Die Vergabe der traditionsreichen RAC Tourist Trophy steht wieder einmal auf dem Programm, ausgefahren wird der Sieger dieser Tage in der GT1-WM.
Dass man sich genau dieses Wochenende für das Silverstone-Event, bei dem nach der Pause am Sachsenring auch die GT3-EM wieder am Start ist, ausgesucht hat, passt wunderbar: eine Woche nach dem Grand Prix von Monaco und dem Indy 500, eine Woche vor den 24 Stunden von Le Mans, liegt die Tourist Trophy, die älteste bis heute vergebene Trophäe des Motorsports, in diesem Jahr eingebettet zwischen den Rennen der Triple Crown. Und aus noch einem weiteren Grund ist das GT-Rennwochenende etwas Besonderes: Zum ersten Mal wird der „Silverstone Wing“, die neue Boxenanlage zwischen Club und Abbey, zum Einsatz kommen.
Auf der runderneuerten Rennstrecke fuhren GT1 und GT3 freilich schon im vergangenen Jahr, doch damals war der „Wing“ noch eine große Baustelle und der Start noch auf der Geraden zwischen Woodcote und Copse. Die neue Start/Ziel-Gerade ist ein wenig länger als die alte, vor allem aber kommt die erste enge Kurve deutlich früher: Bereits nach den rasanten Abbey und Farm muss für die Arena-Kehre gebremst werden, während zuvor eine halbe Runde bis zum ersten harten Bremspunkt vor Club zurückgelegt werden musste, wo sich das Feld dann bereits meist schon in eine Reihe sortiert hatte. Die Startphase könnte also heuer – auch im Juli beim Formel 1-Lauf – für mehr Positionswechsel sorgen.
Aber ein Mangel an Positionswechseln ist ja weder in der 2011er-F1 noch in den GT-Serien das Problem. In Silverstone boten die GT-Serien schon 2010 gute Rennen, wenn auch getrübt von der Disqualifikation des Sieger-Aston Martin nach dem Championship Race. Auch um des Publikums willen ist zu hoffen, dass dieses Jahr derjenige siegt, der zuerst die Ziellinie überquert.
Gute Chancen darauf sollten wieder die Aston Martin- und Nissan-Teams sowie die All-Inkl.com-Lamborghini haben, auch wenn nach dem Sachsenring-Wochenende einige dieser Wagen mit Erfolgsballast unterwegs sind. Je 30kg extra schleppen die Meisterschaftsführenden Christian Hohenadel und Andrea Piccini (Hexis AMR) sowie die drittplatzierten Stefan Mücke und Darren Turner (Young Driver AMR) mit sich herum, 25kg Nicky Pastorelli und Dominik Schwager, die am Sachsenring ein gutes Wochenende hatten, aber in der Meisterschaft weiter zurück liegen.
Einfacher dürften also jeweils die Teamkollegen dieser drei haben, allen voran Marc Basseng und Markus Winkelhock, die bisher eine tolle Saison fuhren, aber beim Heimrennen mit technischem defekt ausfielen. Mit diesen beiden sollte aber wieder zu rechnen sein, die Chancen auf eine Wiedereroberung der Meisterschaftsführung stehen nicht schlecht.
Piccione/Düsseldorp (Hexis) und Müller/Enge (Young Driver) in den leichten Aston Martin werden versuchen, ihnen das Podium streitig zu machen, ebenso wie die Nissan, die nach schwachem, crash-reichem Saisonstart besser und besser in Fahrt kommen. Die 5kg Ballast, mit denen beide Sumo Power-GT-R beladen sind, dürften bei der Jagd nach dem ersten Saisonsieg nicht übermäßig stören, schienen die japanischen Wagen doch im letzten Jahr gut zu liegen auf der teils in Northamptonshire, teils in Buckinghamshire gelegenen Bahn.
Ein Erfolg wäre auch den in dieser Saison mit viel Pech gestraften Ford GT von Marc VDS zu wünschen und auch die Exim Bank China-Corvette der beiden Niederländer Hezemans/Catsburg hat schon einige gute Rennen gezeigt, ohne aber dafür belohnt zu werden. Doch in Silverstone sahen beide Marken im vergangenen Jahr kein Land. Die zweite Corvette des DKR-Teams ist nach einmal Aussetzen am Sachsenring wieder dabei, wird aber wie üblich keine Rolle spielen.
Nach dem Unfall im Hauptrennen des deutschen Events fehlen allerdings die beiden Swiss Racing-Lamborghini, die noch nicht wieder aufgebaut werden konnten – somit werden nur 16 Fahrzeuge auf dem Grid stehen, was wieder einmal zeigt, dass sich Stéphane Ratel für 2012 dringend einen Trick überlegen muss, um ein attraktives Feld zu bekommen – preislich begrenzte Aufrüst-Kits für GT3-Fahrzeuge sind momentan wohl die favorisierte Variante.
GT3-EM
Dieser Weg könnte sich tatsächlich als sinnvolle Lösung erweisen, denn die GT3-Kategorie ist bekanntlich deutlich „gesünder“ als die GT1: 28 Fahrzeuge sind für Silverstone gemeldet. Beim Saisonauftakt präsentierten sich unter anderem die über den Winter runderneuerten BMW Z4 stark, beim Blancpain Endurance-Lauf in Navarra, wo auch die GT3 antrat, war der Ferrari F458 klar der schnellste Wagen.
Wie üblich hat allerdings die FIA vor dem Silverstone-Wochenende mal wieder an der Balance of Performance herumgespielt, um die Fahrzeuge anzugleichen. Je 15kg müssen die neuen Ferrari, die Mercedes SLS AMG sowie die BMW Z4 im Vergleich zum Algarve-Lauf zuladen, 25kg die Audi R8. Leichter werden Ford GT, Lamborghini und vor allem die Porsche 911 (-25kg) an den Start gehen.
Porsche schwächelt in diesem Jahr bisher in der GT3 wie in anderen GT-Serien gegen all die neuen Fahrzeuge, die inzwischen auch quantitativ die Überhand haben – nur noch Prospeed setzt in der GT3-EM zwei 911er ein. Rang 9 (Heylen/Lappalainen in Lauf 2) war das Beste, was sich damit in Portimao erreichen ließ. Trotz des deutlichen Gewichtsvorteils wird es auch in Silverstone sicher nicht einfach werden.
Schwer wird es auch für die Podiumsplatzierten des zweiten Portimao-Laufs werden, denn die bekommen in diesem Jahr statt Erfolgsballast Erfolgs-Boxenstopp-Zeitstrafen aufgedrückt: 20 Sekunden für Ide/Franchi (WRT-Audi), 15 Sekunden für Castellacci/Leo (AF Corse-Ferrari) und 10 für Bosi/Baumann (Heico-Mercedes), im zweiten Lauf dann entsprechend die Top 3 des Samstagsrennens.
Wer nun in all dem BoP- und Strafzeiten-Wirrwarr in Silverstone die Nase vorn haben könnte, ist beinahe unvorhersagbar, ebenso wie Tendenzen, was die Gesamtwertung angeht. Doch die Rennen werden sicherlich wieder unterhaltsam und sehenswert, wie man das von dieser Serie inzwischen gewohnt ist.