Dank einer grandiosen organisatorischen Leistung von IMSA und ACO werden am Sonntagabend Le Mans-Sportwagen beiderseits des Atlantiks gleichzeitig unterwegs sein.
Zunächst zur europäischen Le Mans-Serie. Die hat sich dieses Jahr einen Termin auf dem Hungaroring gesichert, einer Strecke, die aus der Formel 1 für ihre vielen Kurven und wenigen Geraden und die daraus resultierende Überholproblematik bekannt ist. Sportwagen sind da zwar etwas weniger empfindlich als die Monoposto-Königsklasse, dennoch dürfte das enge Layout das Rennen entscheidend beeinflussen, und zwar beim Überrunden. Für alle Fahrzeuge, zu Überrundende und Überrundende, wird das ein langer, anstrengender Abend, der viel Geduld erfordert. Zumal der Hungaroring ja auch nicht wenig anspruchsvoll ist.
Ja, richtig: Abend. Wie schon in der Algarve vor einigen Wochen fährt man wieder in die Dunkelheit hinein, Start wird um 18 Uhr sein, die Zieleinfahrt sollte entsprechend zwischen 21:30 und 22 Uhr anstehen. Eurosport wird auch leider wieder nur diese halbe Stunde übertragen.
Am Start sind 38 Fahrzeuge, Kruse-Schiller Motorsport hat heute abgesagt; offizielle Begründung: zwei der Stammfahrer sind nicht verfügbar. Es gibt allerdings die Vermutung, dass auch ein schwelender Rechtsstreit zwischen den beiden Teambesitzern mit den Absagen zusammenhängen könnte – die Print-MSa vermeldete bereits nach dem 24h-Rennen von Le Mans einen solchen Zwist.
Wieder dabei sind dafür die Mansells, allerdings werden nur die beiden Söhne ins Steuer des wieder aufgebauten Ginetta-Zytek greifen. Sportlich betrachtet könnte das ein Vorteil sein, denn allzu sehr hat sich Vater Nigel in diesem Jahr noch nicht mit Ruhm bekleckert. Zur Riege der absoluten Top-Piloten gehören aber auch seine Sprößlinge nicht, für den Kampf um den Klassensieg wird es wohl kaum reichen und auch ein Podium wäre bereits ein hochgestecktes Ziel. Davon spricht man aber auch gar nicht, sondern sieht das Ganze als Test für das Heimrennen in Silverstone, bei dem auch Nigel Mansell, der sich aktuell mit wohltätigen Radrundfahrten in Form bringt, wieder dabei sein wird.
Die Favoriten auf den Sieg sind ohne Zweifel wieder Lapierre, Panis und Sarrazin im Oreca-Peugeot 908. Gegen den Diesel dürfte kein anderes LMP1-Fahrzeug eine Chance haben, so der Wagen durchhält. Auf der kurvigen Bahn zählt zwar dessen Top Speed nicht so viel, aber das gewaltige Drehmoment hilft beim Herausbeschleunigen aus den zahlreichen Ecken.
So dürften die weiteren Benziner, namentlich der Signature-Aston Martin (Rague/Mailleux/Ickx) und die zwei Rebellion-Lolas (Jani/Prost und Belicchi/Boullion), wieder nur um Rang 2 kämpfen, auch wenn man nun einige Wochen Zeit hatte, die optimale Ausnutzung für die wenige Tage vor dem Algarve-Rennen erlaubte Restriktor-Vergrößerung zu erarbeiten. Dieser Benziner-Dreikampf verspricht aber durchaus Spannung.
Einigen Zuwachs gibt es in der LMP2-Klasse: Racing Box bringt wieder seine zwei Pirelli-bereiften Lola B08/80 an den Start (Perazzini/Cioci/Pirri und Geri/Babini/Leo), die beim letzten Lauf fehlten, ebenso ist das Race Performance-Team, nachgerückter 56. Starter in Le Mans, mit dabei (Frey/Buncombe, letzterer fuhr vor zwei Wochen noch ALMS).
Ein echter Neuzugang ist allerdings nur das RLR-Team, das bereits in verschiedenen nationalen und internationalen Serien Fahrzeuge einsetzte. Die drei Fahrer Barry Gates, Rob Garofall und Warren Hughes werden einen etwas veralteten MG Lola EX265 mit AER-Turbomotor aus ehemaligen Ray Mallock Ltd.-Beständen pilotieren. Gates und Garofall sind Meister der (allerdings schwach besetzten) Speed Endurance-Serien in ihrer europäischen respektive britischen Variante, Hughes hat bereits LMP2-Erfahrung mit besagtem RML-Team. Interessanterweise tritt RLR als einziges LMP2-Team mit Michelin-Reifen an, dennoch dürfte dieser erste Auftritt nicht viel mehr als eine (im besten Fall: lange) Testfahrt werden.
Favoriten sind wie auch in den letzten Rennen Strakka (Watts/Kane/Leventis), RML (Newton/Erdos/Collins), Quifel (Amaral/Pla) und OAK (Nicolet/Lahaye und Moreau/Hein). Die Meisterschaft führt momentan RML mit 55 Punkten vor den beiden OAK-Pescarolo an, da die Mallock-Mannschaft einfach konstanter Punkte einfährt als Strakka, die eigentlich schnellstes Team sind, aber zuletzt zwei „Nuller“ geschrieben haben (bzw. „Einser“, denn für die jeweils geholte Pole gibt es einen Punkt).
Während in der GT1 wieder die beiden überholten Saleen von Larbre und Atlas ihr Duell austragen, dürfte die GT2 wieder die spektakulärsten Kämpfe liefern. Das Team Felbermayr-Proton setzt dieses Mal sogar einen dritten Porsche mit den Fahrern Horst Felbermayr Sr., Horst Felbermayr Jr. Und Marco Seefried ein, ihr Top-Auto bleibt aber die #77 mit Richard Lietz und Marc Lieb, die mit zehn Punkten Vorsprung die Meisterschaft anführen.
Verfolgt werden sie vom AF Corse-Team mit der #95 und der Besatzung Fisichella/Vilander/Alesi, die zwar noch kein Rennen gewinnen konnten, aber konstant punkteten. Der in Portimao siegreiche #96-Ferrari wird dieses Mal nicht von Gianmaria Bruni und Jaime Melo pilotiert, da die in der zeitgleich fahrenden ALMS um den Titel kämpfen, sondern von den beiden Alvaros Barba und Parente, letzterer bekannt aus diversen Formel-Nachwuchsserien.
Der Sieg wird vermutlich zwischen diesen beiden Teams ausgemacht, aber auch die anderen Mannschaften sind für harte Kämpfe um die Plätze gut. Spannend wird auch sein, ob JMW Motorsport mit dem gelben Aston Martin V8 Vantage an den guten vierten Platz vom letzten Rennen anknüpfen kann und ob die CRS-Ferrari und der Imsa Performance Matmut-Porsche zu der Form der ersten Saisonrennen zurückfinden.
American Le Mans Series
Die wichtigste Neuigkeit in der ALMS betrifft das Cytosport-Team: Greg Pickett hat sich bei dem schweren Trainingsunfall in Mid-Ohio doch schwerer verletzt als zunächst angenommen und muss für den Rest der Saison aussetzen. Als der Porsche RS Spyder frontal in die Reifenstapel ein- und sich dabei überschlug, zog sich der 63-jährige zwei Rippenbrüche und eine Kompressionsfraktur eines Rückenwirbels zu.
Ersatz hat man aus Deutschland besorgt: zunächst kam ein neues Monocoque aus Zuffenhausen, nun hat man kürzlich als Ersatzfahrer für den Lauf in Road America Timo Bernhard bekannt gegeben, der in diesem Jahr die 24 Stunden von Le Mans für Audi gewann. Und nächste Woche im MoSport Park wird sein französischer Teamkollege Romain Dumas den Platz an der Seite von Klaus Graf einnehmen. Für das Petit Le Mans wurde noch keine Ankündigung gemacht; bisher hat Audi noch nicht bekannt gegeben, mit welchem Line-Up man die ILMC bestreiten will und somit ist (zumindest der Öffentlichkeit) noch unklar, ob die Porsche-Werksfahrer Bernhard und Dumas auch für diese Rennen von den Ingolstädtern ausgeliehen sind oder ob sie für einen Einsatz im RS Spyder frei sind.
Damit verfügt das Cytosport-Team aber mindestens für die nächsten beiden Läufe über enorm starke Fahrerpaarungen, die es allemal mit dem David Brabham und Simon Pagenaud im Highcroft-HPD aufnehmen können. Der Rückstand von 23 Punkten nach dem ausgelassenen Mid-Ohio-Lauf dürfte allerdings trotzdem kaum aufholbar sein, wenn nicht Ausfälle für das Highcroft-Team hinzukommen.
Mit Dyson Racing ist nach dem Sieg in Ohio auch wieder zu rechnen; für Drayson Racing holte Jonny Cocker dort überlegen die Pole, aber diese beiden Teams leiden meist unter Zuverlässigkeitsproblemen. Den LMP1-Autos von Drayson und auch von Intersport dürfte die Road America mit ihren endlosen Geraden aber besonders entgegenkommen, wenn sie denn einmal ihre Standfestigkeitsprobleme überwinden könnten.
Der Meisterschaftskampf in der GT(2)-Klasse ist jenseits wie deisseits des Atlantiks vom Duell zwischen Porsche und Ferrari geprägt. Bergmeister/Long im Flying Lizard-911 führen aktuell trotz schwachen Auftritts in Mid-Ohio mit acht Punkten vor Melo/Bruni, die durch den Ausfall in Lime Rock zurückgeworfen wurden, aber die anderen zwei der letzten drei Rennen gewonnen haben.
Nur drei Punkte dahinter, also durchaus auch noch mit Meisterschaftschancen, folgen Auberlen/Milner im besten BMW, elf Punkte dahinter das Schwesterauto mit Müller/Hand. Die beiden Pratt&Miller-Corvettes schwächeln punktemäßig, obwohl sie im Rennen üblicherweise mit der Konkurrenz mithalten können. Den zweiten Risi-Ferrari dürfen an diesem Wochenende Pierre Kaffer und Mika Salo übernehmen, Darren Law ist zurück an der Seite von Seth Neiman, nachdem beim vergangenen Rennen Patrick Pilet mit im zweiten Flying Lizard-Porsche saß.
Dieser „Achtkampf“ ist es auch, der das spektakuläre Bild der ALMS-Rennen bestimmt. Prinzipiell ist jedes der genannten Teams siegfähig, manchmal mischen auch noch die Extreme Speed-Ferrari und der Falken Tires-Porsche im Kampf um die Plätze mit. Letztes Jahr gab es an gleicher Stelle den ersten und bisher einzigen ALMS-Sieg für den BMW M3 GT2 – und das gleich im Doppel. Zwar waren die beiden durch eine Safety Car-Phase begünstigt worden, aber sie bereits das ganze Wochenende über stark gewesen. Wer anno 2010 auf der Road America gewinnt, ist beim besten Willen nicht vorhersagbar, eine Wiederholung des BMW-Erfolges ist keinesfalls ausgeschlossen.
In der LMPC-Klasse streiten sich weiterhin Level 5 (Tucker/Bouchut und Tucker/Wallace) und das Green Earth Team um die Meisterschaft und sind die Favoriten auf den Rennsieg, wobei Scott Tucker dank seines Doppelstarts im Vorteil ist. In der GTC haben Jeroen Bleekemolen und Timothy Pappas im Black Swan-Porsche nach drei Siegen in den letzten vier Rennen mittlerweile die Führung in der Fahrerwertung übernommen. Deren härtester Konkurrent, Henri Richard, muss das Road America-Rennen wegen geschäftlicher Verpflichtungen auslassen, sodass Andy Lally, der aber sechs Punkte weniger auf dem Konto hat als Richard, Duncan Ende als Teamkollegen bekommt, der sonst in der zweiten Grand-Am-Liga, der Continental Tire Series, unterwegs ist.
Die IMSA hat des Weiteren einige Balance of Performance-Änderungen vorgenommen, um diese beiden Challenge-Klassen besser ins Spektrum einzupassen: die LMP Challenge-Boliden bekommen 10mm größere Restriktoren, mutmaßlich damit sie einen deutlicheren Vorsprung gegenüber den GT-Fahrzeugen haben und diesen nicht im Weg stehen, außerdem werden einige Abstimmungsoptionen eröffnet. Die GTC-Porsche bekommen einen 65,5mm großen Restriktor eingebaut, nachdem sie zuvor ohne einen solchen fahren durften.
Das Rennen startet um kurz nach 20 Uhr deutscher Zeit, SpeedTV steigt allerdings in den USA erst eine Stunde später mit der Übertragung ins Live-Geschehen ein. Radio Le Mans bringt die Le Mans Series auf seinem Hauptkanal, die ALMS auf dem Sonderkanal „RSL Extra“. Bleibt zu hoffen, dass IMSA und ACO sich nächstes Jahr etwas besser absprechen, die insgesamt nur 15 Rennen (inkl. Le Mans) sollten sich eigentlich ohne Überschneidungen ansetzen lassen.
Das ALMS-Qualifying wird am Samstag ab 22:05 Uhr deutscher Zeit auf americanlemans.com/live gestreamt. Alles Weitere zur ALMS gibt es im Race Hub, das LMS-Timing findet sich auf deren Startseite. Eventuell wird es auch hier im Racingblog wieder einen Live Blog für die beiden Rennen geben, also einfach mal im Laufe des Sonntagabends vorbeischauen.
4 Kommentare
Zum Thema Timo Bernhard:
Timo ist Werksfahrer bei Porsche wo er unter Vertrag steht und wurde wie Romain Dumas an Audi ausgeliehen. Daher dürfte es für Audi schwierig sein diese Piloten einfach zu abzufordern.
Ja, ich weiß, dass die beiden Porsche-Werksfahrer sind, die Frage ist, wofür Audi sich die beiden geliehen hat. Vielleicht hat man sie ja auch für die ILMC „gebucht“, zu der ja das Petit Le Mans gehört.
Schließlich war nicht eingeplant, dass sie bei Cytosport einspringen müssten und als dritter Fahrer bei den Langstreckenrennen war ja dieses Jahr Sascha Maassen für dieses Team unterwegs.
Und bisher gab es jedenfalls noch keine Ankündigung fürs PLM seitens Cytosport und Audis Fahrerpaarungen für die zwei R15 in der ILMC sind auch noch nicht raus, oder? Korrigiere mich bitte jemand, wenn ich was übersehen hab.
Sorry, dann habe ich das falsch verstanden was du geschrieben hast. Sorry dafür.
In der Tat hab ich noch keine Nennungen, was ich aber weiß ist, dass Sascha Maassen ziemlich sicher als 3. Fahrer im RS Spyder geplant ist.
Zu den R15: Ich denke dass einer mit Kristensen, McNish und Dindo Capello besetzt sein wird. Der 2. Wagen vermutlich sicher mit Rockenfeller und vll. Fässler und Lotterer ? Es wäre auch möglich dass z.b Bernhard im RS Spyder fährt und Dumas im Audi oder umgekehrt.
Doppelstart schließe ich allerdings aus ;-)
Audi hätte ja auch noch Benoit Treluyer als Option.
Brauchst dich nicht entschuldigen, ich habs wohl einfach etwas unscharf ausgedrückt^^
Ich denke, die von dir genannten Kombinationen für Audi sind schon die plausibelsten, mal schauen, lang ists ja nicht mehr hin, für Silverstone in drei Wochen sollten sie ja das ILMC-Line Up bekanntgeben :-)
Update: John Dagys von SpeedTV twittert, dass Bernhard und Dumas wohl fürs PLM drei Optionen haben: Audi R15, Cytosport-Porsche RS Spyder und der Hybrid-Porsche 911. http://twitter.com/johndagys/status/21614194550
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