Kevin Harvick und Richard Childress Racing bewiesen am Sonntag, dass Siege in diesem Jahr nicht nur auf „restrictor plate“-Ovalen möglich sind und qualifizierten sich nach dem dritten Erfolg 2010 endgültig für den Chase. Die #29 mauserte sich auf dem Michigan International Speedway vom konstanten Team zum ernsthaften Herausforderer auf den Sprint-Cup-Titel.
Früh im Rennen sah es zunächst eher danach aus, als würde Greg Biffle der Mann sein, den es zu schlagen gilt. Im Ford mit der #16 bestimmte er die erste Rennhälfte nach Belieben und gab seinem, nach dem Flugzeugabsturz erstmals wieder anwesenden, Teambesitzer Jack Roush allen Grund zur Freude. Die drei erfolgreicheren Teams von Roush-Fenway Racing, #16, #17 (Matt Kenseth) und #99 (Carl Edwards) untermauerten dann mit einem geschlossenen Top5-Auftritt, dass ihr Hersteller den Anschluss an die Spitze wieder gefunden hat – auch auf den Intermediate-Ovalen, wo man vor 1-2 Jahren noch der Klassenprimus war. Selbst David Ragan im kontinuierlich schwächelnden Ford mit der #6 legte mit einem elften Platz sein zweitbestes Saisonresultat nach Rang 6 in Talladega auf den Asphalt.
Ganz im Gegensatz dazu steht momentan die Leistung im Team von Hendrick Motorsports. Zwar konnte Jimmie Johnson noch in der ersten Runde die Führung von Kasey Kahne übernehmen, die #48 war den Spitzenplatz aber schon nach 15 Runden wieder los. Kahne führte trotz seiner Pole Position allerdings keinen einzigen Umlauf und ging somit ohne Bonuspunkte aus. Bei Johnson herrscht momentan das Problem vor, dass der Wagen zu Beginn des Rennens vernünftig abgestimmt ist, ihm das Handling aber im Rennverlauf zunehmend entgleitet. Merkwürdig, dass dieses erfolgreiche Gespann aus Jimmie Johnson und Chad Knaus auf einmal unersichtlich so grobe Schwächen zeigt. Mehr als Platz 12 war dann in der Folge auch nicht für Johnson drin und damit war er noch der beste Hendrick Pilot.
Dale Earnhardt Jr erlebte ein mittelmäßiges Rennen und wurde unauffällig 19ter, ohne sich in Scharmützel verstricken zu lassen. Das gelang Teamkollege Jeff Gordon nicht, obwohl er durchaus eine Chance auf ein gutes Resultat besaß. Nach drei Vierteln des Rennens hatte Gordon die #24 aus den 30ern auf Position drei nach vorne gefahren, geriet bei einem Restart aber mit Jeff Burton aneinander und schlitzte sich den linken Vorderreifen auf. Mehr als Platz 27 am Ende der Führungsrunde war in der Folge mit onduliertem Auto nicht drin. Einen Rang dahinter kam Mark Martin ins Ziel, der in Watkins Glen noch von Clint Bowyers Pech profitieren konnte, um wieder in die Top12 der Meisterschaft zu gelangen. Martin setzte die #5 schon in der vierten Runde kurz in die Mauer und klagte im gesamten Rennen über ein schlechtes Handling. Die Chase-Position hat er damit wieder an Bowyer verloren, der in Michigan 13ter wurde.
Bei Hendrick muss man diese Abstimmungsprobleme bis zum Chase dringend wieder in den Griff kriegen, sonst kann Jimmie Johnson sich seinen fünften Titel in Folge abschminken. Jeff Gordon steht ebenso wie die #48 wohl ziemlich sicher in den Playoffs, aber Mark Martin muss nun in den drei verbleibenden Rennen noch kämpfen.
Die zweite Hälfte des Rennens war spannender als die erste / Viel Bewegung am Rennende
Biffles dominante Phase wurde kurz vor Rennhalbzeit durch Tony Stewart unterbrochen, der nach einer Folge von „green flag stops“ die Führung aber schon in Runde 111 wieder an den späteren Sieger Kevin Harvick abgeben musste. Dass Harvick aber nicht die fünf Bonuspunkte für die meisten Führungsrunden einkassieren konnte, lang dann an der für Michigan durchaus turbulenten Schlussphase.
Bis hierher langweilte sich das Rennen so dahin, was wieder einmal zeigte, dass die 500 Meilen (hier „nur“ 400 Meilen) teilweise deutlich zu lang sind. Zwar wird so eine Langstreckenatmosphäre erzeugt, wobei es darum geht, sich bis zum Ende schadfrei zu halten. Allerdings nimmt eine 150-ründige Kaugummistrecke in den ersten drei Vierteln des Rennens auch die Spannung aus dem Cup. Wo ich gerade bei „schadfrei“ bin: Kurt Busch gelang das nicht, oder besser gesagt seinem Motor. Der ging nämlich schon in Runde 32 hoch und verursachte die erste Gelbphase. In der Meisterschaft verlor Busch dadurch ganze sechs Ränge hat aber noch 215 Punkte Vorsprung auf Platz 13, was in drei Rennen wohl fast unmöglich zu verlieren sein dürfte.
Drei Gelbphasen zwischen Runde 148 und 172 sorgten dann für eine Menge verschiedener Strategien: Einige Teams setzten auf vier neue Reifen, einige nahmen nur zwei Gummi und die ganz mutigen versuchten sich nur mit einer neuen Tankfüllung. Dadurch lagen zwischenzeitlich Elliott Sadler, Martin Truex Jr und auch David Ragan in Führung, bevor Tony Stewart gefolgt von Kevin Harvick und Denny Hamlin die entscheidende Phase des Rennens durch den letzten Restart des Tages einläutete. Da weniger als 30 Runden zu fahren sein würden, waren auch die Benzinfenster alle geschlossen und die Plätze endgültig für den Schlusskampf bezogen.
Denny Hamlin nahm eine Menge Fahrt auf und überholte nacheinander Harvick und Stewart, um in Runde 178 die Führung zu übernehmen. Dabei schob die #29 sich gleich mit am bisherigen „leader“ vorbei. Nur elf Umläufe später und damit auch elf Runden vor dem Ende des Rennens gelang dann Kevin Harvick das entscheidende Überholmanöver, um sich den Sieg zu sichern. Denny Hamlin und Crew Chief Mike Ford begründeten diesen Verlust an Performance später mit Elektrik-Problemen, die der #11 schon länger in dieser Saison zu schaffen machten. Da Hamlin unter anderem auch die Kühlventilatoren für die Reifen abschalten musste, hatte er mit steigenden Temperaturen und schwindendem Grip zu kämpfen. Ob er das Rennen ohne diese Probleme allerdings gewonnen hätte, darüber sei man sich nicht so sicher – zu viele andere Baustellen gäbe es laut Mike Ford derzeit bei Joe Gibbs Racing.
Die derzeitige Kräfteverteilung sieht vier Teams an der Spitze mit Meisterschaftschancen
Das sind natürlich keine guten Vorzeichen für den Chase, in dem Hamlin derzeit gemeinsam mit Johnson den größten Vorsprung durch Bonuspunkte hätte. Ebenso wie bei Hendrick muss man bei Gibbs diese kleinen Fehlerteufel besiegen, um in den letzten und entscheidenden zehn Rennen voll auf der Höhe zu sein. Jimmie Johnson machte in den vergangenen vier Jahren vor, wie man eine Meisterschaft gewinnt, indem er und sein Team sich kaum bis keine Fehler leisteten. Derzeit funktioniert diese nötige Konstanz bei den drei Teams von Richard Childress Racing am besten und Kevin Harvick machte sich mit seinem dritten Saisonsieg gerade zum Mitfavoriten auf den Pokal. Dazu kommt noch, dass RCR nun bewiesen hat, auch auf nicht „restrictor plate“-Strecken gewinnen zu können. Da die Hälfte der Chase-Rennen auf Intermediate-Ovalen ausgetragen werden, ist es natürlich wichtig, hier besonders gut unterwegs zu sein.
Neben Hendrick, Gibbs und RCR muss man aber auch ein Auge auf die wiedererstarkten Fords von Roush-Fenway Racing werfen. Die zwei Einzelkämpfer im Chase sind dann vermutlich Penske Racing mit Kurt Busch und Tony Stewart im eigenen Team Stewart-Haas Racing. Außerhalb des Chase befinden sich stärkemäßig derzeit Earnhardt-Ganassi Racing und Michael Waltrip Racing, die in dieser Saison einzelne Achtungserfolge erzielen konnten und speziell EGR hätte mit etwas weniger Pech mindestens ein Auto in den Chase bringen können. Richard Petty Motorsports als letztes großes Vier-Wagen-Team erlebt nach vielen Veränderungen in den letzten Jahren eine wahre Horrorsaison, selbst Kasey Kahne kann derzeit nichts reißen. 2011 sieht das Ganze dann noch schlechter aus, weil man nach dem Abgang von Kahne, Sadler und Paul Menard derzeit nur AJ Allmendinger hat, um den das Team im nächsten Jahr aufgebaut werden soll.
Ob der Kalifornier für diese Führungsposition schon erfahren genug ist, wage ich zu bezweifeln. Er verfügt ohne Zweifel über eine Menge Talent und kann durchaus auch mal in den Top5 ankommen, aber diese Rolle kommt für ihn eindeutig zu früh. Am heutigen Dienstag stehen in NASCAR-USA einige große Ankündigungen an, dazu aber bei den News am Ende des Artikels mehr. Hier nur kurz die Anmerkung, dass RPM mit dem möglichen Zugang von Marcos Ambrose (vermutete Ankündigung heute) 2011 nur mehr als Zwei-Wagen-Team ähnlich wie EGR nach deren großen Zusammenbruch dasteht.
In der Meisterschaft sind die Chase-Plätze intern ordentlich durcheinander gewürfelt worden
Das komplette Rennergebnis kann bei Jayski.com eingesehen werden, die wichtigsten Platzierungen habe ich aber schon hier in der Analyse erwähnt, denke ich. In der Meisterschaft wurden eine Menge Plätze getauscht: Denny Hamlin und Tony Stewart konnten sich mit ihren Top3-Resultaten auf Rang drei und vier in der Meisterschaft vorschieben, wo sie hinter dem nun bereits fest qualifizierten Kevin Harvick und dem bisher sieglosen Jeff Gordon rangieren. Auch Carl Edwards ist vorgerückt und steht derzeit auf Platz 6 hinter dem unveränderten Jimmie Johnson. Federn lassen mussten Jeff Burton (von 3 auf 7), Kyle Busch (von 7 auf 8) und ganz besonders Kurt Busch nach seinem Motorschaden. Er fiel von Rang 4 auf den zehnten Platz zurück. Matt Kenseth verbesserte sich von der zehnten Stelle an die neunte und Greg Biffle ist weiterhin auf Rang 11 zu finden.
Um den letzten Chase-Rang streiten sich in den verbleibenden drei Rennen jetzt eigentlich nur noch Clint Bowyer und Mark Martin, die 35 Punkte auseinander liegen. Ryan Newman und Jamie McMurray sind mit mehr als 100 Zählern Rückstand vermutlich schon zu weit weg, um ohne größere Vorfälle in die „playoffs“ einzuziehen. Ebenso sicher ist die Chase-Teilnahme meiner Meinung nach für die derzeitigen Top11, die alle mehr als 193 Punkte Vorsprung auf Platz 13 haben. Die endgültige Entscheidung fällt zwar erst in Richmond, doch die begleitende Spannung dürfte in diesem Jahr eher mau ausfallen. An dieser Stelle noch der Link zur ausführlichen Statistik bei Jayski.com.
In der Owner-Wertung verfolgen die #26 von Bill Jenkins und die #38 von Front Row Motorsports weiterhin in größerem Abstand die Top35, deren Ende zurzeit die #71 von TRG Motorsports, die #34 und #37 von FRM und die #7 von Robby Gordon Motorsports in ziemlich geringem Abstand darstellen.
Wieder größere Umstrukturierungen bei Front Row / Die Bristol „entry list“ ist prall gefüllt
Bei Front Row ist Rookie Kevin Conway trotz früherer Dementis des Sponsors ExtenZe nun wirklich raus aus der #34, die in Bristol Travis Kvapil übernimmt. David Gilliland sitzt am nächsten Wochenende in der fest qualifizierten #37, während die #38 von Tony Raines pilotiert wird, der in Michigan schon Conway in der #34 ersetzte. Ich vermute, dass obwohl in Bristol „Long John Silver’s“ auf zwei Autos zu sehen ist, nur Travis Kvapil durchfahren wird. Das zusätzliche „Sponsoring“ kann mit der engen Zusammenarbeit zwischen „Yum! Brands“ und Front Row Motorsports begründet werden. Sollte ich Recht behalten, dann gibt das Team den aussichtslos außerhalb der Top35 platzierten Wagen zum „start & park“-Einsatz frei.
Conway sucht derweil nach einem neuen Cockpit, sein Sponsor soll ihm wohl nach wie vor treu sein. Genug andere unterfinanzierte Teams gibt es ja, doch wer will dem unerfahrenen Piloten eine Chance geben, der sich ohne garantiertes Startrecht für kaum ein Rennen qualifiziert hätte? Gerade beim nächsten Rennen in Bristol könnte das schwierig werden, denn derzeit befinden sich sage und schreibe 50 Autos auf der „entry list“.
Unter anderem dabei: Kevin Lepage in einem finanzierten Morgan-McClure Motorsports Wagen mit der legendären #4 – nach langer Zeit mal wieder. Dazu kommt noch Brads Bruder Brian Keselowski in der eigenen #92, die Mike Wallace schon in Daytona vergeblich versuchte zu qualifizieren. Auch Jeff Green im TriStar Motorsports Wagen mit der #35 ist wieder einmal dabei (ebenfalls zweiter Versuch). Die #07 von Robby Gordon Motorsports ist erneut gemeldet. Hier könnte ich mir vorstellen, dass Gordon so wie in Michigan versuchen wird, die #07 zu qualifizieren, während z.B. Kevin Conway die #7 fest qualifiziert mit Finanzierung durchfahren könnte. Gordon qualifiziert das nicht-Top35-Auto nach eigener Aussage lieber selbst, da er sich zurzeit keine weiteren Unfallwagen aufgrund des höheren Drucks in der Qualifikationsmühle leisten könne. Das Einzelzeitfahren in Bristol am Freitagabend ist also schon jetzt ein TV- bzw. Internet-Stream-Tipp des Wochenendes.
News
Update: Budweiser wird Kevin Harvicks #29 ab 2011 für drei Jahre in jeweils 20 Rennen + Budweiser Shootout und All-Star-Rennen sponsoren. Ein Bild des neuen Autos gibt es hier.
In NASCAR-USA stehen heute Abend gleich mehrere Pressekonferenzen an:
– Um 16 Uhr soll laut Gerüchten der Wechsel von Budweiser zu RCRs #29 und Kevin Harvick verkündet werden.
– Bei Richard Petty Motorsports wird um 19 Uhr mit der Ankündigung mindestens einer Fahrer-/Sponsor-Paarung für 2011 gerechnet. Wahrscheinlich ist der Wechsel von Marcos Ambrose in die #9 mit Geldern von Stanley Tools. AJ Allmendinger nimmt möglicherweise erneut in der #43 Platz und erhält sein Sponsoring von Best Buy, wenn der Vertrag mit dem Geldgeber denn verlängert wird.
– Der Texas Motor Speedway gibt seine Termine für 2011 bekannt, ein Nachtrennen ist wahrscheinlich.
– Am Mittwoch veröffentlicht NASCAR den Cup-Kalender für 2011, die neuesten Spekulationen und Tatsachen wurden ja immer fleißig von uns getwittert.
NASCAR hat nach dem Michigan-Rennen 16 Cup-Motoren konfisziert und wird diese für eigene Leistungstests nach Charlotte bringen, jedes Team ist von dieser Maßnahme betroffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alles gemäß dem Reglement abläuft. Außerdem werden somit größere Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Teams und Herstellern für die Offiziellen ersichtlich. Die Resultate werden vermutlich nicht veröffentlicht, NASCAR ist da ja bekanntlich immer sehr geheimniskrämerisch. Aber was so durchsickert, kann man ja nie wissen. Die Motoren von Earnhardt-Childress Technologies gelten in der Garage als die derzeit leistungsstärksten.