Dario Franchitti hat es noch einmal geschafft. Nach einer zunächst starken und am Ende taktisch klugen Fahrt ist der Schotte zum dritten Mal Indycar-Meister.
Und das hat er nicht nur seiner eigenen Leistung zu verdanken, sondern auch Will Powers Unerfahrenheit. Das ganze Wochenende lang hätte der Unterschied zwischen den beiden kaum größer sein können: Franchitti war cool, konzentriert, zielstrebig – und schnell. Will Power wirkte angespannt und verkrampft. Oder wie die Versus-Kommentatoren so richtig festgestellt haben: Es schien fast so, als hätte nicht Power zwölf Punkte Vorsprung, sondern Franchitti. Und so kam es dann auch im Rennen wie es schon fast kommen musste: Power haderte mit dem Auto, suchte nach Speed, und beschädigte sich den Wagen schließlich an der Mauer. Franchitti fuhr lange an der Spitze, und tat am Ende nur noch genau das, was er tun musste, um Meister zu werden.
Dass die Luft aus der Entscheidung draußen war tat dem Rennen sichtlich gut. Denn ganz und gar ungewohnt für IRL-Läufe in Homestead gab es an der Spitze massenhaft spannende Duelle. Am Ende durfte Scott Dixon dann zwar doch recht klar gewinnen, aber der Kampf, den sich dahinter Danica Patrick und Tony Kanaan lieferten war mehr als sehenswert.
Überhaupt war es aufällig, wie flott Andretti Autosport unterwegs war. Im Quali war die Truppe noch im Zeittabellen-Nirvana unterwegs – und im Rennen kämpften Danica Patrick und Tony Kanaan plötzlich um ein Haar um den Sieg mit. Nicht zu vergessen sind auch die zehn Führungsrunden von Marco Andretti – hätte seine Strategie funktioniert, wäre auch er ein Siegkandidat gewesen.
Auch Dan Wheldon und Vitor Meira haben einmal mehr ihren Wert unterstrichen. Vor allem Wheldon könnte für das kommende Jahr trotzdem ein neues Cockpit suchen müssen: Wie kurz vor dem Rennen bekannt wurde, ist wohl seit 18. August ein Gerichtsverfahren zwischen ihm und seinem Panther Team anhängig. Der Gegenstand des Verfahrens ist unbekannt – in Homestead wollte sich, wie bei laufenden Verfahren üblich, keiner dazu äußern. Beide Seiten haben allerdings beteuert, dass sie sich trotzdem durchaus vorstellen können, ihre Partnerschaft zu verlängern.
Eine recht ansprechende, wenn auch nicht spektakuläre Leitung zeigte mal wieder Alex Lloyd, der sich in Homestead den „Rookie“-Titel holte. Über den Erwartungen fuhr Sebstian Saavedra, der in seinem erst zweiten IRL-Rennen mit einer Runde Rückstand direkt hinter Teamkollege Baguette auf Rang 16 landete, und auch sonst nicht unangenehm aufgefallen ist.
Kein gutes Wochenende gab es zum Saisonabschluss dafür für KV Racing: Diesmal landete zwar keiner der der drei Bruchpiloten in der Mauer, aber mit den Rängen 18 und 19 für EJ Viso und Takuma Sato sowie einem technischen Ausfall von Mario Moraes wird das Team sicher nicht zufrieden sein.
Ein Lob zum Saisonschluss hat sich dagegen Versus verdient: Es mag zwar kaum jemand zugesehen haben, aber die Übetragungen, vor allem in der zweiten Saisonhälfte, waren durchaus ansprechend. Im direkten Vergleich mit dem großen Network ABC (bzw. ESPN, die für ABC produzieren) muss man dem kleinen Kabelsender zu seiner Leistung gratulieren. Von der Spannung, die in der Vorberichterstattung aus Miami rübergekommen ist, könnten sich auch manche deutsche Sender eine Scheibe abschneiden – wenn auch bitte nicht die, in der Danica Patrick Randy Bernard interviewt.
Saisonbilanz – Teams und Piloten
Ganassi
In Punkto Organisation muss man sich die IRL-Krone wohl allenfalls mit Penske teilen. Allerdings hat die Ganassi-Truppe in diesem Jahr weniger Eigenfehler produziert – für mich sind sie daher das Team des Jahres. Mit Dario Franchitti und Scott Dixon hat man außerdem zwei Fahrer, die in fast jedem Rennen um den Sieg mitkämpfen können. Und wenn es dafür mal nicht reicht, dann werden fleißig Punkte gesammelt. Es sieht alles danach als, als würde die Fahrerpaarung auch im kommenden Jahr weiterbestehen. Dixon hat sich nach dem Rennen bereits dahingehend geäußert. Franchitti verhandelt seinen Vertrag zwar traditionell jedes Jahr neu – ich glaube aber kaum, dass eine der beiden Seiten das Verhätnis beenden möchte. Sollten Graham Rahals neugefundene Sponsorgelder im kommenden Jahr für ein drittes Ganassi-Auto reichen, wäre das sich für beide Seiten von Vorteil.
Penske
Über die Qualität des Teams muss man wohl auch hier nicht viele Worte verlieren. Ein paar Fahler hat man heuer allerdings doch gemacht – und die waren konstspielig. Roger Penske wird sicher bereits eifrig daran arbeiten, dass sich das nicht wiederholt. Ob das auch die Piloten betrifft, ist noch unklar. Helio Castroneves ist wohl gesetzt, Will Power hat in Homestead ebenfalls bekannt gegeben, dass er kommendes Jahr in einem Penske-Wagen sitzen wird. Weniger beeindruckend war trotz Texas-Sieg die Saison des Ryan Briscoe – sollte Penske 2011 die Finanzen für ein drittes Auto finden (was derzeit noch nicht sicher ist), ist der Australier aber wohl dennoch der heißeste Kandidat für den Platz.
Andretti Autosport
Ein Jahr mit vielen Hochs und Tiefs: Ryan Hunter-Reays Rundkurs-Vorstellungen zu Beginn der Saison stechen positiv heraus; Auch ein paar Leistungen auf den Ovalen waren gut – nicht zu vergessen Tony Kanaans Sieg in Iowa. Und trotzdem: Wenn man in Zukunft vorne mitfahren will, muss man noch einiges an Quali-Speed finden, darüber hinaus fehlt die Konsistenz.
Die Besetzung für 2011 ist auch hier noch nicht ganz klar. Mit Tony Kanaan würde man gerne weitermachen, der Vertrag mir 7/11 ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern. (Edit – 04.10., 18:09: 7-Eleven beendet wohl die Zusammenarbeit, Kanaan ist damit wohl nicht länger bei Andretti Autosport) Danica Patrick hat formell einen Vertrag, der wohl zumindest die kommende Saison noch abdeckt – man sagt ihr aber nach, dass sie gerne schneller aus der IRL aussteigen möchte. Marco Andretti ist wohl gesetzt – wie das Beispiel Graham Rahal zeigt, kann aber manchmal auch Papa nichts mehr machen, wenn die Sponsoren fehlen. Und ob IZOD Ryan Hunter-Reay eine weitere Saison finanziert, steht wohl in den Sternen. Die Konkurrenz ist jedenfalls groß, denn Adam Carrol hat das Team bei seinen beiden Einsätzen in Watkins Glen und Mid-Ohio durchaus beeindruckt.
KV Racing
Zumindest in der ersten Saisonhälfte hatte man sich als vierte Kraft etabliert, zum Ende lief es dann aber nicht mehr so gut. Das mag auch an Finanzproblemen liegen – insgesamt 26 Mal haben die drei Piloten in gemeinsam 51 Rennen Schrott produziert.Das geht ins Geld – und da könnte man bei KV durchaus beschlossen haben (müssen), keine Ressourcen mehr in den letzten Rennen in die Autos zu stecken. Lotus (das Team, das nicht in der F1 unterwegs ist) hat kürzlich bekannt gegeben, dass man im kommenden Jahr „zumindest“ zwei Autos einsetzen möchte. Einer der Piloten dürfte dann wohl wieder Sato sein, dessen Wichtigkeit für den asiatischen Markt die Verantwortlichen erst jüngst wieder betont haben.
Dreyer & Reinbold Racing
Bis zu Mike Conways Unfall war man flott unterwegs, vor allem zu Beginn der Saison lief es erstaunlich gut. Justin Wilson konnte auf den Rundkursen ein paar Highlights setzen, Conway schien in Kansas und Indy in Form. Danach war die Luft draußen: In den Medien war man eher wegen der häufigen Fahrerwechsel – und nicht etwa wegen der tollen Leistungen. Die Fahrer für 2011 sind noch unbekannt, werden aber wohl – wie auch in diesem Jahr – Sponsoren mitbringen müssen.
Dale Coyne Racing
Das Team nagt weiter am Hungertuch. So unbeliebt in der IRL die Idee ist, Milko Duno das ganze Jahr fahren zu lassen, und damit Alex Lloyd die Saison zu finanzieren: Der „Rookie of the Year“-Titel gibt dem Team Recht, und ist für Team und Fahrer eine tolle Belohnung. Diversen Äußerungen der Indycar-Verantwortlichen nach zu Urteilen ist der Gedulsfaden mit Duno aber nur noch sehr dünn – 2011 wird man folglich darauf verzichten müssen, sie nochmal einzusetzen. Die Zukunft des Teams steht damit leider auf der Kippe.
Zu den anderen Teams fällt mit wenig ein, zu ein paar gibt es aber gleich unten noch ein paar Zeilen.
Die Highlights 2010
Rookie des Jahres
ist formell natürlich Alex Lloyd. Aber so sehr ich ihm und dem Team von Dale Coyne diese Ehre gönne – zumindest in Punkto Medienaufmerksamkeit ist jemand anderer die wahre Trägerin dieses Titels: Simona de Silvestro hat sich mit ein paar tollen Leistungen im sicher nicht gerade überlegenen HVM-Wagen glänzend in die IRL eingeführt. Im kommenden Jahr muss sie allerdings konstanter werden, und auch auf den Ovalen etwas mehr Leistung (und weniger heftige Crashes) zeigen. Zu hoffen bleibt, dass es ein nächstes Jahr gibt: Denn trotz Stargate Worlds-Sponsorgeldern steht HVM wohl vor dem finanziellen Abgrund. Vor Homestead war man in den Medien, weil der Vermieter wohl die Schlösser der Teamwerkstatt ausgetauscht hat – ein „Missverständnis“, wie das Team versichert. Die Indizien sind allerdings unschön. Nach de Silvestros Unfällen in Texas und Kentucky fehlte wohl sogar das Geld für einen komplett neuen Wagen. Folge: Die Schweizerin musste in Motegi und Homestead mit einem offenbar unterlegenen Auto an den Start gehen, das angeblich sogar Haarrisse aufwies.
Rennen des Jahres
Schlechte Organisation und spiegelglatter Beton hin oder her: Das Rennen des Jahres war für mich Sao Paulo. So eng in Texas, Chicago, Kentucky oder Homestead auch gefahren worden sein mag – in Punkto Fans, Spektakel und schierer Begeisterung kommt wohl keine Veranstltung an die Saisoneröffnung heran. Man denke nur an die Onboard-Bilder, auf denen deutlich zu sehen war, wie die Aufhängungen auf der langen Geraden mit den massiven Bodenwellen arbeiten mussten – das ist einfach pures Racing. Für 2011 muss man trotzdem die Sicherheit massiv verbessern. Von einem Abschied in Brasilien ist trotzdem nicht auszugehen – angeblich war das Gestspiel im Süden das lukrativste Rennen der Saison.
Freunde des Jahres
Kaum eine Mannschaft legt soviel Wert auf Teamwork wie Andretti Autosport. Umso erstaunlicher, wie sich die beiden Stars in der ersten Saisonhälfte gegenseitig über die Medien mitteilten, wie man wohl richtig mit den Fans umgehen sollte. Auch die Duelle der beiden in Indianapolis und Texas, als man sich zweimal fast ins Auto fuhr, sprachen nicht grade für ein gutes teaminternes Klima. Ob mittlerweile wieder alles gut ist? Ich habe Tony Kanaan jedenfalls noch selten so passiv-aggressiv fahren sehen, wie in den letzten Runden in Homestead.
Kind des Jahres
PR-Fehler des Jahres
ist zweifellos die Bestrafung von Helio Castroneves beim Rennen von Edmonton. Fahrer und Offizielle waren sich nach dem Lauf zwar einig, dass die Rennleitung relekonform gehandelt hat. Fernsehzuschauer werden dank der eindeutigen Kommentare auf Versus aber wohl sicher zu einem anderen Schluss gekommen sein.
Aber ob wirklich alles schlechte PR war? Die Szenen mit Helio nach dem Rennen haben sich jedenfalls auch über die normale IRL-Zuseherkreis hinaus im TV verbreitet.
Szene des Jahres
Bei dem Herren, den Helio am Kragen gepackt hat handelt es sich übrigens um IRL-Sicherheitschef Charles Burns. Offenbar, wie Helio, kein nachtragender Mensch. Wie die Szene des Jahres beweist.
Überraschung des Jahres
ist für mich das frankokanadische FAZZT-Team. Sicher, so richtig toll lief es nur zu Beginn der Saison. Aber für ein neues Team, das mit alten Material von Marty Roth zurecht kommen muss kann sich Alex Taglianis 13. Gesamtrang (samt drittem Platz und den meisten Führungsrunden in Mid-Ohio) trotzdem mehr als nur sehen lassen.
Command des Jahres
ist ganz klar der hier!
Schande des Jahres
Kaum ein anderer Sport würde es sich erlauben, zwei Publikumslieblinge, die noch dazu gerne teilnehmen würden nur sporadisch einzusetzen. Die IRL macht es trozdem: Natürlich ist es billig, der Serie die Schuld für das mangelde Sponsorinteresse an Paul Tracy und Graham Rahal zu geben. Für die „Schande des Jahres“ reicht der Sachverhalt aber allemal. Zumindest Rahal winkt aber wohl ein Happy End: Er hat mit Service Central einen potenten Geldgeber gefunden, der ihm die kommende Saison finanzieren will. Zu welchem Team die Reise geht, ist aber noch unklar. Sollte es am Ende wirklich Ganassi werden, wäre das nicht nur für Rahal, sondern auch für die IRL eine feine Sache.
Kostenpunkt des Jahres
waren ganz klar die KV-Piloten. Insgesamt 26 mal haben Takuma Sato, EJ Viso und Mario Moraes in dieser Saison Kleinholz produziert – das entspricht einer Verschrottungsrate von 50,98%. Im Internet kursiert derweil eine Kompilation aller KV-Crashes aus diesem Jahr – ein Video von beachtlicher Länge. Kevin Kalhoven und Jimmy Vasser dürften allerdings trotzdem nicht so richtig darüber gelacht haben.
Ach ja, sofern jemand vergleichen will: Hier ist unsere Saisonvorschau für 2010…
3 Kommentare
Dieses Rennen war Werbung für die Serie. So sollte ein Oval-Rennen aussehen.
ich hab gerade die highlights gesehen vom rennen. durchaus wieder ein duftes oval rennen :)
aber ich musste mich erschrecken als ich die zuschauerränge gesehen habe.
Schade nur das sich TK nicht auch gegen Franchitti so gewährt hat wie gegen Danica Patrick.
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