Die Le Mans-Sportwagen feiern an diesem Wochenende ihren Saisonabschluss, und gleichzeitig das Finale der ersten Ausgabe des International Le Mans Cup, mit einem 1000km-Rennen im chinesischen Zhuhai.
So richtig zum Feiern zumute ist einem aber nicht, wenn man sich mit dem anstehenden Rennwochenende befasst. Weder ist der Zhuhai International Circuit eine besonders interessante – oder gar charismatische – Rennstrecke, noch ist die Teilnehmerliste besonders voll. 23 Fahrzeuge stehen auf der Entry List. Zwischenzeitlich kursierten zwar auch mal die Zahlen 24 und 27, aber in den Ergebnislisten der ersten beiden Trainings stehen nun auch jeweils nur 23 Namen, von denen aber noch nicht einmal alle die Strecke gesehen haben. Das sind jedenfalls nur etwa halb so viele, wie bei den beiden vorangegangenen ILMC-Läufen und für eine Sportwagen-Serie mit vier Klassen schon wenig.
Vier Klassen? Nein, stimmt auch nicht. Um überhaupt auf über 20 Fahrzeuge zu kommen, musste man auf ganze sieben (!) Klassen aufstocken. Und in dreien davon fährt gar jeweils nur ein Fahrzeug! Am Ende des Tages werden – um es mal ganz überspitzt darzustellen – nur neun der 23 Teilnehmer nicht von sich behaupten können, auf dem Podium gestanden zu haben. Beim Petit Le Mans gab es zwar auch sechs Klassen, jedoch waren diese deutlich besser besetzt und ergaben sich aus der Ausnahmesituation der diesjährigen ALMS-Struktur.
Natürlich ist es auch begrüßenswert, dass der ACO Flexibilität zeigt, um ein ansprechendes Feld zu bieten, einige lokale Teams aufzunehmen und den auch die Hybrid-Porsche unterzubringen, ohne ihn in die GT2 zu packen, in die er beim aktuellen Reglement nicht gehört. Trotzdem sind sieben Klassen bei so wenigen Startern eine sehr starke Verwässerung des sportlichen Werts und wenn man Ausdauerrennen nach Le Mans-Art und -Reglement langfristig in Asien etablieren möchte (was bisher ja mehrfach schiefgegangen ist), dann muss man für nächstes Jahr mehr „ernsthafte“ ILMC-Teilnehmer rekrutieren.
Aber in diesem Jahr liegt das Augenmerk in dieser neuen Meisterschaft noch allein auf der LMP1 und der GT2 und die beiden Klassen sind mit sechs bzw. acht Teilnehmern auch entsprechend passabel besetzt. Und damit zum sportlichen Teil.
Wieder einmal heißt es Peugeot gegen Audi. Jeder Hersteller hat zwei seiner Fahrzeuge zu ihrem letzten Aufgalopp mitgebracht, aber der Kampf wird sich wohl nur auf den Rennsieg beschränken, denn der Gesamtsieg in der Herstellerwertung der der drei Rennen umfassenden ILMC ist Peugeot nach zwei Doppelsiegen nicht mehr zu nehmen.
Sebastièn Bourdais und Simon Pagenaud waren in den ersten beiden Trainingseinheiten, von denen eine sprichwörtlich nasser war als die andere, die Schnellsten, einmal sechs Zehntel, einmal vier Hundertstel vor Tom Kristensen und Allan McNish. Am Samstag soll es ebenfalls regnen, die Vorhersage für den Rennsonntag ist aber bisher trocken. Peugeot dürfte aber wohl wieder Favorit sein, der 908 ist einfach ein zu gutes Auto, das der R15 (auch in der plus-Variante) so gut wie nie aus eigener Kraft schlagen konnte (was den Speed angeht). Ob der Zhuhai Circuit einem der beiden Konkurrenten entgegenkommt, ist schwer zu sagen, denn weder der Peugeot noch der Audi sind für eine solche Strecke mit vielen langsamen Ecken konstruiert worden. Abstimmungsdaten fehlen entsprechend auch.
Drayson Racing (als einziges privates Prototypen-Team, das die ganze ILMC bestreitet, auch um Lord Drayson „grüne“ Botschaft weiter zu verbreiten) und eine Mannschaft der Tokay University sind die weiteren LMP1-Starter, wobei der Courage-Oreca von letzteren bisher noch keine Runde gedreht hat.
Die GT2 ist mit acht Startern am stärksten besetzt und hier ist auch der Kampf um die ILMC-Krone noch offen. Die Team-Wertung kann man vernachlässigen, da beim Petit Le Mans die entsprechenden US-Teams von Porsche (Flying Lizard), Ferrari (Risi) und BMW (Rahal-Letterman) am Start waren und nun wieder, wie in Silverstone, die europäischen Teams Felbermayr Proton, AF Corse und Schnitzer. Die Italiener liegen jedenfalls in der Konstrukteurswertung mit 81 Punkten nur neun Zähler vor den Schwaben. Bei 25 Punkten für den Klassensieg ist hier noch alles offen. BMW mit 44 Punkten ist allerdings schon zu weit zurück.
Der Vorteil auf Seiten von Porsche ist allerdings, dass man drei Fahrzeuge am Start hat (zwei mal Felbermayr, einmal Prospeed), während nur nur zwei Ferrari dabei sind – einmal AF Corse und einmal CRS. Und mit dem Prospeed-Team ist nach dem starken zweiten Platz in Silverstone auch zu rechnen, zum Ende der schwierigen Debutsaison ist man endlich in der LMS angekommen.
Die Trainingsergebnisse waren bunt durchmischt, einzige Konstanten war jeweils der weit abgeschlagene Lamborghini vom Gulf Team First und der in der Box verbliebenen Jaguar. Einmal lagen Lieb/Lietz für Porsche vorn, das andere Mal Bruni/Vilander/Melo im Ferrari. Wie immer sei gesagt: es dürfte spannend werden!
Und dann sind da noch die vier weiteren Klassen: OAK Racing ist der einzige LMP2-Starter, Hope Polevision hat als einziges Formula Le Mans-Team die weite Reise auch sich genommen (mir liegt da ein „Warum auch immer…!?“ auf der Zunge). In der GT1 startet neben dem Larbre-Saleen, für den das vermutlich der letzte Auftritt nach langer und verdienter Karriere sein wird, noch der JLOC-Lamborghini Murcielago, der schon beim Petit Le Mans dabei sein wollte, aber nicht war. Für Larbre sitzt unter anderem übrigens Pedro Lamy am Steuer. Dass der Hybrid-Neunelfer dabei ist, und zwar in seiner eigenen „GT Experimental“-Klasse, ist (vor allem aus Marketinggründen für die Le Mans-Serien, aber natürlich auch für Porsche) gut und richtig. Das ALMS-Duo Jörg Bergmeister und Patrick Long übernimmt das Steuer dieses Wagens.
Und dann hat man noch eine GT Challenge-Klasse hinzugefügt, nach dem Vorbild der ALMS mit GT3-Fahrzeugen, allerdings ohne Porsches. Stattdessen sind ein Aston Martin DBRS9 des „Team Hong Kong Racing“ und drei Audi R8 LMS zu bestaunen, von denen einer von KK Racing, ebenfalls aus Hong Kong, eingesetzt wird und zwei von United Autosports stammen, die 2010 die europäische GT3-Meisterschaft mit diesen Fahrzeugen bestritten haben. Mit Danny Watts beschäftigt man auch einen amtierenden Le Mans-Champion. Und Alex Yoong im KK Performance-Audi ist dem Motorsport-begeisterten Europäer auch geläufig.
Bleibt die Frage, ob nicht auch Audi bei der Einführung dieser Klasse seine Finger im Spiel gehabt hat, da um seinen Straßensportwagen in Asien präsentieren zu können… Denn ansonsten fischt der ACO damit natürlich auch im Wasser der SRO/FIA-GT-Serien, zu denen man ja in letzter Zeit ein angespanntes Verhältnis hatte. Und ob man mittelfristig GT3s als vierte Klasse nach Le Mans holen und so den Konflikt weiter verschlimmern will, würde ich vorerst noch bezweifeln…
Gefahren wird auf dem Zhuhai International Circuit, quasi „um die Ecke“ von der ehemaligen portugiesischen Enklave Macau. Der Kurs wurde 1996 erbaut und war bis zur Errichtung der Formel 1-Strecke von Shanghai der einzige „große“ (internationale) Rennkurs in China. FIA GT und A1GP fuhren Rennen dort, Läufe der F1 und der ChampCar waren mal geplant, fanden aber nie statt.
Die Strecke besteht im Wesentlichen aus Geraden, die durch enge Kehren miteinander verbunden sind. Das was man gern Hermann Tilke vorwirft, wurde hier in Reinkultur praktiziert. Das sollte allerdings das Überrunden einfacher machen, wobei das bei nur 23 Fahrzeugen auf der Strecke bei diesem Lauf kein so großes Problem darstellen sollte wie bei anderen Rennen der Le Mans-Serien.
Die Strecke selbst ist kein allzu großes Einschalt-Argument. Ebenso das dünne Starterfeld. Die zu erwartenden Kämpfe zwischen Peugeot und Audi sowie Porsche, Ferrari und BMW dürften es allerdings sehr wohl sein. Außerdem wird aber die TV-Coverage dem Event angemessen sein, Eurosport überträgt die Schlussphase von 9 bis 11 am Sonntagmorgen live, Langschläfer und Langstrecken-Genießer verzichten aber darauf und schauen sich die Aufzeichnung des gesamten Rennens von 12 Uhr bis 18:30 Uhr auf MotorsTV an (sofern man den Sender empfängt, natürlich, was ja für viele nicht mehr gilt).