Die IRL hatte richtig Glück, dass am Wochenende schon die Ferrari-Teamorder aus Hockenheim die Skandalspalten einnahm. Denn sonst wäre man selbst dort gelandet. Und das, obwohl man eigentlich alles richtig gemacht hat.
Dabei hätte alles so gut ausgehen können: Nach einer eher drögen ersten Rennhälfte schaukelte sich das Rennen in Folge einiger Gelbphasen am Ende zu einer richtig spannenden Angelegenheit auf: Schöne Zweikämpfe, ein paar sogar an der Spitze und „local hero“ Paul Tracy direkt hinter den Ganassi und Penske-Autos als „best of the rest“ auf Rang 6. Als die letzte Caution ein paar Runden vor Schluss zu Ende geht, greift Power Castroneves an. Der fährt innen und verteidigt in einem sehenswerten aber fairen Manöver seine Position – und Power wird von Dixon überholt. Und dann die verblüffende Meldung: Durchfahrtsstrafe wegen Blockierens für Castroneves. Die tritt er zwar nicht an, und fährt als erster durchs Ziel – zum Sieger wird aber Dixon erklärt. Es folgen wütende Proteste von Castroneves und Buhrufe der Zuseher. Mittlerweile hat die IRL ein Video veröffentlicht (nach dem Jump), das die Entscheidung erklärt. Sie war wohl regelkonform. Was nicht heißt, dass man die Sache darauf beruhen lassen sollte.
Wie aus dem Video ersichtlich besagen also die Regeln tatsächlich, dass sich Fahrer nicht gegen Überholmanöver verteidigen dürfen, indem sie vor der Kurven nach Innen fahren. Geahndet wird ein solches Verhalten dann, wenn sich die verteidigenden Piloten über eine fiktive Linie in der Mitte der Strecke hinweg bewegen. In der Fahrerbesprechung vor dem Rennen wurde das, wie auch im Video zu sehen, noch einmal ganz klar erklärt. Castroneves hat es aber trotzdem getan. Die Mindeststrafe dafür ist eine Drive-Through unter Grün – und die hat er dann ja auch bekommen. Die Strafe war also den Regeln nach gerechtfertigt, die Rennleitung konnte gar nicht anders, als so zu reagieren.
Aber: Ist die Regeln an sich sinnvoll? Wohl kaum. In den Ovalen – wo Blockieren ja tatsächlich gefährliche Folgen haben kann – mag sie ihre Berechtigung haben. Auch dort hat sie aber schon für Diskussionen gesorgt, vor allem deshalb, weil sie nicht konsequent eingesetzt wure: Graham Rahal wurde beim Indy 500 bestraft, Danica Patrick eine Woche später in Texas nicht – obwohl ihr Manöver gefährlicher war. Da entsteht schnell mal der Eindruck von Willkür – und das kann der Serie wohl kaum gut tun.
Und davon abgesehen: Auf den Rundstrecken haben die Indycars das doch überhaupt nicht nötig. Schon am engen Stadtkurs von Toronto gab es genug Überhol-Action. Und auf der 25 Meter breiten Landebahn von Edmonton wird die Regel dann endgültig lächerlich. Denn dort liegt ja der Reiz gerade darin, dass mehrere verschiedene Linien funktionieren. Renndirektor Brian Barnhart stand jedenfalls schon vor der Entscheidung schwer in der Kritik, und selbige ist nun nicht gerade leiser geworden. Nicht alles, was im verlinkten Artikel gesagt wird ist fair, manches ist wohl noch auf alte Feindschaften rund um den IRL-CART-Split zurückzuführen. Insgesamt muss man sich aber wohl trotzdem fragen, ob es die Indycar Series nicht mal mit einem neuen Mann an dieser verantwortungsvollen Stelle probieren sollte.
Etwas unter der Oberfläche war dann noch ein zweites Reglement-Thema im Gespräch: In einigen Internet-Foren geistern Gerüchte herum, dass Penske, Ganassi und Andretti Autosport Aufhängungsteile benützen sollen, die nicht vom eigentlichen Alleinausstatter Dallara hergestellt wurden. Während sich dies bei Ganassi und Andretti aber noch im Rahmen des Legalen bewege, seien die Penske-Teile so konstruiert, dass sie dem Team insbesondere auf den Rundkursen unfaire Vorteile bringe. Schwerwiegend: Angeblich weiß die IRL davon, hat sich aber entschlossen, das nicht zu verfolgen, weil man den Verlust von Penske und Konsorten nicht verschmerzen könnte. Die Vorwürfe klingen, insbesondere in der Art ihrer Formulierung, ein wenig dubios. Sie stammen aber angeblich wirklich von einem Insider. Ich gebe das jetzt hier einfach mal so weiter. Man muss aber wohl schon nochmal betonen, dass es an sich nicht ungewöhnlich ist, dass Teams – gerade in einer Serie mit Alleinausstattern – jeden letzten Millimeter des Reglements ausnützen.
Zum Rennen an sich: Der Leistung nach ist der Sieg von Scott Dixon nicht so ganz gerechtfertigt. Ganassi war den ganzen Tag lang den Penskes – vor allem Castroneves und Power – ein wenig unterlegen. Das Resultat fällt eher unter „Abstauber“. Will Power hat wieder ein großartiges Rennen gefahren, und hat lediglich am Ende zur falschen Reifenmischung gegriffen. Castroneves hätte sich den Sieg verdient. Aber gar so aufregen hätte er sich nach dem Rennen auch nicht müssen – denn so unsinng die Blocking-Regel ist, musste ihm doch bewusst sein, dass er ganz klar dagegen verstoßen hatte. Auch hier hat er übrigens mal wieder seine Klasse bewiesen, und sich mittlerweile für sein Verhalten entschuldigt. Weniger toll war das Rennen von Penskes Nr. 3 – Ryan Brsicoe war in Edmonton eher unauffällig unterwegs.
Ein Leistung lieferte war es für Paul Tracy. Nach eher mittelmäßiger Qualifikationsleistung fuhr sich der kanadische Altstar im Laufe des Rennens bis an die „best of the rest“-Position 6 vor, zum Teil mit sehenswerten Manövern. Am Ende wurde er noch vom erneut starken Ryan-Hunter Reay geschnappt. Es wäre sehr schade, hätten wir ihn das letzte Mal in dieser Saison (oder, man muss es in diesem Alter ja sagen: überhaupt) in einem Indycar gesehen.
Auch für die anderen drei KV-Autos war es ein gutes Rennen. Hinter Tracy landeten Moraes, Viso und Sato auf den Rängen sieben bis neun.
Dem Vernehmen nach verhandelt Tracy nun mit Dreyer & Reinbold über ein paar weitere Rennen in dieser Saison. Der Einsatz wäre in dem Fall aber wohl davon abhängig, dass Mike Conway nicht rechtzeitig wieder fit wird. Denn vor kurzem hat ja schon J.R. Hildebrand einen Vertrag mit dem Team abgeschlossen, demnach er drei Rennen bestreiten soll. Und zwar gegebenenfalls auch neben Mike Conway, sofern der ab Sonoma wieder zurückkehrt. Kaum vorstellbar, dass das kleine D&RR-Team noch ein weiteres Auto einsetzen könnte. Angeblich könnte aber auch ein Platz bei Conquest Racing frei werden – Mario Romancini soll nämlich gerüchteweise das Geld ausgegangen sein. Mal sehen, ob sich da was entwickelt.
Im Abwärtstrend befand sich in Edmonton Andretti Autosport. Der einzige Lichtblick blieb Ryan Hunter-Reay auf Rang fünf. Marco Andretti landete nach einem problembehafteten Rennen als erster Überrundeter auf Platz elf, Tony Kanaan direkt dahinter auf P12. Danica Patrick wurde nach einem Dreher nur 15. Viel besser wäre das Ergebnis aber wohl auch ohne den Ausrutscher nicht geworden, denn auch davor war sie nicht im vorderen Teil des Feldes zu finden.
Auf positive Weise von sich Reden machte dagegen wieder mal Simona de Silvestro. Die Schweizerin zeigte eine tolle Quali-Leitung und ging mit Rang sieben von ihrer bisher besten IRL-Startposition ins Rennen. Am Sonntag konnte sie dann auch noch EJ Viso überholen, und fuhr in der ersten Rennhälte auf Platz sechs, direkt hinter den fünf Wagen vom „Todesstern“. Die gute Leistung blieb aber unbelohnt – denn gegen Rennende wurde sie von Viso recht unsanft in den Reifenstapel geschickt.
In der Meisterschaft hat Will Power (420 Punkte) seine Führung wieder ausgebaut, und liegt nun wieder 50 Zähler (also einen ganzen Sieg) vor Dario Franchitti (370). Mit etwas Abstand folgen dann Scott Dixon (349) und Ryan Briscoe (324). In der Mario Andretti Trophy liegt Power (318) zwei Rennen vor Schluss schon fast uneinholbar in Führung, ebenfalls vor Franchitti (222) und Ryan Hunter-Reay (220).
Weiter gehts in zwei Wochen auf dem pittoresken aber nur mäßig Open Wheel geeigneten Mid-Ohio Sports Car Course, eine Vorschau darauf folgt wie immer in der kommenden Woche.
4 Kommentare
Es war natürlich nicht regelkonform, was Castroneves gemacht hat. Aber man muss sich mal ernsthaft überlegen, weshalb die IRL (in diesem Falle schäme ich mich sogar nicht diese Kürzel zu verwenden…) solch etwas bescheuertes überhaupt aufstellt. Innen darf man nicht fahren, wenn jemand überholen möchte? Das heißt man soll den Gegner einfach kampflos ziehen lassen? Darüber sollten die Offiziellen mal schleunigst nachdenken.
Ansonsten: Das Ende vom Rennen hat Spaß gemacht, außerdem sollten wir doch mal Sato loben. Wie orakelt (;) ) kam er tatsächlich ins Ziel – sogar mit seinem bislang besten Ergebnis.
Wow da hab ich ja wirklich was kafkaeskes verpasst, eine Rennserie in der man sich gegen Überholmanöver nicht wehren darf ist mir neu. Bisher gabs nur Überholverbote trotz grüner Flaggen (Formel 1) oder blaue Flaggen für Leute in den falschen Autos mit zu alten Reifen (DTM) aber das von der Rennleitung gesagt kriegt wie man in Kurven fahren muss das hat ne andere Qualität. Jetzt wundert mich auch nicht mehr wieso Danica mal während des Rennens in der Nationwide Serie gefragt hat wie man überholt. Sie wußte es einfach nicht da der Vordermann partous die innere Linie nicht für sie freigemacht hat, so wie sie es aus der IRL gewohnt war.
Ein weiterer Meilenstein in der Bemühung dem Motorsport mehr Comedyelemente zu verpassen, erst Ferrari mit ihren Laienschauspielern und dann das, der letzte Rennsontag war schon ein ganz spezieller.
Kurz ernsthaft: Ich bin auch gegen das mehrmalige Zacken das ein gewisser Hamilton gerne gemacht hat aber man wird doch mal eine Kurve enger, sprich Kampflinie, anfahren dürfen. Wenn nicht macht sich die IRL schon sehr lächerlich. Und ich dachte ich verfolge nächstes Jahr zumindest alle Rennen der Rundstreckentrophy, aber für Comedy ist mir das dann oft zu spät, dann muss die DTM zur Bespaßung weiter reichen.
Auf Nicht-Ovalen hat eine solche Regel nichts verloren. So künstlich fabrizierte Überholmanöver sind ja noch schlimmer als gar keine. Etwas ähnliches blüht uns ja in der F1, wenn der verstellbare Heckflügel so kommt, wie bisher diskutiert. Das ist alles Quatsch und hat mit Motorsport nichts mehr zu tun!
@couchracer: Die meisten Rennen sind ja zum Glück zu humanen Zeiten, und meistens bleiben wir von solchen Comedey-Einlagen ja verschont. Meistens… Aber es ist allen, zumindest allen Leuten mit Verstand, also allen ausser den Offiziellen, bewusst, dass man diese Regel auf einem Road Track schleunigst abschaffen muss.
Comments are closed.