Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse Silverstone 2010

Formel Eins: Analyse Silverstone 2010

von DonDahlmann
4 Kommentare

Red Bull hat gewonnen, und doch verloren. McLaren begrenzt den Schaden, Ferrari kocht mal wieder vor Wut und Michael Schumacher gehen langsam die Ausreden aus.

Manche Dinge überraschen mich dann auch nach knapp 30 Jahren, in denen ich die F1 beobachte, dann doch. Es ist nichts neues, dass ein Team einen Fahrer bevorzugt. Das entscheidet sich oft nach Ergebnissen und Sympathie. Bei McLaren mochte man Senna lieber als Prost, obwohl sich beide in Sachen Speed und Zickigkeiten nichts gegeben haben. Viele Jahre später bevorzugte man Hamilton gegenüber Alonso, vermutlich, weil Ron Dennis und Alonso nicht miteinander klar kamen. Ferrari mochte Massa lieber als Räikkönen und so kann man die Liste von F1 Teams, die zwei Nummer Eins Piloten hatten (oder haben) ellenlang weiterführen. Aber egal wie groß der Ärger im Team war – ich kann mich nicht daran erinnern, dass man der einen „Nummer 1“ ein Bauteil weggenommen hat, um es der anderen „Nummer 1“ zu geben. Webber ist das passiert und nach dem Rennen hat er sich gerächt.

Ich will die Situation bei Red Bull nicht zu lange analysieren, da folgt morgen noch ein Extra-Artikel. Aber klar ist, dass Red Bull sich mit der Aktion ein massives Eigentor geschossen hat. So etwas macht man einfach nicht, und zu glauben, Webber würde den Mund halten und die Öffentlichkeit es nicht merken, ist eine schon fast monströse Fehleinschätzung. Das Webber sich nach dem Rennen vor der Weltöffentlichkeit mit dem Satz „Not bad for a number 2 driver“ rächte zeigt, wie miserabel die Stimmung im Team ist.

Dabei hatte alles so nett angefangen. Vettel hatte, mit dem neuen Flügel, den Webber nicht haben durfte, die Pole um winzige 80 Tausendstel gewonnen. Aber schon in den Rennen am Samstag konnte man sehen, dass die zweite Position am Start nicht unbedingt die schlechtere war. Wenn man es schaffte vor Copps auf gleicher Höhe zu sein, hatte man die Nase vorn. Und das gelang Webber, obwohl Vettel scharf nach innen zog. In Copps ließ Webber seinem Teamkollegen wenig Raum und von hinten hatte Hamilton dem Deutschen schon den rechten Hintereifen aufgeschlitzt, als dieser etwas optimistisch in Copps nach innen ging. Damit war Vettel erst mal raus aus dem Rennen, und es war ein kleines Wunder, dass er es überhaupt an die Box schaffte.

Hamilton hatte Platz 2 eingenommen, dahinter ruderte Kubica, der sich Startgetümmel irgendwie auf Platz 3 gemogelt hatte. Der Renault war in Silverstone deutlich schwächer als erwartet und so bildete sich hinter dem Polen bald eine ungeduldige Schlange. Und es begann das Leiden des Fernando A. Der hatte sich zunächst brav hinter Kubica eingeordnet, als er nach dem frühen Boxenstopp aber immer noch hinter dem Renault hang und vorne so langsam Webber, Hamilton, der erstaunliche Button und Rosberg wegzogen, wurde es ihm zu blöd. Eingangs Vale setzte er sich neben ihn, aber Kubica drückte ihn raus. Alonso musste die Schikane abkürzen, kam aber vor dem Renault wieder auf der Strasse und blieb dann auch auf der Position. Man kann über Aktion streiten. Einerseits hat ihn Kubica raus gedrückt, was sollte Alonso machen, andererseits wissen wir seit Spa 2008, dass die FIA so ein Manöver kritisch sieht. Alonso hätte Kubica vorbei lassen sollen um erneut zu überholen. Ferrari hätte ihm dies auch sagen müssen, aber man verliess sich mal wieder aufs Glück. Die Rennleitung bestrafte ihn mit einer Durchfahrtsstrafe. Das war schon blöd, aber richtig schlimm wurde es, als just dann eine SC-Phase kam, als er seine Strafe noch nicht angetreten hatte. Das musste er dann in der Runde machen, als die Strecke wieder frei war. Er fiel dann weit, weit zurück. Von Massa sah man, außer einem beeindruckenden Dreher, der ihn direkt in die Boxeneinfahrt katapultierte nichts. Allerdings hatte er sich in der ersten Runde auch einen Reifen beschädigt, im Gegensatz zu Vettel war er aber nicht in der Lage, nach vorne zu fahren. Ferrari sprach nach dem Rennen von einem „Fluch“.

Die SC-Phase kam, weil de la Rosa Teile seines Heckflügels grosszügig über die Strecke verteilt hatte und sie waren die Erlösung für Vettel. Denn so konnte er wieder aufschliessen und die deutlich langsameren Piloten vor ihm in Ruhe überholen. Der Red Bull schnitt recht flott durchs Feld, nur ganz am Schluss biss er sich die Zähne an Sutil aus, der ihn so lange in Schach hielt, bis nach vorne nichts mehr ging. Vettel setzte sich auch in Brookland relativ robust gegen den Force India durch, was Sutil nach dem Rennen mit wenig freundlichen Worten kommentierte.

Vorne war die Sache dann klar – Webber zog mit beeindruckenden Rundenzeiten weg, Hamilton sah zu, dass er auf Rosberg ein Polster heraus fuhr und Button war mit seinem vierten Platz mehr als gut bedient. Den hatte er sich erobert, weil er einen guten Start hatte, den ihn auch (so aus den Kopf) auf Platz acht gebracht hatte. Die Entscheidung, sehr spät die Reifen zu wechseln, war dann ebenfalls die bessere Entscheidung, die auch Rosberg getroffen hatte. McLaren gelang aber das Kunststück, aus einer blöden Ausgangslage, das maximale rauszuholen.

Das probierte man bei Mercedes auch. Klug spreizte man die Boxenstopps von Schumacher und Rosberg. Den Ex-Weltmeister holte man recht früh rein, da er hinter Barrichello feststeckte, Rosberg ließ man draussen. Man wollte Schumacher platztechnisch zumindest hinter Rosberg bringen, aber das ging gründlich schief. Schumacher hatte auf seiner ersten Runde mit den harten Reifen einen Ausrutscher in Kurve 14, und sowohl Williams als auch Sauber kopierten schnell die Mercedes Strategie. Statt vor Barrichello kam Schumacher sogar hinter Kobayashi raus. Das Rennen war gelaufen. Am Ende wurde es noch schlimmer: Vettel quetschte sich vorbei, als Schumacher in Brooklands die Tür sperrangelweit aufließ, Sutil tat ähnliches.

Ich hab immer gesagt, dass man mit einer Beurteilung der Leistungen Schumachers bis zur Saisonmitte warten sollte. Aber das Rennen hat deutlich gezeigt, dass dem Deutschen so langsam die Argumente ausgehen. Rosberg hat ihn in Silverstone jederzeit unter Kontrolle. Schumacher verbriet in Q2 zwei Sätze der weichen Reifen, damit er überhaupt in Q3 kam und da machte er mit seinem einzigen Satz einen Fahrfehler. Das er Vettel nicht halten konnte – ok. Aber man hätte doch zumindest erwartet, dass er ihn ebenso lange hinter sich halten kann, wie das Sutil gelungen ist. Man entschuldigte sich danach damit, dass er wegen der Berührungen im Rennen ein nicht mehr komplett gesundens Auto zur Verfügung hatte, aber das war bei Rosberg auch nicht anders.

Schumacher ist Rosberg unterlegen, er war in Silverstone nicht mal in seiner Nähe. Es hat viel „Hätte, wäre, wenn“ Situationen in diesem Jahr gegeben, die meist alle zu seinen Ungunsten ausgefallen sind. Aber es ist auffällig, dass er sich auf sein Glück und nicht auf seine fahrerischen Leistungen verlassen muss, wenn es darum geht, nach vorne zu kommen. Er ist in der Quali zu schwach, im Rennen unterlaufen ihm im entscheidenden Moment Fehler und am Ende kann er froh sein, dass irgendwo zwischen Platz 6 und 10 ankommt. Das entspricht weder seinen, noch den Ansprüchen von Mercedes. Noch traut man ihm zu, dass er mit einem guten Rennen und einem Podium die Saison noch retten kann, aber so langsam wird die Luft schon dünn.

Webber hat das Rennen gewonnen, aber die eigentlichen Gewinner sind Hamilton und Button. McLaren führt die Konstrukteurs-Wertung an, Hamilton kanpp vor Button die WM. Bei Red Bull hängt der Haussegen schief und dafür, dass die Red Bull so dominant sind, liegen sie in der WM zu schlecht. Ferrari ist nach einem weiteren, desaströsem Rennen aus der WM-Entscheidung zwar raus, das wird sie aber nicht davon abhalten weiter um einen Sieg zu kämpfen. Schön zu sehen ist der Aufstieg von Sauber und Williams ins Mittelfeld. Das wird ein spannendes zweites Halbjahr.

WM-Stand:

Hamilton 145
Butto 133
Webber 128
Vettel 121
Alonso 98
Rosberg 90

Bilder ©Ferrari, McLaren, Red Bull/Getty, Lotus, HispaniaF1, Virgin, MGP, Williams, Renault

Das könnte Dir auch gefallen

4 Kommentare

Flo 11 Juli, 2010 - 23:33

Schön geschrieben Analyse, wie jedes Mal.
Freu mich schon auf den Extra Artikel zum Thema RBR, denn was die abziehen, ist wirklich nicht schön.

nona 12 Juli, 2010 - 09:11

Re: Schumacher – Ausreden ausgehen? Argumente ausgehen? Hä? Ausreden worum und Argumente wogegen denn bitte? Gegen die übertriebene Erwartungshaltung bei manchen Leuten?

Ich finde nach wie vor, er liefert das ab (plus Glück, minus Pech), was man von einem Ü40er-Schumacher nach ein paar Jahren Abwesenheit erwarten konnte und kann.

reifen 12 Juli, 2010 - 11:23

sehen wir es positiv, michael hat endlich das niveau von ralf erreicht

Oliver Rüssel 12 Juli, 2010 - 12:20

Ich bin der Meinung, dass die Saison von Michael nach der langen Pause bisher okay verläuft. Klar könnte es besser sein, aber seine Leistungen sind in einem im Rahmen, der angemessen ist. Warten wir doch mal ab, was das Jahr 2 dann bringt, wenn das Auto besser auf beide Piloten abgestimmt ist. Zudem denke ich auch, dass es komisch wäre, wenn der Nico Rosberg schlechter fahren würde als der Michael, das würde doch heißen, dass der kleine Rosberg keine Zukunft mehr in der F1 hat.

Gruß

Oliver

Comments are closed.