Das vorletzte Chase-Rennen in Phoenix entwickelte sich nach der gewöhnlichen Phase des Überlebenskampfes zu einem Benzinpoker, der am Ende gleich einige Opfer forderte. Für das letzte Saisonrennen in Homestead bedeutet dieses Ergebnis jedoch den engsten Punktabstand der ersten drei Piloten seit Einführung der Playoffs zum Finale.
Als Favorit des Rennens am Wochenende wurde im Vorfeld eindeutig Jimmie Johnson gehandelt, immerhin gewann er die letzten drei Phoenix-Ausgaben. Doch was dann letztendlich von Johnson folgte, war nicht die gewohnte Dominanz der vergangenen Jahre, was zeigt, dass der viermalige Meister in diesem Jahr definitiv härter um die Krone kämpfen muss. Zum ersten Mal liegt er nun außerdem vor dem Saisonfinale in Homestead nicht an der Spitze der Meisterschaftstabelle, sondern befindet sich in der ungewohnten Verfolger-Position hinter Denny Hamlin. Hamlin dominierte Phoenix in diesem Chase, musste sich letztendlich aber wegen Benzinmangels einem anderen Piloten geschlagen geben, der schon länger nicht mehr in der Victory Lane gesichtet wurde:
Carl Edwards legte an diesem Wochenende eine wahre Serie hin und überraschte mit Bestzeiten in allen(!) drei freien Trainings sowie einer Pole-Position im Cup. Zusätzlich dazu holte Edwards sich am Samstag bereits in der Nationwide Series den Sieg und unterstrich somit endgültig seine Favoritenrolle für den Sonntag. Im Cup-Rennen verlor er nach einer sehr frühen Caution, ausgelöst durch Nationwide-Pilot Brendan Gaughan, die Führung an Kurt Busch. Busch hielt sich allerdings nur 20 Runden vor Edwards und war einer der wenigen Piloten, die überhaupt in der Lage waren, sich an die Spitze des Feldes zu setzen. Außer Hamlin, Edwards und Kurt Busch gelang dies nur noch Bruder Kyle Busch (6 Runden), Bobby Labonte (2) und Matt Kenseth (1), was die spätere Dominanz von Denny Hamlin weiter unterstreicht. Doch hübsch der Reihe nach:
Nachdem Carl Edwards die Führung zurückerobert hatte, landete Brad Keselowski in Runde 59 in der Mauer, um Gelbphase #2 auszulösen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hamlin sich von seinem 17. Startplatz an die Spitze vorgearbeitet und schickte sich an, Edwards die Führung für eine lange Zeit dauerhaft abzuringen. Nach Caution #3 wegen Debris in Runde 101 folgte eine extrem lange Grünphase über mehr als 100 Umläufe, bevor nur 90 Runden vor Schluss die entscheidende Phase des Rennens begann. Zu diesem Zeitpunkt rechnete wohl jeder damit, dass Denny Hamlin seine Dominanz in einen Sieg ummünzen würde, doch dann kam alles ganz anders:
In Runde 222 drehte sich Robby Gordon von der Strecke und verursachte damit Gelbphase #4, die nach den Boxenstopps unter grüner Flagge zwischen Umlauf 166 und 173 wieder alle Fahrer zum Nachtanken und Reifenwechseln brachte. Kyle Busch konnte sich dabei kurzfristig in Führung setzen, hatte aber beim Restart keine Chance gegen seinen Teamkollegen. Noch unter Gelb in Runde 225 teilte Crew-Chief Mike Ford seinem Fahrer Denny Hamlin zwischenzeitlich mit, dass dem Toyota nach Berechnung des Verbrauchs Sprit für rund 12 bis 13 Runden fehlen würde. Diese Tatsache führte dann auch zur nächsten Entscheidung von Ford, die Hamlin im Gesamtbild gesehen das Rennen kostete.
Nur fünf Runden nach dem Neustart in Umlauf 233 löste Travis Kvapil mit einem Ausflug ins Gras die fünfte und letzte Gelbphase des Nachmittags aus. Weil nach den letzten Boxenstopps erst knappe zehn Runden vergangen waren, entschieden sich die Top8 des Rennens gegen ein Nachfassen. Sie setzten stattdessen auf eine weitere Caution, wohl auch weil trotz eines Auftankens immer noch Sprit für zwei bis drei Runden fehlen würde. Da diese hypothetische Gelbphase jedoch auf sich warten ließ, gerieten mehrere Piloten in eine äußerst missliche Lage, denn es war nicht klar, wer überhaupt würde durchfahren können.
Carl Edwards dagegen hatte offenbar einen besseren Benzinverbrauch, denn Crew-Chief Bob Osborne teilte seinem Fahrer 20 Runden nach dem Restart mit, dass der Ford mit der #99 wohl genug Sprit für den Rest des Rennens an Bord hätte. Diese Mitteilung ließ sich Edwards nicht zweimal überbringen und machte sofort Druck auf den Führenden Hamlin, neben dem er beim Neustart zurück ins Rennen gegangen war. Sieben Umläufe später in Runde 266 machte Edwards sich zu nutze, dass Hamlin wegen seines kleinen Benzinproblems nicht voll zurückschlagen konnte.
Völlig enttäuscht musste Hamlin die #11 dann in Runde 298 von 312 an die Box fahren, um Sprit für die letzten Meilen nachzufassen und fiel dadurch kurzzeitig bis auf Platz 19 mit Rundenrückstand zurück. Da er aber auch zwei neue Reifen mit auf den Weg nahm, konnte er den Schaden relativ gering halten, sich seine Runde zurückholen und das Rennen noch auf Rang 12 beendet. Die Entscheidung, den Boxenstopp dennoch durchzuführen war letztendlich die bessere, denn ein Totalausfall mit leerem Tank hätte Hamlin in der Meisterschaft wohl extrem weit zurückgeworfen.
An der Spitze ging Carl Edwards auf Nummer sicher und nahm etwas Pace heraus, was zeitweilig befürchten ließ, er könnte doch trockenlaufen. In diesem Falle wäre zwischenzeitlich Juan Pablo Montoya zur Stelle gewesen, der sich im Rennverlauf von jenseits der Top30 sukzessive in die Top5 vorgearbeitet hatte. In den Schlussrunden lag Montoya plötzlich auf Platz 2, bis auch ihm der Sprit ausging. Eine realistische Chance auf den ersten Ovalsieg gab also zumindest kurzzeitig, aber der ausrollende Chevy mit der #42 rettete sich nur auf Platz 16 über die Ziellinie.
Carl Edwards feierte damit nach knapp zwei Jahren (Homestead 2008) endlich einen weiteren Cup-Sieg und lieferte auch gleich den bekannten Rückwärtssalto ab. Danach begab er sich kurioserweise sogar durch den Fangzaun auf die Tribüne, um sich von den Zuschauern ausgiebig feiern zu lassen. Hierbei hatte die zur Stelle geeilten Sicherheitskräfte augenscheinlich eine Menge zu tun. Wenn man bedenkt, dass Edwards 2008 noch ganze neun Saisonrennen gewinnen konnte, kann man erahnen, was ihm dieser Erfolg bedeutete. Nach Greg Biffle (4.) kehrte also auch Edwards auf die Gewinnerstraße zurück, lediglich Matt Kenseth (7.) hat bei Roush-Fenway Racing noch aufzuholen, fuhr aber immerhin in die Top10.
Im Kampf um die Meisterschaft konnten Hamlins Konkurrenten Jimmie Johnson (5.) und Kevin Harvick (6.) ordentlich Boden auf die #11 gutmachen, weil sie sich früh in den Spritsparmodus begaben und so auf einen letzten Boxenstopp verzichten konnten. Harvick musste sich zwischenzeitlich sogar vom Ende des Feldes zurück nach vorne kämpfen, weil seine Pitcrew bei einem früheren Stopp vergessen hatte, eine Radmutter festzuziehen.
Das Kuriosum des Rennens lieferte aber eindeutig Kasey Kahne, der eine Benzinkanne nach den Boxenstopps unter grüner Flagge zu einer ungeplanten Ausfahrt mitnahm. Diese verhakte sich am Boxenausgang glücklicherweise am Heckspoiler anstatt abzufallen. Bei einer weiteren Anfahrt konnte die Crew das Anhängsel dann entfernen. Ein entsprechendes Bild dazu gibt es unten in der Galerie zu sehen. Weil Kahne dabei eine Runde verlor, blieb anschließend nur noch Platz 30 für den Red-Bull-Neuzugang übrig.
Platzierungen weiterer Piloten:
– Ryan Newman (2.) und Joey Logano (3.) liefen unmittelbar hinter Carl Edwards ein.
– Mark Martin (8.), Kurt Busch (9.) und Jamie McMurray (10.) komplettierten die Top10 vor Jeff Gordon (11.) und Kyle Busch (13.).
– Dale Earnhardt Jr (14.) lieferte unauffällig ein solides Ergebnis ab, nachdem er zuvor eine Runde in Rückstand geriet.
– Die drei letzten Chaser Tony Stewart (17.), Jeff Burton (19.) und Clint Bowyer (21.) kamen außerhalb der Top15 ins Ziel.
Das Pech von Denny Hamlin bei gleichzeitigen Top6-Ergebnissen von Jimmie Johnson und Kevin Harvick gestaltete die Meisterschaftswertung vor dem Saisonfinale in Homestead nun völlig offen. Hamlin liegt zwar weiterhin knapp vor Johnson (-15) und Harvick (-46), die Abstände sind jedoch mehr als gering. Damit liefert der diesjährige Chase die knappste Ausgangsbasis für ein finales Rennen seit seiner Einführung 2004. Betonen möchte ich allerdings noch einmal die Saisonleistung von Kevin Harvick, der in den Classic-Points weiterhin mit 195 Punkten führt und damit ohne Playoffs die Meisterschaft bereits sicher in der Tasche gehabt hätte. Auf die einzelnen Punkte-Szenarien für Homestead gehe ich dann in der entsprechenden Vorschau am Freitag ein.
In der Owner-Wertung liegen die Plätze 32-36 noch unter Druck. Da jedoch keines der entsprechenden Teams häufig besser als Platz 30 ins Ziel fährt, sind mehr als 50 Punkte Polster im letzten Rennen eigentlich sicher genug für den Verbleib in den Top35. Das finale Duell in Homestead lautet wohl #38-Dave Blaney für Front Row Motorsports vs. #71-Andy Lally für TRG Motorsports, wobei das Aufholen von 74 Punkten durch einen Rundkurs-Piloten auf einem Intermediate-Oval schon ein Wunder wäre.
Für FRM dürfte das Abschneiden außerhalb der Top35 allerdings kein Beinbruch bedeuten, hat man doch trotzdem noch zwei Autos fest für das Daytona 500 im nächsten Jahr qualifiziert. Für den dritten Wagen sind die Gelder des Teamchefs Bob Jenkins ohnehin knapp kalkuliert, mit einem Zwei-Wagen-Team können die wenigen vorhandenen Teile optimaler eingesetzt werden. Das bestätigte Fahrer Travis Kvapil in einem Interview, der Link dazu ist hier zu finden, erwies sich beim Einbinden jedoch zeitweise als tot. Ansonsten kann man bei Jayski.com in den News zur #34 die entsprechende Stelle unter der Überschrift „Front Row to 2 cars? Kvapil returns in 2011: from an interview with driver Travis Kvapil“ nachlesen.
Zum Abschluss noch was zum Thema NASCAR-Streams: Beim Phoenix-Rennen tauchte erneut der Link zu einem offiziellen Stream auf der Startseite von NASCAR.com auf. Dieses war derselbe wie zwei Wochen zuvor in Talladega: Gut schaubar, wegen der geringen Bildwiederholrate zwar noch immer nicht perfekt, im Gegensatz zu den bekannten Briefmarkenformaten aber schon ein ordentlicher Schritt. Das Texas-Rennen in der letzten Woche wurde übrigens nicht offiziell im Netz verbreitet. Zur aktuellen Situation und der Möglichkeit eines offiziellen NASCAR-Streams im nächsten Jahr bietet sich folgender Artikel bei The Daly Planet als Lektüre an.