Home Formel EinsF1 Formel Eins: Bahrain – Fahren, oder nicht fahren?

Formel Eins: Bahrain – Fahren, oder nicht fahren?

von DonDahlmann
4 Kommentare

Die FIA hat das im März ausgefallene Rennen in Bahrain wieder in den Kalender gehoben und es wird am 30.10 stattfinden. Ob das eine gute Idee war?

Die Situation in Bahrain hat sich etwas beruhigt. Die Notstandgesetze wurden aufgehoben, die Regierung befindet sich seit Wochen in Gesprächen mit der Opposition. Dennoch ist die Lage im Land, abseits der breiten Berichterstattung in den Medien, mehr als fragil. Es gibt weiterhin von Zeit und Zeit Proteste, es gibt auch Verletzte. Das Land ist nicht mehr am Rande eines Bürgerkrieges, aber die Spannungen sind deswegen nicht weniger geworden und die Niederschlagung der Aufstände im März ist auch noch nicht aufgearbeitet. Kann man in so einer Situation ein Rennen starten? Die FIA und Bernie Ecclestone sind der Meinung, dass das geht, manche Teams sind da eher zurückhaltender. Und die Frage, ob man nun fahren sollte, ist so leicht auch nicht zu beantworten. Dazu kommt, dass hinter der Entscheidung noch ganz andere Dinge stecken könnten.

Ich will man versuchen, zwei gegensätzlichen Argumente anzuführen:

1. Man kann nicht starten, weil das Land am Rande eines Bürgerkriegs ist.
Die Lage in Bahrain ist, wie oben beschrieben, weiter sehr angespannt. Würde die F1 in einem Land starten, in dem es Unruhen gibt? Vermutlich nicht, weil man die Sicherheit der Teams, Journalisten und Zuschauer nicht gewährleisten könnte. Das ist Bahrain nicht anders. Erschwerend kommt hinzu, die das es vermutlich um den GP herum wieder Proteste geben wird, die die Sache richtig kompliziert machen können. Ecclestone begründet den Start damit, dass sich die F1 nicht in die Politik einmischen sollte, und nutzt damit die Argumentationslinie des IOC. Das ist natürlich Quatsch, weil ein Einsatz der Formel Eins wenn nicht Prestige, so doch den Eindruck erweckt, dass alles in bester Ordnung sei.

2. Man sollte starten, weil die Journalisten dann die Chance die Situation in den Medien zu verbreiten.
Das wiederum würde die Königshaus von Bahrain unter Druck setzen und so vielleicht schon im Vorfeld dafür sorgen, dass die momentan entstandenen Probleme beseitigt werden. Das wäre allerdings eine Möglichkeit, für die alles perfekt laufen müsste. Genauso gut könnte es passieren, dass Oppositionelle Wochen vor dem Rennen „verschwinden“ oder unter Hausarrest gestellt werden. Auch dass sich Journalisten frei im Land bewegen dürfen, wird man wohl nicht erwarten können. In solchen Situationen bekommt man dann entweder einen „Aufpasser“ oder generell gesagt, dass man sich nur innerhalb eines bestimmten Bereiches bewegen darf.

Ich bin grundsätzlich nicht gegen einen Start in Bahrain, aber vielleicht wäre die FIA besser beraten gewesen, wenn sie dem Veranstalter gesagt hätten „Ja, wir würden gerne bei Euch 2011 starten, aber passt nicht mehr in den Kalender. Wir freuen uns auf 2012“. Es nicht zu tun, setzt die FIA (bei einer erneuten Absage) und Bahrain unnötig unter Druck. Jetzt gibt es einen Termin, an dem alles „passen“ muss, jetzt haben beide Seiten in Bahrain ein Instrument, Druck auf den Gegner auszuüben. Eine insgesamt unbefriedigende Situation.

Da fragt man sich, warum die FIA und Ecclestone das so machen. Dahinter könnte auch die drohende Übernahme durch News Corp./Exmor stecken. Es tauchen immer wieder Berichte auf, dass Ecclestone seit Monaten in verschiedene arabische Staaten reist, um dort Investoren zu bewegen, die F1 zu übernehmen. Die Staatsfonds in Abu Dhabi und Bahrain sind jetzt schon stark in die F1 involviert, eine Übernahme, mit Bernie als Statthalter, würde durchaus Sinn machen. Auch weil die Araber einen Bieterstreit mit Murdoch und Exmor locker durchhalten würden. Es ist also durchaus im Interesse von Ecclestone, mögliche Investoren zu zeigen, dass er zur Region steht, auch wenn diese gerade ein paar „Unpässlichkeiten“ erlebt.

Gleichzeitig bietet die Einsetzung des GPs Ecclestone auch die Möglichkeit, einen Keil in die bisher doch recht massiv wirkende Front der FOTA zu treiben. Die berät sich seit gestern Nachmittag, wie man auf die FIA Ankündigung reagieren soll, nachdem in den letzten Wochen von verschiedenen Seiten immer wieder hat durchblicken lassen, dass man ungern starten würde. Doch sich öffentlich gegen die FIA und Ecclestone zu stellen ist eine Sache. Die andere Sache ist, dass verschiedene Teams eben von jenen arabischen Investmentgesellschaften finanziert werden. Das Mercedes Team gehört zu 40% einem arabischen Fonds, ebenso McLaren und seit Neustem, angeblich, bestätigt ist es nicht, auch Teile von Toro Rosso. Der FOTA-Chef Martin Whitmarsh kann sich kaum öffentlich hinstellen und sagen „Wir wollen das nicht.“ Auf der anderen Seite gibt es Teams wie Williams, Virgin, Sauber oder Team Lotus, deren Sponsoren es vielleicht nicht gerne sehen, dass man in Bahrain startet.

Oder anders gesagt: Die Sache ist noch komplizierter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn hinter Kulissen gärt es im Moment massiv. Bahrain scheint da nur eine Schachfigur zu sein, die man in Position gebracht hat.

P.S.: Zu dem Spiel scheint mir auch der neue F1 Kalender für 2012 zu gehören. Ich wundere mich ein wenig über das Auftauchen der Türkei, deren Vertrag abgelaufen ist. Dass die Türkei drin ist, deutet an, dass man das Rennen nicht aufgeben möchte. Ich hätte noch Verständnis, dass man die Türkei als möglichen „Ersatz“ für einen Ausfall in Bahrain oder den USA drin lässt, dafür müsste man den Termin aber in den Herbst schieben, damit man Luft hat.

Ziemlich undenkbar ist es, dass man Bahrain und Australien innerhalb von sieben Tagen durchziehen will. Das ist logistisch machbar, weil man den ganzen Krempel spätestens Montagabend verladen und am Dienstagabend in Melbourne haben kann. Ein Albtraum ist aber dennoch, weil der Jetlag für alle noch dazu kommt. Ebenso nutzen die Teams in dem ja durchaus wichtigem Markt die Zeit vor dem GP gerne für ihre Marketingaktionen, die dann flach fallen würden. Wie immer ist der Kalender aber eh nur provisorisch, Änderungen können bis in den März 2012 erfolgen.

11/03 BHR Bahrain
18/03 AUS Australia
01/04 MYS Malaysia
08/04 CHN China
22/04 KOR Korea
06/05 TUR Turkey *
20/05 ESP Spain
27/05 MCO Monaco
10/06 CAN Canada
17/06 USA United States
01/07 ESP Valencia, Spain
15/07 GBR Great Britain
29/07 DEU Germany
05/08 HUN Hungary
02/09 BEL Belgium
09/09 ITA Italy
30/09 SGP Singapore
14/10 JPN Japan
28/10 IND India
11/11 ARE Abu Dhabi
25/11 BRA Brazil
* Subject to confirmation

Das könnte Dir auch gefallen

4 Kommentare

Ralf G. 4 Juni, 2011 - 11:42

Die Formel 1 hatte nie irgendwelche moralischen Hemmungen, wir Älteren mögen uns noch dran erinnern dass die Formel 1 eine der wenigen Sportveranstaltungen war die den internationalen Boykott gegen das Apartheid-Regime in Südafrika unterlaufen hat. Hinzu kommt dass viele Autosport-Anhänger eine tiefsitzende „mir doch egal, Hauptsache geiles Rennen, ey“-Mentalität mitbringen (man schaue in die Kommentarspalten bei motorsport-total und co., da wünscht man so manchem dort mal selbst mit dem Schlagstock eines uniformierten „Ordnungshüter“ in solchen Ländern Bekanntschaft zu machen).

Ich war eh schon immer ein Gegner dieser seelenlosen Plastik-Rennen in den Öldiktaturen (nix als ein Kotau vor den Scheichs weil sie den Lebenssaft für den Fetisch „Auto“ haben) und würde mir wünschen, dass eine solche Hemmungslosigkeit der Formel 1 in Sachen Bahrain so „pr-öffentlichkeitsmäßig“ schwer bei den beteiligten Sponsoren und Autowerken nach hinten los geht.

StefanTegethoff 4 Juni, 2011 - 13:13

Ich würde es auch begrüßen, wenn die FOTA da zumindest irgendwie Widerwillen kundtut. Dass mehrere oder gar alle Teams boykottieren, wird wohl nicht passieren, aber vielleicht ja irgendwer, für den es um nix mehr geht, Williams etwa (leider) :-D Aber rechnen tu ich auch damit nicht.

Dennoch, zwei Links:
– Das britische Magazin MotorSport hat klar Stellung bezogen und die FOTA zum Boykott aufgefordert, Artikel des Chefredakteurs Damien Smith hier: http://www.motorsportmagazine.co.uk/2011/06/03/the-bahrain-decision-time-to-act/

– Bei Avaaz.org gibt es eine Online-Petition: http://www.avaaz.org/de/no_f1_in_brutal_bahrain/ Auch eher wenig relevant, aber vielleicht ja etwas Symbolwirkung.

nona 4 Juni, 2011 - 20:58

Ich halte es immer grundsätzlich für mindestens fragwürdig, in Diktaturen aus wirtschaftlichen Gründen grosse Sportereignisse auszurichten. Bahrain war, wie manch anderes F1-Land auch, auch vor der inneren Krise nicht direkt ein Hort von Freiheit und Demokratie, insofern hat sich an der prinzipiellen Situation wenig geändert.

Den Kalender mit 21 Rennen für 2012 habe ich als „Verhandlungskalender“ interpretiert – Widerstand gegen mehr als 20 Rennen gab es in der Vergangenheit bereits öfters, wenn also 21 angesetzt werden und z.B. die Teams dagegen protestieren, dann kann Bernie leichter nachgeben (und dafür dann woanders Zugeständnisse einfordern) und hat dann trotzdem noch 20 Rennen im Programm, gleichzeitig kann er darüber auf die Streckenbetreiber Druck machen falls nötig.

Vorsicht 4 Juni, 2011 - 21:34

Das habe ich mir zum Kalender auch gedacht. Einziges Gegenargument: Der offensichtliche Wackelkandidat – nämlich die Türkei – liegt jeweils zwei Wochen vom vorhergehenden und nächsten Rennen entfernt. Was bei Absage eine unschöne 4 Wochen-Lücke ergäbe.
Nicht, dass man das nicht auch noch ändern könnte, natürlich…

Und zu Bahrain: Das Fahren in Diktaturen kann man natürlich immer kritisch hinterfragen. Und es stimmt sicher auch, dass die F1 da nicht die allerbeste Vergangenheit hat (siehe Südafrika). Ich stimme völlig zu, dass das auch grundsätzlich fragwürdig ist.
Aber die spezifische Situation in Bahrain ist im Moment sicher nicht nur das, was unter „normalen“ Umständen von einem autoritären Regime zu erwarten wäre – sondern eine ganz besonders aufgeheizte Stimmung, in der die Sicherheitskräfte der Regierung durchaus auch mal durch Krankenhäuser streifen und Namen der zuvor von ihnen verletzten Demonstranten aufschreiben, Sanitäter bedrohen, etc.
Und in dieser Situation ist es für die Regierung natürlich ein ganz besonderes Prestige und eine Bestätigung, trotzdem die Formel 1 ins Land zu holen. Die wird dadurch noch mehr als sonst zum Instrument. Und das sollte ein moderner Sport schon lange nicht mehr mit sich machen lassen.

Ganz abgesehen davon, dass ich auch die Sorge um die Sicherheit von Mitarbeitern der Teams, Medien, etc. für plausibel halte. Natürlich wird die Regierung alles tun, um die Formel 1 von den Unruhen abzuschotten. Für die „wichtigen“ Persönlichkeiten wird das auch sicher gehen. Aber für alle?

Comments are closed.