Wer sich am Sonntag um 14 Uhr über die Langeweile und Ereignislosigkeit auf dem Norisring beschwert hat, dem gebe ich einen Tipp: nächstes Mal lieber GT-Rennen gucken ;-)
Ich spare mir jetzt mal die allzu detaillierte Aufarbeitung der vier einzelnen Rennen zugunsten einer etwas allgemeiner gefassten Analyse, die Lobhudelei mit Kritik kombiniert, weil ich das zur Mitte der Motorsportsaison ganz angebracht finde.
Zunächst mal: mit meiner Einschätzung des Kräfteverhältnisses in der Vorschau lag ich vor allem kräftig daneben, was die GT1 angeht. Neben den starken Maserati waren es nämlich die Sumo Power-Nissan und die Corvettes von Phoenix und Mad-Croc (bzw. eine davon), die am meisten brillierten. Die Aston Martin dagegen versanken mit ihren Zusatzgewichten im Mittelfeld, wobei das französische Hexis-Team deutlich besser abschnitt als die noch schwerer beladene deutsch-skandinavische Young Driver-Mannschaft, bei der auch noch Pech hinzukam. Trotzdem war ausgerechnet Stefan Mücke in der Lage, im Hauptrennen noch die schnellste Rennrunde in den heißen südfranzösischen Asphalt zu brennen!
Es ist also so eine Sache mit der Balance of Performance und dem Erfolgsbalast – ein System, mit dem ich persönlich auf Kriegsfuß stehe: gewinnst du, wirst du bestraft, verbringst ein Rennen im Mittelfeld und darfst dann das Gewicht wieder ausladen, um beim nächsten Mal wieder um den Sieg mitzufahren. Gewinnst du trotz Erfolgsgewicht, werden einfach noch ein paar zusätzliche Kilos unter dem Label „BoP“ draufgepackt.
Der Vorteil der ganzen Angelegenheit: die einzelnen Rennen sind spannend und spektakulär, weil die verschiedenen Fahrzeugmodelle durchgehend auf einem Niveau gehalten werden. Betrachtet man aber eine ganze Saison, verringern die relativ willkürlichen Eingriffe zwischen den Rennen in meinen Augen die Bedeutung der Meisterschaftswertung. Beispielsweise hatte der an diesem Wochenende so starken #1-Maserati ja vor allem deswegen kein Zusatzgewicht, weil er in Brünn nach einer Durchfahrtsstrafe nur Fünfter wurde, obwohl er eigentlich schon dort das deutlich stärkste Fahrzeug war.
Zudem werden unterschiedliche Fahrzeuge mit ihren eigentlich unterschiedlichen Stärken und Schwächen zur reinen Fassade gemacht, wenn bei jeder Gelegenheit Motorleistung und/oder Gewicht geändert werden. Andere Serien schaffen es, spannende Rennen und Meisterschaften auch ohne so exzessive Eingriffe auf die Reihe zu bekommen; damit meine ich vor allem die ACO-Serien ALMS und LMS.
Zwar ist auch in deren Reglement die nachträglich Korrektur von Luftmengenbegrenzern als Option offen gelassen, aber im Allgemeinen wird dort mit der vor der Saison festgemachten Balance, die sich für alle Teams einer Klasse gleichartig aus dem minimalen Gewicht, den Hubraum und den Durchmesser des Begrenzers bestimmt, gefahren. Und wer die letzten Rennen der ALMS gesehen hat, der weiß, dass das funktioniert! (Dass das gelegentlich daneben gehen kann, ist natürlich nicht ausgeschlossen, siehe die kurzfristige BMW-Einstufung, die die M3 in Le Mans die Konkurrenzfähigkeit kostete…)
In den FIA/SRO-Sportwagenserien gehört aber die Balance of Performance nun mal zur Grundidee. Und im Endeffekt werden eben die Teams und Fahrer Meister, die trotz Eingriffen „von oben“ eine konstant starke Performance bringen. Und das trifft in der GT1 bisher am ehesten auf den Vitaphone-Maserati mit Bartels/Bertolini zu, in der GT3 auf die Callaway-Corvette von Hohenadel/Keilwitz.
Diese beiden Teams dominierten nämlich jeweils ihre Rennserie über weite Strecken des vergangenen Wochenendes hinweg und sackten jeweils beide Rennsiege ein. Zwar nicht kampflos – Bartels/Bertolini mussten im Quali-Rennen erst wieder am Haase-Lamborghini vorbei, der am Start die Führung übernommen hatte und Keilwitz/Hohenadel starteten in Rennen 2 „nur“ von Platz 4 und übernahmen erst eine Viertelstunde vor Schluss die Führung – aber schlussendlich waren sie von der Konkurrenz nicht zu stoppen.
Interessant ist dabei vor allem, und das zeigt eben – wie bereits angesprochen – die Stärke des auf Balance ausgelegten Regelements, dass es trotzdem in keinem der vier Rennen langweilig wurde, auch wenn es spätestens in der zweiten Rennhälfte an der Spitze eindeutig war. Hinter den genannten Dominatoren gab es stets sehenswerte Duelle um Podiums- und Punkteplatzierungen.
Im Quali-Rennen der GT1 am Samstag war es Warren Hughes im besten der Nissan, der den „Move of the Race“ ablieferte, als er wenige Runden vor Rennende in der ultraschnellen Signes-Kurve außen an der Mad-Croc-Corvette von Maassen/Hezemans vorbeiging und so den dritten Platz übernahm.
Am Sonntag war es ausgerechnet Hughes’ Teamkollege Jamie Campbell-Walter, der das spektakulärste Manöver des Rennens ablieferte: wiederum einige Runden vor dem Ende setzte er sich auf der Startzielgeraden neben die Konkurrenten in Reiter-Lamborghini und Hexis-Aston Martin, zu dritt nebeneinander brausten sie die Gerade entlang und noch vor der Kurve war der Nissan vorn und kassierte somit die Punkte für den achten Platz.
Ebenfalls für Aufsehen sorgte die Phoenix-Corvette, die in der engen letzten Kurve hintereinander an beiden Vitaphone-Maserati vorbeizugehen versuchte. Beim ersten Versuch gegen die #2 gelang das, aber beim Herausbeschleunigen fuhr die Corvette dem Maserati in die Seite, woraufhin dessen Radaufhängung brach. Die Strafe für den vermeidbaren Kontakt folgte bald, vorher versuchte Piccini noch, auch die führende #1 zu schnappen, drehte sich dabei jedoch. Trotz dieser Missgeschicke sprang für Piccini und Hennerici am Ende noch Rang 5 heraus.
Diese und die weiteren Höhepunkte des Hauptrennens gibt es hier zu sehen, die ganzen Rennen sowie weitere Highlight-Videos wie immer auch auf den Webseiten von GT1 und GT3:
Auch in der GT3 wurde munter gekämpft und überholt, gerne auch mal außen herum in die erste Kurve La Verrerie hinein. So übernahm Daniel Keilwitz auch die Führung im zweiten Rennen gegen die Meisterschaftskonkurrenz Parisy/Lamotte aus dem Hause Graff Racing, die damit in beiden Rennen als Zweite hinter der Callaway-Corvette ins Ziel kamen. Und so – die technisch starke, aber fahrerisch teils fehlerbehaftete Performance der Corvette-Teams in der GT1 mit einbezogen – wurde der Circuit Paul Ricard wieder seinem Ruf als Corvette-freundliche gerecht. Einzig Holzer/van Splunteren im Prospeed-Porsche konnten in Rennen 2 mithalten und lagen lange auf Platz 2, der Rest der Konkurrenz kabbelte sich jeweils rund 20 Sekunden dahinter.
Äußerst schwach ist weiterhin die Performance der Audi R8. Die dominierten in der vergangenen Saison, wurden aber über den Winter durch mehr Gewicht und vor allem ein Drehzahllimit so sehr geschwächt, dass sie trotz Erfolgsballast für die Konkurrenz keine Chance auf vordere Platzierungen haben, sieht man einmal von dem – ohne die fahrerische Leistung schälern zu wollen – etwas glücklichen Abstauber-Sieg von Heyer/Herndlhofer im Rosberg-Audi in Jarama ab. Und so finden sich die vier Audi-Mannschaften Rosberg, Sainteloc-Phoenix, Black Falcon und United Autosports allesamt unter den letzten fünf der Team-Meisterschaft wieder. Leider ein Beispiel für eine misslungene Balance of Performance: 2009 zu stark, 2010 zu schwach.
Und noch ein interessanter Aspekt zum Abschluss: Sowohl im zweiten Rennen der GT3 als auch im Hauptrennen der GT1 wurde jeweils eine Strafe für das Missachten der Fahrbahnbegrenzung am Start ausgesprochen. Auch wenn es dabei in der kleinen Kategorie leider den durch dieses Manöver von 14 auf 2 nach vorn gestürmten Ferrari F430 von Diego Alessi traf, der für mehr Abwechslung in der Spitzengruppe hätte sorgen können, finde ich es gut, dass man in den GT-Serien so klare Grenzen zieht.
Bereits beim Rennwochenende der GT Masters in Hockenheim fiel auf, dass bei halbwegs konsequenter Durchsetzung dieser „Das Rennen findet zwischen den beiden weißen Linien statt“-Regel die Strecke auch dementsprechend befahren wird, nämlich so, wie sie vom Architekten einmal gedacht war. Wenn man sch dagegen anschaut, wie die DTM in Hockenheim in der Nordkurve die Auslaufzone zur Rennstrecke macht…
In den Meisterschaften führen – wie könnte es anders sein – selbstverständlich die Doppelrennsieger. Der Stand in der GT1:
- Bartels/Bertonlini (Vitaphone-Maserati #1) – 77
- Mutsch/Grosjean (Matech-Ford GT #5) – 62
- Hennerici (Phoenix-Corvette #13) – 40
- Dumbrech/Krumm (Sumo Power-Nissan #23) – 37
- Hughes/Campbell-Walter (Sumo Power-Nissan #22) – 33
Meisterschaftstabelle der GT3-EM:
- Keilwitz/Hohenadel (Callaway-Corvette #101) – 138
- Parisy/Lambotte (Graff-Corvette #16) – 87
- Walter/Hürtgen (Schubert BMW Z4 #77) – 66
Der große Unterschied: in der GT3 sind bereits vier von nur sechs Rennwochenenden vorüber, in der GT1 erst vier von zehn, da die Saison sich bis in den Dezember zieht. Nächster gemeinsamer Auftritt ist Mitte September in der Algarve, zwischendurch tritt die GT1 aber noch in Spa (01.08.) und auf dem Nürburgring (29.08.) an.
1 Kommentare
Ich fand die Rennen (wie üblich) ganz ansprechend, allerdings sind sie mir in dieser Form eigentlich immer zu kurz. Eine Stunde pro Lauf ist irgendwie nicht wirklich GT-like.
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