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NASCAR: Vorschau Martinsville Oktober 2010

von KristianStooss
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In Martinsville startet die zweite Chase-Hälfte und nur noch drei Piloten kämpfen innerhalb von 100 Punkten um die Meisterschaft. Die Verfolger Jeff Gordon, Kyle Busch und Tony Stewart benötigen dringend möglichst einen Sieg, um weiterhin dabei zu sein. Da trifft es sich schlecht, dass der Shorttrack ausgerechnet die stärkste Strecke der Top2 ist.

An diesem Wochenende beginnt der Endspurt zur Playoff-Trophäe und ausgerechnet die beiden bestplatzierten Piloten haben die Chance, auf dem Martinsville Speedway davonzuziehen. Tabellenführer Jimmie Johnson und sein Verfolger Denny Hamlin haben sich auf dem Shorttrack in Virginia praktisch in die „victory lane“ eingemietet: Seit Ende 2006 hat in Martinsville kein anderer Fahrer außer den beiden ein Rennen gewonnen. So eine Statistik wird den Verfolgern gar nicht passen, wobei aber zumindest Jeff Gordon ähnlich starke Resultate vorweisen kann. Kevin Harvick wird versuchen müssen, sich mit einem Top10-Ergebnis nach Talladega zu retten. Die anderen Chase-Piloten könnten nach einem schlechten Martinsville-Wochenende zumindest realistisch gesehen aus der Entscheidung draußen sein. Zu Beginn des Artikels möchte ich aber kurz auf die Hammermeldung der Woche eingehen, die gestern über die US-Seiten schwappte:

Richard Petty Motorsports hat Kasey Kahne mit sofortiger Wirkung aus seinem auslaufenden Vertrag entlassen. Damit ist sein Wechsel zu Red Bull Racing nun schon vor Beginn der neuen Saison möglich geworden. Reed Sorenson ersetzte bisher den erkrankten Brian Vickers in der #83, muss nun aber für Kahne seinen Platz räumen. Interessanterweise war Sorenson schon vor diesem Wechsel nicht für Martinsville gelistet gewesen: Die ESPN-Kommentatoren kündigten an, dass Reed an diesem Wochenende nicht für Red Bull fahren würde, wobei ein Ersatz zu dem Zeitpunkt noch nicht benannt war. Aric Almirola wurde daraufhin für die #83 verpflichtet und ersetzt nun im Zuge des „Wechsels“ Kahne in der #9. Bezüglich einer weiteren Zusammenarbeit zwischen RPM und Almirola nach Martinsville ist bisher nichts bekannt geworden.

Theoretisch könnte der Weggang von Kasey Kahne ein größere Rotation in der Sprint-Cup-Garage auslösen: Im nächsten Jahr soll bekanntlich Marcos Ambrose im RPM-Ford mit der #9 sitzen, doch nun erscheint auch in diesem Fall ein vorzeitiges Debüt möglich. Der freiwerdende Platz in der #47 von JTG-Daugherty Racing wäre daraufhin frei für Bobby Labonte, der 2011 ohnehin das Cockpit von Ambrose übernimmt. Da wird es am Wochenende sicher noch einige neue Informationen geben.

Gehen musste Kahne unterdessen, weil er sich in der Öffentlichkeit lautstark unzufrieden mit seinem Team zeigte. Das Verhältnis galt ja nun schon seit geraumer Zeit als zerrüttet und man sehnte das Ende der Saison beiderseits herbei. Die Kritik von Seiten des Fahrers scheint berechtigt: Drei Mal in diesem Jahr versagten am RPM-Ford von Kahne laut seiner Aussage die Bremsen, davon passierte dies zwei Mal in den letzten drei Rennen. Zwar nutzen natürlich alle vier Wagen von Richard Petty Motorsports dieselbe Technik und dieselben Produkte (Öl, Bremsflüssigkeit usw.), doch AJ Allmendinger und auch Paul Menard standen bei vielen Rennen deutlich besser da als Kahne.

Hier scheint wiederum die Sicht des Teams verständlicher zu sein: Angeblich plagten Kasey in Charlotte grippeähnliche Symptome, weswegen er sich nach dem vorzeitigen Ende seines Rennens auch habe übergeben müssen. Da zudem der erwähnte technische Defekt die Ursache für seinen Dreher inkl. Mauerkuss gewesen sein soll, wollte er nicht wieder in den Wagen einsteigen. JJ Yeley musste schließlich in der ondulierten #9 das Rennen zu Ende fahren. Trotz seiner körperlichen Beschwerden war es Kahne aber am folgenden Tag möglich, an einem 5-km-Lauf seiner Wohltätigkeitsstiftung teilzunehmen. Wie man hört, soll er dabei zwar mit einer langsameren Zeit als sonst üblich gestoppt worden sein, aber trotzdem warf die Teilnahme ein schlechtes Licht auf seine Motivation bezüglich seines – nun verlorenen – Cockpits bei Richard Petty Motorsports.

Die Sachlage ist klar: RPM ist nach den vielen Jahren unterschiedlicher Besitzverhältnisse völlig durchgeschüttelt! Durch die Absorption von zunächst Petty Enterprises (2008) und Yates Racing (2009) kam es zu keiner Stabilität im Arbeitsumfeld, die einem Mitarbeiter wirkliche Ruhe vermitteln konnte. In diesem Jahr wurde dann auch noch eine Technikpartnerschaft mit Roush-Fenway Racing eingegangen, die für das Vier-Wagen-Team Chassis und Motoren liefern. 2010 sollte nun also das Jahr sein, welches für Ruhe sorgt und die ersehnten Erfolge bringt. Passiert ist das Gegenteil: Der einzige konkurrenzfähige Fahrer kommt nicht nahe genug an einen Sieg heran und sieht sich häufiger technischen Defekten ausgesetzt. Zwei Wasserträger fahren an guten Tagen gerade mal in die Top10 und ein vierter Pilot dümpelt zwischen den Hinterbänklern rum und verliert beinahe sein Leben. Letzteres ist natürlich nicht die Schuld von Richard Petty Motorsports, aber der Unfall dürfte die Moral des Teams nicht gerade verbessert haben.

Richtig interessant wird es aber erst, wenn man sich die Besitzverhältnisse von RPM ansieht: Richard Petty gehört praktisch nichts vom Team, es wird nur sein prominenter Name genutzt. Petty steht vielmehr auf der Gehaltsliste von Boston Ventures, einer Investmentfirma, die 2008 sein Team Petty Enterprises aufkaufte. Schon zu dieser Zeit hatte der „King“ also alle Macht verloren. Der Hauptteil des Teams gehört jedoch dem amerikanischen Unternehmer George N. Gillett Jr, der 2007 mit einer Mehrheitsbeteiligung in das Team Evernham Motorsports einstieg, welches von Jeff Gordons ehemaligem Crew Chief Ray Evernham gegründete wurde. Daraus wurde dann Gillett Evernham Motorsports und nach den Übernahmen von Petty und Yates eben Richard Petty Motorsports.

RPM ist somit eigentlich ein Konglomerat und Flickwerk aus verschiedensten ehemaligen Teams, deren wirklich große Tradition in diesem „Investment“ aufging bzw. unterging. Gillett ist nebenbei übrigens in weiteren Sportarten beteiligt, so gehört ihm beispielsweise das NHL-Team der Montreal Canadiens und bis vor kurzem auch der FC Liverpool. Nach einem Beschluss des Liverpool-Vorstandes musste Gillett allerdings den Verkauf des Vereins an New England Sports Ventures über sich ergehen lassen, Gerichtsverfahren diesbezüglich sind noch anhängig. Der Clou an der Sache ist aber, – und nun kommt der wirkliche interessante Teil des Kahne-Wechsels – dass NESV niemand anderem als John W. Henry gehört, der mit seiner Fenway Sports Group unter anderem 50%iger Teilhaber an Roush-Fenway Racing ist.

Da Gillett bei dem Verkauf des FC angeblich eine Menge Geld verloren hat, ging die Sache nun vor Gericht. Das sind sicherlich nicht die besten Voraussetzungen für eine gute Partnerschaft in der NASCAR und prompt passierte auch etwas: FoxSports und SPEED berichtete am gestrigen Donnerstag, dass Roush-Fenway Racing als Lieferant von Chassis und Motoren an RPM den Stecker zog und die Talladega-Autos durch den Gerichtsvollzieher abholen ließ; angeblich wegen nicht bezahlter Rechnungen. Die Frage ist nun, wie ernst ist es mit Richard Petty Motorsports, wo sich einige Angestellten schon Sorgen machen, ob sie nach Martinsville überhaupt noch einen Job haben. Schlecht auch für Marcos Ambrose und AJ Allmendinger, die im Falle einer Pleite kein Cockpit mehr für das nächste Jahr hätten. Auf der anderen Seite könnte diese Aktion reine Schikane von John W. Henry sein, der sich lange gegen Gillett erwehren musste, um den FC Liverpool kaufen zu können.

Auch in diesem Fall gilt: Da könnte am Wochenende noch mehr ans Tageslicht kommen und es ist nicht ausgeschlossen, dass Richard Petty Motorsports nach diesem Wochenende die Pforten schließt. Allerdings ist noch zu sagen, dass Roush-Fenway Racing die Chassis mittlerweile wieder zurückgegeben hat, die Motoren und Getriebe fehlten dabei aber. Kasey Kahne kann sich jetzt ins Fäustchen lachen, er hat den Absprung zum richtigen Zeitpunkt geschafft und hat sehr gute Zukunftsaussichten bei Red Bull Racing und Hendrick Motorsports.

– Ende Exkurs Richard Petty Motorsports – (Anm: Ich bitte, die vielen Links zu Wikipedia zu entschuldigen, aber die relevanten Angaben sollten dort alle durch Quellen belegt sein! Falls etwas nicht stimmt, korrigiert mich bitte…)

Damit der Artikel nicht zu lang wird, gehe ich etwas kürzer auf die Siegchancen der einzelnen Fahrer in Martinsville ein, die wichtigsten Informationen werden aber nicht zu kurz kommen.

Als absolute Favoriten müssen an diesem Wochenende Jimmie Johnson und Denny Hamlin gelten: Sie sind im Doppelpack seit Ende 2006 in Martinsville ungeschlagen und zeigten auch in den letzten Saisonrennen, dass sie derzeit konkurrenzfähig sind. Ausgerechnet diese beiden Piloten stellen aber die Top2 der Meisterschaft und bei einem ähnlich guten Rennen für sie auf dem Shorttrack können die anderen Chaser eigentlich einpacken – wäre da nicht Talladega in einer Woche, wo bekanntlich alles passieren kann.

Um noch die beeindruckenden Zahlen von Johnson und Hamlin zu zeigen:
– Hamlin ist in Martinsville bereits zehn Mal angetreten und kam dabei nur ein einziges Mal nicht in die Top9. Sieben dieser Rennen beendete er sogar in den Top5 und vier der letzten fünf Rennen in den Top2.
– Johnson zeigte noch ein wenig mehr und jetzt kommt der Knüller: Bis auf sein erstes Rennen in Martinsville kam er auf dem Shorttrack nie schlechter als auf Platz 9 ins Ziel und das war immerhin 2002! Von den letzten acht Rennen hat er außerdem ganze fünf gewonnen.

Direkt dahinter sehe ich Jeff Gordon, der an diesem Wochenende wohl die besten Chancen aller Verfolger haben dürfte. Seine Martinsville-Statistik zeigt, dass er seit 2005 immer(!) in die Top5 gefahren ist. Gordon ist seit 1993 schon 35 Mal auf dem Shorttrack gefahren und kam dabei nur drei Mal nicht in die Top12 bzw. sechs Mal nicht in die Top9. Diese Ergebnisse sind ebenso beeindruckend wie jene von Hamlin und Johnson.

Dann kommt eigentlich schon der Rest vom Schützenfest mit gehörigem Respektabstand. Weil Hendrick Motorsports und Joe Gibbs Racing in Martinsville traditionell stark sind, ziehe ich die mal vor:

Tony Stewart konnte seit 2007 in vier von sieben Rennen in die Top10 fahren, wobei davon sogar zwei Ergebnisse Top5s waren. Eines der letzteren Resultate muss er dringend wiederholen, um in der Meisterschaft nicht noch mehr Boden zu verlieren. Auf Dale Earnhardt Jr trifft Statistik-technisch im Übrigen dasselbe wie bei Stewart zu, vielleicht kommt er am Sonntag mal wieder unter die Top10.

Kyle Busch erreichte in den letzten drei bis vier Jahren drei vierte Plätze, die gleichzeitig auch seine besten Martinsville-Resultate darstellen. Alle anderen Zielankünfte ab 2007 waren jenseits der Top20. Wenn er in der Meisterschaft dranbleiben will, ist ein Top5-Ergebnis Plicht. Joey Logano wurde im Frühjahr Zweiter, deswegen sollte man ihn am Wochenende auf jeden Fall im Auge behalten, vor allem weil er zuletzt vermehrt in die Top11 fahren konnte.

Mark Martin hat den Shorttrack in seinen beiden Teilzeitjahren 2007 und 2008 ausgelassen, nur um 2009 mit zwei Top10-Ergebnissen zurückzuschlagen. In diesem Jahr ist er bekanntlich etwas schlechter unterwegs, war aber zuletzt wieder in Reichweite der Top10. Stewarts Teamkollege Ryan Newman beendete die letzten drei Martinsville-Rennen mit Top10s und sollte auch am Wochenende wieder dazu in der Lage sein.

Bei Richard Childress Racing wird es schon enger, denn Kevin Harvick, Jeff Burton und Clint Bowyer sind jetzt nicht so die Martinsville-Experten. Am besten sieht es dabei noch für Bowyer aus, der bis auf das letzte Chase-Rennen immer in den Top11 angekommen ist, allerdings war nur ein Top5 dabei. Burton ist 2007 und 2008 nur je ein Mal in die Top5 gefahren, ansonsten waren das seit 2006 ausnahmslos Ergebnisse jenseits der Top12. Harvick dürfte insgeheim schon auf Talladega hoffen, denn immerhin gewann er in diesem Jahr zwei der bisher drei Superspeedway-Auftritte. Am Wochenende sollte er wie immer gut genug für die Top10 sein, denn das schaffte er mit Mühe und Not auch in drei der letzten sieben Martinsville-Rennen. Aber ob das auf Dauer reicht, nur Top10-Resultate einzufahren? Eher nicht, ein schlechtes Ergebnis von ihm und es sind nur noch Johnson und Hamlin im Titelkampf übrig.

Schlechter sieht es bei Dodge und Ford aus, Kurt Busch zum Beispiel ist seit 2006 nicht mehr in die Martinsville-Top-10 gefahren. Seine Meisterschaftschancen sind aber ohnehin nur noch rechnerisch. Die Roush-Ford-Chaser Matt Kenseth und Greg Biffle sind in den letzten Jahren mal so vereinzelt in den Top10 angekommen. Während Biffle allerdings nur zwei solcher Resultate in Martinsville überhaupt vorweisen kann, hat Kenseth wenigstens sechs aus 21 Rennen. Carl Edwards ist seit 2007 auch nur drei Mal in den Top10 angekommen, dabei steht als bestes Ergebnis ein dritter Platz in den Büchern. Wenn Martinsville eines ist, dann eben keine Ford-Strecke!

Der letztwöchige Sieger Jamie McMurray und sein Teamkollege bei Earnhardt-Ganassi Racing, Juan Pablo Montoya, haben Chancen auf die Top10. McMurray beendete die letzten sieben Martinsville-Rennen auf den Plätzen 9, 32, 8, 38, 10, 6 und 30. Montoyas Statistik sieht folgendermaßen aus: 16/8/13/14/12/3/36. Ein ähnliches Ergebnis wie in den letzten Saisonrennen sollte er also wiederholen können, der flache Shorttrack liegt ihm seit Beginn seiner NASCAR-Karriere vergleichsweise gut.

Martin Truex Jr wurde im Frühjahr Fünfter in Martinsville und David Reutimann hat sich in dieser Saison zu einem echten Top10-Fahrer entwickelt. Mit Michael Waltrip Racing muss man also auch weiterhin rechnen, es kann sein, dass beide Piloten in den Top10 auftauchen.

Nach der Chase-Fahrer-Statistik in Bildform kommen wie üblich noch Playoff-Punktetabelle, Owner-Wertung und die Ausstrahlungsdaten für das komplette Wochenende. Zu den Meisterschaftstabellen habe ich in der Charlotte-Analyse schon was geschrieben. Damit dieser Artikel nicht zu lang wird, bitte ich darum, dort nachzuschauen.

Sprint Cup und Trucks sind auf dem Martinsville Speedway unterwegs, während die Nationwide Series mit Danica Patrick im Schlepptau auf dem Gateway International Raceway fährt, einem 1,25-Meilen-Oval mit unterschiedlichen Turns in der Form von Darlington. Allerdings ist der Speedway langsamer, denn Turns 1 & 2 ähneln New Hampshire, während Turns 3 & 4 dem Phoenix International Raceway nachempfunden sind.

Ausstrahlungsdaten

Freitag, 22.10.
17:30 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
18:00 Uhr, Truck Series Practice, nicht im TV
19:00 Uhr, Truck Series Final Practice, SPEED
20:30 Uhr, Nationwide Series Practice, nicht im TV
21:00 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, ESPN2
22:30 Uhr, Nationwide Series Final Practice, ESPN2
22:40 Uhr, Truck Series Qualifying, nicht im TV

Samstag, 23.10.
16:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
16:30 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
17:15 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, ESPN2 (erst um 00:30 Uhr)
18:30 Uhr, Truck Series Rennen (Kroger 200), SPEED
21:00 Uhr, Nationwide Series Rennen (5-Hour Energy 250), ESPN2

Sonntag, 24.10.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Tums Fast Relief 500), ESPN

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