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Formel Eins: Analyse Japan GP 2010

von DonDahlmann
12 Kommentare

Wie erwartet waren die Red Bull eine Klasse für sich. Ferrari betrieb Schadensbegrenzung und für McLaren lief es überhaupt nicht gut.

Nachdem das 3. Freie Training und die Quali am Samstag dem Regen zum Opfer gefallen war, drängelten sich alle Entscheidungen auf den Sonntag. Am Morgen war die Strecke noch richtig nass, aber viel Sonne und ein wenig Wind sorgten dafür, dass der Kurs rechtzeitig trocken wurde. Damit war dann auch klar, dass die Red Bull ihren Vorteil leicht umsetzen konnten, doch wie sah die Hackordnung dahinter aus? Erstaunlicherweise war es nicht McLaren, die die ersten Verfolger waren, sondern Alonso im Ferrari und, etwas überraschend, Robert Kubica im Renault. Doch die Franzosen sollten einen rabenschwarzen Nachmittag haben, während es für Red Bull richtig gut lief. Mann des Rennens war aber Kamui Kobayashi, der mal wieder zeigte, dass er schleunigst in ein Top-Team gehört. (Und Bilder vom Schiffbauwettbewerb am Samstag gibt es auch)


Der Start war mehr als turbulent. Rosberg kam nicht vom Fleck, weswegen sich hinter ihm alles staute und der Platz eng wurde. Petrov, der mal wieder gut los gekommen war, rasierte durchs Feld, war aber etwas optimistisch, als er sich vor Hülkenberg setzen wollte. Er rammte ihn, flog aber selber in die Leitplanke. Für beide war das Rennen damit aus, und Petrov, der in Korea 5 Startplätze nach hinter versetzt wird, dürfte sich damit auch keinen Gefallen getan haben, was die Saison 2011 angeht. Denn ausgerechnet Hülkenberg könnte der Mann sein, der ihm sein Cockpit abnimmt. Sollte Pastor Maldonado mit seinen Sponsoren beim finanziell klammen Williams-Team andocken, steht der Deutsche auf der Strasse, doch sein Talent und die guten Quali-Ergebnisse dürfte auch bei Renault aufgefallen sein. Die Franzosen würden in diesem Jahr in der Konstrukteursmeisterschaft, wo jeder Punkt bares Geld ist, besser stehen, hätte Petrov seine Quali-Schwäche in den Griff bekommen.

Doch mit dem Petrov-Crash war das Chaos am Start noch nicht vorbei. Denn Felippe Massa, der das ganze Wochenende schlecht drauf war und es nicht mal in Q3 geschafft hatte, unternahm auch so eine Kamikaze-Aktion in Turn 1, als er versuchte ganz innen noch ein paar Wagen zu überholen. Das konnte nicht gut gehen, also rodelte er über den Curb, danach über die Wiese und schoss quer durchs Feld, wo er den unglücklichen Liuzzi aufspießte.

An der Spitze hatte sich beim Start Robert Kubica zwischen beide Red Bull geschoben, was bei der Mannschaft von Webber sicher für Kopfschmerzen sorgte, denn es war klar, dass der Pole den Speed von Vettel nicht würde gehen können. Das Problem mit dem Renault erledigt sich aber schon während der SC-Phase, als Kubica plötzlich langsamer wurde und schliesslich stand. Unfassbar – er hatte den rechten Hinterreifen verloren. Offenbar hatte sich die Radmutter gelöst. Was für ein Glück, dass im das nicht in der 130R bei Vollgas passiert ist.

Nachdem Restart wurde es vorne eher langweilig. Vettel kontrollierte das Rennen, presste den Red Bull nicht voll aus und hielt Webber auf einem zwei Sekunden Abstand. Dahinter hatte sich es sich Alonso bequem gemacht, der mit den weichen Reifen nicht in der Lage war, den Red Bull zu folgen. Danach folgten beide McLaren. Hamilton hatte sich beim Start auf Platz 5 gehangelt, war aber mit weichen Reifen unterwegs. Button hatte hartes Gummi aufgezogen und die Idee war, dass man ihn möglichst lange draussen lassen wollte. Das Problem war nur, dass die Strecke wegen des Regens allen Gummi verloren hatte und man mit den weichen Reifen, und später mit frischen Harten, einfach schneller war, als der Weltmeister mit seinen abgelutschten Bridgestone. Folglich konnte er nicht, wie vermutlich geplant, Alonso abfangen, sondern fiel nach seinem Stopp sogar hinter Hamilton zurück. Der hatte aber ein paar Runden später mit einem Getriebeproblem zu kämpfen und verlor seinen dritten Gang. Ärgerlich, denn es handelte sich um ein brandneues Getriebe. Wenn das erneut gewechselt werden muss, verliert er in Korea gleich wieder 5 Startplätze. Immerhin schleppte er den waidwunden McLaren noch auf Platz 5.

„Best of the rest“ war nach dem Ausfall von Kubica überraschenderweise Mercedes. Die hatte man eigentlich auf der sehr anspruchsvollen Strecke schlechter eingeschätzt und selbst Schumacher meinte noch am Donnerstag, dass man vermutlich kein gutes Wochenende haben würde. Doch sowohl in der Quali, als auch im Rennen sah die Sache anders aus. Rosberg hatte sich nach seinem schlechten Start früh frische Reifen geholt und sich nach vorne gearbeitet, so dass er es sogar schaffte Schumacher nach dessen Stopp hinter sich zu lassen. Es entwickelte sich dann ein sehr fairer und spannender Kampf zwischen beiden, die sich nichts schenkten. Schumacher versuchte immer wieder an Rosberg vorbei zu kommen, doch es reichte einfach nicht. Er war zwar offensichtlich schneller, denn er konnte sogar in den Esses dran bleiben, aber es half ihm nicht. Das Team griff in den Kampf auch nicht ein, außer dass man die Fahrer ermahnte, den Kampf sauber zu führen. Schlussendlich flog Rosberg in den Esses plötzlich ab, als auch ihm ein Hinterrad abhanden kam. Im nachhinein kann man die Frage stellen, ob man Schumacher nicht hätte früher an Rosberg vorbei manövrieren sollen, denn dann hätte man vielleicht auch noch Hamilton abfangen können. Aber ob nun Platz 5 oder 6 ist dann vermutlich auch egal und so haben die Fans einen schönen Zweikampf erlebt.

Überhaupt ging es weiter hinten richtig zur Sache und Protagonist der erstaunlichsten Überholmanöver war Kamui Kobayashi, der mal wieder eines seiner Kamikaze-Rennen hatte. Von weit hinten gestartet wühlte er sich durchs Feld und hatte in der Haarnadel seine Lieblings-Überholstelle gefunden. Besonders hatte er es auf die Konkurrenz von Toro Rosso abgesehen, die er mehrfach düpierte. Aussen, innen, auf dem Gras – es gab keine Stelle, an der er nicht beiden Piloten vorbeizog. Richtig drehte er auf, als er nach seinem späten Boxenstopp auf Platz 13 wieder auf die Bahn kam und zu einer selten gesehen Aufholjagd ansetze. Er schnappte sich beide Toro Rosso, Sutil wurde er los, weil der mit einem geplatzten Motor ausschied, Barrichello ließ er in der Haarnadel wie einen Anfänger aussehen, Heidfeld ließ ihn gleich freiwillig durch und wäre das Rennen weiter gegangen, hätte er sich zumindest noch in den Windschatten von Schumacher gesetzt. Am Ende wurde es ein 7. Platz und die japanischen Fans gingen vermutlich sehr glücklich nach Hause. Kobayashi ist in Sachen Überholen wirklich ein Riese. Wenn er noch seine Formschwankungen in den Griff bekommt, dürften die Top-Teams schnell an ihm interessiert sein. Wäre doch spannend zu sehen, was er statt Massa in einem Ferrari anstellen würde.

Das Rennen hatte also dank des Mittelfelds eine gewisse Würze, während sich vorne nur wenig tat. Vettel war, wie schon in Singapur, besser als Webber und so langsam muss sich der Australier etwas einfallen lassen. Nur Platz 2 bei noch drei Rennen ist einfach zu wenig, um Weltmeister zu werden, ein Sieg muss mindestens noch her. Das wird aber nicht leicht, denn abgesehen von Korea, wo niemand weiß, was passieren wird, sind Brasilien und Abu Dhabi durchaus Strecken, die dem Ferrari liegen sollten. In Sachen WM hätte Red Bull vielleicht überlegen können, Vettel zurück zu pfeifen, denn dann würde der Abstand zwischen Webber und Alonso nicht 14 sondern 24 Punkte betragen. Aber so ein fair herausgefahrener Titel ist natürlich auch etwas anderes.

Die WM ist damit noch enger geworden, nur für McLaren scheint der Zug endgültig abgefahren zu sein. Hamilton fehlen bei noch 3 Rennen 28 Punkte, Button 31. Das scheint bei dem engen Kampf und der nicht gerade bestechenden Form von McLaren keine einfache Sache zu sein. In der Konstrukteurs WM hat sich Red Bull ebenfalls abgesetzt, man führt nun mit 45 Punkten vor McLaren. Das ist wohl nur aufholbar, wenn beide Red Bull mal ausfallen und McLaren davon voll profitieren kann.

Damit sind es also im Moment Alonso, Vettel und Webber, die Weltmeister werden können. Alle drei haben für die letzten Rennen keinen neuen Motor mehr zur Verfügung, wobei Alonso das Handicap schon seit Singapur hat. Die Spannung ist jedenfalls kaum zu steigern.

Kurz vermeldet

– Barrichello fuhr ein unauffälliges und eher ruhiges Rennen. Er kam wohl nur einmal ins Schwitzen, als Kobayashi an ihm vorbei flog

– Nick Heidfeld fuhr ebenfalls nicht weiter auf, kam aber in die Punkte.

– di Grassi zerlegte seinen Virgin schon in der Aufwärmrunde (!)

– Kovalainen kam wegen der vielen Ausfälle auf den zwölften Platz und erreicht damit das beste Saisonergebnis des Jahres. Wenn Virgin nicht einen 11.Platz oder einen Punkt erreicht, wird Richard Branson wohl die Wette gegen Tony Fernandes verlieren und als Stewardess bei einem Air Asia Flug arbeiten dürfen.

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12 Kommentare

janw 11 Oktober, 2010 - 09:28

Klasse Artikel!

Übrigens: Glaubt man dem, was man erhält wenn man diesen Post hier eingibt: http://www.faz.net/f30/aktuell/WriteLike.aspx schreibst Du wie Charlotte Roche =)

Ralf G. 11 Oktober, 2010 - 10:05

Kobayashi ganz klar der Mann des Rennens. Wie das Messer durch die Butter, und das mit einem Sauber, tolle Leistung.

Webber wird übrigens Weltmeister. ;)

Lubert 11 Oktober, 2010 - 10:56

Seitennotiz: ich fands irgendwie niedlich, dass Schumacher nach dem Rennen zaghaft den Barichello gemacht hat und sich drüber beklagte, dass Rosberg oft das bessere Auto bekommt :-).

Ich 11 Oktober, 2010 - 13:25

Das hat er so nicht gesagt. Aber es ist doch erstaunlich, dass Schumacher manchmal so schlecht unterwegs ist, und manchmal so gut mithalten kann. Für mich sagt das ganz klar aus: Am Alter oder an der Fitness liegt es nicht. Woran dann? Das ist die Frage.

Klar zu sehen war übrigens auch wieder, dass Mercedes momentan voll auf Rosberg setzt. Man hätte Schumacher mit einer anderen Strategie problemlos vor Rosberg halten können, und Sauber hat ja vorgemacht, dass es durchaus Sinn macht, den deutlich schnelleren Fahrer vorbeizulassen. Aber Mercedes will momentan alle Punkte auf Rosberg konzentrieren. Ist ja auch verständlich. Aber es lässt Schumacher regelmässig schlechter aussehen, als er eigentlich fuhr.

DonDahlmann 11 Oktober, 2010 - 15:27

@ Ralf G.:
Ich würde auch noch auf Webber setzen, aber irgendwie scheint er etwas Schwung verloren zu haben. Er muss dringend noch ein Rennen gewinnen, sonst wird das nichts.

Montoya12 11 Oktober, 2010 - 16:20

Super Rennen von Kobayashi

Ich würde auch auf Webber tippen aber ich glaube Red Bull wird das schon so drehen das am Ende Vettel vor Webber landet.Und da hoffe ich das Alonso irgentwie vor den beiden Red Bull landet und Weltmeister wird.

Leider ist die WM für beide McLaren gelaufen.Sie haben ja im Moment nicht mal ein Auto um Rennen zu gewinnen.

nona 11 Oktober, 2010 - 17:31

Kobayashi hat ja schon in seinen allerersten Rennen 2009 als Glock-Ersatz gezeigt, was er drauf hat, wenn er einen guten Tag hat. Allerdings zeigt er tendentiell gerne Hazardeursritte, die auch sehr schnell sehr schief gehen können. In Suzuka hat er sich halt die Hairpin ausgesucht und wirklich im Griff gehabt, aber es gibt Kurven, die verzeihen den Einsatz einer Brechstange eher garnicht, und bislang macht er nicht den Eindruck dass er das wirklich versteht. Ich wäre da in der Einschätzung vorsichtig, die Leistung nicht überzubewerten. Irgendwo muss man eventuell auch den Motivationsfaktor „Heimrennen“ bei einem Japaner noch dazurechnen – allerdings hat der bei Sakon Yamamoto überhaupt nicht angeschlagen, der fuhr weite Teile des Rennens 1.5-2 Sekunden langsamer als der Rest. Glock und Trulli, die lange in einem, äh, Trulli-Train hinter ihm festsassen, werden ein Lied davon singen können.

Die Strafe für Petrov hat mich gewundert, denn er hat schlichtweg reflexartig reagiert um nicht in den Wagen vor ihm zu rauschen – nur halt leider in die falsche Richtung, was als Sekundenbruchteilsentscheidung aber kaum einem Fahrer anzulasten ist. Eine Strafe für Massas merkwürdigen Rasenmähereinsatz wäre gerechtfertigter gewesen, allerdings hätte man beides auch einfach als Rennunfall im Startgetümmel durchgehen lassen können. Sowas passiert halt.

@Ich: Es wäre blauäugig zu glauben, dass das Alter keine Rolle spielt. In einem Sport, in dem Ausdauer, Schnellkraft und Reflexe eine so grosse Rolle spielen, ist man physisch mit 41 definitiv nicht mehr ganz auf derselben Höhe wie jemand der 10-20 Jahre jünger ist. Man kann mit körperlicher Fitness und Rennerfahrung viel wettmachen, trotzdem hat man es in dem Alter eindeutig schwerer, wieviel genau auch immer. In Tourenwagen und GT/Langstrecke sieht das etwas anders aus, aber die Anforderungen an den Körper in der F1 sind doch eine Abteilung für sich.

Ich 11 Oktober, 2010 - 17:43

Das mag sein, aber das müsste sich dann auf allen Strecken auswirken. Auch und gerade auf einem Kurs wie Suzuka. Und Barrichello hält ja auch problemlos mit. Es muss eine andere Ursache haben, dass Schumacher in einigen Rennen so schlecht aussah.

Flo 11 Oktober, 2010 - 17:49

Klar ist das körperliche wichtig. Aber ich denke das ein Schumacher, der ja seit sicherlich 20 Jahren wöchentlich, wenn nicht sogar täglich trainert, immer noch mithalten kann mit einem Vettel. Klar ist Vettel jung aber mal ehrlich: Der ist doch nur Haut und Knochen, einen ausgeprägten Muskelbau sieht man bei ihm ja nicht gerade.

nona 11 Oktober, 2010 - 18:22

Ist völlig egal wieviel er seit wievielen Jahren trainiert, ab einem bestimmten Alter baut der Körper ganz natürlich ab, Reflexe werden langsamer, und dergleichen mehr. (Wer das nicht glaubt, ist offenbar nicht in dem Alter. :) Jenseits der 40 hat man eindeutig seinen physischen Zenit deutlich überschritten, das ist völlig normal. Es mag bei Schumacher ein minimaler Faktor sein -wir wissen es nicht- aber man kann wirklich nicht „spielt keine Rolle“ sagen, das wäre nicht realistisch. Je nach Streckencharakteristik hat er sicherlich etwas mehr zu kämpfen als ein Jungspund mit gleichem Trainingsaufwand, wenn auch nur wenig mehr. Und nur zur Erinnerung, Rosberg steht in Sachen Trainingsaufwand dermassen in Saft und Kraft, dass er auch schonmal einen Triathlon mitmacht.

Das mit dem Körperbau täuscht etwas, denke ich. Rennfahrer -gerade in der F1- haben im Vergleich zu Otto Normalbürger üblicherweise eher ziemliche Stiernacken und einen sehr kräftigen Händedruck, auch wenn man es ihnen eigentlich garnicht ansieht. Davon ab wüsste ich das allerdings beim aktuellen Fahrerfeld nicht optisch einzuschätzen, dazu gibt es zuwenige Nacktaufnahmen von denen.

Traumwochenende für Red Bull im Sportsponsoring « sportinsider 11 Oktober, 2010 - 22:13

[…] Dahlmann hat auf Racingblog die Analyse vom Japan GP 2010 in der Formel […]

Ralf G. 12 Oktober, 2010 - 09:02

@Don Webber ist ein Fuchs, der wird noch einmal eine Siegchance bekommen und dann zuschlagen. „Ruhig bleiben – Punkte sammeln“ ist genau die richtige Taktik, weder Vettel noch Alonso werden einfach mal alle weiteren Rennen gewinnen. Und dann ist der falsche rote Bulle Weltmeister ;)

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