Home NASCAR NASCAR: Analyse Daytona 500 2011

NASCAR: Analyse Daytona 500 2011

von KristianStooss
3 Kommentare

Die Ausgabe Nummer 53 des legendären Daytona 500 ist Geschichte und stellte gleich zu Saisonbeginn einige Rekorde auf. Beim größten Rennen des Jahres gewann allerdings kein Favorit sondern ein nahezu unbeschriebenes Blatt, weil RCR und Hendrick patzten.

Mit Trevor Bayne gewann am Sonntag ein gerade mal 20-jähriger das Daytona 500 für das Traditionsteam der Wood Brothers und schrieb damit eine wahre Cinderella-Story. Außerdem verbesserte er die Bestmarke des jüngsten Daytona-500-Siegers von Jeff Gordon (1997 mit 25) um ganze fünf Jahre. Für die Wood Brothers ist es der erste Sieg seit knapp zehn Jahren (Elliott Sadler 2001 in Bristol) und eine gute Chance, in diesem Jahr mit einigen zusätzlichen Sponsoren eventuell wieder Vollzeit zurückzukehren. Die 1,5 Millionen US-Dollar Preisgeld dürften eine weitere willkommene Stütze darstellen.

Der Sieg im Daytona 500 war absolut verdient, denn wenn man sich das Siegerauto einmal genauer angeschaut hat, stellt man verblüfft das Fehlen größerer Kampfspuren fest. Bayne hat sich schadlos gehalten und genau das ist die beste Taktik, um ein restrictor plate-Rennen zu gewinnen – natürlich gehört auch immer ein wenig Glück dazu. Eine kleine Sensation, wenn auch nicht direkt der Gewinn des größten Rennens des Jahres, hatte sich ja schon während der Speedweeks angekündigt, als Jeff Gordon voller Lob für den Youngster war und ihn zu seinem Drafting-Partner beim Gatorade Duel auserwählte. Trevor Bayne klaute Gordon allerdings nicht nur seinen Rekord, sondern stellte auch gleich mal ein paar neue auf: Er ist nämlich der einzige Rookie, der jemals ein Daytona 500 gewinnen konnte. Zusätzlich bedeutet das auch, dass Bayne außer Lee Petty im Eröffnungsjahr 1959 auch der einzige Fahrer ist, der das Daytona 500 bei seinem allerersten Startversuch in Daytona gewonnen hat. Außerdem war dieses Rennen erst sein zweites Cup-Rennen überhaupt!

Da Trevor Bayne eigentlich direkt bei Jack Roush unter Vertrag steht und „nur“ zum Sammeln von Erfahrung in die #21 gesetzt wurde, könnte sich vielleicht schon im nächsten Jahr etwas in Richtung Mutterteam bewegen. David Ragan z.B. sitzt bei Roush-Fenway Racing ja nicht unbedingt sehr fest im Sattel. Außerdem laufen die Verträge von Carl Edwards und Greg Biffle zum Saisonende aus und Richard Petty Motorsports kündigte vor kurzem an, dass man 2012 gerne auf drei Wagen erweitern möchte – am liebsten mit Danica Patrick oder eben auch Edwards.

Eine weitere Überraschung am Sonntag war das schlechte Abschneiden von Chevrolet, denn immerhin galten bisher die Triebwerke von Earnhardt-Childress Racing Technologies sowie Hendrick Motorsports besonders auf den Superspeedways als Klassenprimus. Bei Richard Childress Racing lösten sich gleich zwei Motoren in Rauch auf, nämlich die von Kevin Harvick (42./erster Motorschaden seit 2006) und Jeff Burton (36.). Für Clint Bowyer (17.) reicht es nach einer guten Anfangsphase zum Schluss ohne den gewohnten Drafting-Partner Burton nur zu einer Platzierung außerhalb der Top15, während RCR-Neuzugang Paul Menard (9.) ähnlich stark wie 2010 mit einem Top10-Ergebnis in die Saison starten konnte.

Earnhardt-Ganassi Racing hatte auch zu kämpfen, als Jamie McMurray (18.) gegen Rennende nur noch auf sieben Zylindern unterwegs war und Juan Pablo Montoya (6.) nicht mehr ausreichend unterstützen konnte. Zuvor ließ sich McMurray sogar einmal ans Ende des Feldes zurückfallen, nachdem sein Teamkollege den Draft verloren hatte. Mit Kurt Busch im Tandem gelang Montoya im Schlusssprint zwar noch einmal der Anschluss an die Spitzengruppe, weil die beiden Fahrzeuge aber nicht 100%ig aneinander klebten, musste der Kolumbianer sich mit einem sehr guten Punktetag zufrieden geben. Montoya hatte beim Daytona 500 das gesamte Glück auf einmal, welches ihm 2010 fehlte: Außer einem Dreher überstand er auch zwei größere Unfälle unversehrt, bei denen die abfliegenden Wagen nur knapp an seiner #42 vorbeirauschten.

Bei Hendrick Motorsports lösten sich nicht die Motoren auf, dafür aber im ersten big one des Tages die Autos. Nach umfangreichen Reparaturen war für Jimmie Johnson (27.) und Jeff Gordon (28.) nur noch Schadensbegrenzung angesagt. Mark Martin (10.) war ebenfalls in diese Situation verwickelt, baute nach seiner Reparaturphase aber per Lucky Dog insgesamt drei Runden Rückstand wieder ab und fuhr am Ende in die Top10. Dale Earnhardt Jr. (24.), der das Rennen von hinten angehen musste, lag während der ersten von insgesamt zwei Green-White-Checkered-Verlängerungen noch in Schlagdistanz zur Spitze, wurde dann aber im dritten und letzten big one unverschuldet abgeräumt, als Robby Gordon nach einem wilden Slide etwas zu früh wieder in das Feld einscheren wollte.

Ebenfalls lange Zeit eine Siegchance hatte Regan Smith (7.), der dann die erste Verlängerung auslöste, weil Kurt Busch ihn im two-car tango ausversehen umdrehte. Trotzdem konnte er für das kleine Team aus Denver, Colorado noch ein Super-Ergebnis holen. Weitere Vertreter der Chevy-Flotte waren Tony Stewart (13.) und Ryan Newman (22.): Während Newman sich den Bonuspunkt für die meisten Führungsrunden abholte und insgesamt neun Mal in Front des Feldes auftauchte, blieb sein Teamchef Stewart, der Nationwide-Sieger des Vortages, ohne Führungsrunde farblos. Für Newman endete der Tag im eben angesprochenen zweiten big one zur ersten Verlängerung.

Statt Chevy sicherte sich Ford die Top3 in Daytona, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Hinter dem Sieger Trevor Bayne platzierte sich Carl Edwards und räumte damit immerhin ein Preisgeld von 1,1 Millionen US-Dollar für Roush-Fenway Racing ab. Ebenfalls gut unterwegs war in der Schlussphase ausgerechnet sein Teamkollege David Ragan (14.), der aber eine bessere Platzierung verpasste, weil NASCAR ihn in Führung liegend ans Ende des Feldes zurück schickte. Der Grund war ein Regelverstoß beim Restart, als Ragan vor dem Überqueren der Ziellinie die Spur wechselte, um seinen Partner Bayne zum two-car draft einzufangen.

Für die anderen beiden Roush-Fahrer Matt Kenseth (34.) und Greg Biffle (35.) endete der Tag wenig erfolgreich. Während Kenseth bei dem Unternehmen, wieder in die Führungsrunde zu gelangen, ausgerechnet vom Teamkollegen Biffle abgeräumt wurde, war dessen Rennen eigentlich schon beim ersten big one in Runde 29 gelaufen. Später nahm Montoya Biffle dann endgültig aus dem Rennen, was dem Ford-Piloten sichtlich sauer aufstieß.

Bei Richard Petty Motorsports war das Daytona 500 ebenfalls zweigeteilt, was den Erfolg der Fahrer betrifft. Marcos Ambrose (37.) blieb wie so viele weitere Piloten im ersten big one hängen. Sein Teamkollege AJ Allmendinger (11.) war konstant vorne mit dabei und verpasste nur knapp die Top10. Eine weitere Überraschung bot der dritte Platz von David Gilliland im technisch eigentlich eher unterentwickelten Ford mit der #34 von Front Row Motorsports. Weniger Glück hatte sein Teamkollege Travis Kvapil (32.), der sich zunächst für das Daytona 500 qualifizieren musste, dann im Rennen aber insgesamt drei Gelbphasen auslöste – alle Achtung! Der Dritte im Bunde des Teams, Robert Richardson Jr. (38.), setzte sein Auto in Runde 47 während eines Paarflugs mit Dave Blaney in die Mauer.

Terry Labonte (15.) im Außenseiter-Ford von Frank Stoddards FAS Lane Racing mit der #32, der nur dank seines champion’s provisional am Rennen teilnehmen durfte, landete überraschend weit vorne.

Das knapp vertretene Dodge-Lager verteilte sich kreuz und quer durchs Feld: Während Kurt Busch (5.) für Penske Racing ein Top5-Resultat einfuhr, landete Teamkollege Brad Keselowski (29.) in Runde 167 in der Mauer. Dessen Bruder Brian Keselowski (41.), der mit viel Hilfe und fremdem Schwung von der Sippschaft ins Daytona 500 gepusht wurde, musste schon beim ersten big one die Segel streichen. Ziemlich schade, bedenkt man, dass die Unterstützung für das kleine Team in der Garage enorm war: So bezahlte Ray Evernham die Reifenrechnung, während Roger Penske eines seiner Triebwerke zur Verfügung stellte. Immerhin dürften die ca. 273.000 US-Dollar Preisgeld versöhnlich stimmen. Dodge-Neuzugang/Rückkehrer Robby Gordon (16.) beendete ein turbulentes Rennen mit ein paar Streifschüssen noch recht ordentlich.

Der Vollständigkeit sei hier noch Steve Wallace (20.) erwähnt, der zwar einen Toyota in die Top20 fuhr, aber mit den Owner-Punkten von Penske Racing fest für das Daytona 500 qualifiziert war. Platz 20 ist sicherlich ein zufriedenstellendes Ergebnis für das erste Cup-Rennen.

Das beste Ergebnis für Toyota fuhr überraschenderweise Bobby Labonte (4.) ein, der auch selbst eine Siegchance hatte, bevor sich sein Vordermann Trevor Bayne erfolgreich ausgangs Turn 4 von ihm absetzte. Die Nummer Zwei des Herstellers sollte am Ende Kyle Busch (8.) sein, dem alle Siegchancen durch einen kaputten Reifen während des zweiten big ones kurz vor Ende der regulären Distanz abhanden kamen. Seine Teamkollegen bei Joe Gibbs Racing erwischte es aber noch schlechter: Denny Hamlin (21.) war wie oben erwähnt mit Ryan Newman in denselben big one verwickelt und Joey Logano (23.) blieb nach einer starken Anfangsphase im Tandem mit Kyle Busch am Ende farblos.

Bei Michael Waltrip Racing war im Daytona 500 schon nach wenigen Runden das Chaos perfekt, als Teamchef Michael Waltrip (40.) seinen Fahrer David Reutimann (30.) in Umlauf 29 von der Strecke schob und damit den ersten big one auslöste. Bereits zuvor machte sich der emotionale Sieger des Truck-Rennens am Freitag etwas unbeliebt, als er in Runde 5 schon etwas zu aggressiv Kyle Busch von der Strecke räumte. Martin Truex Jr. (19.) lag zwar acht Mal für insgesamt 17 Runden in Führung, musste sich aber beim letzten big one in der ersten Verlängerung geschlagen geben und blieb noch am Ende der Führungsrunde in den Top20.

Ebenfalls kein gutes Daytona 500 erlebte Red Bull Racing, wo sich zunächst im ersten Rennviertel der Motor von Brian Vickers (31.) einfach abschaltete, bevor Kasey Kahne (25.) nach einer sehr guten Anfangsphase nur 18 Runden vor dem regulären Ende mit einem Reifenplatzer ausschied.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden.

Ich habe mich in dieser Analyse bewusst gegen eine Zusammenfassung des Rennens und für eine Einzelanalyse der Fahrer entschieden, weil das Daytona 500 unübersichtlich und in vielerlei weiterer Hinsicht Rekorde brechend war: Die 16 (Rekord) Gelbphasen unterbrachen das mit 3 Stunden, 59 Minuten und 24 Sekunden zweitlängste (nach reiner Rennzeit, also mit Ausnahme der langen roten Flagge während des letztjährigen Schlaglochrennens) Daytona 500 der Geschichte, wobei es zu insgesamt drei big ones kam. Während der Phasen unter grüner Flagge wechselte die Führung 74 Mal (Rekord) unter 22 Fahrern (ebenfalls Rekord). Eine Berichterstattung im konventionellen Sinne wäre also wohl ziemlich unübersichtlich geworden.

Nichtsdestotrotz war das 53. Daytona 500 am Sonntag ein spannendes Rennen und auch die two-car tangos haben dem Sport nicht so sehr geschadet, wie anfangs noch erwartet – zu den Hintergründen habe ich in den beiden Speedweeks-Updates ja schon einiges geschrieben, deswegen spare ich mir hier mal größeres Ausschweifen. Hinter einigen Ausbrechern befand sich nämlich auch weiterhin ein großes Drafting-Feld, welches allerdings viel Zeit auf die two-car breakaways liegen lassen musste. Die Schlussphase mit den beiden big ones und den Verlängerungen war äußerst actionreich und ließ viele Fahrer aus der Entscheidung und in die Entscheidung aus- bzw. einsteigen. So glaubte man sogar bei Montoya noch wenige Sekunden an einen Sieg, bis der Drafting-Kontakt zu Kurt Busch abriss. Der Sieger Trevor Bayne sah sich aber zu keiner Zeit ernsthaft in Gefahr, er meisterte die Schlussphase souverän wie einer der ganz großen NASCAR-Asse – Herzlichen Glückwunsch!

Dazu wegen der möglicherweise unklaren Situation um Trevor Bayne hier noch ein paar Anmerkungen: Der Rookie ist 2011 für die Nationwide Series gemeldet und hat auf dem Anmeldeformular sein Kreuzchen an der entsprechenden Stelle gemacht. Damit ist er weder dazu berechtigt, im Sprint Cup Punkte zu sammeln, noch am „Rookie of the Year“-Wettbewerb teilzunehmen. Allerdings gibt es eine Ausnahmeregel: Bayne könnte auf Wunsch nachträglich in den Cup aufsteigen und sich dort Punkte verdienen, seine theoretischen Zähler für den Sieg beim Daytona 500 wären aber trotzdem verloren. Die Punkte würden also erst ab der Ummeldung gezählt.

Um durch seinen Daytona-Erfolg mit der neuen Chase-Regel in die Meisterschaftsentscheidung aufzusteigen, müsste er aber ohnehin nach 26 Rennen in den Top20 der Fahrerwertung stehen und das dürfte mit seinem 17-Rennen-Plan ziemlich unmöglich werden. Außerdem ist natürlich nicht sicher, ob ein einziger Sieg überhaupt für eine Qualifikation auf die beiden Extraplätze in den Playoffs reicht. Trevor Bayne hat einen solchen Move praktisch ausgeschlossen, da er in der Nationwide Series bessere Chancen haben dürfte. Eine ausführliche Beleuchtung der Situation ist in diesem Artikel bei USA Today nachzulesen.

Eine Übersicht zu den noch nicht ganz so relevanten Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung ist hier noch mit verlinkt. Weiter geht es schon am kommenden Wochenende auf dem Phoenix International Raceway. Die entsprechende Vorschau folgt dann am Freitag.

George Russell, Mercedes F1 W15, leads Lando Norris, McLaren MCL38 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace
Oliver Bearman, Haas VF-24, leads Sergio Perez, Red Bull Racing RB20 during the Brazilian GP at Autódromo José Carlos Pace

Das könnte Dir auch gefallen

3 Kommentare

Jan 22 Februar, 2011 - 17:45

Kleine Anmerkung: Clint Bowyer war am Ende nicht mehr vorne dabei, weil er beim Crash von Regan Smith mit abgeräumt wurde. Davor hatte sich die #33 (auch ohne Burton) mit dem letzten verbliebenen Teamkollegen Menard noch gut vorne halten können.

Gute Analyse und vielen Dank für die Bilder. Mein 2011er Wallpaper-Ordner ist schon wieder am wachsen. :)

NASCARaddicted 23 Februar, 2011 - 12:15

Als ich den Punktestand bei nascar.com sah hab ich mich auch zuerst gewundert, weil Bayne fehlte, aber dann fiel mir die neue Regelung ein.

Ist schon irgendwie traurig, aber die Regel hat ja schon ihren Sinn.

Am meisten ärgerte mich aber Dale Jr., der sehr lange in den Top 10 fuhr und dann kurz vor Schluß abgeschoßen wurde …

Yankee 23 Februar, 2011 - 14:29

Wenn man es genau nimmt, hat Jr sich selbst aus dem Rennen genommen. Natürlich war vor ihm der Unfall, aber sein Dreher kam durchs Ausweichen zustande, als er bei seiner linksrechts Bewegung das Heck verlor und dann krachte. Vielleicht (vielleicht!) hätte er unbeschadet weiterfahren können, wenn er nicht das Heck verloren hätte, vielleicht wäre aber auch so jemand in ihn rein. Schwer zu sagen. Traurig war es auf jeden Fall.

Comments are closed.