Wieder ein neues Format für die 24h von Spa-Francorchamps, das aber dürfte nun dauerhafter sein. Auf alle Fälle bringt es wieder viele spektakuläre GT-Wagen für den Ardennen-Klassiker zusammen, u.a. den brandneuen McLaren MP4-12C.
In diesem Jahr stellt das Rennen den Saisonhöhepunkt der neu geschaffenen Blancpain Endurance Series dar, die für GT3- und GT4-Fahrzeuge ausgeschrieben wird. Die Abkehr von der FIA GT-Meisterschaft mit GT1 und GT2 bei einem der großen 24h-Klassiker mag einige Fans anfänglich enttäuscht haben, doch der Effekt auf die Starterzahlen war positiv: waren in FIA GT-Jahren stets um die 40 Fahrzeuge am Start, sind in diesem Jahr 62 Wagen für das Rennen gemeldet. Mehr hatten sich beworben, doch auch Spa mit seinen zwei Boxengassen stößt irgendwann an seine Kapazitätsgrenze.
2010 war ein Übergangsjahr: die GT2-Europameisterschaft war nicht zustande gekommen, Organisator Stephane Ratel improvisierte und zauberte ein Rennen für Fahrzeuge der Kategorien GT2 bis GT4 aus dem Hut, auch national homologierte Sportwagen (GTN) waren zugelassen. Um den Sieg stritten sich die Schnitzer-BMW M3 (NGT) und die Porsches von IMSA Performance Matmut und der BMS Scuderia Italia (GT2), wobei am Ende letzterer die Oberhand behielt.
Die 2006 eingeführte GT3-Kategorie ist recht gesund – vielleicht befindet sie sich gerade auf ihrem Höhepunkt, das wird man in den nächsten Jahren sehen müssen. Jedenfalls nehmen die Werks-Engagements langsam aber sicher Überhand, was aktuell oft hochklassige Rennen bringt, aber langfristig problematisch werden könnte, Stichwort Wettrüsten (das ja bereits im Gange ist). Auch die großzügige Balance of Performance mag das nicht zu verhindern.
Die anstehende Ausgabe der 24h von Spa sollte aber zunächst einmal ein grandioses Motorsport-Event werden: Audi, BMW, Mercedes, Lamborghini, Aston Martin, Ferrari, Porsche und eben McLaren… die Liste siegfähiger Autos ist lang und viele Wagen sind mit tollen Fahrerpaarungen besetzt.
Die Blancpain Endurance Series setzt sich aus drei GT3-Kategorien zusammen; zwischen den Fahrzeugen gibt es allerdings keinen Unterschied, lediglich zwischen den Fahrern, entsprechend die Namen: Pro Cup, Pro-Am Cup und Gentlemen Trophy. Die GT4 mit leider nur fünf Fahrzeugen sowie eine Handvoll Cup-Porsche bilden zudem separate Klassen. Um den Gesamtsieg sollte es allerdings im GT3 Pro Cup gehen.
Mit der Startnummer 1 geht der Vita4One-Ferrari F458 von Michael Bartels, mit den Co-Piloten Frank Kechele und Nico Verdonck, ins Rennen. Die sind zwar nicht Titelverteidiger was dieses Rennen angeht, doch Vitaphone ist immerhin noch amtierender GT1-Champion, das allerdings auf dem Maserati MC12, auf dem Bartels dieses Rennen bereits dreimal gewinnen konnte. Auch Verdonck und vor allem Frank Kechele sind starke junge Piloten. Knackpunkt wird die Technik des GT3-Ferrari sein: die bereitete in Le Mans (dort bei der GT2-Version) und auch bei kürzeren Endurance-Rennen bisher noch einige Probleme, doch beim 3h-Lauf in Navarra funktionierte sie problemlos und die #1 siegte.
Der einzige weitere Pro-Ferrari wird von SOFREV Auto Sport Promotion eingesetzt, Gouselard/Pla/Jousse bilden ebenfalls ein starkes Trio mit zwei erfahrenen und schnellen Piloten und dem Nachwuchsmann Jousse, der für Pescarolo dieses Jahr erstmals die 24h von Le Mans bestritt. Beide Teams setzten noch weitere Ferraris in der Pro Am-Cup-Klasse ein, ebenso AF Corse. Die ist allerdings so eng und mit einer Mischung aus bekannten und weniger bekannten Namen besetzt, dass ich mir kaum ein Urteil über eventuelle Favoriten erlauben möchte.
Einen werksunterstützten Großangriff auf den Gesamtsieg fährt in diesem Jahr Audi mit dem R8. Für das belgische WRT-Team gehen Longin/Albuquerque/Ortelli und Franchi/Scheider/Ekström an den Start, für Phoenix Fässler/Piccini/Rockenfeller und Basseng/Haase/Stippler – eine Kombination aus Werksfahrern aus diversen Serien und anderen erfahrenen GT-Piloten. Rein nominell sollten also Top-Plätze möglich sein, doch der R8 hat allzu oft über 24h-Distanzen Schwächen gezeigt, die mal zu kleineren Zeitverlusten, mal zu Ausfällen führten und große Siege bislang verhinderten. Zugute kommen dürfte den Ingolstädtern die vor einigen Wochen erfolgte Balance of Performance-Änderung, die ihnen einen größeren Restriktor gewährt.
Im Vorjahr war United Autosport, das US-Team von und mit Zak Brown, die Audi-Speerspitze, die Ränge 3 und 4 in der GT3 waren das Ergebnis. United Autosport ist wieder mit zwei R8 LMS am Start und auch die Besatzung ist wie gewohnt mit großen Namen versehen, mit einer Mischung aus Profis und Amateueren treten sie jedoch „nur“ im Pro Am-Cup an: die Ex-F1-Stars Mark Blundell und Eddie Cheever teilen sich die #11 mit Mark Patterson und Matthew Bell, die #12 wird vom zweifachen Indy500-Champion Arie Luyendyk sowie Alan Li, Richard Meins und Henri Richard gesteuert. Teamchef Brown sitzt mit Johnny Herbert, Stefan Johansson und Richard Dean auf der #23.
Weiter geht es mit den deutschen Fabrikaten: BMW hat mit dem über den Winter runderneuerten Z4 anfangs in der GT3-EM dominiert, wurde durch BoP-Änderungen dann etwas eingebremst. Zwei Wagen treten im Pro-Cup an: das eine ist Schubert Motorsport mit Dirk Werner, Edward Sandström und Claudia Hürtgen. Das andere ist ein neuer BMW-Kunde: MarcVDS hat erkannt, dass sich mit dem nun schon fünf Jahre alten Matech-Ford GT nicht mehr allzuviel reißen lässt und lässt seine Top-Besetzung Hennerici/Martin/Leinders auf einem Z4 antreten.
Wie bei Ferrari gilt: wenn der Wagen hält, könnten beide Teams vorn mitkämpfen. Beweisen konnte er das bisher nicht, denn bei den 24h auf der Nordschleife verunfallten beide Schubert-Z4 heftig. In der Pro-Am-Klasse tritt das niederländische Team DB Motorsport mit zwei BMW an; die Kategorie ist aber, wie schon gesagt, äußerst schwer einzuschätzen. Ein Podium könnte für DB allemal drin sein.
Besagtes MarcVDS-Team setzt neben dem BMW als Top-Auto weiterhin einen Ford GT im Pro Cup ein, hinzu kommen zwei Ford Mustang, die vielleicht nicht um Siege, aber zumindest um die Gunst des Publikums kämpfen werden.
Auch die nächste Marke kommt aus Deutschland: Porsche. Im Pro Cup sind die Zuffenhausener mit zwei Wagen vertreten: Prospeed Competition aus Belgien konnte jüngst einen EM-Lauf gewinnen, nachdem der gute alte 911er in der BoP etwas besser gestellt wurde und so könnte das „Heimteam“ aus Goossens/Heylen/Soulet auch hier wieder zu den Favoriten gehören, denn das Porsche eine 24h-Distanz durchhalten können, haben sie mehr als einmal bewiesen.
Ruberti/Roda/Gianmaria für AutOrlando sind das zweite Profi-Porsche-Team. Die drei konnten, etwas überraschend, den ersten Lauf der Blancpain Endurance Series in Monza gewinnen und führen die Meisterschaft auch nach den zweiten Lauf weiterhin an – entsprechend muss man die Italiener auf die Favoritenliste setzen.
Hochinteressant aus deutscher Sicht ist der Porsche mit der #888: der von der Nordschleife bekannte Haribo-Porsche des Manthey-Teams geht in Spa an den Start. Mit Richard Westbrook und Christian Menzel sitzen hier zwei Top-Leute am Steuer, hinzu kommen Haribo-Chef Hans-Guido Riegel und Mike Stursberg. Über Endurance-Erfahrung verfügt die Manthey-Truppe wie kaum eine andere, eine Top-Platzierung in der Pro-Am-Klasse, wenn nicht sogar im Gesamtklassement, sollte drin sein. Weitere Pro-Am-Porsches kommen auch von Mühlner Motorsport, die nahe der Rennstrecke von Spa beheimatet sind, sowie de Lorenzi Racing und Prospeed.
Nach Porsche (acht Fahrzeuge) ist Mercedes mit dem neuen SLS AMG mit sieben Wagen am stärksten vertreten. Dieser Wagen hat bereits bei den 24h auf der Nordschleife gezeigt, dass er Endurance-Rennen durchstehen kann und auch vom Handling her gut für Pro- und Am-Fahrer geeignet ist. Entsprechend beliebt ist das in der Anschaffung zwar teure, dafür aber im Unterhalt günstigere Gefährt.
Den am stärksten besetzten SLS dürfte Black Falcon mit Kenneth Heyer, Thomas Jäger und Stéphane Lemeret vorzuweisen haben, aber auch das niederländische KRK-Team hat mit Mike Hezemans und Anthony Kumpen erfahrene Piloten am Steuer. Beide setzen darüber hinaus noch einen Pro-Am-Wagen ein. Derer gleich zwei starten für das französische Graff Racing-Team, die in der GT3-EM schon den einen oder anderen guten Platz eingefahren haben. Hier sitzt mit Olivier Panis ein weiterer Ex-F1-Fahrer am Steuer, der auch 24h-Erfahrung hat, ebenso wie Co-Pilot Nicolas Lapierre.
Der Reiter-Lamborghini Gallardo ist mit vier Exemplaren vertreten, zwei davon warden von Reiter Engineering selbst eingesetzt: Nikolaus Mayr-Melnhof und Albert von Thurn und Taxis, die im EM-Rennen in Le Castellet einen Sieg einfahren konnten, werden im Pro-Fahrzeug von Eugenio Amos unterstützt. Der 26jährige hat in diesem Jahr wie in den letzten Jahren bereits einige Siege in der Lamborghini Super Trofeo holen können. Blancpain-Chef Marc Hayek sowie die Profis Peter Kox und Jos Menten gehören im zweiten Reiter-Lambo zu den stärkeren Besatzungen im Pro Am-Cup, allemal stärker einzuschätzen als die Schwesterautos vom Gulf Team First (das auch in Le Mans dabei war) und Rhino’s Leipert Motorsport.
Nach den italienischen und deutschen bleiben noch die britischen Hersteller übrig. Aston Martin schickt noch ein letztes Mal eine DB9-Rennversion, in diesem Falle den DBRS9, in ein großes 24h-Rennen, bevor im nächsten Jahr mit dem GT3-Vantage die Ablösung folgt. Zu den Favoriten auf den Gesamtsieg gehört Hexis Racing, und hier wohl vor allem die #4 mit Henri Moser, Stef Dusseldorp und dem enorm starken Frédéric Makowiecki. Die #3 mit Mena/Rodrigues/Claray schätze ich etwas schwächer ein.
Kein Favorit, aber in jedem Falle ein willkommener Anblick ist der Aston Martin mit dem weißen Andreaskreuz auf blauem Grund: Hugh McCraig hat das Traditionsteam Ecurie Ecosse zum zweiten Mal wiederbelebt. Auf das Konto der ursprünglichen Teams gehen zwei Le Mans-Gesamtsiege mit Jaguar D-Types 1956 und 1957; 1986, beim ersten Revival, holten die Schotten den Titel in der Sportwagen-WM. Nun treten sie 25 Jahre später in Kooperation mit Barwell Motorsport mit dem Quartett Bryant/Smith/McCaig/Twyman in der Pro Am-Klasse an. Die Konkurrenz ist hier allerdings so groß, dass eine Top-Platzierung nur mit viel Glück zu erreichen sein dürfte.
Last, but definitely not least: die 2011er Ausgabe der 24h von Spa wird das erste „große“ Rennen des McLaren MP4-12C sein. Eigentlich hätte der Wagen sein erstes Rennen schon in Monza oder Navarra bestreiten sollen, doch es gab immer wieder Verzögerungen und so stand der Wagen erst beim BritishGT-Lauf in Spa vor einigen Wochen erstmals auf dem Grid – und zwar ganz vorn, denn für eines der beiden Rennen dort holten Goodwin/Kirkaldy mit einer Sekunde Vorsprung die Pole. Die Plätze 12 und 4 sprangen in den beiden einstündigen Rennen heraus.
CRS Racing, das Team von Andrew Kirkaldy, hat die GT3-Variante entwickelt und ausgiebig getestet – dennoch: ob der Wagen auf Anhieb standfest genug ist, um 24 Stunden unter Rennbedingungen durchzustehen, muss er erst noch zeigen. Der Wagen hat als einziger ein Kohlefaser-Chassis, der 3,8l-V8-Motor ist der erste, den McLaren selbst konstruiert hat. Für die GT3-Variante musste er allerdings um ca. 100PS gegenüber der Straßenvariante heruntergetunt werden. Schnell sollte der McLaren zweifelsohne sein – Knackpunkt wird eben die Haltbarkeit sein.
Drei orangefarbene Wagen bringt McLaren an den Start, zwei davon werden von CRS im Pro Cup eingesetzt: Kirkaldy/Parente/Turvey und Bell/Goodwin/Mullen sind die zwei starken Trios. Ergänzt werden sie um das Pro/Am-Quartett Christodoulou/Geddie/Quaife/Wills in einem von VonRyan Racing betreuten Wagen. Vor allem auf den jungen Schotten Glynn Geddie sollte man hier ein Auge haben: er stieg 2010 in die Britische GT-Meisterschaft ein und holte mit Teamkollege David Ashburn vier Siege – der Titel ging an Ashburn allein, da Geddie erst während der Saison eingestiegen war.
Noch ein ganz kurzer Blick auf die GT4-Klasse: die ist eigentlich nicht uninteressant, aber da leider mehrere Bewerber nicht auf die endgültige Entry List gekommen sind, sondern auf der Reserve-Liste hängen geblieben sind, ist die Besetzung mit vier Fahrzeugen sehr dünn. Schade, dass die Organisatoren, der Klasse nur eine so kleine Rolle einräumen, wo doch die Starterzahl in Spa so groß ist.
Um den Sieg dürften sich – größere Probleme ausgeschlossen – der Lotus Evora von Greg und Leo Mansell sowie Nachwuchsmann Edoardo Piscopo und der Nissan 370Z von Buncombe/Ward/Tresson streiten. Die weiteren Teilnehmer sind ein BMW M3 von DVB Racing sowie der Speed Lover-Aston Martin Vantage. Bei nur vier Teilnehmern braucht es natürlich nur ein wenig Glück, um plötzlich ganz vorn zu stehen. 2010 siegte Jota Sport mit einem Aston Martin Vantage – das Team ist inzwischen in die GTE-Klasse der Le Mans Series aufgestiegen.
Das Rennen wird heute um 16 Uhr gestartet. MotorsTV überträgt ausführlich mit mehreren mehrstündigen Fenstern. Wer kein MotorsTV empfängt, kann auch auf Sport1 im FreeTV Teile des Rennens verfolgen, allerdings etwas weniger als auf MotorsTV. Die genaueren Zeiten finden sich im TV-Programm.
2 Kommentare
[…] hatten in der Vorschau schon ausführlich beschrieben, was in den nächsten Stunden in Spa los sein wird. Aber 70 Wagen in Spa sind schon ein […]
Wenn ich das richtig sehe sind übrigens die Übertragungsfenster auf Sport1+ grösser und z.T. günstig gestaffelt mit Sport1.
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