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F1: Der James Allen Strategiereport – Australien

von DonDahlmann
6 Kommentare

Ich freue mich sehr, dass es ab sofort einen Strategiereport nach jedem Rennen geben wird. Als Autor dafür haben wir uns jemanden geholt, der sich damit auskennt: James Allen.


Ich will keine langen Geschichten erzählen, aber als ich neulich in London war, hatte ich auch die Gelegenheit mich mit James Allen zu treffen. Nur für die, die ihn nicht kennen – James ist seit 1992 im F1-Zirkus als Journalist unterwegs und ist in England unter anderem auch deswegen bekannt, weil er bei ITV der Rennkommentator war. Er zeigte sich sehr angetan von dem, was wir hier mit der Seite versuchen, vor allem, dass wir den Hintergründen und Analyse mehr Raum einräumen, als das bei anderen Magazinen der Fall ist. Netterweise bot er mir an, dass ich seine Strategieanalyse, die er nach jedem Rennen schreibt, übernehmen kann. Das machen wir doch gerne! Nach dem Klick folgt der erste Teil.

Von James Allen

Die richtige Entscheidung im richtigen Moment zu treffen ist der Formel Eins extrem wichtig. Das Rennen lässt sich schwer vorhersagen und ein Fehler kann schnell passieren. Wie man im letzten Jahr in Abu Dhabi sehen konnte, kann eine falsche Entscheidung in einem Rennen ein Team den WM-Titel kosten. Das erste Rennen der Saison 2011 war für alle Teams eine Art „Schuss im Dunkeln“, da die Reifen einen dominierenden Einfluss haben sollten. Dazu kam, dass es in diesem Jahr ungewöhnlicherweise kein Safety Car gab, was die ein wichtiger Faktor bei den strategischen Entscheidungen spielt.

Der wichtigste Faktor für die Strategie in diesem Jahr sind die neuen Pirelli Reifen, die dazu neigen sich schneller abzunutzen, als die Bridgestone. Wenn die Pirelli nachlassen, dann machen sie das schnell und massiv. Also mussten die Teams in Australien herausfinden, wie sich die Reifen entwickeln würden.

Alle Indikatoren sprachen dafür, dass man mehrere Reifenstopps machen musste, um möglichst weit vorne zu stehen. Aber in Melbourne passierte das nicht, was wohl am relativ glatten Asphalt lag. Dennoch war Melbourne aus strategischer Sicht interessant, weil das Rennen verschiedene Strategien zu ließ. Unter den Top 7 war ein Wagen, der nur einmal gestoppt hatte, zwei, die dreimal an die Box fuhren und der Rest stoppte zweimal. Allerdings zeigte Sebastian Vettel an der Spitze, dass man mit einem dominanten Wagen die Strategie so legen konnte, wie sie gerade am besten passte.

Die bemerkenswerteste Strategie wählte Sauber beim 21jährigen Sergio Perez. Auch wenn sie später wegen eines nicht korrekten Flaps des Heckflügels disqualifiziert wurden, lohnt sich ein Blick auf das, was Sauber gemacht hat. Nach den Wintertests war es nicht augenfällig, aber offenbar hat Sauber einen Wagen, der am sanftesten mit den Reifen umging. Perez schaffte immerhin 35 Runden auf der weichen Reifenmischung.

Weil er nach der Quali nicht in den Top 10 war, hatte er eine freie Reifenwahl. Man entschied sich für die harten Reifen, was bedeutete, dass sein erster Stint länger sein würde, als die seiner Gegner vor ihm. Nach einer Runde lag er auf Platz 14 und seine Rundenzeiten mit der harten Mischung war ungefähr eine Sekunde langsamer als die seines Teamkollegen Kobayahsi, der die weichen Reifen aufgezogen hatte. Nachdem alle anderen ihren Stopp gemacht hatten, lag er auf Platz 7 bevor er in Runde 23 an die Box kam.

Nun musste er die weichen Reifen nehmen, um mit einem Stopp durchfahren zu können. Gleichzeitig baute sich auf der Strecke eine Gummischicht auf, was weniger Verschleiss für seine Reifen bedeutet. Das Team entschied ihn draußen zu lassen um nicht weitere 25 Sekunden bei einem Boxenstopp zu verlieren.

Das war eine durchaus riskante Entscheidung, weil niemand wusste, ob der weiche Reifen nicht irgendwann einfach einbrechen würde. Perez bekam das aber gut hin und war teilweise schneller als die Top 3. Nachdem seine Rivalen (Kobayashi, Buemi, Sutil und Di Resta) zum Stopp rein gingen, rutschte er auf den siebten Platz und blieb auch dort, obwohl man hinter ihm neue Reifen hatte.

Die mutige Entscheidung von Sauber zeigte den Strategen auch, dass sie am Freitag mehr Zeit mit den Longruns und den weichen Reifen verbringen müssen, anstatt diese immer nur kurz zu testen. Man dachte in Australien wohl, dass die Reifen sich wie in Barcelona verhalten würden, aber das war nicht der Fall. Was bedeutet, dass man in Malaysia mehr Team sehen wird, die sich an Longruns versuchen.

Nach den Tests dachte man eigentlich, dass der Ferrari der zweitschnellste Wagen nach dem Red Bull sein würde, vor allem auf den Longruns. Aber in Melbourne wurde klar, dass der Ferrari härter mit den Reifen umgeht, als die Konkurrenz, weshalb man auch dreimal stoppen musste. Das ist ein ernsthaftes Problem für Ferrari, dass abstellen müssen, wenn sie Weltmeister werden wollen.

Alonso startete als Fünfter, verlor aber am Start vier Plätze und musste den Ferrari sehr aggressiv fahren. Schon in Runde 10 ließ die Performance seiner Reifen nach, er musste reinkommen und landete nach seinem Stopp hinter Petrov. Normalerweise versucht man nach einem schlechten Start so spät und so wenig wie möglich zu stoppen, aber das kam für Alonso nicht in Frage. Zwar konnte er mit besseren Rundenzeiten Webber abfangen, an Petrov kam er aber nicht ran.

Renault konnte sehen, was Ferrari mit Alonso und den drei Stopps vor hatte, blieb aber bei der Zwei-Stopp-Strategie. Alonso versuchte, trotz des dritten Boxenstopps, am Ende mit neue Reifen schneller als Petrov zu sein, um aufs Podium zu kommen. Der Plan ging aber nicht auf, weil der Renault mit leerer werdenden Tank und mehr Gummi auf der Strecke relativ sanft mit den Reifen umging.

Interessant war auch der Abstand zwischen Vettel und Webber. Mittlerweile hat man angeblich ein paar Kleinigkeiten an Webbers Chassis gefunden, aber nichts, was ihn hätte so langsam machen können. Webber Reifenverschleiss war in Melbourne zu hoch. Er verschliss den ersten Satz weicher Reifen, als er hinter Hamilton hing. Schon nach 10 Runden gingen seine Rundenzeiten in den Keller. Der Plan war jetzt, dass man mit den harten Reifen einen langen Mittelstint fährt, aber auch das ging in die Hose. Die harten Reifen brauchten zu lange, bis sie auf Temperatur waren und Webber fiel zurück. Das Team entschied ihn dann noch zweimal reinzuholen, was ihn weiterre Zeit kostete.

Soweit der Strategiereport aus Australien. Der nächste erscheint dann in der Woche nach Malaysia.

(Übersetzung: Don Dahlman)

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6 Kommentare

Tobi 5 April, 2011 - 19:01

Sehr schönes Feature!

StefanTegethoff 5 April, 2011 - 20:17

Toll, dass du James Allen dafür gewinnen konntest! Ich fand ihn schon als ITV-Kommentator klasse und hab auch schon das eine oder andere Mal in seinem Blog gestöbert.

Zum Thema: ich fand es auch klasse, dass mit den neuen Reifen tatsächlich mehrere Strategien möglich waren und hoffe, das setzt sich so fort. Da gibt es nun Allen, der vermutet, dass sich nach Perez‘ Beispiel mehr Fahrer an Longruns versuchen werden, andere vermuten, es könnten wegen der schnellen Kurven bis zu vier Stops nötig sein. Ich bin sehr gespannt, wie es dann wirklich aussieht.

nona 5 April, 2011 - 23:11

Sauber, thumbs up. Also, Richtung James… aber natürlich auch Richtung Sauber…
Red Bull müsste eigentlich noch mehr an Webbers Wagen finden, was den ausgeprägten Performanceunterschied erklären kann. Vor allem wäre es interessant zu erfahren, warum das schon wieder ein Faktor ist. Wer sich erinnert, letztes Jahr hatte Vettel zu Saisonbeginn einige zunächst unerklärliche Durchhänger in Qualis und Rennen, bis man feststellte, dass er schon wochenlang mit einem defekten Chassis fuhr.

Don, falls mal Unterstützung beim Übersetzen gefragt ist, kannst ja jemanden fragen, der mit sowas seine Brötchen verdient. (Lies: mich. :)

Keke 6 April, 2011 - 20:06

Richtig klasse Feature! Wertet die Seite nochmal ein Stückchen auf.

xeniC 6 April, 2011 - 21:13

Yeah! Gefällt mir!

Formel Eins: Vorschau GP Malaysia 2011 /  RacingBlog 7 April, 2011 - 17:35

[…] in Australien nicht in der Lage gute Longruns zu produzieren, wie James Allen in seiner Kolumne im Racingblog dargestellt hat. Wenn es trocken bleibt, dürften die Belastungen auf die Pirelli in Sepang […]

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