Denny Hamlin konnte sich am Wochenende mit dem Sieg in Richmond an die Spitze der gesetzten Chase-Wertung bringen und rangiert zum Beginn der Playoffs nun zehn Punkte vor Jimmie Johnson. Das Rennen selbst war mehr als zäh und sah lediglich drei Gelbphasen.
Auf der NASCAR-Homepage habe ich unter der Woche einen Artikel gelesen, dessen Überschrift implizierte, dass der Richmond-Rennsieger im Vergleich zum Chase-Qualifikations-Drama meist nur die zweite Geige spielen würde und schnell in Vergessenheit geriete. An diesem Wochenende traf das, trotz der eigentlich gelaufenen Playoff-Teilnahme-Entscheidung, sogar auf das zähe Rennen in Richmond zu. Außer drei Gelbphasen gab es eigentlich nur einen recht unspektakulären Kampf um den Rennsieg: Von den sechs Fahrern mit Führungsrunden hatten lediglich vier eine realistische Chance, am Ende ganz vorne zu stehen. Zusätzlich war in den Schlussrunden auch noch der zweitplatzierte Kyle Busch für einen Angriff auf Denny Hamlin zu haben, gab sich dann aber aus teamtaktischen Gründen mit der Silbermedaille zufrieden. 251 von 400 Runden in Front sprechen eine eindeutige Sprache bezüglich der Leistung der #11.
Carl Edwards‘ Pole Position war gut für eine Führung bis zur ersten Gelbphase in Runde 55, denn viele Chase-Fahrer hatten im Qualifying schlechtere Startpositionen erwischt. Kurz bevor David Reutimann ein Reifen platzte, war Jimmie Johnson an der Spitze angekommen und machte der #99 den Platz an der Sonne streitig. Weil Edwards aber den besseren „pit stall“ in der Boxengasse auswählen durfte, führte er das Feld wieder zurück zu grünen Flagge. Nach Einbruch der Dunkelheit, welche das Gripniveau auf der sich abkühlenden Strecke natürlich massiv verändern sollte, war es um den Ford-Piloten dann endgültig geschehen. Edwards verabschiedete sich in Runde 100 nach dem ersten Rennviertel für den Rest des Abends aus den Top5 und wurde am Ende als Zehnter abgewinkt.
Die Führung übernahm Clint Bowyer, der ebenfalls in der Spitzengruppe gestartet war und sich gemeinsam mit Edwards vom Rest des Feldes absetzte. Zehn Umläufe später war aber bereits der spätere Sieger Denny Hamlin zur Stelle, nachdem er sich mühsam von Platz 14 nach vorne gekämpft hatte. In Runde 145 ging dann der zweite Reifen hoch und löste die zweite von drei Gelbphasen in Richmond aus und ausgerechnet Terry Labonte war der Unglücksrabe. Am Vortag verpasste er die Qualifikation knapp, weil sein Bruder Bobby das „champion’s provisional“ benötigte. Terrys Zeit war leider minimal zu langsam und sein Ex-Champion-Startrecht vier Jahre zu alt. Im Anschluss kaufte sich das neue Team von Stavola Labonte Racing bei Prism Motorsports ein, wo Mike Bliss die #55 für das Rennen qualifizieren konnte. Der Reifenplatzer bescherte dem Altmeister dann leider ein vorzeitiges Rennende.
Nach dem Restart kam ein wenig Fahrt ins Rennen, als sich Hamlin nacheinander zunächst gegen Jimmie Johnson und dann gegen Clint Bowyer durchsetzen musste, welche ihm die Führung aus der Hand zu reißen versuchten. Gerade Bowyer fuhr bis zum Ende ein starkes Rennen und wollte die Chase-Qualifikation unbedingt aus eigener Kraft und mit einem Paukenschlag schaffen. Der sechste Platz besiegelte die Playoff-Teilnahme dann schließlich auch. Jimmie Johnson hielt nach diesem letzten Aufbäumen tapfer in der Spitzengruppe mit und beendete das Rennen als Dritter.
Die erste Rennhälfte war exakt zu dem Zeitpunkt beendet, als Hamlin sich die Führung ein letztes Mal von Clint Bowyer zurückholte. In Runde 200 begannen dann plötzlich auch Spekulationen bezüglich einer Regenfront, welche sich auf die Strecke zubewegte. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Rennen aber bereits offiziell beendet werden können, weil schon 50% der Renndistanz zurückgelegt waren. Somit hatte ich erstmal nicht wirklich Angst, wieder eine lange Nacht vor dem Bildschirm verbringen zu müssen. In Runde 226 setzte dann tatsächlich Regen ein, welcher aber zu kurz und zu schwach war, um das Rennen wirklich ernsthaft zu gefährden. Die dritte und letzte Caution wurde natürlich trotzdem ausgerufen, was die ABC/ESPN-Kommentatoren dazu verleitete, ein wenig zu spekulieren:
Die drei Reporter in der Kabine gingen davon aus, dass eventuell nur die bereits für den Chase qualifizierten Fahrer einen Boxenstopp während dieser Gelbphase unternehmen und die Piloten „on the bubble“ vielleicht in der Hoffnung auf einen Rennabbruch den Serviceaufenthalt auslassen würden. Da der Regen aber absolut nicht kritisch genug war, wurden Marty Reid, Andy Petree und Dale Jarrett eines besseren belehrt. Zunächst blieben Jeff Burton und Jamie McMurray draußen und setzten sich an die Spitze, später sahen sie ihre hoffnungslose Lage aber doch noch ein und holten den Boxenstopp nach.
Positiv fiel mir das Kommentatoren-Trio an diesem Abend aber bei der Berichterstattung über Mattias Ekström auf, der einen guten 31. Platz ins Ziel bringen konnte, nachdem er Dale Earnhardt Jr. überholte und kurzzeitig sogar auf Top30-Kurs unterwegs war. Eine Super-Leistung des Schweden, der sich bei seinem ersten Oval-Einsatz absolut schadlos hielt. Red Bull Racing plant sogar noch weitere Einsätze mit Ekström bei ausgewählten Rennen, sodass er sich dann das Cockpit der #83 vermutlich für den Rest des Jahres mit Reed Sorenson teilen wird. In der DTM stehen ja noch vier Rennen auf dem Programm, wovon drei mit NASCAR-Wochenenden kollidieren. Ausgeschlossen werden können also Einsätze in New Hampshire, Charlotte und Talladega, wobei ihm NASCAR vermutlich eh nicht so schnell eine Superspeedway-Freigabe erteilen wird – wahrscheinlicher sind dagegen Einsätze in Dover, Martinsville und Phoenix.
Noch kurz zurück zu ESPN: Beim Nationwide-Rennen am Freitag machte Rusty Wallace mal wieder mit einem ziemlich dicken Bock auf sich aufmerksam. Clint Bowyer erlitt nach einer Kollision einen sehr eindeutigen „tire rub“, dessen resultierende Rauchwolke Wallace mit verbranntem Öl zu erklären versuchte. Zwei Runden später ging Bowyers Reifen dann wie zu erwarten war tatsächlich hoch. Ich fand es völlig unverständlich, wie er das charakteristische Qualmen in den Turns nicht korrekt deuten konnte und auch nach der Wiederholung des Zusammenstoßes seine Meinung nicht sofort revidierte.
ESPN-Exkurs Ende…
In Runde 240 schwenkte NASCAR die grüne Flagge und damit begann der zähe Teil des Rennens, das nicht mehr durch weitere Gelbphase unterbrochen werden sollte. Hamlin gab in den verbleibenden 160 Umläufen nur noch einmal kurz seine Führung ab, als Juan Pablo Montoya für drei Runden das Feld anführen konnte. Der Kolumbianer war den gesamten Abend über in der Spitzengruppe unterwegs und kam bei den „green flag stops“ zwischen Runde 320 und 325 etwas früher an die Box, um den Vorteil der schnelleren, neuen Reifen auszunutzen. Da sein Wagen allerdings auf „short runs“ abgestimmt war, konnte er die Führung nicht halten. Mit Platz 7 holte er sich am Ende aber eine durchaus verdiente Platzierung und machte wieder einmal klar, wo er in der Meisterschaft stünde, wäre ihm während der Saison nicht soviel Pech wiederfahren.
Damit ist dann die zweite Rennhälfte in zwei Absätzen abgehakt, denn mehr passierte im Prinzip nicht. Kyle Busch versuchte 20 bis 30 Runden vor Schluss noch einmal, seinen Teamkollegen zu überholen, gab seine Anstrengungen dann aber zugunsten eines tollen Mannschaftsresultats auf. Eine weise Entscheidung des sonst so impulsiven Fahrers, die gerade zum Start des Chase fragen lässt, ob er so langsam die nötige Reife für eine Meisterschaft entwickelt hat. Oft stand ihm sein Ego in der Vergangenheit im Weg und das resultierte in einer Alles-oder-nicht-Fahrweise, die ihm wenige Sympathien einbrachte und ihn immer wieder massiv Punkte kostete. Noch vor ein bis zwei Jahren, so bin ich mir sicher, hätte Busch seinen Teamkollegen – ähnlich wie Dale Earnhardt Jr damals – mehr oder weniger sanft aus dem Weg geschoben.
Die von mir in der Vorschau benannten Top-Contender an diesem Wochenende belegten somit am Ende tatsächlich die Plätze 1,2 und 3: Denny Hamlin vor Kyle Busch und Jimmie Johnson. Diese drei Fahrer sind meiner Meinung nach gemeinsam mit Jeff Gordon und Kevin Harvick auch die größten Favoriten für den Chase. Eine ausführlichere Playoff-Vorschau folgt noch vor dem Rennen in New Hampshire an dieser Stelle.
Die Top5 komplettierten Joey Logano und Marcos Ambrose, was zum einen bedeutet, dass Joe Gibbs Racing fast ein Dreifacherfolg gelang wie einst Richard Childress Racing in Bristol. Zum anderen landete mein „dark horse“ Ambrose einen echten Wurf, der zeigt, wie weit er im NASCAR-Lernprozess schon ist. Im kommenden Jahr kann er bei Richard Petty Motorsports hoffentlich noch viel mehr erreichen, denn ich schätze das neue Team etwas stärker ein als sein jetziges. Clint Bowyer, Juan Pablo Montoya, AJ Allmendinger, Kevin Harvick und Carl Edwards lauten die Ränge 6-10, vor allem für Allmendinger wieder ein Top-Resultat. Harvick bestätigte in Richmond seine unglaubliche Konstanz, welche ihn an die Spitze der Meisterschaftstabelle brachte. Seine Führung ist er nun aber an Denny Hamlin los, der 2010 drei Rennen mehr gewinnen konnte und folglich zu Chase-Beginn höher gesetzt wurde.
In den Top20 tummelten sich bekannte Gesichter, eigentlich gab es sonst kaum Überraschungen, nahezu alle Fahrer hatten ein unauffälliges Rennen. Schlecht abgeschnitten haben Kasey Kahne (29.), Greg Biffle (32.) und Dale Earnhardt Jr (34.). Allen drei Fahrern gelang es nicht, in Kooperation mit ihrem jeweiligen Crew Chief eine gute Abstimmung für die wechselnden Bedingungen zu finden. Biffle qualifizierte sich immerhin für den Chase, weil er nicht Letzter wurde und auch Clint Bowyer ist ab New Hampshire mit dabei. Passen mussten dagegen Ryan Newman, Jamie McMurray und Mark Martin, was für alle drei Fahrer ziemlich enttäuschend sein dürfte.
Newman war im letzten Jahr ebenso wie Martin, Montoya und Kahne im Chase und McMurray hätte die Qualifikation sicher gerne gepackt, zumal er ja 2010 auch zwei Rennen gewinnen konnte. In Talladega hat er aber noch einmal die Chance, ganz groß aufzutrumpfen, denn zum einen ist er der amtierende Daytona-500-Champion und zum anderen der Vorjahressieger des Talladega-Chase-Rennens. Da darf man noch gespannt sein auf das viertletzte Datum des Jahres. In diesem Artikel gibt es wie angemerkt nur eine generelle Übersicht zur Chase-Setzliste, die ausführliche Vorschau folgt.
In der Owner-Wertung konnten Jeff Green (#26 für Bill Jenkins) und Travis Kvapil (#38 für Front Row Motorsports) den Abstand auf Kevin Conway (#7 für Robby Gordon Motorsports) weiter verkürzen, weil der Rookie wieder ein Rennen nicht beenden konnte. Es wäre interessant, da mal näheres zu den Vorgängen bei RGM zu erfahren. Das Sponsorengeld wird sicherlich da sein, also bleiben nur noch echte Defekte am Auto oder „Handling-Probleme“ à la Milka Duno übrig. Meine Einschätzung bleibt bestehen und ich kann bei dem Trend sogar schon abschätzen, dass die #7 nach ungefähr der Hälfte des Chase (+/- 1 Rennen) aus den Top35 verschwunden sein wird.
Am kommenden Wochenende beginnt wie erwähnt der Chase in New Hampshire und außerdem ist die Zeit der Nachtrennen vorerst wieder vorbei. Die nächsten drei Meisterschaftsläufe starten um ca. 19:15 Uhr, das nachfolgende Rennen in Fontana um ca. 21:15 Uhr, bevor das letzte Nachtrennen der Saison in Charlotte ansteht.
1 Kommentare
Diesmal hatte Dale Jr. 6 Runden Rückstand. Warum gab es dann diesmal keine Debris Caution extra für Jr. ? Vielleicht weil die beim letzen Mal auch nicht wegen Jr. war ?
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