Wer am Sonntagabend seinen Stream in Erwartung eines Kyle Busch-Sieges frühzeitig ausgeschaltet hatte, dem entging der wohl spannendste Dreikampf seit einigen Jahren. An dessen Ende triumphierte Kevin Harvick, der wie aus dem Nichts erschien und den beiden Streithähnen Jimmie Johnson und dem dominierenden Busch-Bruder die Führung abluchste.
So unwahrscheinlich dürfte ein früher Ausschaltzeitpunkt bei manchem Fan gar nicht gewesen sein, denn das Rennen auf dem Auto Club Speedway in Fontana entpuppte sich zunächst wie erwartet als ganz übler Langweiler. Die 200 Runden wurden überwiegend in langen Grünphasen abgespult und nur durch vier Cautions unterbrochen, dabei zog sich das Feld wie immer sehr schnell sehr stark auseinander. Action gab es eigentlich immer nur während der ersten zehn Runden nach einem Restart, wo es auf den vielen unterschiedlichen Linien, die man auf dem 2-Meilen-Oval wählen kann, teilweise zu viert oder fünft nebeneinander zur Sache ging. Diese Tatsache sorgte dann für ein überraschend spannendes Finale, weil die letzte Gelbphase sehr spät im Rennen kam.
Zu Beginn des Wochenendes überraschte mich zunächst Juan Pablo Montoya, als er sich im Qualifying die sechste Pole-Position seiner Karriere holte. Die zuletzt stark schwankenden Leistungen setzte der Kolumbianer aber gleich fort, denn im Rennen war er seine Führung nach sechs Runden an Denny Hamlin los, konnte zum Schluss mit einem mäßigen Auto aber immerhin noch Platz 10 ins Ziel retten. In Runde 20 war dann Kyle Buschs Sturmlauf in Richtung Front beendet, nachdem er seinem Teamkollegen die Spitzenposition abjagen konnte.
Nun kam Fontana so richtig schön in seinen gewohnten Rhythmus und bescherte allen eine richtig lange Grünphase inkl. zweier Runden von green flag pitstops, die erst in Runde 75 ein Ende nahm, als unsichtbares debris die NASCAR-Offiziellen zum Handeln zwang. Vermutlich waren damit die ganzen überrundeten Fahrzeuge gemeint, die den etwas mehr als zehn in der Führungsrunde verbliebenen Fahrern zu sehr im Weg rumstanden. Tony Stewart gelangte in der Folge weiterer Boxenstopps an wertvolle track position, da er sich als einziger Fahrer im Vorderfeld gegen ein Nachfassen von Benzin und Reifen entschied. In Runde 80 führte er somit den Restart vor seinem Teamkollegen Ryan Newman an, der ebenfalls wieder ein starkes Rennen fuhr und am Ende mit einem Top5-Resultat den zweiten Platz in der Meisterschaftswertung erringen sollte.
In der folgenden Grünphase bekam Denny Hamlin erste ernsthafte Probleme mit seinem Motor und setzte damit die Leidensstrecke der Toyota-Aggregate bei Joe Gibbs Racing fort. Über mehrere Runden war die Crew per Funk mit dem Lokalisieren und Lösen des Problems beschäftigt, ehe man in Runde 124 endgültig die Segel streichen musste. An dieser Stelle hatte Kyle Busch nun quasi freie Fahrt, da sein – zu diesem Zeitpunkt einziger – ernsthafter Konkurrent das Feld verlassen hatte. Busch hatte unterdessen innerhalb von 13 Runden nach dem Restart die Führung von Tony Stewart zurückerobert. Für Stewart wurde es dann auch sehr bald recht eng mit dem Spritfenster, nachdem er ja zuvor auf einen Boxenstopp verzichtet hatte. David Gilliland erlöste Smoke schließlich in Runde 103, indem er seinen Ford in der Mauer abstellte und somit die ersehnte Gelbphase auslöste.
Nach dem Restart in Umlauf 108 führte Kyle Busch das Feld in eine weitere, sehr lange Grünphase mit ebenfalls wieder mehreren green flag pitstops über schlussendlich 64 Runden, bis Andy Lally mit einem Dreher in Runde 172 die finale Phase des Rennens einläutete. Beim Restart machte sich dann auch der Grund für die bisherige Dominanz von Busch in Fontana bemerkbar: Sein Team stellte ihm ein – in fast allen Hinsichten – perfektes Back-Up-Auto hin, nachdem Busch den Unterboden seines Einsatz-Toyotas zuvor im Freien Training bei einem Ausflug über den Rasen beschädigte. Nur eines ließ die #18-B vermissen: ausreichend Speed auf den short runs, welche es aber am Sonntag auch selten gab. Die Verfolger-Meute bestehend aus Tony Stewart, Jimmie Johnson, Kevin Harvick und Clint Bowyer konnte zunächst in den ersten zehn Runden nach dem Restart an Kyle Busch dranbleiben. Johnson gelangte sogar in Überholreichweite, musste Busch dann aber im Übergang zum long run wieder ziehen lassen.
Was Kyle Busch also nach seiner langen Führungsfahrt nun auf dem Weg zur schwarz-weiß-karierten Flagge nicht benötigte, war noch eine weitere Caution vor seinem großen Finale. Dieser Wunsch blieb ihm jedoch verwehrt, weil Bobby Labonte in Runde 186 ebenfalls ein Date mit der Mauer hatte. Labontes Wagen fing beim Zurückrollen in die Garage Feuer und musste eingangs der Boxengasse gelöscht und abtransportiert werden. Dadurch war es den Teams länger nicht möglich, einen finalen Pitstop zu absolvieren, der einige Strategiemöglichkeiten bezüglich der Anzahl der Reifen geboten hätte. Vier Runden später und damit zehn Umläufe vor dem Ende der regulären Renndistanz waren die Aufräumarbeiten dann endlich beendet, doch niemand aus der Spitzengruppe wollte nun für ein Finale über acht Runden seine track position opfern.
Jimmie Johnson startete direkt neben Kyle Busch und benötigte in einem extrem spannenden Kampf tatsächlich bis zur vorletzten Runde, um Busch die Führung während seiner short run-Schwäche abzunehmen. Wie aus dem Nichts tauchte dann aber plötzlich Kevin Harvick im Rückspiegel der beiden Kontrahenten auf, nachdem er sich getreu dem Motto „Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte!“ vom hinteren Ende der Top5 an Busch und Johnson herangepirscht hatte. Innerhalb von knapp zwei Runden überholte Harvick erst einen übersteuernden Busch und schließlich in der letzten Kurve auf der Außenbahn Johnson, der die hohe Linie wegen dortiger Handling-Probleme nicht blocken konnte. Dem Überholmanöver ging auf der Gegengerade eine eigentlich klassische Shorttrack-Action voraus, denn Harvick setzte sich letztendlich nach einem bump-and-run gegen Johnson durch.
Die letzten zehn Runden des Rennens haben für die zähen anderen 190 Umläufe absolut entschädigt und ich finde, dass wir da am Sonntag eines der besten Finishes sein einigen Jahren gesehen haben. Wann gab es das auf einem Nicht-Superspeedway zuletzt, dass gleich drei Fahrer bis in die letzte Kurve um Alles oder Nichts kämpfen. Absoluter Wahnsinn! Wer es verpasst haben sollte, der kann es sich im unten verlinkten Video noch einmal ansehen. Bis das Video startet, dauert es anscheinend ein wenig, aber die Wartezeit lohnt sich definitiv!
Mit seinem Sieg in Fontana drehte Kevin Harvick übrigens die Reihenfolge vom letzten Frühjahrsrennen um, denn 2010 musste er sich Jimmie Johnson geschlagen geben. Nun kehrt er mit seinem ersten Saison-Erfolg unter die Top12 in der Meisterschaft zurück, deren Führung nach einem soliden Top10-Resultat jetzt Carl Edwards vor Ryan Newman und Kurt Busch innehat.
Während Denny Hamlin nach seinen Motorproblemen wieder einen Rückschlag hinnehmen musste und in der Fahrer-Wertung jenseits der Top20 unterwegs ist, konnten wenigstens Clint Bowyer und Brian Vickers mit Top10-Resultaten einige Punkte in der Meisterschaft gutmachen. Auch Jeff Burton hielt sich auf Platz 15 mit Ausnahme einer Geschwindigkeitsübertretung in der Boxengasse einigermaßen schadlos und sammelte ebenso wie sein direkt dahinter platzierter Teamkollege Paul Menard wichtige Punkte. Besonders enttäuscht haben am Sonntag Kurt Busch (17.), Jeff Gordon (18.), David Reutimann (19.) und Mark Martin (20.) sowie erneut Jamie McMurray (23.) und Joey Logano (25.), bei denen immer noch nichts zusammenläuft.
Wirklich vorentscheidend war in Fontana aber nur der Kampf um die nun zur Anwendung kommende 2011er-Version der Top35 in der Owner-Wertung und ein damit einhergehendes automatisches Startrecht in Martinsville: In der nächsten Woche müssen die #09 von Phoenix Racing, die #21 der Wood Brothers (war durch eine Übernahme alter Owner-Points zwar für die ersten fünf Rennen qualifiziert, hat aber mit Trevor Bayne einen Rookie am Steuer) und überraschenderweise die #32 von Frank Stoddard sowie die #13 von Germain Racing nicht durch die Qualifikationsmühle.
Ihre Plätze in den Top35 haben verloren oder sind erneut nicht dabei: #71 TRG Motorsports (Andy Lally), #36 Tommy Baldwin Racing und zwei der drei Autos von Front Row Motorsports mit der #37 und der #38, bei denen ich vermute, dass in ein paar Rennen das punktschlechteste Team zusperren wird. So ein Plan war immerhin schon vor Beginn der Saison diskutiert worden. Die Abstände sind aber nach wie vor knapp, so trennen Platz 35 und Rang 36 nur sechs Zähler und damit sechs Ränge in Martinsville.
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden.
Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung. In der nächsten Woche geht es auf den Shorttrack von Martinsville, wo seit einigen Jahren ausschließlich Jimmie Johnson sowie der Lokalmatador Denny Hamlin gewonnen haben.