Nissan und Aston Martin stritten sich in der GT1 beim Rennwochende in Südfrankreich um die Podiumsplätze, in der GT3 siegten Lamborghini und Porsche. Mit kontroversen Zwischenfällen konnten beide Serien aufwarten…
Michael Krumm und Lucas Luhr im JR Motorsport-Nissan GT-R gewannen die beiden einstündigen Läufe auf dem Circuit Paul Ricard, die einzig echte Konkurrenz aus dem Hause Young Driver AMR konnten die beiden Deutschen dabei durchgehend im Zaum halten – im Quali-Rennen wurden Enge/Müller mit 8 Sekunden Rückstand Zweite; im Hauptrennen war es enger, hier mussten sich Mücke/Turner nur um knapp eine Sekunde geschlagen geben. Diese beiden Marken waren auch für den Großteil der Rennaction zuständig, denn hier gab es einige sehenswerte Duelle, vor allem jeweils in der zweiten Rennhälfte, nach den Fahrerwechseln, die ja immer das Kräfteverhältnis etwas ändern.
So zeigte z.B. Jamie Campbell-Walter ein sehenswertes Überholmanöver gegen Frédéric Makowiecki außenherum in der schnellen Signes-Kurve am Ende der langen Geraden. Auch im zweiten Rennen zeigten Campbell-Walter und Brabham eine tolle Leistung, erbten schließlich den vierten Rang, weil Markenkollege Dumbreck wenige Runden vor Schluss mit Aufhängungsschaden ausschied.
Dumbrecks Teamkollege Westbrook hatte die mit Rang 2 tolle Ausgangsposition schon im ersten Lauf verzockt, als er nach dem Stopp in den ersten Runden die Reifen auf der aggressiven Bahn etwas zu hart rannahm in dem Versuch, Platz 1 zu erkämpfen. So bauten seine Gummis schneller ab und er musste zum Ende hin noch die beiden Young Driver-Aston Martin vorbeiziehen lassen.
Die Frage, wo die übrigen Marken waren, lässt sich schnell und ohne große Überraschungen beantworten: drei der vier belgischen Ford GTs waren wie üblich in Zwischenfälle verwickelt und landeten in beiden Rennen am Ende des Feldes, nur Martin/Makowiecki als beste Fahrerpaarung konnten die Ränge 5 und 6 einfahren. Das haarsträubendste Manöver lieferte Marc Hennerici ab, der im Quali-Rennen beim ersten Passieren der Schikane den Bremspunkt zu spät setzte und einen Belgian Racing-Ford sowie einen Sumo Power-Nissan abräumte.
Die beiden All-Inkl.com-Lamborghini waren mit dem Erfolgsballast aus Navarra „gesegnet“ und traten auf der Stelle, rückten aber in der Startaufstellung für das Hauptrennen bis auf Platz 5 auf, von wo sie aber im Rennen, u.a. auch durch einen langsamen Boxenstopp, wieder auf Rang 8 zurückfielen, mehr Punkte waren nicht zu holen.
Das Vorrücken war dadurch zustande gekommen, dass die Rennleitung nach dem Samstags-Lauf Strafen für das Missachten der Streckenbegrenzung verteilte, und zwar an sechs der 16 Teilnehmer. Zwar ist das Neben-der-Strecke-fahren in den letzten Jahren mit zunehmenden asphaltierten Auslaufzonen auch auf anderen Rennstrecken immer häufiger geworden, doch nirgends ist es so extrem wie auf dem Circuit Paul Ricard, wo es ausschließlich Asphalt-Auslauf gibt. Vor allem bei den Rennstarts beider Rennserien gab es Fahrer, die nicht einmal ernsthaft zu versuchen schienen, in der ersten S-Kurve auf der Strecke zu bleiben, andere wurden von ihren Konkurrenten von der Bahn geschoben…
Das musste natürlich dazu führen, dass sich einige Fahrer ungerecht behandelt fühlten, und die taten das auch kund: die beiden Nissan-Piloten Richard Westbrook (JR Motorsport) und Jamie Campbell-Walter (Sumo Power) haben anscheinend bei Will Power und Co. abgeguckt und äußerten sich via Twitter:
Westbrooks Kommentare:
“So after yesterdays shenanigans and getting hit again, me and @AhLovejoy receive a 3 grid penalty #giveupson“
“Peter had 4 wheels off track at turn 1 lap 1. Seems a tad harsh…..I’m really questioning this championship…shame”
“Stewards position available for GT1 world championship. People with vision or any common sense need not apply”
…und die von Campbell-Walter:
“I received a drive through, which I took and a 30 sec penalty for cutting a chicane and gaining no advantage! Then @brabsracer receives a 3 place grid penalty for cutting the first corner……! #igiveupaswell @RWestbrook1“ (von mir zusammengefügt)
“I really do question the professionalism of the officials in this championship after yesterday…”
Ob es nun der beste Weg ist, seinen Groll gegen die Offiziellen über Twitter kundzutun, wage ich zu bezweifeln, aber es gibt uns einen interessanten Einblick in die Serie, um die es sowieso schon nicht gerade gut bestellt ist. Wenn es nun nicht nur an Fahrzeugen, Ersatzteilen und Sponsoren mangelt, sondern die Fahrer schon in der Öffentlichkeit auf die Rennleitung losgeht, bleibt abzuwarten, ob sich genügend Interessenten für die im nächsten Jahr geplante GT1/2/3-WM finden – immerhin hat Ratel Ende Juli als Deadline gesetzt. Finden sich bis dahin nicht genügend interessierte Teams für die neue Meisterschaft, will er diese gar nicht erst austragen.
Allzu viele Zuschauer konnte das GT-Wochenende mit immerhin einer Weltmeisterschaft, einer Europameisterschaft, der Lamborghini Super Trofeo sowie der Britischen Formel 3 auch nicht anziehen. Zwei Tribünen wurden in den letzten Jahren an der Strecke gebaut, die ja zuvor lange eine reine Teststrecke war, bevor die „alte“ FIA-GT 2006 dort wieder den Rennbetrieb aufnahm. Man könnte also meinen, die GT1 hätte sich hier in der Region in den letzten fünf Jahren eine Fanbasis aufgebaut – doch nur die kleine Tribüne in der letzten Kurve war gut gefüllt, die Ränge entlang der Start/Ziel-Geraden waren erschreckend leer.
Ob sich das beim nächsten Event ändern wird, bleibt abzuwarten, denn das wird Anfang September in der Inneren Mongolei stattfinden, genauer gesagt in Ordos. Als Meisterschaftsführende fliegen dann Luhr/Krumm mit 111 Punkten nach China, gefolgt von den bisherigen Spitzenreitern Basseng/Winkelhock (97). Dann folgen mit 84 Zählern Hohenadel Piccini sowie die beiden Young Driver AMR-Duos Turner/Mücke (79) und Enge/Müller (74).
GT3-EM
Das vergangene Rennwochenende am Circuit Paul Ricard markiert einen Wendepunkt in der GT3-Europameisterschaft. Bei den ersten beiden Events in Portimao und Silverstone war der BMW Z4 klar das stärkste Auto. Dieser Vorsprung wurde durch die Balance of Performance-Änderungen zunichte gemacht, in Navarra war die Konkurrenz auf Augenhöhe und ein anderes Team – AF Corse mit dem ebenfalls neuen Ferrari F458 – übernahm die Spitze.
Das Unglück nahm in Le Castellet schon in den Qualifyings seinen Lauf, die für die vier Wagen sehr durchwachsen verliefen – ob man keine passende Abstimmung gefunden hat, oder den Dunlop-Reifen (die Konkurrenz fährt Michelin) auf eine schnelle Runde die Temperatur fehlte, weiß ich nicht. In Rennen 1 jedoch ging es zunächst gut voran. Doch dann rollte zunächst Sandström antriebslos aus; nach 20 Minuten drehte sich Al-Faisal im Zweikampf mit zwei Mercedes in der Beausset-Kurve; und der Meisterschaftsführende Herbert Vos, der von Startplatz 25 in die Top Ten vorgearbeitet hatte, konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und torpedierte das Schwesterauto mit voller Wucht. Für dessen Co-Piloten de Boer sollte am Sonntag im wiederaufgebauten Wagen auch noch ein Dreher nach Anstupser hinzukommen.
An der Spitze hingegen gehörte das Samstagrennen ganz und gar dem Reiter-Team mit Nikolaus Mayr-Melnhof und Albert von Thurn und Taxis gehört. Letzterer hatte zuvor mit fast neun Zehntelsekunden Vorsprung die Pole für den ersten Lauf herausgefahren und konnte so von Beginn an vorn wegfahren. Am Sonntag allerdings wurde das Rennen von „Niki MM“ (wie es auf dem Wagen steht) jäh beendet: Gregory Guilvert im Aston Martin war besser aus der Schikane gekommen, und zackte auf der Suche nach einer Lücke wild hinter Mayr-Melnhof herum. Der versuchte zu blocken und es kam zur Berührung, die den Lamborghini in einen Highspeed-Dreher schickte, der zum Glück wenigstens ohne weiteren Kontakt ausging.
So heftig wie der Kollege von @planetlemans es via Twitter formulierte („Looks like some of the #GT3Europe guys have looked at the wrong actions in #GT1World. Bad driving standards…fortunately noone injured yet.”) würde ich es zwar nicht sehen, doch zumindest dieses eine Manöver war haarsträubend – meiner Meinung nach von beiden Fahrern!.
Denn unschuldig ist Mayr-Melnhof daran auch nicht gewesen: ein mit Geschwindigkeitsüberschuss heranrauschendes Fahrzeug sollte man nicht um jeden Preis zu blocken versuchen – solche Manöver führen meist zu Unfällen, selbst wenn der Hintermann nicht so wild fährt wie Guilvert, der auch zurecht bestraft wurde. Der extrem saure Österreicher sagte hinterher im Interview „I blocked him, I knew he was faster“ – das sollte ihm selbst auch noch einmal zu denken geben! Auch ohne den Crash wäre für den Reiter-Lambo natürlich im zweiten Lauf dank der 15 Sekunden Kompensationszeit nicht viel drin gewesen, doch dazu kam es nach dem Ausfall erst gar nicht.
Stattdessen stritten sich zunächst Mike Parisy (Meredes) und Maxime Martin (Aston Martin) um die Führung. Parisy versuchte es nach neun Runden mit einem Überraschungsmanöver, stach in der letzten Kurve innen in eine kleine Lücke hinein, konnte den Mercedes jedoch nicht weit genug innen halten und berührte den Aston Martin. Der jedoch blieb intakt, während die Vorderradaufhängung des SLS brach.
Nach den Boxenstopps machte van Splunteren im Prospeed-Porsche Jagd auf den Team LMP-DBRS9 und schnappte ihn schließlich auch, als Lesoudier in einer der engen Kurven im westlichen Teil der Strecke eine weite Linie fuhr. Somit hat nun nuch BMW, Audi, Lamborghini und Ferrari mit Porsche dir fünfte von acht Marken in der Serie einen Sieg. Vorangegangen waren natürlich auch hier BoP-Änderungen (vor Navarra), die den guten alten 911er auf Augenhöhe mit den neueren Konkurrenzautos brachten. Dennoch: ein schöner Erfolg für die belgische Mannschaft, die im Vorjahr auch die Team-Meisterschaft gewann.
Es scheint so, als hätten die Offiziellen nun in ihrem Streben nach Chancengleichheit einen für sie annehmbaren Status erreicht. Die meisten Wagen sind fähig, aus eigener Kraft aufs Podium zu fahren. Dass Mercedes und Aston Martin jeweils noch ein Sieg in der EM fehlt, liegt eher an Pech und Unfällen. Einzig die beiden Fischer Racing-Ford GTs scheinen nicht mithalten zu können. Wie der Porsche 911 ist auch dieser von Matech für die GT3 getunte Wagen ein älteres Modell – hinzu kommt, dass Matech Concepts nach dem Tode Thomas Barteks insolvent ging, Updates sind also auch nicht zu erwarten. Ein zehnter Rang für Eskellinen/Nygaard war das höchste der Gefühle, hier könnte eine kleine BoP-Anpassung angebracht sein…
Die Meisterschaft ist durch das Seuchen-Wochenende von BMW (das die Schubert-Teamkollegen Sandström und Walter mit einem Crash in der Auslaufrunde des zweiten Rennens zur Vollendung brachten!) kräftig durcheinandergewürfelt worden: die ehemals führenden Niederländer de Boer/Vos sind auf Rang 5 abgestürzt, liegen aber nur 12 Punkte hinter Leo/Castellacci (79 Punkte), die für AF Corse ein tolles Wochenende mit den Rängen 4 und 2 hatten. Auf 75 Zähler kommen Die/Franchi (WRT-Audi), auf 73 Al-Faisal/Sandström (Schubert-BMW) und auf 69 Martin/Lesoudier (LMP-Aston Martin). Auch das Reiter-Duo mit Thurn und Taxis und Mayr-Melnhof ist mit 62 Punkten noch in Schlagdistanz.
Das nächste Rennwochenende hätte eigentlich gemeinsam mit der Superleague Formula im russischen Smolensk stattfinden sollen, hier fehlte jedoch Geld bzw. die notwendigen Updates an der Rennstrecke. Ein Ersatz wurde bisher nicht angekündigt. Es könnte also sein, dass die GT3-EM direkt aufs Saisonfinale zusteuert, das für Mitte August in Zandvoort angesetzt ist. Allerdings: in zwei Wochen steht zunächst noch das 24h-Rennen in Spa an, das zwar nicht zur Europameisterschaft, sondern zur Blancpain Endurance Series gehört, aber an dem auch einige der hier vertretenen GT3-Teams teilnehmen werden.
(Bilder: GT1/SRO, Ferrari)