Wieder einer aus der Kategorie „Das war ja wohl nichts!“… Wer in der Hoffnung auf Action unter dem Scheinwerferlicht lange wach geblieben ist, der wird am Ende wohl seinen Schlaf zurückverlangt haben. Einzig Roush-Fenway Racing dürfte nach diesem Rennen zum Feiern zumute gewesen sein, denn Matt Kenseth beendete in Texas eine lange sieglose Serie.
Ganze fünf Gelbphasen unterbrachen die 334 Runden auf dem Texas Motor Speedway in der Nacht von Samstag auf Sonntag vereinzelt und sorgten dafür, dass sich das Feld nicht noch weiter auseinanderzog. Am Ende befanden sich nur noch zwölf Autos in der Führungsrunde und Matt Kenseth gewann das Rennen, welches er etwa zur Hälfte an vorderster Front verbrachte. Das einzig Schöne ist ja, dass ich mit meinem Dark-Horse-Tipp vor dem Wochenende gar nicht so falsch lag. Zu gut sah die Texas-Statistik von Kenseth aus, um ihn letztendlich zu ignorieren.
Ganz allgemein gesehen machte die gesamte Ford-Truppe von Roush-Fenway Racing gewaltig auf sich aufmerksam. Nach Bestzeiten von David Ragan und Carl Edwards in den Freien Trainings und der Qualifikation wusste die Konkurrenz, was die Stunde für das Hauptrennen geschlagen hatte: Alle vier Piloten brachte man schlussendlich in die Top7, während viele andere Teams so ihre liebe Mühe hatten. Insgesamt kann man Texas durch die langen Grünphasen wohl als Strategie-Rennen bezeichnen, indem gegen Ende auch der Benzinverbrauch eine Rolle spielen sollte. Das fing aber auch schon recht früh an:
Nach einer zeitigen Caution in Runde 10 spielten die beiden Piloten von Penske Racing als erste mit der Strategie und setzten sich mit nur zwei neuen Reifen (Brad Keselowski) bzw. gänzlich ohne Boxenstopp (Kurt Busch) an die Spitze des Feldes. Erstaunlicherweise konnten sich die beiden Fahrer auch bis Umlauf 45 in Vorausfahrt halten, doch dann war auch schon Matt Kenseth zur Stelle, um mit neuerem Material die Führung zu übernehmen. Gleich danach kam es zu Gelbphase #2, was Zeit und Raum für weitere Boxenstopps öffnete. Den Restart führte Kenseth ebenfalls an, wurde jedoch sofort vom Teamkollegen Greg Biffle geschnappt. Dessen Reise in die Nacht war allerdings nach wenigen Runden beendet, als Kenseth erneut die Führung übernahm und seinerseits einen einsamen Ritt anstrebte.
Während der nun folgenden längsten Grünphase in Texas seit fünf Jahren (bis zu diesem Zeitpunkt) sammelte Matt Kenseth in etwas mehr als 60 Runden auch über die Green-Flag-Pitstops hinweg ein Führungspolster von vier Sekunden an, bevor Ken Schrader die dritte Caution auslöste. Während der Boxenstopps, zu denen so ziemlich alle Piloten trotz gerade mal zehn Runden auf den neuen Reifen antraten, packte das Penske Doppelpack wieder einen Strategiezug mit nur zwei Gummis aus. Dieses Mal ging das Wagnis allerdings nicht auf, weil mit 90 Runden unter Grün der nächste Rekord geknackt wurde und man natürlich mit halbem Grip keinen ganzen Fuel-Run an der Spitze des Feldes verbleiben konnte! Also wieder Führung Kenseth…
Nach der zweiten Serie von Boxenstopps unter grüner Flagge hatte die NASCAR dann Erbarmen und warf die gelbe als Trümmerteil auf die Strecke hinterher; im übertragenden Sinne natürlich, schließlich konnte ich kein Debris erkennen. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass ich zu diesem Zeitpunkt vor lauter Langeweile und Müdigkeit schon zwei Mal fast mit dem Kopf auf der Laptop-Tastatur aufgeschlagen bin. Direkt nach dem Restart – wieder unter Kenseths Führung, jedoch nur bis in Turn 3, wo Clint Bowyer übernahm – krachte es dann richtig: In Folge eines Rückstaus musste Martin Truex Jr vom Gas gehen und wurde daraufhin von Kevin Harvick umgedreht. Dabei räumte er zunächst Mark Martin (der wirklich völlig unvorbereitet mitten in der Rauchwolke hart getroffen wurde) und dann auch noch Regan Smith ab.
Für alle drei Piloten, die das Rennen daraufhin beenden mussten, war dies sicherlich ein herber Rückschlag. Mark Martin und Truex hätten dringend ein Top10-Resultat gebraucht, um nicht zu viele Positionen auf die Chase-Ränge zu verlieren, während Smith seiner erneut guten Qualifying-Leistung sicherlich gerne ein solches Ergebnis hinzugefügt hätte.
Doch wie erwähnt war nun Clint Bowyer am Zug, der unter nächtlichen Bedingungen als einziger direkter Konkurrent zu Kenseth auf den Plan trat. Zu diesem Zeitpunkt begann auch die Schlussphase des Rennens, welche über die letzten ca. 120 Runden gehen sollte: Einige Fahrer hatten direkt nach den letzten Green-Flag-Pitstops noch einmal die Boxengasse angesteuert (in Gelbphase #4). In der berechtigten Hoffnung, dass das Rennen bis zum Ende unter Grün laufen würde, versuchten diese Piloten, diese letzten Runden mit nur einem weiteren Tankstopp zu absolvieren. Tony Stewart kam als einziger richtig nah dran und schaffte einen Run von gut 60 Umläufen, bevor er sich neu besohlt und betankt an die letzten Meilen machte. Seine Strategie mit Potenzial ging allerdings sofort in Rauch auf, weil Smoke zu schnell in der Boxengasse erwischt wurde. Er entschuldigte sich auch prompt bei seiner Mannschaft.
Dabei hatte Tony Stewart schon zu Anfang des Rennens zu kämpfen, als er sich in Gelbphase #1 die Frontschürze bei einem Gerangel in der Boxengasse beschädigt hatte. Auf der Aerodynamik-Strecke Texas bekam das Team den Kotflügel aber wieder vernünftig hingebogen – Vorschlaghammer und Panzertape sei Dank! Insgesamt betrachtet kam es während der Nachtfahrt aber recht häufig zu solchen Feindberührungen, was unter anderem auch David Reutimann oder Joey Logano zu spüren bekamen. Logano hatte wieder Pech und kam nur auf Platz 24 ins Ziel, dabei waren einige Probleme dieses Mal sicherlich vermeidbar: Beim Boxenstopp während Caution #2 arbeiteten zu viele Mechaniker am Toyota mit der #20! Achso: Tony Stewart ging dann trotzdem noch in der letzten Runde der Sprit aus…
Zurück zum letzten langen Green-Flag-Run, der übrigens den letzten Rekord für eine durchgehende Grünphase in Texas setzte. Wie viele Jahre man auf so kontinuierliche Rennaction verzichten musste/durfte, ist mir allerdings nicht bekannt. An Spannung brachte diese Periode allerdings außer dem Stewart-Drama nichts hervor, denn um die letzten Boxenstopps unter grüner Flagge herum holte sich auch Matt Kenseth die Führung vom einzigen Konkurrenten Clint Bowyer zurück. Der Ritt in die Victory Lane war damit sicher und auch sonst passierte nichts mehr.
Dieses Wochenende inklusive dem Sieg von Matt Kenseth war natürlich gerade für Roush-Fenway Racing eine absolute Genugtuung. Nach einer sehr langen Durststrecke folgten zunächst die guten Resultate von Carl Edwards, bevor nun auch der Rest des Teams ordentlich Fahrtwind bekam. Sogar David Ragan konnte einen seiner wenigen lichten Momente anbringen und holte sich nicht nur die Pole-Position im Qualifying, sondern auch ein Top10-Resultat im Rennen. Diese Leistung zeigt vor allen Dingen eines, nämlich dass die Roush-Truppe wieder ganz vorne ankommen ist und in diesem Jahr beim Kampf um die Meisterschaft nicht unberücksichtigt bleiben darf!
Besonders hervorheben muss man aber neben dem fabelhaften Rennen von Kenseth die 334 Runden von Carl Edwards. Als ich folgenden Satz im Lap-by-Lap-Ticker las, war ich mir sicher, dass er nun wirklich keinen Spaß gehabt haben dürfte: „Lap 140 — Without getting too graphic, I’ll just say Carl Edwards‘ stomach problems have become a more physical issue.“ Ich hoffe nur, dass er nicht in bester Tradition eines Johnny Herbert ins Auto gemacht hat…
Im Gegensatz dazu musste Hendrick Motorsports am Wochenende ordentlich Lehrgeld zahlen. Während Jimmie Johnson und Dale Earnhardt Jr. zwar mit viel Mühe und Not noch völlig unauffällig die Top10 erreichten, ging Jeff Gordon jenseits der Top20 komplett unter. Mark Martin war ja in den etwas heftigeren Unfall des Tages verwickelt gewesen.
Überzeugt haben in der Nacht von Samstag auf Sonntag auch Paul Menard und Marcos Ambrose, welche tolle Top6-Resultate holten. Hinter ihren Erwartungen blieben sicherlich wieder Jamie McMurray und nach zuletzt guten Leistungen auch Kevin Harvick und Kasey Kahne; alle am Ende der Top20 herum. Bei einigen schlechten und auch guten Resultaten muss ich aber noch auf den Umstand der wenigen gelben Flaggen hinweisen. Wer einmal aus der Führungsrunde verschwunden war, der hatte Mühe, sich wieder nach vorne durchzukämpfen. Zudem war auch an unterschiedlichen Strategien nicht viel möglich, um z.B. einen Wave-Around oder Lucky-Dog zu kassieren. Gleiches gilt für die Top12-Fahrer, welche so weit vorne natürlich seltener in Gefahr liefen, überrundet zu werden.
Alles in allem war Texas kein Klassiker und wusste auch nicht wirklich zu unterhalten. Aber man ist halt doch Fan, wenn man sowas tapfer bis fünf Uhr morgens erträgt. In der nächsten Woche geht es wieder auf einen Superspeedway, wenn in Talladega Restrictor-Plate-Action auf dem Programm steht. Gespannt bin ich vor allem, ob der Asphalt in Dega noch saftig genug ist, um auch dort die Two-Car-Trains zu ermöglichen.
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden.
Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.