Der Circuito Potrero de los Funes wäre der beste Ort für einen grandiosen Meisterschafts-Showdown, den man sich vorstellen könnte – doch die Meisterschaften sind so gut wie entschieden. Oder erwartet uns etwa doch noch eine große Überraschung?
Unabhängig von dieser Möglichkeit bleibt aber auf jeden Hall die Hoffnung auf zwei gute Rennen zum GT1-Saisonabschluss auf der pittoresken Naturrennbahn (später mehr) nahe der argentinischen Stadt San Luis. In der Fahrerwertung fehlen Michael Bartels und Andrea Bertolini nach einem mit nur zwei Punkten schwächeren Auftritt in Interlagos diesmal noch sechs Zähler zur Meisterschaft. Vorausgesetzt, Tomas Enge und Darren Turner gewinnen beide Läufe. Dazu müssten die beiden Aston Martin-Piloten eine ebenso starke Form wie am vergangenen Wochenende aufweisen, als die das Qualifikationsrennen (mithilfe eines schnellen Boxenstopps) gewannen und im Hauptrennen Zweite wurden. Es siegten (vor eher spärlich vertretenem Heimpublikum) die beiden Brasilianer Enrique Bernoldi und Alexandre Negrao im zweiten Vitaphone-Maserati – und vergrößerten so das Punktepolster ihrer Teamgefährten.
Enge und Turner überholten jedoch Corvette-Pilot Marc Hennerici und Matech-Ford-Fahrer Thomas Mutsch, die beide auf Top-Positionen liegend Kollisionen zum Opfer fielen. Hennerici konnte jedoch noch den dritten Rang im Hauptrennen herausfahren, während Mutsch nach Komplettausfall im ersten Lauf es im zweiten nicht mehr in die Punkte schaffte.
In der Teamwertung ist die Lage ähnlich: Vitaphone-Maserati liegt mit 189 Punkten deutlich vor Reiter-Lamoborghini (142) und Young Driver AMR (137). Bei noch 57 maximal einzufahrenden Punkten (falls einem Team zwei Doppelsiege gelingen) sind auch Sumo Power-Nissan (130) und Hexis-AMR (129) rein mathematisch noch im Rennen. Das Kunststück zweier Doppelsiege an einem Wochenende ist jedoch noch keinem Team gelungen und auch in San Luis aufgrund des ausgeglichenen Kräfteverhältnisses in der Serie kein realistisches Szenario.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei wie immer auch der Erfolgsballast: die Meister-in-spe Bartels und Bertolini sind nach dem mittelmäßigen Ergebnis in Sao Paulo wieder ohne Zusatzgewicht unterwegs, während die engsten Verfolger, Enge und Turner, 40kg in ihrem Aston Martin DBR9 verstauen müssen. Ebenso hart trifft es Miguel Ramos und Enrique Bernoldi im zweiten Vitaphone-MC12.
Soweit die Ausgangslage. Der GT1-Tross ist derweil weitergezogen vom größten ins zweitgrößte Land Südamerikas, von der Atlantikküste ins bergige Inland; doch Seen bleiben das Thema: in Sao Paulo fuhr man zwischen zweien, an diesem Wochenende um einen ebensolchen herum, und zwar im Krater eines erloschenen Vulkans 10km nordöstlich von San Luis. Potrero de los Funes heißen der Kratersee und die anliegende Ortschaft und als Rennstrecke dient die Perimeterstraße, die sich entlang des Hangs um das Gewässer windet.
Schon 1987 wurde dort ein Tourenwagen-Event ausgetragen, das jedoch nach mehreren Unfälle, bei denen auch Zuschauer tödlich verletzt wurden, zunächst eine einmalige Angelegenheit blieb. Erst 2008 kam man auf die Idee, die Strecke wiederzubeleben – und zwar richtig: es wurden größere Bauarbeiten vorgenommen, um einen Austragungsort für internationale Rennen zu schaffen. Um die Fia Grade 2-Lizenz zu erreichen, mussten Auslaufzonen geschaffen und an zwei Stellen, an denen das nicht in ausreichendem Maße möglich war, Schikanen eingebaut werden.
Dennoch hat die Strecke aufgrund der Umgebung und ihres Ursprungs als Landstraße ein Flair, das man bei anderen modernen Rennstrecken oft vermisst, mit flüssigen Kurven und Steigungen und Senken und einer Höhendifferenz von etwa 50m. Es gibt einige langgezogene schnelle Kurven, mittelschnelle und blinde Ecken, die zwei Schikanen und die Bergauf-Serpentinen am Südende des Sees. Außerdem stehen, wie diese Tourenwagen-Onboard-Runde zeigt – die Mauern stets nah an der Straße, was zum entscheidenen Faktor werden könnte, auch im Kampf um den Titel.
Die FIA GT fuhr 2008 dort, 2009 musste die Serie das Rennen wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage streichen, die argentinischen Tourenwagen nutzten die Bahn allein. Nun kehrt die runderneuerte GT1-Meisterschaft zurück. Einige Fahrer sind 2008 bereits dabei gewesen, einige nicht, jedoch freuen sich alle auf die anspruchsvolle Fahrerstrecke. Aufgrund der anspruchsvollen Mischung ist es schwierig, Favoriten unten den Herstellern auszumachen.
Im ersten freien Training waren fünf Marken auf den ersten sechs Rängen vertreten, lediglich Corvette ging das Wochenende verhalten an. Frank Kechele und der brasilianische Gaststarter Sergio Jimenez (in Interlagos für Mad Croc-Corvette unterwegs) führten im Reiter-Lamborghini die Zeitenliste an, Bartels/Bertolini fanden sich am Ende auf Rang 3 wieder.
Zwei Teams setzen an diesem Wochenende auf argentinische Piloten: All-Inkl-Lamborghini ersetzt Chritsophe Bouchut (der sich in der Interlagos-Qualifikation den seltsamen Patzer erlaubte, die karierte Flagge mehrfach zu übersehen und die weiße Linie an der Boxeneinfahrt zu überfahren, was zur Disqualifikation führte) durch Ricardo Risatti, der 2006 die spanische Formel 3 gewann und sich danach erfolglos in der GP2, der WSbR, der FIA GT und der argentinischen Tourenwagen-Meisterschaft TC2000 versuchte. Für ihn spricht jedoch, dass er aus dem Jahr 2008 bereits Erfahrung auf der schwierigen Rennstrecke hat.
Young Driver Aston Martin setzt Jose Maria Lopez an der Seite von Stammpilot Stefan Mücke ein. Der ehemalige Renault-Nachwuchs- und F1-Testfahrer hätte 2010 bei USF1 fahren sollen, woraus jedoch bekanntermaßen nichts wurde. Jedoch errang er in den beiden vergangenen Jahren den Titel in der TC2000 und hat entsprechend auch Erfahrung auf dem Circuito Potrero de los Funes. Sowohl Lopez/Mücke als auch Basseng/Risatti schafften es im ersten Training in die Top5.
Anders als sonst finden beim Saisonfinale beide Rennen am Sonntag statt. Nur die Qualifying-Session, mit der die Startaufstellung für das Qualifikationsrennen ermittelt wird, gibt es bereits heute zu sehen, und zwar um 21:15 Uhr im Livestream auf gt1world.com. Die Rennen finden am Sonntag um 13:10 Uhr und 17:20 Uhr deutscher Zeit statt und werden ebenfalls dort gestreamt. Den letzten Rennsonntag des Jahres sollte sich kein Motorsport-Fan entgehen lassen!
Update: Ob der Zeitplan so durchgezogen werden kann, ist nach schweren Regenfällen in den letzten Stunden fraglich. Die Strecke ist laut Twitter-Meldungen diverser Teams komplett überschwemmt. Außerdem ist das Feld bereits geschrumpft, weil einige Fahrzeuge unsanft in der Wand gelandet sind.
2 Kommentare
Nettes Bild, auf dem man schön sieht, wie bunt das Feld zusammengestoppelt ist: die Protoypen von Maserati; die GTs von Ford, Aston Martin, Lamborghini und Corvette; und der „DTM-Tourenwagen“ von Nissan. Mal schauen, wie das neue Feld in Zukunft aussehen wird.
Bin auch mal gespannt auf die neue Saison. Denke aber auch, dass diese schon entschieden ist.
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