Auf dem Indianapolis Motor Speedway gab es eine faustdicke Überraschung, als sich der Nebel der Strategien lichtete und im Endspurt plötzlich Paul Menard an der Spitze zu finden war. Ihm gelang es als einziger Fahrer ohne finalen Boxenstopp, genügend Sprit für ein Duell mit dem heranstürmenden Favoriten Jeff Gordon zu sparen und seinen ersten Sieg im Sprint Cup zu holen.
Wer hätte gedacht, dass am Ende des Nachmittags auf einmal Paul Menard in der Victory Lane steht? Na klar, der Name der Menard-Familie ist untrennbar mit dem Indianapolis Motor Speedway verbunden und jahrelang musste man auf den ersten Sieg auf dieser so legendären Strecke warten. Doch dass dies ausgerechnet dem als Paydriver verschrieenen Sprössling des Baumarktmagnaten John Menard gelingen würde, kam dann doch schon etwas überraschend. Immerhin hatte Team Menard in der IndyCar-Series einige Hochkaräter im Einsatz, um das große Indy 500 zu gewinnen, doch die beste Platzierung bei den Open-Wheelern blieb 1992 ein dritter Rang des großen Al Unser Sr. Fast zehn Jahre später toppte man diesen Rekord nun familienintern und der Erfolg im Benzinkrimi war durchaus gerechtfertigt!
Man kann über Paul Menard sagen was man will, doch eines ist er nicht: ein klassischer Paydriver! Menard hat sich seine Meriten und Chancen immer selbst verdient, auch wenn er es durch Papas Geld natürlich etwas einfacher als die Konkurrenz hatte. Zwar gehörte er in den unteren Rennklassen nicht immer zu den Meisterschaftsanwärtern, doch nach mehreren regionalen Kart-Titeln konnte er auch in den Folgejahren bei stärker werdender Konkurrenz noch einzelne Rennsiege in den damaligen unterklassigen NASCAR-Ligen sammeln. Seit 2003 fährt Menard in den drei nationalen Serien der NASCAR und legte in Nationwide Series und bei den Trucks sofort einige Top10-Resultate auf den Asphalt.
Nach vereinzelten Rennen 2005 und 2006 (wo er im zweiten Auftritt bereits einen siebten Platz in Atlanta herausfuhr) begann schließlich 2007 seine Cup-Karriere vollends. In besagtem Jahr startete er gemeinsam mit Rookies wie Juan Pablo Montoya und David Ragan in der höchsten NASCAR-Liga. Passend zu David Ragan und dem annähernd gleich gestarteten Regan Smith (ab 2008 Vollzeit) holte auch Menard 2011 seinen ersten Sprint-Cup-Sieg. Die bisher größten Erfolge in den Oberklassen der NASCAR waren für Paul Menard 2006 ein Sieg in Milwaukee (in seinem Heimatstaat Wisconsin) und eine Top5-Meisterschaftsplatzierung 2010, beides in der Nationwide Series.
Seit diesem Jahr verfügt er nach seinem Wechsel von Richard Petty Motorsports zu Richard Childress Racing über eines der besten Autos im Feld, was die drei Saisonsiege von Teamkollege Kevin Harvick 2011 beweisen. Mit dem Erfolg in Indianapolis hat sich Paul Menard sogar zu den Wildcard-Contendern aufgeschwungen und verdrängte David Ragan vom zweiten Bonus-Platz für den diesjährigen Chase. Dass Menard ein passabler Fahrer ist, wenn er über passendes Material verfügt, bewies er durch seine Top5- und Top10-Statistik, welche er zu Saisonhalbzeit im Vergleich zur bisherigen Karriere gleich mal verdoppeln konnte. Mit etwas Glück bringt ihn das als zweiten RCR-Fahrer hinter Kevin Harvick und noch vor Clint Bowyer sowie Jeff Burton in die Playoffs. Zu gönnen wäre es dem in Interviews immer sehr sympathischen Paul Menard!
Nun bleibt natürlich die Frage, wie Menard sich so spät im Rennen an die Spitze des Feldes brachte, um dem bis dahin riesigen Siegkandidaten Jeff Gordon den Erfolg vor der Nase wegzuschnappen. Alles in allem empfand ich das Rennen über seine knapp drei Stunden mehr als unübersichtlich. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass ich erst rund 60 Minuten nach dem Start einschalten konnte, weil mir die A1 mal wieder viel Freude bereitete…
In puncto Strategie ergaben sich schon vom Start weg einige interessante Möglichkeiten, so waren ausgerechnet auf der Reifen-mordenden Strecke von Indianapolis Two-Tire-Stops möglich. Das zeigt natürlich, wie Goodyear in den vergangenen Jahren die Gummimischung auf diesem Speedway für das CoT verbessern konnte, was angesichts des rauen Asphalts in Indy schon eine mehr als gute Leistung ist. Diese Two-Tire-Stops sorgten dann auch dafür, dass das Feld bei den nur fünf Gelbphasen gleich einige Male kräftig durcheinandergeworfen wurde.
Diese Reifensituation in Kombination mit dem Fallen der letzten Caution des Tages legte dann auch den Grundstein eines jeden Resultats am Sonntagnachmittag: 40 Runden vor Schluss ergab sich für einige Fahrer weiter hinten im Feld die Möglichkeit, das Pit-Window von gut 30 (!) Runden zu schließen – zumindest bei einer weiteren Caution. Diese Taktik nutzten unter anderem Paul Menard, Jamie McMurray, Mark Martin, Trevor Bayne, Regan Smith und Tony Stewart. Letzterem wurde nach gut 25 Runden klar, dass der Sprit bei ihm nicht reichen würde, was Smoke aus der Entscheidung nahm. Die anderen fünf Piloten sparten in den folgenden Runden unter Grün massiv an Benzin und hofften auf eine weitere Gelbphase, um die letzten Gallonen zu sparen. Da diese Caution allerdings nicht mehr kam, wurde es für die Gambler eng.
Zum einen lieferten sich zum Beispiel Menard und McMurray rundenlange Duelle im Schneckentempo, während sie zum anderen zeitgleich vom Rest des Feldes mit vollen Tanks im Sprint-Tempo eingeholt wurden. Fahrer wie Jeff Gordon, der ein Viertel des Rennens in Führung lag und als Favorit auf den Sieg galt, konnten nicht mit der Stochastik spielen und mussten sich ca. 15 Runden nach der fünften und letzten Gelbphase noch eine weitere Ladung Sprit und neue Reifen abholen, um nicht trockenzulaufen. Ebenfalls in dieser Gruppe unterwegs und während der letzten Caution nicht tanken waren unter anderem Brad Keselowski, Juan Pablo Montoya, Jeff Burton, Matt Kenseth und Jimmie Johnson, welche später zu 50% weit außerhalb der Top10 landeten.
Hier gab eine weitere taktische Entscheidung den Ausschlag: Montoya hatte zum Beispiel in der vorletzten Gelbphase nur zwei neue Reifen aufziehen lassen und musste für das große Finale noch einmal neue Gummis auf der linken Seite holen. Da aber nach der fünften Caution keine weitere mehr kam, musste er unter grüner Flagge alle vier Räder wechseln, was sich als katastrophaler Zeitverlust entpuppte. Am Ende landete Montoya somit nur auf einem extrem enttäuschenden 28. Rang und kann seine Playoff-Träume nun wohl endgültig begraben, wenn in Pocono und/oder Watkins Glen nicht gerade ein Wunder geschieht.
Platz 20 in der Meisterschaft ist die Quittung für die letzten Fehlentscheidungen auf Crew-Chief-Seite, man muss Jim Pohlman anscheinend noch etwas mehr Zeit einräumen. Trotzdem hat Pohlman den schlechtesten Call des Rennens aller Crew-Chiefs zu verantworten, denn so weit hinten landete letztendlich kein Siegfavorit am Sonntag. Montoya hielt sich immerhin einen großen Teil des Tages in den Top10 auf und kam bis zum letzten Boxenstopp sogar in den Top3 unter.
Jeff Gordon wiederum brauchte bei seinem Green-Flag-Pitstop nur noch zwei Reifen auf der rechten Seite wechseln lassen und war damit dann der spritsparenden Spitze auf den Fersen. Das Duell wurde ca. vier Runden vor Schluss zum Endspurt, als Paul Menard das Signal zum Durchstarten bekam und Jamie McMurray und Mark Martin auf einen Schlag stehen ließ. Von hinten kam zwar Gordon mit riesen Schritten näher und näher, doch an einen Erfolg kam Letzterer nicht mehr näher als 100m ran. Zu souverän verteidigte Menard die Führung auch im Überrundungsverkehr und warf anders als JR Hildebrand beim Indy 500 nicht in der letzten Kurve der letzten Runde seinen Wagen in die Mauer. Ein bisschen daran denken musste ich ja zugegebenermaßen schon.
Was Menards Sieg dann wirklich verdient und überragend machte, war die Tatsache, dass er gute zehn Runden Sprit sparen konnte, was außer ihm keinem anderen Fahrer bei vergleichbarer Pace gelang. McMurray konnte im Schlusssprint nicht mithalten und rutsche noch auf Rang 4 ab, während Mark Martin am Ende bis auf Platz 8 durchgereicht wurde. Regan Smith wurde überraschend Dritter! Die Marken-Verteilung in den Top10 entsprach am Ende tatsächlich meiner Prognose aus der Vorschau, auch wenn die Fords mich über das gesamte Wochenende hinweg doch mehrfach mit Trainingsbestzeiten und einer Pole-Position an den Rand der Unglaubwürdigkeit brachten…
Trotzdem dominierten im Rennen die Chevrolets von Hendrick Motorsports, gefolgt von Kasey Kahne, der bemerkenswerterweise in seinem Red-Bull-Toyota die meisten Führungsrunden einfahren konnte. Diese kamen jedoch direkt zum Start des Rennens zusammen, am Ende war er nach einem Ausritt durchs Gras nach dem Dreher von Landon Cassill zu weit ins Hinterfeld zurückgefallen und hatte keine Chance mehr auf den Sieg. Was mich ziemlich überrascht hat, ist die die Performance von Penske Racing, die ich doch deutlich weiter vorne vermutet hatte. Immerhin konnte Brad Keselowski ein Top10-Ergebnis und 17 Führungsrunden einstreichen, während Kurt Busch nach einem kleinen Mauerkuss früh im Rennen nie zur erwarteten Form finden konnte.
Ein kurzer Blick noch auf die Meisterschaftstabelle: Carl Edwards konnte sich an der Spitze der Fahrerwertung halten, da Jimmie Johnson und Kurt Busch noch schlechtere Ergebnisse einfuhren. Busch rutschte sogar um drei Positionen auf Platz 6 ab! Für Dale Earnhardt Jr wird es als Zehnter am Ende der Playoff-Positionen langsam eng, doch das war an diesem Wochenende wieder nicht seine Schuld. Junior war lange in den Top10 unterwegs und wurde am Ende ein weiteres Opfer der unterschiedlichen Strategien. Was er derzeit braucht, ist ein Sieg, der seine Chase-Qualifikation festigen könnte.
Außerhalb der Top10 lauern derzeit Denny Hamlin und Clint Bowyer in halbwegs unmittelbarer Nähe, wobei Hamlin auch eine Wildcard besetzt. Die zweite geht momentan an Paul Menard, der nach seinem Sieg in der Meisterschaft sieben Punkte vor dem dritten Sieger zwischen Platz 11 und 20, David Ragan, liegt.
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung.
In der nächsten Woche geht es am Sonntagabend mit dem zweiten (überflüssigen) Saisonrennen in Pocono weiter, bevor danach die zweite Rundkurs-Station in Watkins Glen ansteht.
2 Kommentare
sehr schöne Zusammenfassung des Rennens
Glückwunsch an Paul Menard
Da haben ausser Montoya und sein Crewchief auch Chad Knaus und JJ ins Klo gegriffen mit 4 neuen Reifen.So hat man halt ein Top10 Platz weggeworfen.
Bloss was mich gewundert hat das JJ noch auf Platz 19 nach vorne fahren konnte und Montoya nicht mehr und das obwohl JJ noch hinter Montoya nach dem letzten Pitstop unter grün wieder auf die Strecke ging.
Entweder hatte er einen leichten Mauerkontakt oder der Rennspeed des Autos war mal wieder gegen Rennende nicht mehr so gut.
Und mit Platz 28 würd ich sagen das er zu 98% den Chase nicht schafft.Lasse mich aber gern des besseren belehren.
Montoya hat beim letzten Stop auch nur 2 neue Reifen bekommen und damit 3 mal hintereinander links nicht gewechselt. Der Stop dauerte nur lange 11 Sec., weil der Sprit nicht in den Tank wollte. Er hat vom Speed her nur ein Top 10 Auto gehabt, und am Enden dann ohne Reifen und mit der falschen Taktik nix mehr ausrichten können. Der Fehler war, beim vorletzten Stop nur 2 Reifen zu nehmen.
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