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NASCAR: Analyse Talladega April 2011

von KristianStooss
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Wie erwartet wurde die Restrictor-Plate-Schlacht von Talladega eine mordsmäßige Lotterie, welche eigentlich jeder der 43 Starter hätte gewinnen können. Dabei wurde es jedoch keinesfalls langweilig, zumal das wahnsinnige Finish den engsten Zieleinlauf in der Geschichte der elektronischen Zeitmessung egalisierte, den Jimmie Johnson knapp für sich entschied.

Kurzfristige Four-Wides hatte man auf dem Talladega Superspeedway ja schon des Öfteren gesehen, doch noch nie im Endspurt um den Sieg. Acht Wagen, von denen sechs innerhalb von einer Zehntelsekunde einliefen, prügelten sich ohne Crash und jederzeit fair um den Einzug in die Victory-Lane. Dass es dabei nicht gekracht hat, war eigentlich ein Wunder. Zusammenhängen könnte es mit der neuen Praxis der Two-Car-Trains, die sich nun auch auf dem anderen Restrictor-Plate-Oval endgültig durchgesetzt hat. Denn zwar fahren die Wagen nun insgesamt enger zusammen, aber eben immer nur paarweise, was die Lücke im Feld für querschießende Wagen deutlich größer macht. Der gefürchtete Big-One blieb am Ende aus, doch trotzdem mussten einige Piloten verfrüht den Heimweg antreten. Nicht so Jimmie Johnson, der in Talladega sein erstes Saisonrennen 2011 gewann.

Dabei entpuppte sich das Rennen am Sonntag wie erwartet als riesige Lotterie mit der Chance 1 zu 43, bei der auch einige Rekorde egalisiert wurden. Die 88 Führungswechsel vom letzten Jahr zum Beispiel, doch die interessanteste Bestmarke ergab sich erst auf den letzten Metern oder besser gesagt Zentimetern. Im Schlusssprint Richtung Ziellinie konnte Jimmie Johnson sich mit einem Vorsprung von 16,8 cm gegen Clint Bowyer durchsetzen, geht man von einer Geschwindigkeit um die 190 mph aus! Das entspricht also gut 0,002 s bzw. zwei Tausendstelsekunden und das gab es seit der Einführung der elektronischen Zeitmessung im Mai 1993 erst ein weiteres Mal: 2003 beharkten sich Kurt Busch und Ricky Craven in Darlington ähnlich und Craven holte sich damals den Sieg ebenfalls mit einer Margin-of-Victory von 0,002 s. Wahrlich beeindruckende Zahlen und optisch sah das Ganze ebenfalls so aus. Bei YouTube gibt es die letzten beiden Runden noch einmal zu sehen:

Bis dahin war viel passiert, eigentlich zu viel, um es komplett zusammenzufassen. Deswegen beschränke ich mich mal auf die eigentlichen Game-Changer und einige weitere Statistiken: In Talladega war es wie beim ersten Tag auf der neuen Schule, jeder durfte mal nach vorne und sich präsentieren. Insgesamt 26 der 43 teilnehmenden Piloten gelangen in den Genuss wenigstens einer Führungsrunde, was einer Quote von sagenhaften 60% entspricht. Lässt man Joe Nemechek, Steve Park und Kevin Conway außen vor, die nur Start-&-Park-Einsätze absolvierten, dann liegt der Anteil sogar bei 65%! Die meisten Umläufe an der Spitze konnte sich Clint Bowyer (38) vor Dave Blaney (21), Kurt Busch (19), Jimmie Johnson (14) und Dale Earnhardt Jr (11) sichern. Alle weiteren Fahrer konnten nur weniger als zehn Führungsrunden ansammeln.

In dieser Statistik zeigt sich ausnahmsweise auch mal die Stärkeverteilung des Rennens ganz gut. Überrascht hat dabei vor allem Dave Blaney, schaut man sich aber die Herkunft seines Materials bei Tommy Baldwin Racing an, so ändert sich die Sachlage schnell – TBR ist ein Kundenteam von Richard Childress Racing, die auch am Sonntag wieder zeigten, dass der Sieg nur über Clint Bowyer und Kevin Harvick gehen würde. Harvick wiederum arbeitete bis kurz vor Schluss mit Blaney zusammen, entschied sich dann aber für seinen Teamkollegen, nachdem der eigentliche Partner von Bowyer – Jeff Burton – beim vorletzten Restart in Folge einer Konfusion im Feld verloren ging.

Dave Blaney bekam daraufhin zwar Unterstützung von Kurt Busch, was aber auch seinen Untergang bedeutete. Busch beförderte nämlich zunächst in der Mitte des Rennens seinen Penske-Kollegen Brad Keselowski in einen Dreher und drei Runden vor Schluss eben Dave Blaney. Schade ist das Ganze natürlich für die Underdogs von Tommy Baldwin Racing, welche im Kampf um die Top35 in der Owner-Wertung sicherlich noch ein paar gute Punkte gebrauchen könnten.

Insgesamt sechs Gelbphasen gab es übrigens in Talladega, wobei zwei durch Debris ausgelöst wurden. Das Rennen war dank der relativ gleichmäßig verteilten Gelbphasen stets in einem guten Fluss, vor allem in der ersten Hälfte ging es lange unter Grün zur Sache. Die größten Abflüge des Tages und damit die vier Unterbrechungen ereigneten sich folgendermaßen:

Caution #1 (Runde 28): Landon Cassill wurde bei einem Push umgedreht und räumte dabei auch Brian Vickers ab. Wenn ich es richtig gesehen habe, dann war ebenfalls Kurt Busch dafür verantwortlich, der somit drei Fahrer an einem Tag aus dem Rennen nahm. Bei den Two-Car-Trains in Talladega muss man sowas aber wohl als Rennunfall verbuchen, da schon ein geringer Anstoßwinkel ausreicht, um den Vordermann in einen Dreher zu schicken. Vickers war natürlich völlig unschuldig und wurde seitlich getroffen.

Dieses Szenario wiederholte sich mit anderen Beteiligten anschließend noch öfter, wobei die geringere Big-One-Gefahr bei den Tangos deutlich wurde, weil die Abstände der Gruppen einfach viel größer waren als sonst im riesigen Drafting-Feld. Wer allerdings bei einem Dreher keine Lücke erwischte, der räumte eben leider Vorder- oder Hintermann eines Two-Car-Drafts von der Seite ab. Das muss ein ziemlich unschönes Gefühl sein, da plötzlich und unerwartet einen ordentlichen Schlag abzubekommen.

Caution #2 (Runde 90): Die angesprochene Situation zwischen Kurt Busch und Brad Keselowski riss außerdem noch Kasey Kahne, Trevor Bayne und David Ragan mit ins Verderben. Vor allem Kahne wurde schwer getroffen und musste seinem brennenden Auto noch auf dem Weg in die Boxengasse entsteigen. Zwischenzeitlich war ich etwas besorgt, als die Flammen recht hoch schlugen und den Wagen in wirklich schwarzen Rauch einhüllten, dem Kahne doch arg spät entsprang. Später stellte sich noch heraus, dass gleichzeitig mit dem Dreher der Motor von David Ragan den Geist aufgab, was für zusätzliche Verwirrung unter den Piloten sorgte.

Caution #4 (Runde 140): Joey Logano drehte Kyle Busch um, der Matt Kenseth aus seinem Tandem riss. Außerdem bekam auch AJ Allmendinger etwas ab.

Caution #6 (Runde 174): Ryan Newman dreht sich auf der Gegengerade und verpasst dabei knapp die SAFER-Barrier an der Grenze zum Infield. Das war übrigens der zweite unglaubliche Save von Newman innerhalb von drei Runden. Beim ersten Vorfall stieß Ryan Newman noch mit Juan Pablo Montoya zusammen, der sein Rennen danach abhaken konnte. Wenige Runden später zerriss ihm dann ein platzender Reifen als Folgeschaden den kompletten vorderen rechten Kotflügel. Bis dahin war er gemeinsam mit seinem Teamkollegen Jamie McMurray doch recht gut unterwegs. Nach langem Aufenthalt am Ende des Feldes kämpften sich die beiden Earnhardt-Ganassi-Fahrer im Finale zur Front durch.

Ich denke, dass ich zum Finish jetzt nicht allzu viel erzählen muss, im Video oben kann man es ja doch recht gut nachvollziehen. Außerdem gibt es bei NASCAR.com noch eine hier verlinkte, ausführliche textuelle Beschreibung der letzten Runde. Es war schon spektakulär und wurde fast noch wilder, als Carl Edwards und Greg Biffle neben den Trains von Jimmie Johnson / Dale Earnhardt Jr, Jeff Gordon / Mark Martin und Clint Bowyer / Kevin Harvick beim Endspurt zur Ziellinie noch eine vierte Spur aufmachten. Alles in allem zeigte sich aber, dass die Absprachen innerhalb der Top-Teams von Hendrick Motorsports, Richard Childress Racing und Roush-Fenway Racing am besten funktionierten. Joe Gibbs Racing und Penske Racing hatten ein wenig Pech beim Draften und bei EGR wurde Montoya ja ohne Eigenverschulden rausgenommen.

Langsam gewöhne ich mich an die Two-Car-Trains und finde die Sache jetzt auch nicht mehr so schlecht wie noch anfangs in Daytona. Alleine die Tatsache, dass der Big-One jetzt vermutlich seltener auftritt, entschädigt doch für den Wegfall der sonst so atemberaubenden, dichten, riesigen Drafting-Pakete. Die Möglichkeit der Außenseitersiege entfällt durch die neue Form des Windschattenfahrens zwar nicht komplett, zu große Abweichungen sind aber wegen der engen Zusammenarbeit innerhalb der großen Teams beim Draften fast ausgeschlossen. Lediglich die Lotterie in den letzten beiden Runden, wo eigentlich jeder der ersten ca. zehn bestplatzierten Fahrer das Rennen noch gewinnen kann, ist geblieben. Schön auch, dass sich keiner der pushenden Piloten dazu hinreißen ließ, in der Four-Wide-Situation noch den Teamkollegen überholen zu wollen.

Herausragende Ergebnisse (sowohl positiv als auch negativ):

– David Gilliland holte nach Daytona sein nächstes Top10-Ergebnis für Front Row Motorsports auf einem Superspeedway. Leider hat man den Restrictor-Plate-affinen Fahrer in die #34 gesetzt, welche bereits ein recht gutes Standing in der Owner-Wertung hat. Die #38 wäre vielleicht eine bessere Wahl gewesen, zumal man ihn im Falle einer Nicht-Qualifikation immer noch in die #34 hätte setzen können. Allerdings wäre das auch unfair gegenüber Travis Kvapil gewesen, der das Auto ja erst qualifizieren musste.

– Andy Lally holte Platz 19 für TRG Motorsports, konnte sich damit aber nur bis auf zwei Punkte an die Top35 heran robben, da Casey Mears Rang 22 für Germain Racing holte.

– Denny Hamlin, Ryan Newman und vor allem Dave Blaney kamen nur am Ende der Führungsrunde ins Ziel, obwohl sie davor eine Menge mehr gezeigt hatten. Bei Hamlin erscheint mir das schlechte Abschneiden etwas rätselhaft, zumal Teamkollege Joey Logano im Tandem mit Gilliland Platz 10 holen konnte. Irgendwie müssen die beiden sich im Gerangel verloren haben.

– Enttäuscht war ich auch von der Leistung eines Michael Waltrip, seines Zeichens eigentlich Restrictor-Plate-Spezialist. In seinem Gaststart zeigte der Teambesitzer in Teilzeitrente in der Anfangsphase, warum er gerade noch regelmäßig auf den Superspeedways in einem Auto sitzt. Später war von ihm jedoch nichts mehr zu sehen, weil er keinen guten Drafting-Partner mehr fand. Wirklich schade…

– Etwas Unverständnis habe ich für die Start-&-Park-Einsätze von Steve Park und Kevin Conway. Bei Joe Nemechek ist das zwar schon bekannt, doch er versucht wenigstens an jedem Rennen teilzunehmen. Warum Tommy Baldwin Racing (#35-Steve Park) und NEMCO Motorsports (#97-Kevin Conway) nun aber noch jeweils ein zweites Auto an den Start bringen mussten, bleibt mir schleierhaft. Sicher, es wird wegen des Preisgeldes gewesen sein, doch ehrenhaft ist das nicht. Gerade bei Park und auch Conway verstehe ich nicht, wie die sich bei einem One-Ray-Deal auf einen Start-&-Park-Einsatz einlassen konnten. Außerdem wurde damit einem eventuell durchfahrenden Mike Skinner sowie dem garantierten Vollzeitstarter Tony Raines, die in der Qualifikation hängenblieben, eine gute Chance genommen.

Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden.

Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.

Am nächsten Wochenende läutet der Sprint Cup bereits früh das zweite von nur drei Off-Weekends ein und macht eine kurze Osterpause, doch NASCAR-Racing wird es trotzdem geben: Nationwide Series und Trucks treffen sich in Nashville, um zwei von Sam Bass designte Gibson-Les-Paul-Gitarren abzustauben. Während die Trucks bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag um 2 Uhr fahren, geht die zweite Liga am Samstagabend zur besten Sendezeit um 21 Uhr auf die Strecke. Ich wünschen allen Lesern und Kollegen daher schon jetzt frohe Ostern und verweise auf die Vorschau zu Richmond in der nächsten Woche!

LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Charles Leclerc, Ferrari SF-24, leads Carlos Sainz, Ferrari SF-24 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Oscar Piastri, McLaren MCL38, leads Carlos Sainz, Ferrari SF-24, and Sergio Perez, Red Bull Racing RB20 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Max Verstappen, Red Bull Racing RB20, leads Lando Norris, McLaren MCL38, and George Russell, Mercedes F1 W15 during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Steven Tee / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - DECEMBER 01: Max Verstappen, Red Bull Racing RB20, Lando Norris, McLaren MCL38, and George Russell, Mercedes F1 W15, battle for the lead at the Race start during the Qatar GP at Losail International Circuit on Sunday December 01, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Zak Mauger / LAT Images)
LOSAIL INTERNATIONAL CIRCUIT, QATAR - NOVEMBER 30: George Russell, Mercedes F1 W15, in the pit lane during the Qatar GP at Losail International Circuit on Saturday November 30, 2024 in Losail, Qatar. (Photo by Sam Bloxham / LAT Images)

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2 Kommentare

Bluthund87 19 April, 2011 - 10:41

Das war wirklich ein knapper Zieleinlauf. Glückwunsch an Johnson. Ich hoffe aber, er weiß bei wem er sich zu bedanken hat! Jr war ein super Anschieber.

Allerdings finde ich diese „Zwei-Wagen Züge“ nervig. Früher ist das ganze Feld dicht gedrängt mit 300 über die Strecke gedonnert. Alle waren dicht beinander und da konnte auch mal einer von ganz hinten nach vorne wandern. Jetzt wird alles so auseinander gezogen. Sowas gibt es auf den normalen Oval schon genug. Das ganze Superspeedway Gefühl geht verloren.
Ich hoffe das die NASCAR sich da was einfallen lässt!

Jeff 19 April, 2011 - 13:54

Fand die ersten 100 Runden ziemlich öde mit den 2_car_tangos..Dafür habens die letzten 20 Runden rausgehauen..

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