der irre Speed an der Spitze fasziniert. Zwar hat uns die die dämliche Safety Car Phase zu Beginn ein spannenderes Rennen gekostet, aber auch so war es ein gutes Rennen.

Besonders dankbar war mal wieder ich Radio Le Mans. John Hindhaugh und Paul Truswell lieferten informative und witzige Kommentare und man spürte in jeder Sekunde, das beide nicht nur als Kommentatoren, sondern auch als Fans da waren. Hindhaugh, obwohl als Brite sicher kein Audi-Fan, kritisierte den ACO massiv für die undurchsichtige Safety-Car Regel und hatte vor allem auch immer wieder ein Auge auf die „kleinen“ Teams. Was die mit ihrem Team da wieder geleistet haben, war wirklich unglaublich.

Ach ja, eine Sache noch. Als ich Abend dann das F1 Rennen gesehen habe, fiel mir auf, wie (zumindest teilweise) wunderschön die Prototypen gegenüber den modernen Formel Eins wirken.

Jan 15 Juni, 2010 - 22:22

Vielen Dank für die sehr ausführliche Berichterstattung hier im Blog!
Dank des Liveblogs konnte ich gut verpasste Stunden aufholen. ;-)

Montoya12 16 Juni, 2010 - 00:03

Super Zusammenfassung

Aber es waren keine 2 Safety Cars sondern 3 Safety Cars.
Ist jemand an die Box gefahren um einen Pitstop abzuhalten musste der an der roten Ampel warten bis die nächste Safety Car Gruppe vorbei kam und konnte dann erst wieder auf die Strecke. Absoluter Schwachsinn in meinen Augen.

StefanTegethoff 16 Juni, 2010 - 01:29

@Montoya12: Danke für den Hinweis. Ich war da in Gedanken noch bei der Zwei-Safety Cars-Methode, die bis letztes Jahr verwendet wurde. Werde es gleich ändern.

Speedy 16 Juni, 2010 - 14:16

Hindeaugh kein Audi Fan? Soll das ein Scherz sein?

Audi war (ist?) lange Grosssponsor bei Radio Le Mans und Hinedeaugh ist überzeugter Audi-Anhänger, das wird sowohl in Le Mans als auch bei den 24h am Nürburgring deutlich.

Als es letztes Jahr die Streitigkeiten um die möglicherweise illegalen Teile am R15 gab hat er massiv für Audi Position bezogen und auf Peugeot rumgehackt, da hab ich zum ersten mal reichlich Respekt für RLM verloren.

Und das er an den Safetycar-Regeln rummeckert ist auch schon sowas wie ein Running-Gag…das macht er überall, sei es nun Le Mans, die LMS oder die ALMS.

nona 17 Juni, 2010 - 15:56

Ich glaube ja eigentlich nicht an Karma, aber… für Peugeot war das schon ein Fall von „Karma is a bitch“ – auch wenn die Konkurrenz zu Audi mit viel gegenseitigem Respekt ausgetragen wird, hat sich Peugeot im Vorfeld mitunter mit erstaunlich viel Arroganz präsentiert, so als gehöre die Siegtrophäe selbstverständlich ja eigentlich sowieso ihnen. Davidsons Hazadeursritt und seine viel kritisierten Aussagen hinterher waren nur das i-Tüpfelchen davon.

Egal, war insgesamt ein prima Rennen (und’n Fernsehmarathon, ächz). Die Eurosport-Übertragungen waren gut, nur mit der Bildregie war ich manchmal nicht wirklich zufrieden. Aber dafür kann Eurosport nichts, ebensowenig wie für die beknackt kleine Schrift bei den Einblendungen. Neu dieses Jahr war das zusätzliche Jonglieren zwischen etlichen Tabs mit (komplett nutzlosem) Live-Timing, Twitter-Aggregatoren, Liveblogging, Audi-onboard, Newstickerseiten und dergleichen mehr. Ich denke, da ist die Schmerzgrenze so ziemlich erreicht, mehr Information kann man für seine Selbstredaktion wohl kaum verarbeiten. Nach wie vor ein schlechter Scherz ist die Online-Präsentation der Le Mans-Organisatoren. Nicht nur im Hinblick auf das unbrauchbare Livetiming, auch die Webseite des Rennens an sich lässt in Funktionalität und aktuellem Inhalt immer noch sehr viel zu wünschen übrig, vom schlechten Englisch mal ganz abgesehen (ich weiss, es sind Franzosen, aber trotzdem…).

Wurscht, auf ein Neues im nächsten Jahr.

nona 17 Juni, 2010 - 16:09

Ach ja, nochwas, ich weiss nicht ob ich Ralf Kelleners vorher schonmal als Co-Kommentator/beisitzender Experte irgendwo gehört habe, fand seine Beiträge aber durchweg recht gelungen weil fundiert. Passt auch stimmlich sehr gut ins Fernsehen, gut anhörbar auch wenn er (leider?) nicht so’n Scherzkeks ist wie Uwe Winter/Dirk Adorf wenn sie auf ihre Phrasen eindreschen. Davon gerne mehr.

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