Der Circuit Paul Ricard wird 40, GT1-WM und GT3-EM kommen zum Feiern vorbei. Auch in den USA ist Party angesagt, die Grand-Am fährt kurz vorm Unabhängigkeitstag in Daytona und auch hier steht ein rundes Jubiläum an.
Die nahe Marseille gelegene Bahn kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken: nach dem Ende der F1-Ära lange verwaist und dann zur Teststrecke modifiziert, mausert sie sich langsam aber sicher wieder zu einer beliebten Rennstrecke, vor allem für Sportwagenserien. Zuerst waren es Markenpokale, die hierher zurückkehrten, dann kam die FIA-GT, die nun durch die GT1-Weltmeisterschaft abgelöst wird. Die tritt an diesem Wochenende gemeinsam mit der GT3-Europameisterschaft an und bildet so das zweite große Event des Jubiläumsjahres, nachdem im April bereits auch die Le Mans Series zu einem 8h-Rennen in Le Castellet zu Gast war.
Als eine der frühen Retortenbahnen mit für damalige Verhältnisse recht großen Auslaufzonen war der Circuit Paul Ricard nicht von Anfang an besonders beliebt (Marc Surer etwa kritisierte das sehr künstlich wirkende kurvige Infield), heute aber gilt die endlose Mistral-Gerade mit der anschließenden Signes-Kurve beinahe als Kult.
Trotz der Auslaufzonen verunglückte Elio de Angelis 1986 bei einem Formel 1-Test tödlich, was zu einer Verkürzung über eine grausam enge Querspange führte. Heute gibt es neben diesen beiden Varianten noch unzählige weitere, denn unter Bernie Ecclestone wurde der Kurs ab 1999 zu einem High Teck Test Track aufgerüstet. An diesem Wochenende wird die Variante mit der langsamsten der drei La Verrerie-S-Kurven sowie einer Schikane in der Mitte der langen Mistral-Geraden gefahren. Letztere raubt der Strecke zwar ihr prägendes Element, aber dürfte eine gute Überholmöglichkeit darstellen.
Charakteristisch sind heute die blauen und roten Streifen der asphaltierten Auslaufzonen. Diese stellen als Sicherheitskonzept eingerichtete unterschiedliche Grip-Zonen dar, sind aber bei den Zuschauern eher unbeliebt, auch wenn die GT1-Promoter versuchen, sie zum modernen Kunstwerk zu erklären. Eine gute Rennstrecke ist es aber allemal, sei es nun trotz oder wegen der bunten Streifen.
GT1-WM
In der GT1 gibt es wieder einige Änderungen in der Entry List, darunter auch einige prominente Namen: Olivier Panis, Ex-F1-Monaco-Sieger und aktuell für Oreca im Peugeot-Prototypen unterwegs, wird sich mit Natacha Gachnang einen Matech-Ford GT teilen. Das könnte dem Team, dessen anderes Fahrzeug die Meisterschaft anführt, auf die Beine helfen, denn die reinen Damen-Kombos waren bisher leider glück- und erfolglos.
Ebenfalls wieder ins Lenkrad greifen die Rückkehrer Oliver Gavin (Mad-Croc Corvette), Christophe Bouchut (All-Inkl.com-Lamborghini) und Rafael Daniel/Ricardo Zonta (Reiter-Lamborghini). Einzig letztere haben in diesem Jahr bisher einen Erfolg in der GT1 verbuchen können: einen fünften Rang beim Hauptrennen in Abu Dhabi.
Für vier Mannschaften ist das anstehende Event der erste Auftritt nach Le Mans: zum Einen für die beiden Matech-Teams, darunter die Tabellenführer Mutsch und Grosjean, die auch an der Sarthe bis zum Ausfall lange führten und das bereits genannte Matech-Damenteam. Außerdem für Bas Leinders und seine MarcVDS-Mannschaft, die nach Wiedergutmachung für den frühen Crash im 24h-Rennen suchen. Und schließlich für Tomas Enge und Christoffer Nygaard vom Young Driver AMR-Team, die als einzige erfolgreich von dem Endurance-Ausflug heimkehren: Klassenrang 3 sprang für sie heraus.
Paul Ricard gilt nach nach Siegen dieses US-Wagens bei den bisherigen Auftritten 2006 und 2009 als Corvette-freundliche Strecke, aber auch die schnellen Aston Martin, die mit langsameren und mittelschnellen Kurven anscheinend gut zurecht kommenden Ford GT sowie die guten Allrounder aus dem Hause Maserati sollte man nicht unterschätzen. Aber natürlich spielt auch der Erfolgsballast sowie eine nachjustierte Balance of Performance (u.a. +30kg für die Aston Martins) eine Rolle. Zusatzgewicht dürfte vor allem in der schnellen Signes-Kurve sowie der anschließenden langen Rechts nachteilig sein.
Zieht man aber die Quali- und Rennergebnisse aus Abu Dhabi und Silverstone heran, scheint es auch möglich, dass der Ford GT ziemlich schlecht mit den zusätzlichen Kilos umgehen kann, mäßige Zeiten im ersten Training, das aber natürlich noch nicht zwingend das wahre Kräfteverhältnis zeigt, könnten diese Vermutung stützen.
Insgesamt scheint sich dennoch eine starke Team- und Fahrer-Performance über alle Nivellierungs-Versuche hinwegzusetzen und so sollte man die in der Meisterschaftstabelle vorn stehenden Vitaphone, Matech, Young Driver und das Heimteam Hexis weit oben auf der Favoritenliste haben. Im freien Training am Freitag waren es dann auch Frédérik Makowiecki und Thomas Accary für eben dieses französische Hexis AMR-Team, die mit 0,38 Sekunden vorn lagen.
Spannend dürfte auch sein, ob die Phoenix-Corvette von Piccini und Hennerici wieder zur Spitzengruppe aufschließen kann. Immerhin reichte es beim Saisonauftakt noch für die Ränge 1 und 2, danach lief nicht mehr viel zusammen, weshalb man das Zusatzgewicht wieder losgeworden ist. Phoenix setzt auch wie schon in Brünn nur ein Fahrzeug ein, vermutlich hat die Meuspather Truppe das in Silverstone abgebrannte Fahrzeug noch nicht wieder aufbauen oder ersetzen können. Im Training schwächelten sie allerdings ebenso wie die beiden Mad-Croc-Schwesterautos, ein erneuter Corvette-Sieg in Le Castellet scheint damit in weiter Ferne.
Die Rennen finden am Samstag um 17:30 und am Sonntag um 14:15 statt, im Stream jeweils mit einer Viertelstunde Vorlauf live zu sehen. Sport 1 hat diesmal wieder ausführliche Aufzeichnungen im Programm, am Samstag um 20 Uhr und am Sonntag um 20:15; das wird bei denen aber gern auch noch mal kurzfristig geändert…
GT3-EM
Eigentlich hätte die GT2 die GT1 in Le Castellet unterstützen sollen, aber da es die Serie in diesem Jahr noch nicht gibt, sorgt die GT3 (neben GT4 und Lamborghini Trophy) für ein volles Sportwagen-Wochenende. Zunächst ein kurzer Rückblick, da es nach der vergangenen Runde keine ausführliche Analyse gab.
Die GT3-Europameisterschaft hat vor zwei Wochen in Jarama – wo sie ausnahmsweise mal aus dem Schatten der GT1 heraustreten konnte – zwei sehr sehenswerte Rennen abgeliefert. Im ersten Lauf stürmte zunächst Albert von Thurn und Taxis vorn davon, nach dem Fahrerwechsel konnte sein Co-Pilot Sanna jedoch den Vorsprung nicht halten. In der engen Farina-Haarnadel drehte Corvette-Pilot Hohenadel ihn schließlich durch eine leichte Berührung um – in diese Kurve hinein hatte Sanna stets die Tür ein wenig offen gelassen.
Aber Hohenadel konnte den ersten Platz nicht ins Ziel bringen, anderthalb Runden vorher begann die Benzinpumpe zu schwächeln. So erbten Kenneth Heyer und Bernd Herndlhofer einen überraschenden Sieg, nachdem sie in ihrem Rosberg-Audi R8 nur vom 15. Startplatz aus losgefahren waren – die ersten Punkte für beide und dann gleich die vollen 25.
Im zweiten Rennen konnte erstmals der in diesem Jahr neue BMW Z4-GT3 einen Sieg einfahren: Claudia Hürtgen kam bis zu ihrem Boxenstopp nicht am starken Konkurrenten Marco Holzer (jüngst Dritter in der GT2 in Le Mans geworden) im Prospeed-Porsche vorbei, erst ihr ungarischer Mitstreiter Csaba Walter gelang dies, er fuhr in der ersten Kurve um Paul von Splunteren herum, der dem nichts entgegen zu setzen hatte.
Überraschend stark (teilweise natürlich auch von Patzern der Konkurrenz profitierend) war der einzige Ford GT im Feld: das Fischer Racing-Auto mit Christoffer Nygaard und Mikko Eskelinen errang die Plätze 6 und 7. Die „Strafe“ dafür folgte nun allerdings in dieser Woche: im Zuge der nach jeder Runde korrigierten Balance of Performance lädt man diesem Ford GT – wie gesagt: der einzige in der Serie – gleich 70kg an Zusatzgewicht auf – dauerhaft, wohlgemerkt, nicht als Platzierungsgewicht.
Die Brünn-Doppelsieger Lambotte/Parisy dagegen konnten nur einen Punkt holen, und zwar mit dem zehnten Rang im ersten Lauf, der im Gesamtklassement Zweitplatzierte Philip Geipel ging ganz leer aus.
Nun geht es mit folgendem Meisterschaftsstand – zur Saisonhalbzeit wohlgemerkt – zum nächsten Lauf nach Le Castellet:
- Keilwitz / Hohenadel (Corvette) – 88
- Geipel (Porsche) – 57
- Parisy/Lambotte (Corvette) – 51
- Walter / Hürtgen (BMW) – 44
- von Thurn und Taxis (Lamborghini) – 42
Aufgrund der Konstanz der beiden deutschen Corvette-Piloten scheint es also recht klar an der Spitze – mehr als ein Saisonsieg Abstand zur Saisonmitte sind zunächst eine sichere Bank. Sollte natürlich mal ein wirklicher Ausfall Keilwitz und Hohenadel ereilen (in Jarama war es ja mit der Benzinpumpe fast so weit), kann der schnell kleiner werden.
Außerdem bürdet die FIA den in dieser Saison bisher tatsächlich am stärksten erscheinenden Corvetten für die kommenden Rennen ganze 100kg an BoP-Ballast auf und verkleinert die Restriktoren ein weiteres Mal.
Mit Keilweitz und Hohenadel sollte man trotzdem immer rechnen, wer aber jetzt in Jarama der Stärkste sein wird, ist – wie immer in den GT3-Serien mit dem breiten und durch die Balance of Performance stets nachregulierten Feld – sehr schwer zu sagen. Außerdem steht mit Paul Ricard wieder ein neuer Typus Kurs an: lange Geraden und eine Reihe eher langsamerer Kurven.
Einschalten lohnt sich immer: am Samstag live ab 14:30 auf MotorsTV und im offiziellen Live-Stream (Finish ist also vor dem Deutschland-Argentinien-Match!) sowie am Sonntag um 17 Uhr als Aufzeichnung (leider gibt MotorsTV den Motocross-Serien Vorrang), allerdings live im Stream um ab 11 Uhr.
Noch eine Neuigkeit am Rande: das GT3-Konzept erfreut sich auch über Europa hinaus immer größerer Beliebtheit: ab dem kommenden Jahr führt auch die japanische Super Taikyu-Serie eine GT3-Kategorie ein. Diese Rennserie lässt sich am ehesten mit der deutschen VLN-Langstreckenmeisterschaft vergleichen, es fahren mehrere Rennklasse (Touren- und Sportwagen) mit einem Mix aus Profis und Amateuren am Steuer Rennen von mehreren Stunden Länge auf verschiedenen japanischen Kursen (darunter übrigens auch das Oval von Motegi!)
Die Speedweek stellt die (plausible) Vermutung in den Raum, dass Organisator Ratel damit auch japanische Hersteller für die GT3 begeistern möchte. Deren Fahrzeuge fehlen nämlich bisher noch gänzlich in der GT3-Homologations-Liste.
Grand-Am – Daytona
In den USA steht der Unabhängigkeitstag an, das heißt, die NASCAR fährt ihr Daytona-Sommerrennen. Gemeinsam mit den Stock Cars verbringen auch die Sportwagen der Rolex Sports Car Series das Feiertagswochenende in Florida und fahren nach dem 24 Stunden-Saisonauftakt am selben Ort dieses Mal ein Sprintrennen auf der Oval-/Infield-Kombination.
Neben der 1776 erlangten Unabhängigkeit hat die Grand-Am noch einen weiteren Grund zum Feiern: die Daytona Prototypes fahren ihr 100. Rennen. 2003 wurden diese Fahrzeuge aus Sicherheits- und Kostengründen eingeführt, nachdem man zuvor mit modifizierten Le Mans-Prototypen fuhr.
Für die Grand-Am ist diese Fahrzeugkategorie eine Erfolgsgeschichte, man hat stets gute Starterfelder zusammenbekommen, in den aktuellen Krisenzeiten sind es mit einem guten Dutzend Autos rund doppelt so viele wie in der ALMS. Dafür fehlt eben der Aspekt des technischen Inovation: während Le Mans-Prototypen mit Kohlefaser-Chassis und High Tech-Antriebsaggregaten, bald sogar mit Hybrid-Motoren, unterwegs sind, fahren bei den DPs Stahlrohrrahmen-Fahrzeuge, die 2010 von Lola, Riley, Dallara und Coyote angeliefert werden, mit getunten Serienmotoren, u.a. aus den Fabriken von Ford, BMW, Porsche und Chevrolet.
Ob man nun dieses Konzept lieber mag oder die Prototypen aus Le Mans, LMS und ALMS, sei jedem selbst überlassen. Auch optisch gibt es da ja große Unterschiede, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
Wie immer sind bei den Prototypen Memo Rojas und Scott Pruett für Chip Ganassi Racing with Felix Sabates die haushohen Favoriten, bisher konnten sie nur beim 24h-Rennen in Daytona (durch Action Express Racing) sowie in Lime Rock (durch SunTrust Racing) bezwungen werden. Neben diesen sind auch GAINSCO, Michael Shank Racing, AIM Autosport und Brumos Porsche recht stark, aber damit die eine Chance haben, müssen Rojas und Pruett in Probleme kommen. Selbst dann wäre aber die Meisterschaftsführung noch groß.
Bei den Grand Tourern gab es nach der Mazda-Dominanz zu Saisonbeginn jüngst etwas mehr Abwechslung: Andy Lally konnte mit wechselnden Teamkollegen für TRG-Porsche in Virginia und Watkins Glen gewinnen, in Daytona tritt er wieder mit neuem Co-Piloten an, dem Senior RJ Valentine, erfolgreicher Entrepreneur und 2009 GT-Klassensieger bei den 24h von Daytona. Bill Auberlen und Joey Hand siegten in Mid-Ohio im Turner-BMW M6, an diesem Wochenende wird Paul Dalla Lana den Kollegen Hand ersetzen.
Trotz stärker werdender Konkurrenz sind wieder die drei SpeedSource-Mazda RX8 (#68 Christodoulou/Edwards, #69 Assentato/Segal, #70 Bomarito/Tremblay) am stärksten einzuschätzen und das zeigten sie auch im ersten Training, wo die #68 und die #70 zwei Sekunden vor der Konkurrenz lagen.
Das Rennen findet am Samstag um 11 Uhr Ortszeit statt, also vormittags; übertragen wird es auf Speed als Aufzeichnung um 13 Uhr, sprich: 19 Uhr deutscher Zeit. Wer also Fan von Daytona und/oder Sportwagen ist, sollte mal reinschauen, auch wenn dieses Mal keine prominenten NASCAR-Piloten dabei sind.
3 Kommentare
Ist einfach eine fazinierende Rennstrecke. Geniale Bilder ;-)
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