Eine klassische Strecke, viele Überholmanöver und ein interessantes Finish – was will man eigentlich mehr? Die IndyCar Series hat es trotzdem nicht geschafft, Fans auf die Tribünen zu locken. Und ABCs Dauerwerbesendung vertrieb sie von den Schirmen.
Und wieder eine vergebene Chance. Die Milwaukee Mile ist für die IndyCars historischer Grund, noch in den 1990er-Jahren strömten 50.000 Fans am Renntag der CART-Serie an die Strecke. Nach einem Jahr Pause kehrte man heuer wieder zurück. Und wurde von nur etwa 15.000 Besuchern begrüßt. Schade. Nicht zuletzt deswegen, weil das Rennen durchaus sehenswert war. Wenn man denn etwas davon zu sehen bekam. Denn wesentlich öfter als die Action von der Strecke zeigte ABC im Sonntag leider Werbeeinschaltungen. Immerhin: Die Schlussphase gab es ohne Werbeunterbrechung zu sehen. Und die lieferte, trotz eines am Ende ungefährdeten Siegers, noch einmal richtig Spannung. Abseits der Strecke brodeln derweil Spannungen zwischen den Teams.
Auch, wenn sie am Ende doch meist gewinnen – die Dominanz von Penske und Ganassi schien während den letzten Rennen zunehmend in Gefahr zu geraten. Diesmal hätte es fast geklappt: Tony Kanaan konnte an der Spitze mithalten, und lag zeitweise sogar recht komfortabel in Führung. Leider warf er den Wagen 29 Runden von Schluss mit einem Fahrfehler in die Wand, so dass Franchitti schließlich doch wieder ziemlich unbedrängt den Sieg nach Hause fuhr.
Auf Rang zwei landete Graham Rahal, der seinen Aufwärtstrend der vergangenen (Oval-)Rennen mit einem weitern starken Rennen verfestigte. Ebenso beeindruckend war abermals die Performance von Newman/Haas Racing: Oriol Seriva landete unauffällig aber effektiv auf Rang drei, James Hinchcliffe bewies mit Rang sechs erneut, dass er nicht zu Unrecht in der IndyCar Serie unterwegs ist. Besonders beim Spanier scheint es, als müsst nur der letzte Knoten noch platzen – der erste Sieg scheint heuer durchaus in Reichweite.
Auch KV Racing war wieder flott unterwegs: Kanaan hätte fast gewonnen, EJ Viso war konstant in den Top Ten unterwegs, bis auch er den Wagen etwa nach Rennmitte in der Mauer parkte. Auch der dritte im Bunde, Takuma Sato, fuhr zunächst in der Spitzengruppe mit. Bei einem Boxenstopp traf er dann aber einen Reifen (und fast auch noch einen Mechaniker), was die Rennleitung mit einer Durchfahrtsstrafe quittierte. Dass es trotzdem noch für Rang acht (in der Führungsrunde) reichte, spricht für die Performance von Team und Fahrer.
Etwas unter den Erwartungen: Team Penske. Einzig Powers guter (aber keineswegs überragender) vierter Rang rettete das Wochenende. Helio Castroneves lag zwar zeitweise in Führung – Druckverlust in einem Hinterreifen zwang ihn dann aber in die Box. Der enttäuschende neunte Rang war die Folge. Ryan Briscoe war zwar oft im Bild (weil als einer von wenigen mit einer Onboard-Kamera unterwegs), dass es ohne gröbere Probleme aber nur für Rang elf gereicht hat, ist für den Australier aber gewiss eine weitere Enttäuschung. Fährt er so weiter, ist sein Penske Cockpit für 2012 sicher in beträchtlicher Gefahr.
Die deprimierende Story des Wochenendes lieferte aber einmal mehr Simona de Silvestro. Die Schweizerin flog im Qualifying schon wieder hart in die Wand, und musste die Nacht im Krankenhaus verbringen. Für den Renntag gab es zwar eine Starterlaubnis – weder das Auto noch (wenn die Fernsehbilder nicht sehr trügen) sie selbst waren aber in wirklich konkurrenzfähiger Rennverfassung. Nach tapferem Startversuch stellte sie den Wagen elf Runden später wieder ab.
Die Meisterschaft beginnt beim nächsten Rennen quasi von neuem. Denn sowohl Will Power als auch Dario Franchitti liegen nach dem Lauf in Milwaukee gleichauf bei 271 Punkten. Mit gehörigem Respektabstand folgt dann auf Rang drei der erstaunliche Oriol Servia (198) denkbar knapp vor Scott Dixon (195) und dem dritten Ganassi in den Top fünf, Graham Rahal (176). In der Ovalwertung führt Franchitti nach drei Läufen mit 117 Zählern von Scott Dixon (111), Power (103), Rahal (94) und Servia (88).
Ein wenig Unbill gab es wieder einmal nach dem Rennen – und in beiden Fällen stand Dario Franchitti im Fokus. Denn ob Niederlage wie in Texas oder Sieg wie in Milwaukee: Kritik im Post-Race Interview scheint bei Franchitti neuerdings zum guten Ton zu gehören. Diesmal war Helio Castroneves dran, bei dem der Schotte Blocking-Manöver im Kampf im Platz eins ortete. In einem anderen Aspekt stand Franchitti selbst in der Kritik: Denn auch der spätere Rennsieger soll bei einem Boxenstopp den Reifen eines Konkurrenzteams (der Penske-Crew von Will Power) berührt haben. Anders als Takuma Sato ereilte den Schotten aber keine Durchfahrtsstrafe – angeblich gab es keine schlüssigen Videobeweise.
Und auch wenn es sie gegeben hätte: Die Chance, sie zu sehen wäre zumindest für den TV-Zuseher verschwindend gering gewesen. Denn Broadcaster ABC behandelte das IndyCar Rennen einmal mehr als Dauerwerbesendung mit kurzen Rennunterbrechungen. Dass man als Network am Ende schnell aus der Übertragung raus muss, und wenig Zeit für Nachberichte hat – verständlich. Wenn aber auch während des Rennens in jeder Sekunde zu merken ist, dass man die IndyCar Serie viel lieber nicht zeigen würde – dann kann das für keinen der Beteiligten eine weise Business-Entscheidung sein. Auch die Zuseher in den USA waren diesmal wohl nicht begeistert: Ein Overnight Rating von nur 0.9 (Erklärung zum US-Ratings-System im Indy 500 Artikel) dürfte wohl weder die Serie, noch Team und Sponsoren, noch ABC nachhaltig begeistern.
Hoffentlich tröstet man sich bei ABC nicht damit, dass auch die Besucherzahlen vor Ort ziemlich enttäschend waren. Nach der Pleite des Milwaukee-Promoters im vergangenen Jahr hat man diesmal einen handverlesenen Veranstalter aus dem Serien-Heimatstaat Indiana mit der Ausrichtung beauftragt. Auch der hatte keinen Erfolg: Nur etwa 15.000 Zuseher waren am Sonntag vor Ort. Eine Rückkehr der Serie an die Traditonsstrecke wollte CEO Randy Bernard zwar am Rande des Rennens noch nicht ausschließen, sie scheint aber zunehmend unwahrscheinlich. Zumal auch, was ja im Grunde erfreulich ist, Strecken wie Elkhart Lake und Chicagoland (die beiden einen ähnlichen Markt bedienen) offenbar gute Chancen haben, 2012 wieder ein IndyCar Rennen austragen zu dürfen.
Vorschau: Iowa
Schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag (2:00 Uhr) steht in Iowa das nächste Rennen auf dem Plan. In früherer Zeit war das progressiv überhöhte Oval eher als Langweiler verschrien. Der Plan, dort mehrere Fahrspuren zu schaffen, schien nicht immer so richtig so funktionieren. 2010 gab es aber zur allgemeinen Überraschung ein ziemlich enges und spannendes Rennen – vielleicht hat man also nun auch in Iowa den richtigen Modus für knappes Racing gefunden. Damals gewann Tony Kanaan, vielleicht schafft ja auch in diesem Jahr ein Außenseiter die Überraschung.
In einer Hinsicht dürfen Fans jedenfalls aufatmen: Statt der desinteressierten Truppe von ABC übernimmt diesmal wieder Versus die Übertragung. Man soll den Sender ja nicht in den Himmel loben, denn auch dort könnte man manches besser machen. Im Vergleich mit ABC ist der Spartenkanal aber geradezu Oscar-verdächtig. Das gilt leider nicht für die Empfangbarkeit im deutschen Sprachraum, wo man auch am kommenden Sonntag wieder auf alternative Quellen angewiesen sein wird.
Fotos: INDYCAR
1 Kommentare
Ich finds schön, dass die IndyCars dieses Jahr gleich zwei Einmeiler ins Programm genommen hat. Aber es scheint ja nun schon wieder so, als würde das nicht lange so bleiben… Road America wär natürlich eine alles andere als schlechte Alternative.
Doof ist natürlich, dass auch das Loudon-Rennen von ABC übertragen wird… aber wenn man den richtigen (britischen) Stream erwischt, merkt man die Werbe-Orgie zumindest nicht ganz so schlimm :D Das hilft natürlich den US-Quoten auch nicht weiter.
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